Inhalt

AG München, Endurteil v. 25.08.2021 – 485 C 3241/20 WEG
Titel:

Verlust der Prozessführungsbefugnis des Wohnungseigentümers nach Verwalteräußerung und Entscheidungsreife trotz Vergleichs

Normenketten:
ZPO § 156, § 278
BGB § 1004
WEG § 9a Abs. 2, § 9b, § 18 Abs. 1, § 48 Abs. 5
Leitsätze:
1. Der vom Kläger nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorgetragene Umstand der vergleichsweisen Einigung zwischen der Wohnungseigentümergemeinschaft und dem Beklagten über die streitgegenständlichen Rückbauansprüche stellt keinen entscheidungserheblichen, zum Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung zwingenden Umstand dar, wenn der Rechtsstreit wegen Verlusts der Prozessführungsbefugnis entscheidungsreif ist. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wenn der Verwalter schriftlich gem. § 9b WEG äußert, es sei „der Wunsch und Wille der Gemeinschaft, die Rückbauansprüche gegen den Beklagten selbst geltend zu machen“, kann aus einem sodann erfolgten Vergleichsschluss nicht hergeleitet werden, dass diese Erklärung nur fingiert gewesen sei. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Wohnungseigentümer, der mit einer vor dem 1.12.2020 rechtshängigen Klage die aus dem gemeinschaftlichen Eigentum fließenden Rechte aus § 1004 BGB einklagt, verliert gem. § 9b WEG die Prozessführungsbefugnis, wenn dem Gericht nach dem 1.12.2020 eine schriftliche Äußerung des vertretungsberechtigten Organs der Gemeinschaft über deren entgegenstehenden Willen zur Kenntnis gebracht wird. (Rn. 38 – 41) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Wohnungseigentümer, Gemeinschaftseigentum, Störung, Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch, Prozessführungsbefugnis, Ausübungsbefugnis, schriftliche Äußerung des entgegenstehenden Willens, Vergleich, Wiedereintritt, Entscheidungsreife, Unzulässigkeit
Fundstelle:
BeckRS 2021, 36882

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 20.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten den Rückbau baulicher Veränderungen am Gemeinschaftseigentum.
2
Klägerin und Beklagter sind Miteigentümer der Wohnungseigentümergemeinschaft E. straße 1 / S. K. Platz 2, 8. M., deren Verwalterin die Immobilien xxx e.K., W 23, 8. M. ist.
3
In der ordentlichen Eigentümerversammlung vom 30.05.2017 genehmigten die Eigentümer dem Beklagten durch mehrheitlichen Beschluss zu TOP 9 (Anlage K1) die Errichtung einer Dachterrasse am Schrägdach des Anwesens E. straße 1 samt Dachausstieg. Auf die Anfechtung der Klägerin hin erklärte das Amtsgericht München mit Urteil vom 02.05.2018, Az.: 485 C 11916/17 WEG, diesen Beschluss für ungültig (Anlage K3). Nach dem Hinweis des Landgerichts München I durch Beschluss vom 12.04.2019, Az.: 36 S 7511/18 WEG, nahm der Beklagte die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung mit Schriftsatz vom 03.06.2019 zurück (Anlage K4).
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Der Beklagte errichtete den Dachaustritt (4 m Länge x 2 m Breite) am Schrägdach des Anwesens als rechteckige Plattform, aufgeständert auf zwei Stahlträger. Am nördlichen und östlichen Ende des Dachaustritts ist zur Absturzsicherung ein Geländer aus Stahl montiert (Höhe ca. 120 cm). Zur Herstellung des Ausstiegs baute der Beklagte in die südliche, zur E. straße gerichtete Dachfläche des Eckgebäudes E. straße 1 anstelle des bisherigen Dachflächenfensters (114 cm Breite x 118 cm Höhe) ein größeres Dachflächenfenster (260 cm Breite x 170 cm Höhe), unterteilt in drei gleich große Fensterelemente ein. Die in der südlichen Dachfläche vorhandene Öffnung (114 cm Breite x 118 cm Höhe) vergrößerte der Beklagte (260 cm Breite x 170 cm Höhe).
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Das Schrägdach des Anwesens steht im Gemeinschaftseigentum.
6
Mit anwaltlichem Schreiben vom 10.12.2019 (Anlage K5) forderte die Klägerin den Beklagten unter Fristsetzung bis zum 23.12.2019 erfolglos zur Beseitigung auf.
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In der ordentlichen Eigentümerversammlung vom 08.09.2020 beschlossen die Eigentümer mehrheitlich unter TOP 7 die Vergemeinschaftung der Ansprüche auf Rückbau der von dem Beklagten vorgenommenen hier streitgegenständlichen baulichen Maßnahmen (Anlage B1). Dieser Beschluss wurde von der Klägerin angefochten. Das Anfechtungsverfahren wird am Amtsgericht 485 C 3241/20 WEG München unter dem Az.: 1295 C 17749/20 WEG geführt und ist noch nicht abgeschlossen.
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Am 14.06.2021 ging beim Amtsgericht München ein Schreiben der Verwalterin der Wohnungseigentümergemeinschaft E. straße 1 / S. K. Platz 2, 8. M. unter dem Az.: 485 C 3241/20 WEG ein. Dieses lautet auszugsweise wie folgt (Bl. 58 d.A.):
„Namens und in Vollmacht der WEG E. straße 1 / S. K. Platz 2, 8. M., bringen wir in Bezug auf das hiesige Verfahren und dem individuellen Vorgehen der Klägerin den entgegenstehenden Willen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zum Ausdruck.
Es ist der Wunsch und Wille der Gemeinschaft, die Rückbauansprüche gegen den Beklagten selbst geltend zu machen, um insbesondere die Rückbauansprüche der vom Beklagten gegenüber der WEG geltend gemachten Forderung von Euro 111.651,33 entgegenhalten zu können.
Aus diesem Grund hat die Gemeinschaft in der Eigentümerversammlung vom 08.09.2020 unter TOP 7 die Geltendmachung und Durchsetzung der Rückbauansprüche durch Beschluss an sich gezogen.“
9
Die Klägerin ist der Ansicht, die Rechtsprechung des BGH zum Verlust der Prozessführungsbefugnis nach Inkrafttreten des WEMoG sei hier nicht anwendbar, da eine Beschlussfassung vorliege aus der sich ein kollusives Zusammenspiel der Wohnungseigentümergemeinschaft und des Beklagten ergebe. Der Beschluss zur Vergemeinschaftung des Rückbauanspruchs sei eine Finte des Beklagten und seines Prozessbevollmächtigten, auf die sich die Gemeinschaft willig eingelassen habe. Die Eigentümergemeinschaft habe dem Beklagten die Errichtung der Dachterrasse am Gemeinschaftseigentum mit Beschluss zu TOP 9 der ordentlichen Eigentümerversammlung vom 30.05.2017 gegen dessen Kostenübernahme und Durchführung der Teilsanierung des angeblich sanierungsbedürftigen Dachstuhls gestattet. Trotz der rechtskräftig festgestellten Ungültigkeit des Beschlusses habe der Beklagte während der laufenden Verfahren den Dachaustritt errichtet und angeblich den Dachstuhl im Bereich seiner Wohnung saniert. Lediglich zum Schein habe der Beklagte in der Eigentümerversammlung vom 08.09.2020 unter TOP 6 (Anlage B1) die Erstattung seiner behaupteten Renovierungskosten in Höhe von 111.651,33 € beantragt um seine Dachterrasse trotz Beschlussanfechtung behalten zu können. Der Erstattungsanspruch sei durch die Eigentümer ebenso zum Schein mehrheitlich abgelehnt worden. Die Vergemeinschaftung des Rückbauanspruchs sei beschlossen worden um den Beseitigungsanspruch der Klägerin zu torpedieren, um im Vergleichswege mit dem Beklagten die Gestattung des Dachterrassenaustritts gegen den Erlass der beim Beklagten angefallenen Renovierungskosten für den Dachstuhl wiederzubeleben.
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Bei der streitgegenständlichen Maßnahme handele es sich um eine massive bauliche Veränderung am gemeinschaftlichen Eigentum durch Umgestaltung des Gebäudes. Von dieser gehe eine erhebliche optische Beeinträchtigung aus, durch die das architektonische Aussehen im Äußeren, sowie das ästhetische Bild und der Stil des Anwesens verändert werde. Dies führe insgesamt zu einer Veränderung des Gesamteindrucks der Wohnanlage. Diese optische Beeinträchtigung stünde mit dem Urteil des Amtsgerichts München vom 02.05.2018, Az.: 485 C 11916/17 WEG, bereits fest.
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Mit am 26.02.2020 beim Amtsgericht München eingegangenem Schriftsatz vom 25.02.2020 hat die Klägerin Klage eingereicht. Die Klage wurde dem Beklagten am 01.04.2020 zugestellt.
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Die Klägerin beantragt,
I. Der Beklagte wird verurteilt, das in die westliche, zum S. K. Platz gerichtete Dachfläche des Eckgebäudes S. Platz 2 eingebaute, zusätzliche Dachflächenfenster auszubauen. Der Beklagte wird weiter verurteilt, nach Ausbau des Dachflächenfensters die, in die westliche Dachfläche eingebrachte rechteckige Öffnung mit den Maßen 114 cm Breite x 118 cm Höhe wieder zu verschließen, zur Herstellung einer geschlossenen Dachfläche.
II. Der Beklagte wird verurteilt, das in die südliche, zur E. straße gerichtete Dachfläche des Eckgebäudes E. straße 1 anstelle des bisherigen Dachflächenfensters mit einer Größe von 114 cm Breite x 118 cm Höhe eingebaute größere Dachflächenfenster, mit einer Größe von 260 cm Breite x 170 cm Höhe, unterteilt in drei gleich große Fensterelemente, auszubauen und das bisherige Dachflächenfenster mit einer Größe von 114 cm Breite x 118 cm Höhe einzubauen.
Der Beklagte wird verurteilt die in der südlichen Dachfläche vorhandene Öffnung, mit einer Größe von 260 cm Breite x 170 cm Höhe auf die Maße 114 cm Breite x 118 cm Höhe zu verkleinern, um sodann das bisherige Dachflächenfenster in die verkleinerte Öffnung einzubauen.
III. Der Beklagte wird weiterhin verurteilt, den auf die nord-östliche, zum Innenhof gerichtete Dachfläche in der 3. Dachebene des Eckgebäudes S. Platz 2 / E. straße 1 gesetzten Dachaustritt, von 4 m Länge und 2 m Breite, auf dem Dach abzubauen, einschließlich zweier Stahlträger, auf denen der Dachaustritt aufgeständert ist.
IV. Der Beklagte wird verurteilt, den anstelle des bisherigen Dachflächenfensters mit einer Größe von 78 cm Breite x 165 cm Höhe, im Eckbereich der Gebäude S.-K. Platz 2, E. straße 1, in der zum Innenhof gerichteten Dachfläche des Gebäudes S. Platz 2 eingebauten Dachausstieg in einer Größe von 78 cm Breite x 136+109 cm Höhe zurückzubauen und das bisherige Dachflächenfenster wieder einzubauen.
13
Der Beklagte beantragt,
Klageabweisung.
14
Der Beklagte ist der Ansicht, die Klägerin habe ihre Prozessführungsbefugnis verloren. Die Klage sei unschlüssig. Der streitgegenständliche Dachaustritt führe nicht zu einer Änderung der Eigenart der Wohnanlage und einem uneinheitlichem Erscheinungsbild.
15
Mit am 20.07.2021 beim Amtsgericht München eingegangenem Schriftsatz vom 20.07.2021 hat die Klägerin die Wiederöffnung der Verhandlung beantragt, da sich die Wohnungseigentümergemeinschaft und der Beklagte vergleichsweise geeinigt hätten und sich daraus ergebe, dass die Erklärung der Verwalterin vom 09.06.2021 gegenüber dem Gericht fingiert sei. Die Vergleichsvereinbarung sei bereits am 13.06.2021 unterzeichnet worden.
16
Zur Ergänzung des Tatbestands wird im Übrigen auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 16.06.2021 (Bl. 66/68 d.A.) abschließend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist unzulässig.
18
I. Die Wiedereröffnung der Verhandlung ist abzulehnen.
19
Nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung sind keine Umstände aufgetreten, aus denen sich eine Pflicht zur Wiedereröffnung nach § 156 Abs. 2 ZPO oder eine Wiedereröffnung nach pflichtgemäßem Ermessen i.S.d. § 156 Abs. 1 ZPO ergibt. Der von der Klägerin nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung vorgetragene Umstand einer vergleichsweisen Einigung zwischen der Wohnungseigentümergemeinschaft und dem Beklagten stellt keinen Umstand dar, aufgrund dessen sich die Sache doch noch nicht als entscheidungsreif erweist.
20
1. Die in § 156 Abs. 2 ZPO nicht abschließend genannten Fallgruppen sind nicht einschlägig.
21
2. Eine Wiedereröffnung der Verhandlung ist auch nach pflichtgemäßem Ermessen i.S.d. § 156 Abs. 1 ZPO nicht veranlasst.
22
Nach § 156 Abs. 1 ZPO kann das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen die Wiedereröffnung einer Verhandlung, die geschlossen war, anordnen, wenn Umstände auftreten, die eine weitere Erörterung sachgerecht erscheinen lassen (vgl. BGH, Urteil vom 01.02.2002 - V ZR 357/00, NJW 2002, 1426). Bei der Ermessensentscheidung hat das Gericht die widerstreitenden Interessen der Parteien abzuwägen und mit Blick auf den Grundsatz der Verfahrensbeschleunigung auch zu berücksichtigen, ob durch die Wiedereröffnung eine Verfahrensverzögerung durch ein ansonsten nachfolgendes Rechtsbehelfsverfahren vermieden werden kann (vgl. BeckOK ZPO/Wendtland, 41. Ed. 01.07.2021 Rn. 9, ZPO § 156 Rn. 9).
23
Streitentscheidend ist im vorliegenden Verfahren der Verlust der Prozessführungsbefugnis der Klägerin.
24
Bei dem von der Klägerin nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Umstand der vergleichsweisen Einigung zwischen der Wohnungseigentümergemeinschaft und dem Beklagten über die hier streitgegenständlichen Rückbauansprüche handelt es sich um keinen für die Frage des Verlusts der Prozessführungsbefugnis entscheidungserheblichen Umstand. Der Rechtsstreit ist damit weiter zur Entscheidung reif. Insbesondere kann auch durch eine Wiedereröffnung unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verfahrensbeschleunigung eine Verfahrensverzögerung durch ein ansonsten nachfolgendes Rechtsbehelfsverfahren nicht vermieden werden, da jedenfalls das von der Klägerin vermutete Bestreben der Wohnungseigentümergemeinschaft und des Beklagten einer Vergleichsvereinbarung bereits Gegenstand des schriftsätzlichen klägerischen Vorbringens und der mündlichen Verhandlung war. Dass die Vermutung nun eingetreten ist ändert nichts an der bereits erfolgten Erörterung, insbesondere im Hinblick auf die Erörterung zur nicht Entscheidungserheblichkeit dieser Tatsache.
25
Die Klägerin trug bereits im Schriftsatz vom 16.12.2020 (Bl. 41/43 d.A.) vor, dass die Beschlussfassung zu TOP 6 und TOP 7 der ordentlichen Eigentümerversammlung vom 08.09.2020 lediglich zum Schein erfolgte und die Wohnungseigentümergemeinschaft und der Beklagte tatsächlich nur eine vergleichsweise Einigung anstreben würden.
26
Mit Verfügung vom 09.06.2021 (Bl. 57 d.A.) wies das Gericht darauf hin, dass für die Beurteilung der Frage des Verlusts der Prozessführungsbefugnis der Klägerin nach dem Wortlaut der Entscheidung des BGH (Urteil vom 07.05.2021 - V ZR 299/19 - Rn. 12, juris) ausschließlich darauf abzustellen sei, ob dem Gericht eine schriftliche Äußerung des nach § 9b WEG  vertretungsberechtigten Organs über einen entgegenstehenden Willen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zur Kenntnis gebracht wird. Dabei wies das Gericht auch darauf hin, dass nach dieser Entscheidung als Beurteilungsgrundlage für das Vorliegen eines entgegenstehenden Willens der Gemeinschaft allein die - im Außenverhältnis maßgebliche - Äußerung ihres nach § 9b WEG vertretungsberechtigten Organs heranzuziehen sei und es auf die Wirksamkeit der Entscheidungsbildung der Wohnungseigentümer im Innenverhältnis, insbesondere die Wirksamkeit eines dazu gefassten Beschlusses, nicht ankomme (vgl. BGH, Urteil vom 07.05.2021 - V ZR 299/19 -, Rn. 24, juris).
27
Da es auf die Wirksamkeit der Beschlussfassung zu TOP 7 der ordentlichen Eigentümerversammlung vom 08.09.2020 nach dem Urteil des BGH (vom 07.05.2021 - V ZR 299/19) für die Frage des Verlusts der Prozessführungsbefugnis demnach nicht ankommt, hat das Gericht auch von einer Aussetzung des hiesigen Verfahrens bis zum Abschluss des Anfechtungsverfahren, Az.: 1295 C 17749/20 WEG, abgesehen.
28
In der mündlichen Verhandlung vom 16.06.2021 hat das Gericht mit den Parteivertretern ausweislich des Protokolls diese Rechtsansicht erörtert. Hierbei hat die Klägerin auch zu dem behaupteten kollusiven Zusammenspiel zwischen der Wohnungseigentümergemeinschaft und dem Beklagten und der hieraus abzuleitende Nichtanwendbarkeit der Rechtsprechung des BGH vorgetragen.
29
Eine Wiedereröffnung der Verhandlung ist daher mit Blick auf den Grundsatz der Verfahrensbeschleunigung nicht geboten.
30
Auch lässt sich entgegen dem Vorbringen der Klägerin nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung aus dem Umstand der Vergleichsvereinbarung, unterzeichnet am 13.06.2021, nicht ableiten, dass die Erklärung der Verwalterin vom 09.06.2021 gegenüber dem Gericht, wonach es Wunsch der Gemeinschaft sei, die Rückbauansprüche gegen den Beklagten selbst geltend zu machen, fingiert sei.
31
Allein aus dem Umstand, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft zur Rechtsverfolgung kein gerichtliches Verfahren, sondern eine vergleichsweise Einigung angestrebt hat, kann nicht darauf geschlossen werden, dass die im Außenverhältnis maßgebliche Äußerung des nach § 9b WEG vertretungsberechtigten Organs der Wohnungseigentümergemeinschaft gegenüber dem Gericht nur zum Schein abgegeben worden sei. An dieser Stelle sei darauf verwiesen, dass auch ein gerichtliches Verfahren zur Rechtsverfolgung gem. § 278 ZPO in jeder Lage des Verfahrens gütlich beigelegt werden könnte. Bei dieser Schlussfolgerung der Klägerin handelt es sich vielmehr im Ergebnis um die bereits in der mündlichen Verhandlung von der Klägerin vorgetragene Ansicht, dass auf die Wirksamkeit der Entscheidungsbildung der Wohnungseigentümer im Innenverhältnis, insbesondere die Wirksamkeit eines dazu gefassten Beschlusses, entgegen der Entscheidung des BGH abzustellen sei, da ein kollusives Zusammenwirken der Wohnungseigentümergemeinschaft und des Beklagten vorliege, da von vornherein eine vergleichsweise Einigung gewünscht gewesen sei und es sich damit um eine Fallkonstellation handele, die der BGH bei seiner Entscheidung unberücksichtigt gelassen habe. Die Klägerin verkennt jedoch, dass der BGH auch die vergleichsweise Einigung als zulässiges Mittel der Rechtsverfolgung durch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nach der Äußerung eines entgegenstehenden Willens der Gemeinschaft durch das vertretungsberechtigte Orang i.S.d. § 9b WEG in seiner Entscheidung herangezogen hat.
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Der BGH stützt seine Entscheidung, dass für die bereits vor dem 01.12.2020 bei Gericht anhängigen Verfahren die Prozessführungsbefugnis eines Wohnungseigentümers, der sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebende Rechte geltend macht, über diesen Zeitpunkt hinaus fortbesteht, bis dem Gericht eine schriftliche Äußerung des nach § 9b WEG vertretungsberechtigten Organs über einen entgegenstehenden Willen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zur Kenntnis gebracht wird, auf die Anwendung des Rechtsgedankens des § 48 Abs. 5 WEG (vgl. BGH, Urteil vom 07.05.2021 - V ZR 299/19 -, Rn. 22, juris).
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Hierzu führt der BGH aus, dass dem § 48 Abs. 5 WEG die Vorstellung des Gesetzgebers zugrunde liegt, dass Änderungen des Verfahrensrechts bereits anhängige Verfahren unberührt lassen, die Änderung verfahrensrechtlicher Vorschriften also auf den Ausgang eines bei Inkrafttreten der verfahrensrechtlichen Neuregelung anhängigen Verfahrens keine Auswirkungen haben soll. Dadurch werde im Interesse der Rechtssicherheit das mit Beginn des Rechtsstreits eingegangene Risiko nicht durch nachträgliche Änderungen dessen formaler Abwicklung verändert. Im Hinblick auf den (auch) verfahrensrechtlichen Charakter von § 9a Abs. 2 WEG sei daher anzunehmen, dass es dem Plan des Gesetzgebers entspreche, die Prozessführungsbefugnis eines Wohnungseigentümers in einem bei Gericht bereits anhängigen Verfahren nicht schon durch das bloße Inkrafttreten der Neuregelung entfallen zu lassen. Der Gesetzgeber hätte aber zugleich auch den Rechten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Rechnung getragen, der er in § 18 Abs. 1 WEG die Aufgabe der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums und in § 9a Abs. 2 WEG die alleinige Ausübungsbefugnis für die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte zugewiesen hat. Dementsprechend hätte der Gesetzgeber das Recht der Gemeinschaft, über die Fortführung des Verfahrens eigenverantwortlich zu entscheiden, unangetastet gelassen (vgl. BGH, Urteil vom 07.05.2021 - V ZR 299/19 -, Rn. 23, juris). Der BGH schluss485 C 3241/20 WEG folgert hieraus sodann, dass die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer das bereits anhängige Verfahren selber als Partei übernehmen oder aber dem Wohnungseigentümer die Fortführung des Verfahrens untersagen könne, etwa weil sie den Konflikt auf andere Weise als durch einen gerichtlichen Rechtsstreit beilegen wolle (BGH, Urteil vom 07.05.2021 - V ZR 299/19 -, Rn. 23, juris).
34
Damit schließt der BGH eine Konfliktbeilegung auf andere Weise als durch einen gerichtlichen Rechtsstreit und damit eine vergleichsweise Einigung gerade in seine Erwägungen mit ein. Aus dem nach der mündlichen Verhandlung vorgetragenen Umstand einer Vergleichsvereinbarung zwischen der Wohnungseigentümergemeinschaft und dem Beklagten, durch die der Konflikt auf andere Weise als durch einen gerichtlichen Rechtsstreit beigelegt werden soll, kann somit nicht abgleitet werden, dass die schriftliche Äußerung des nach § 9b WEG vertretungsberechtigten Organs der Wohnungseigentümergemeinschaft lediglich fingiert sei. Der BGH selbst schließt eine Rechtsverfolgung auf andere Weise als durch ein gerichtliches Verfahren vielmehr in seine Erwägung mit ein und überlässt damit die Art und Weise der Rechtsverfolgung dem Ermessen der Gemeinschaft. Wenn die Verwalterin somit vorträgt, es sei „der Wunsch und Wille der Gemeinschaft, die Rückbauansprüche gegen den Beklagten selbst geltend zu machen“ kann aus einem sodann erfolgten Vergleichsschluss nicht hergeleitet werden, dass diese Erklärung nur fingiert sei. Auch lässt sich hieraus nicht ableiten, dass entgegen der Entscheidung des BGH auf die Wirksamkeit eines Beschlusses, aus dem sich der entgegenstehende Wille der Gemeinschaft ableiten lässt, abzustellen ist. Maßgeblich ist weiterhin allein die Äußerung der Verwalterin.
35
Damit sind nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung keine Umstände aufgetreten, die eine weitere Erörterung sachgerecht erscheinen lassen.
36
II. Die Klage ist unzulässig.
37
Die Klägerin ist nicht mehr prozessführungsbefugt.
38
Nach der seit 01.12.2020 geltenden Rechtslage steht die Ausübungsbefugnis für die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte der Wohnungseigentümer allein der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu (§ 9a Abs. 2 WEG). Der Ausübungsbefugnis des Verbands gem. § 9a Abs. 2 WEG unterfallen dabei auch Ansprüche gegen einen Wohnungseigentümer auf Beseitigung und Unterlassung einer Störung des gemeinschaftlichen Eigentums, insbesondere der Anspruch auf Beseitigung und Unterlassung einer baulichen Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums und Wiederherstellung des vorherigen Zustandes gem. § 1004 Abs. 1 BGB (vgl. Hügel/Elzer, 3. Aufl. 2021 WEG § 9a Rn. 99). Ist die Gemeinschaft gem. § 9a Abs. 2 WEG ausübungsbefugt, übt allein sie dieses Recht für die Wohnungseigentümer aus. Die Ausübungsbefugnis der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer schließt die individuelle Ausübung dieser Rechte durch die Wohnungseigentümer aus (vgl. Hügel/Elzer, 3. Aufl. 2021, WEG § 9a Rn. 111). Damit besteht ab 01.12.2020 eine zwingende gesetzliche Prozessstandschaft des Verbands für Beseitigungsansprüche gem. § 1004 Abs. 1 BGB wegen Störungen des gemeinschaftlichen Eigentums, die zur Folge hat, dass der einzelne Wohnungseigentümer seine Prozessführungsbefugnis für solche Ansprüche verliert. Denn bei der Prozessstandschaft handelt es sich um eine von Amts wegen zu prüfende Prozessvoraussetzung, die zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegen muss (vgl. Hügel/Elzer, 3. Aufl. 2021, WEG § 9a Rn. 114; Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEG-Recht 2021, Kapitel 14 Rn 186 m.w.N.).
39
Für bereits vor dem 01.12.2020 bei Gericht anhängigen Verfahren hat der BGH (Urteil vom 07.05.2021 - V ZR 299/19 -, Rn. 12, juris) entschieden, dass die Prozessführungsbefugnis eines Wohnungseigentümers, der sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebende Rechte geltend macht, über diesen Zeitpunkt hinaus in Anwendung des Rechtsgedankens des § 48 Abs. 5 WEG fortbesteht, bis dem Gericht eine schriftliche Äußerung des nach § 9b WEG vertretungsberechtigten Organs über einen entgegenstehenden Willen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zur Kenntnis gebracht wird.
40
Die Klägerin macht im vorliegenden Verfahren Rückbauansprüche gem. § 1004 Abs. 1 BGB geltend, die sich allein auf das gemeinschaftliche Eigentum beziehen. Die Klägerin ist insbesondere auch nicht in ihrem Sondereigentum betroffen. Das Verfahren war bereits vor dem 01.12.2020 anhängig.
41
Mit am 14.06.2021 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 09.06.2021 wurde dem Gericht eine schriftliche Äußerung des nach § 9b WEG vertretungsberechtigten Organs über den entgegenstehenden Willen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zur Kenntnis gebracht (Bl. 58 d. A.). Damit hat die Klägerin ihre Prozessführungsbefugnis verloren.
42
Die Verwalterin führt aus, dass mit dem individuellen Vorgehen der Klägerin kein Einverständnis besteht und die Gemeinschaft den Wunsch und Wille habe, die Rückbauansprüche gegen den Beklagten selbst geltend zu machen. Aus diesem Grund habe die Gemeinschaft die Geltendmachung und Durchsetzung der Rückbauansprüche durch Beschluss zu TOP 7 der ordentlichen Eigentümerversammlung vom 08.09.2020 an sich gezogen.
43
Der entgegenstehende Wille der Gemeinschaft kommt in der schriftlichen Äußerung der Verwalterin der Wohnungseigentümergemeinschaft als vertretungsberechtigtes Organ i.S.d. § 9b WEG hinreichend zum Ausdruck.
44
Die Verwalterin hat damit in zulässigerweise von dem Recht der Gemeinschaft, über die Fortführung des Verfahrens eigenverantwortlich zu entscheiden, Gebrauch gemacht (vgl. BGH, Urteil vom 07.05.2021 - V ZR 299/19 -, Rn. 23, juris). Die Art und Weise wie die Wohnungseigentümergemeinschaft sodann die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebende Rechte geltend macht, steht in deren Ermessen. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer kann das bereits anhängige Verfahren selber als Partei übernehmen oder aber dem Wohnungseigentümer die Fortführung des Verfahrens untersagen, etwa weil sie den Konflikt auf andere Weise als durch einen gerichtlichen Rechtsstreit beilegen will (vgl. BGH, Urteil vom 07.05.2021 - V ZR 299/19 -, Rn. 23, juris).
45
Da dem Gericht durch schriftliche Äußerung des vertretungsberechtigten Organs i.S.d. § 9b WEG der entgegenstehender Wille der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zur Kenntnis gebracht wurde hat die Klägerin ihre Prozessführungsbefugnis verloren. Dies rechtfertigt sich daraus, dass die Geltendmachung und Durchsetzung von sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechten, insbesondere die Verfolgung von Ansprüchen wegen einer Beeinträchtigung des gemeinschaftlichen Eigentums, typischerweise im Interesse der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer liegt (vgl. BGH, Urteil vom 07.05.2021 - V ZR 299/19 -, Rn. 24, juris).
46
Beurteilungsgrundlage für das Vorliegen eines entgegenstehenden Willens der Gemeinschaft ist die - im Außenverhältnis maßgebliche - Äußerung ihres nach § 9b WEG vertretungsberechtigten Organs. Auf die Wirksamkeit der Entscheidungsbildung der Wohnungseigentümer im Innenverhältnis, insbesondere die Wirksamkeit eines dazu gefassten Beschlusses, kommt es dagegen nicht an (vgl. BGH, Urteil vom 07.05.2021 - V ZR 299/19 -, Rn. 24, juris).
47
Demnach ist es unerheblich, dass die Klägerin den Beschluss zu TOP 7 der ordentlichen Eigentümerversammlung vom 08.09.2020, aus der sich der entgegenstehende Wille der Gemeinschaft ebenfalls ableiten lässt, angefochten hat. Auf die Wirksamkeit der Entscheidungsbildung der Wohnungseigentümer im Innenverhältnis, insbesondere die Wirksamkeit eines dazu gefassten Beschlusses kommt es nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Entscheidung des BGH nicht an.
48
Der BGH wollte durch seine Entscheidung den Wohnungseigentümern ausdrücklich auch die Möglichkeit einräumen dem einzelnen Wohnungseigentümer die Fortführung des Verfahrens zu untersagen, etwa weil sie den Konflikt auf andere Weise als durch einen gerichtlichen Rechtsstreit beilegen wollen (vgl. BGH, Urteil vom 07.05.2021 - V ZR 299/19 -, Rn. 23, juris). Demnach kann dem Vortrag der Klägerin nicht gefolgt werden, dass die Rechtsprechung des BGH hier nicht anzuwenden sei, da die Wohnungseigentümergemeinschaft und der Beklagte kollusiv dahingehend zusammenwirken würden, dass von vornherein eine vergleichsweise Einigung angestrebt gewesen sei.
49
Mangels Prozessführungsbefugnis der Klägerin ist die Klage unzulässig und daher abzuweisen.
50
Auf die Begründetheit kommt es damit nicht mehr an, sodass diese dahinstehen kann.
51
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
52
IV. Der Streitwert wurde gem. §§ 48 Abs. 1, 63 Abs. 2 GKG i.V.m. § 3 ZPO i.V.m. §§ 52 Abs. 2 GKG, 23 Abs. 3 RVG und 30 Abs. 2 KostO festgesetzt.
53
Der Sachverhalt führt nicht zum Eingreifen einer besonderen Streitwertvorschrift und bietet auch nicht genügend Anhaltspunkte für eine Schätzung des Streitwertes nach § 48 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO. Das Gericht hat daher den Streitwert frei zu schätzen. Grundsätzlich ist dabei auf den Regelwert zurückzugreifen. Für Zivilsachen enthält das GKG keine Vorschrift zu einem Regelwert. Das Gericht greift daher auf die Regelvorschriften der §§ 52 Abs. 2 GKG, 23 Abs. 3 RVG und 30 Abs. 2 KostO zurück und setzt den Streitwert für die Klageanträge zu Ziffer I. bis Ziffer IV. auf jeweils 5.000,00 € fest.