Inhalt

VGH München, Urteil v. 10.11.2021 – 4 B 20.1961
Titel:

zur Frage der Entreicherung bei Ersetzung eines vorläufigen Bescheids durch einen endgültigen Förderbescheid

Normenketten:
BayVwVfG Art. 28 Abs. 1, Abs. 2, Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, Art. 49a Abs. 1, Abs. 2
BGB § 818 Abs. 3, Abs. 4, § 820 Abs. 1 S. 1
Leitsatz:
Wird eine öffentliche Zuwendung aufgrund eines vorläufigen Bescheids gewährt und ergibt sich bei der endgültigen Festsetzung eine Überzahlung, so kann grundsätzlich auch eine Entreicherung des Zuwendungsempfängers nach Art. 49a Abs. 2 BayVwVfG dem Erstattungsanspruch entgegenstehen. (Rn. 31)
Schlagworte:
kommunale Fördermaßnahme, teilweise Rückforderung von Abschlagszahlungen nach Endabrechnung, Erstattungsverlangen als gebundene Entscheidung, Unbeachtlichkeit einer unterbliebenen Anhörung, Berufung auf Entreicherung auch bei nur vorläufiger Gewährung, Ersparnis eigener Aufwendungen und Tilgung eigener Schulden, öffentliche Zuwendung, Abschlagszahlung, öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch, Rückforderung von Abschlagszahlungen, Entreicherung des Zuwendungsempfängers
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 21.10.2019 – M 31 K 19.898
Fundstellen:
BayVBl 2022, 237
BeckRS 2021, 36762
LSK 2021, 36762

Tenor

I. Die Klage wird unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 21. Oktober 2019 in vollem Umfang abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Hinterlegung oder Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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1. Gegenstand des Rechtsstreits ist ein Erstattungsverlangen wegen zu viel geleisteter kommunaler Fördermittel.
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Die Klägerin erhält als Betreiberin einer Kindertageseinrichtung jährliche Zuwendungen nach der „Zuschussrichtlinie zur Münchner Förderformel“ (im Folgenden: MFF-RL). Im Rahmen ihres Förderantrags für das Jahr 2016 gab sie an, in ihrer Einrichtung zwei Leitungskräfte in Vollzeit (39,5 Wochenstunden) zu beschäftigen (sog. Doppelspitze), die jeweils nach der TVöD-V-Entgeltgruppe S13 vergütet würden. Auf Nachfrage erläuterte sie mit E-Mail vom 16. Februar 2016 die Gründe für die Wahl dieses Organisationsmodells.
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Mit Bescheid der Beklagten vom 17. März 2016 wurde der Klägerin für 2016 eine vorläufige Förderung bewilligt. Zugleich wurde sie gebeten, die Notwendigkeit einer Abweichung vom klassischen Modell (Leitung plus Stellvertretung) darzulegen. Mit Schreiben vom 4. April 2016 führte die Klägerin aus, es müsse in der Alleinentscheidung des Trägers stehen, welches Leitungsmodell er wähle. Sie akzeptiere, dass im Rahmen der MFF-RL keine zweite Leitung als solche gefördert werde; nicht akzeptiert werde jedoch eine Untersagung dieser evident qualitätsfördernden Maßnahme.
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Mit Bescheid vom 15. November 2017 setzte die Beklagte die endgültige Höhe der Zuwendung für den Bewilligungszeitraum 2016 fest. Dem Bescheid war der Hinweis beigefügt, dass gemäß Ziff. 3.9 MFF-RL die vorgenommenen Eingruppierungen dem Grunde nach vergleichbar sein müssten mit den einschlägigen Bestimmungen für Beschäftigte der Beklagten. Dabei sei die Führung einer Einrichtung durch zwei Vollzeit-Leitungskräfte nicht vorgesehen. Nach diesen städtischen Regularien könne auch bei freien und sonstigen Trägern nur eine Vollzeitkraft als Leitung bzw. stellvertretende Leitung anerkannt werden. Im Antrag für 2016 seien zwei Fachkräfte als Leitung eingetragen und im Rahmen der Abschlagszahlungen auch bewilligt worden; folglich genieße die Klägerin insoweit Vertrauensschutz. Auf den Bewilligungszeitraum 2017 könne dieser Vertrauensschutz nicht ausgeweitet werden.
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2. Bereits am 20. Januar 2017 hatte die Klägerin für das Kalenderjahr 2017 wiederum einen Antrag auf Förderung nach der MFF-RL gestellt, zu dem am 1. März 2017 ein Bescheid über eine vorläufige Förderung in Höhe von 193.980,22 Euro ergangen war.
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Auf Antrag der Klägerin vom 25. Juni 2018 erließ die Beklagte den streitgegenständlichen Endabrechnungsbescheid vom 31. Januar 2019. Darin wurde der Klägerin für 2017 eine Zuwendung in Höhe von 139.999,89 Euro bewilligt; mit dieser endgültigen Festsetzung wurde der vorläufige Bescheid vom 1. März 2017 ersetzt (Nr. 1). Zugleich wurde der aufgrund der Abschlagszahlungen zu viel ausgezahlte Betrag von 36.146,11 Euro zur Rückzahlung festgesetzt (Nr. 2). In der Begründung wurde ausgeführt, die 39,5 Wochenstunden der zweiten Leitungskraft seien im Jahresschnitt aus den Gesamtpersonalwochenstunden herausgerechnet worden, da im Rahmen der MFF-RL höchstens der Arbeitszeitanteil abgerechnet werden könne, der einem Vollzeitäquivalent entspreche. Rechtsgrundlage für die Rückforderung sei Art. 49a Abs. 1 BayVwVfG in entsprechender Anwendung.
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3. Die Klägerin ließ dagegen Klage erheben mit dem Antrag, die Beklagte zur Bewilligung einer Zuwendung in Höhe von insgesamt 176.146 Euro für das Kalenderjahr 2017, hilfsweise zur erneuten Entscheidung über den Antrag auf weitere Bezuschussung zu verpflichten, weiter hilfsweise den Bescheid vom 31. Januar 2019 in Nr. 2 aufzuheben.
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Mit Urteil vom 21. Oktober 2019 hob das Verwaltungsgericht den Bescheid in Nr. 2 auf und wies die Klage im Übrigen ab. Die Klägerin habe nach der für 2017 geltenden Förderpraxis der Beklagten keinen Anspruch auf Gewährung der vollständigen oder auch nur anteilig erhöhten Zuwendung. Das gegen Nr. 2 des Bescheids gerichtete Aufhebungsbegehren sei hingegen begründet, da der Bescheid insoweit formell und materiell rechtswidrig sei. Mit Art. 49a Abs. 1 BayVwVfG liege zwar eine Erstattungsvorschrift vor, die keine Ermessensbetätigung erfordere. Es fehle aber an einer Anhörung der Klägerin und an einer Interessenabwägung unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und des Willkürverbots. Zudem sei durch eine Abwägung nach Art. 49a Abs. 2 BayVwVfG über die Frage des Wegfalls der Bereicherung zu entscheiden. Der Anhörungsmangel sei nicht nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG geheilt worden; es liege auch kein Fall des Art. 46 BayVwVfG vor. Materiellrechtlich fehle es an einer Abwägung der privaten Interessen an der Aufrechterhaltung der rechtswidrig entstandenen Vermögenslage mit dem öffentlichen Interesse an deren Beseitigung. Zwar könne sich die Klägerin nicht auf einen Wegfall der Bereicherung nach Art. 49a Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG i.V.m. § 818 Abs. 3 BGB berufen, da sie die für 2017 vorläufig gewährten Fördermittel nach eigenem Vortrag vollständig zur Deckung ihrer Betriebskosten verwendet und damit Verbindlichkeiten gegenüber Dritten getilgt habe. Die Ersetzung einer vorläufigen Regelung stehe aber unter dem Vorbehalt des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Die Klägerin habe mit verschiedenen Schreiben um eine Klärung der Förderfähigkeit einer Doppelspitze ersucht, die aber erst mit dem Endabrechnungsbescheid vom 15. November 2017 erfolgt sei. Jedenfalls im Bescheid vom 1. März 2017 habe es eines Hinweises bedurft, dass das angefragte Leitungsmodell als möglicherweise nicht förderfähig angesehen werde. Wenn die endgültige Entscheidung über die Förder(un) fähigkeit so spät getroffen und kommuniziert werde, dass der Empfänger der vorläufigen Zuwendung darauf im Bewilligungszeitraum nicht mehr reagieren könne, müsse das private Interesse an der Aufrechterhaltung der rechtswidrig entstandenen Vermögenslage mit dem öffentlichen Interesse an deren Beseitigung abgewogen werden. Die Rückzahlungspflicht in Nr. 2 des Bescheids erweise sich hiernach als nicht mehr angemessen. Unabhängig davon sei die Anerkennung von Vertrauensschutz nur für das Jahr 2016 und nicht auch für 2017 nicht nachvollziehbar und daher willkürlich. Dass sich die Begründung des Bescheids nicht mit den Besonderheiten des Einzelfalls befasse, sondern nur die Rechtsgrundlagen der Art. 49a Abs. 1 bis 3 BayVwVfG benenne und sich in einer Wiedergabe des Wortlauts erschöpfe, verstoße auch gegen Art. 39 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG.
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4. Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit der vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Berufung. Eine Anhörungspflicht habe mangels eines Eingriffs in Rechte der Klägerin nicht bestanden. Im Antrag auf Abschlagszahlungen seien noch keine konkreten Angaben über die Personalwochenstunden und die Eingruppierung der Kräfte zu machen. Der entsprechend anwendbare Art. 49a Abs. 1 BayVwVfG schreibe eine gebundene Entscheidung vor. Der Rückforderungsanspruch entstehe kraft Gesetzes als unmittelbare Folge des Eintritts der Unwirksamkeit des Bewilligungsverwaltungsakts; daher bleibe für eine Anhörung hier kein Raum. Die Beklagte habe die Klägerin bereits früh darüber informiert, dass die Zulässigkeit ihres Leitungsmodells geprüft werden müsse und dass Kindertageseinrichtungen in der Regel nur eine Leitung und ggf. eine stellvertretende Leitung beschäftigten. Die Klägerin habe daraufhin signalisiert, dass sie die fehlende Förderfähigkeit einer Doppelspitze akzeptiere. Hilfsweise sei festzuhalten, dass etwaige Anhörungsfehler die Sachentscheidung gemäß Art. 46 BayVwVfG nicht beeinflusst hätten. Die Beklagte habe alle entscheidungserheblichen Tatsachen gekannt und sie bei ihrer Entscheidung berücksichtigt. Die streitige Rückforderung sei auch nicht materiell rechtswidrig. Eine Interessenabwägung sei bei Art. 49a Abs. 1 BayVwVfG mangels Ermessensentscheidung nicht erforderlich. Die Rückforderung sei daher auch nicht unverhältnismäßig; ein Unterlassen der Rückforderung trotz rechtmäßiger Kürzung wäre vielmehr unvereinbar mit den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Der sachliche Differenzierungsgrund für die unterschiedliche Behandlung der Bewilligungszeiträume 2016 und 2017 liege im Vertrauensschutz. Die Problematik der Doppelspitze habe sich erst im Laufe des Bewilligungszeitraums 2016 gestellt. Der Klägerin seien unterjährig keine Veränderungen der Leitungsstruktur zugemutet worden. Es liege auch kein Verstoß gegen Art. 39 Abs. 1 BayVwVfG vor. Die Begründung enthalte die für die Behörde tatsächlich maßgeblichen Gründe.
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Die Beklagte beantragt,
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unter teilweiser Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 21. Oktober 2019 die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Die Rückzahlungsverpflichtung in Nr. 2 des Bescheids sei ein zur Anhörung verpflichtender belastender Verwaltungsakt. In der bloßen Mitteilung der Vorläufigkeit der Förderung könne ebenso wie in dem E-Mail-Austausch zwischen Februar und Juni 2016 keine Anhörung gesehen werden, da die Klägerin dadurch nicht über den voraussichtlichen Regelungsgehalt des beabsichtigten Verwaltungsakts unterrichtet worden sei. Auch von einer Unbeachtlichkeit des Anhörungsmangels könne keine Rede sein. Im Rahmen einer Rückforderung seien die finanziellen Auswirkungen und die Verhältnisse des Subventionsempfängers zu berücksichtigen. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei von einem Wegfall der Bereicherung auszugehen. Die Klägerin habe die Fördermittel im jeweiligen Bewilligungsjahr vollständig zweckentsprechend zur Deckung ihrer Betriebskosten ausgegeben. Sie hätte deutlich weniger Personal eingesetzt, wenn sie gewusst hätte, dass die Beklagte ihr keine Förderung im beantragten Umfang gewähren würde. Durch den Verbrauch habe sie keinen geldwerten Vorteil erhalten, der sich noch in ihrem Vermögen befinde. Sie habe die Mittel auch nicht zur Schuldentilgung oder für Anschaffungen getätigt. Auch bei vorläufigen Verwaltungsakten könne der Gesichtspunkt der Verwirkung der Rücknahme- und Rückforderungsbefugnis entgegenstehen.
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Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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I. Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet; sie führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage in vollem Umfang. Die im Berufungsverfahren allein streitgegenständliche Nr. 2 des Endabrechnungsbescheids der Beklagten vom 31. Januar 2019 ist entgegen der erstinstanzlichen Entscheidung nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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1. Rechtsgrundlage des in dem Bescheid enthaltenen Rückzahlungsverlangens ist die von der Beklagten zutreffend herangezogene Vorschrift des Art. 49a Abs. 1 BayVwVfG in entsprechender Anwendung.
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Der in Form einer vorläufigen Regelung ergangene Förderbescheid vom 1. März 2017, auf dessen Grundlage der Klägerin Abschlagszahlungen für den Bewilligungszeitraum 2017 gewährt wurden, hat gemäß Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG seine Rechtswirkung dadurch verloren, dass er nach Nr. 1 des Endabrechnungsbescheids durch diesen endgültigen Bescheid ersetzt wurde. Wird ein Verwaltungsakt, der eine Zuwendung zunächst nur vorläufig bewilligt hat, rückwirkend durch einen anderen Verwaltungsakt ersetzt, der die Zuwendung in geringerer Höhe festsetzt, so gelten nach herrschender Auffassung die Erstattungsvorschriften des Art. 49a Abs. 1 und 3 BayVwVfG entsprechend (BVerwG, U.v. 19.11.2009 - 3 C 7.09 - BVerwGE 135, 238 Rn. 24; U.v. 11.5.2016 - 10 C 8.15 - BayVBl 2017, 280 Rn. 11; HessVGH, U.v. 13.5.2014 - 9 A 2289/12 - juris Rn. 35 ff.; BayVGH, B.v. 19.6.2017 - 13a ZB 16.1675 - juris Rn. 12; OVG NW, B.v. 14.12.2020 - 4 A 1992/16 - DVBl 2021, 1109 Rn. 64; Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 20. Aufl. 2021, § 49a Rn. 4; Falkenbach in BeckOK VwVfG, Stand: 01.10.2021, § 49a Rn. 2; Baumeister in Obermayer/Funke-Kaiser, VwVfG, 6. Aufl. 2021, § 49a Rn. 9).
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Die gegen diese analoge Anwendung in Teilen des Schrifttums geäußerte Kritik, die in allen vom Wortlaut des Art. 49a BayVwVfG nicht erfassten Fällen auf den allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch zurückgreifen will (so Suerbaum in Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG, 2. Aufl. 2019; Schoch in Schoch/Schneider, VwVfG, Stand Juli 2020, § 49a Rn. 32; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 49a Rn. 8, Rn. 14; Peuker in Knack/Hennecke, VwVfG, 11. Aufl. 2020, § 49a Rn. 16), vermag nicht zu überzeugen. Der richterrechtlich begründete öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch ist anderen Rechtsquellen gegenüber subsidiär; er findet nur Anwendung, wenn im geschriebenen Recht eine für die konkrete Fallkonstellation in Betracht kommende Regelung fehlt (vgl. BayVGH, U.v. 1.12.1992 - 23 B 91.2407 - juris Rn. 37; VGH BW, U.v. 16.8.2002 - 8 S 455/02 - NJW 2003, 1066 f.; OVG MV, U.v. 10.12.2019 - 1 LB 610/17 - juris Rn. 15). Beruht die eingetretene Erstattungslage auf dem nachträglichen Unwirksamwerden eines nur vorläufig geltenden Verwaltungsakts, so bietet sich wegen der vergleichbaren Interessenlage eine entsprechende Anwendung der den Eintritt einer auflösenden Bedingung betreffenden Bestimmung des Art. 49a Abs. 1 BayVwVfG an, die - im Unterschied zum allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch - eine gebundene Entscheidung über den Erlass eines Leistungsbescheids vorsieht. Für eine verfahrensrechtliche Privilegierung der durch die Ersetzung einer vorläufigen Regelung entstandenen Erstattungspflicht gegenüber den in Art. 49a Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG ausdrücklich genannten Anwendungsfällen fehlt jeder sachliche Grund, da der Empfänger einer nur vorläufigen Zuwendung von vornherein um die Unsicherheit seiner Rechtsstellung weiß (vgl. BVerwG, U.v. 19.11.2009, a.a.O., Rn. 28; U.v. 11.5.2016, a.a.O., Rn. 11).
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2. Das auf eine analoge Anwendung des Art. 49a BayVwVfG gestützte Rückzahlungsverlangen in Nr. 2 des Bescheids vom 31. Januar 2019 verstößt nicht in einer zur Aufhebung führenden Weise gegen verfahrensrechtliche Anforderungen (a) und ist auch in materiell-rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden (b).
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a) Die Klägerin kann sich nicht mit Erfolg auf eine unterbliebene Anhörung (Art. 28 BayVwVfG) oder eine fehlende Begründung des angefochtenen Bescheids (Art. 39 BayVwVfG) berufen.
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aa) Von einer Anhörung konnte allerdings unter den gegebenen Umständen entgegen der Auffassung der Beklagten wohl nicht abgesehen werden.
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Vor Erlass eines Verwaltungsakts, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Bei der streitgegenständlichen Rückzahlungsanordnung, die einen Leistungsbescheid gemäß Art. 23 Abs. 1 VwZVG darstellt, handelte es sich - isoliert betrachtet - um einen belastenden Verwaltungsakt, da damit der Erstattungsanspruch der Beklagten rechtsverbindlich festgestellt wurde. Ob die in Nr. 1 des Bescheids vom 31. Januar 2019 enthaltene endgültige Festsetzung der Fördersumme wegen der Reduzierung des vorläufig bewilligten Betrags gleichfalls als ein anhörungspflichtiger Rechtseingriff zu qualifizieren war, kann hierbei dahinstehen.
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Der Umstand, dass die Rückzahlungsverpflichtung auf eine analoge Anwendung des Art. 49a Abs. 1 BayVwVfG gestützt war und somit in Form einer gebundenen Entscheidung erging, ließ die Anhörungspflicht nicht entfallen, da Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG nicht allein für Ermessensverwaltungsakte gilt. Es lag auch keiner der in Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 BayVwVfG ausdrücklich genannten Ausnahmen vor. Sonstige spezielle Einzelfallumstände, aufgrund derer von der Anhörung hätte abgesehen werden können, dürften zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses ebenfalls nicht vorgelegen haben. Zwar musste die Klägerin angesichts der eindeutigen Hinweise in dem vorhergehenden Endabrechnungsbescheid vom 15. November 2017 mit einer Nichtanerkennung ihres Leitungsmodells ab dem Bewilligungsjahr 2017 und daher mit einer nachträglichen Kürzung der vorläufig bewilligten Fördersumme im Schlussbescheid rechnen. Es lag auch nahe, dass die Beklagte sich nicht mit der bloßen Feststellung des neu errechneten geringeren Betrags der Zuwendung begnügen, sondern die sich daraus ergebende Zuvielzahlung zurückfordern würde. Dies allein dürfte aber nicht ausgereicht haben, um in Bezug auf das Erstattungsverlangen von der Anhörung nach Art. 28 Abs. 2 BayVwVfG ausnahmsweise abzusehen. Solange noch nicht feststand, in welcher Höhe die Fördermittel erstattet werden sollten, konnte die Klägerin sich nicht zu einer etwaigen Entreicherung nach Art. 49a Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG i.V. m. § 818 Abs. 3 BGB äußern. Jedenfalls um ihr dazu Gelegenheit zu geben, hätte es wohl einer ausdrücklichen Anhörung vor Erlass des Bescheids bedurft.
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bb) Das Fehlen der Anhörung kann der Anfechtungsklage aber jedenfalls nicht zum Erfolg verhelfen. Nach Art. 46 BayVwVfG kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Letzteres ist im vorliegenden Fall anzunehmen. Bei dem Erstattungsverlangen der Beklagten handelte es sich, wie der Wortlaut des Art. 49a Abs. 1 BayVwVfG erkennen lässt, um eine gebundene Entscheidung. Wird wie hier von zusätzlichen Zinsforderungen (Art. 49a Abs. 3 und 4 BayVwVfG) abgesehen, so ist für eine Ermessensausübung der Behörde kein Raum (vgl. Sachs, a.a.O., § 49a Rn. 37 m.w.N.). Die daraus folgende Verpflichtung zum Erlass eines Rückforderungsbescheids war der Beklagten bekannt, wie sich aus ihren Äußerungen im Gerichtsverfahren ergibt. Es ist daher mit Sicherheit anzunehmen, dass sie den Bescheid mit gleichem Inhalt auch dann erlassen hätte, wenn die Klägerin ihre nunmehr erhobenen Einwände bereits bei einer vorherigen Anhörung vorgebracht hätte. Da der Erstattungsanspruch in voller Höhe bestand (dazu nachfolgend b), wäre ein Verzicht auf dessen Durchsetzung angesichts der Gesetzesbindung nach Art. 20 Abs. 3 GG (dazu Suerbaum, a.a.O., § 49a Rn. 19) und des in Art. 61 Abs. 2 Satz 1 GO normierten Gebots einer sparsamen Haushaltsführung unzulässig gewesen.
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cc) Zu Unrecht rügt die Klägerin als (weiteren) Verfahrensmangel das Fehlen einer Begründung nach Art. 39 Abs. 1 BayVwVfG. In den Gründen des Endabrechnungsbescheids vom 31. Januar 2019 wird als Rechtsgrundlage für die Rückzahlungsforderung die entsprechend anwendbare Vorschrift des Art. 49a Abs. 1 BayVwVfG genannt und im Übrigen hinreichend genau erläutert, wie sich der zu viel ausgezahlte Betrag errechnet. Einer weitergehenden Begründung bedurfte es mangels einer erforderlichen Ermessensausübung nicht (vgl. Art. 39 Abs. 1 Satz 3 BayVwVfG).
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b) Bei Erlass des angefochtenen Bescheids lagen alle Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 49a Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG vor, so dass nach Satz 2 die zu erstattende Leistung festzusetzen war.
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aa) Mit der Ersetzung des vorläufigen Bescheids vom 1. März 2017 durch die Nr. 1 des Endabrechnungsbescheids vom 31. Januar 2019 entfiel für die Klägerin der Rechtsgrund für das Behaltendürfen der aufgrund des erstgenannten Bescheids erhaltenen Abschlagszahlungen. Dadurch entstand, soweit im Bescheid vom 31. Januar 2019 nicht durch die Bewilligung der endgültigen Zuwendung ein neuer Rechtsgrund geschaffen wurde, eine der Rechtsordnung widersprechende Vermögenslage und somit ein Erstattungsanspruch der Beklagten analog Art. 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG. Die Geltendmachung dieses Anspruchs im Wege eines schriftlichen Verwaltungsakts nach Art. 49a Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG stand ebenfalls nicht im Ermessen der Beklagten („ist… festzusetzen“), so dass für die von der Klägerin geforderten Vertrauensschutz- und Billigkeitserwägungen auch in diesem Zusammenhang kein Raum war (vgl. BayVGH, B.v. 9.6.2011 - 4 ZB 10.1236 - BayVBl 2011, 670 Rn. 20).
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bb) Dem Rückforderungsbescheid kann nicht der Einwand der Verwirkung entgegengehalten werden. Der Erstattungsanspruch der Beklagten entstand aus den genannten Gründen erst mit Erlass des Bescheids vom 31. Januar 2019 und hätte somit nicht früher geltend gemacht werden können; insofern fehlt es bereits an dem für eine Verwirkung erforderlichen Zeitmoment. Die diesbezüglichen Einwendungen der Klägerin betreffen - ebenso wie die Mehrzahl der Erwägungen im erstinstanzlichen Urteil - der Sache nach nicht die Geltendmachung der Erstattungsforderung, sondern die mittlerweile bestandskräftige Reduzierung des bewilligten Förderbetrags gemäß Nr. 1 des Endabrechnungsbescheids.
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cc) Die Klägerin war zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses nicht gemäß Art. 49a Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG i.V. m. § 818 Abs. 3 BGB entreichert.
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(1) Grundsätzlich dürfte allerdings eine zwischenzeitlich eingetretene Entreicherung auch dann zu berücksichtigen sein, wenn sich nach der Ersetzung eines vorläufigen Bescheids durch einen Schlussbescheid eine Überzahlung ergibt. Dass in den zu dieser Fallgruppe ergangenen höchstrichterlichen Entscheidungen ausdrücklich nur von einer analogen Anwendbarkeit des § 49a Abs. 1 und 3 bzw. Abs. 3 und 4 VwVfG die Rede ist (BVerwG, U.v. 19.11.2009, a.a.O., Rn. 24 ff.; U.v. 11.5.2016, a.a.O., Rn. 11 ff.), kann wohl nicht als Hinweis darauf verstanden werden, dass die Bestimmungen des Abs. 2 bei einer bloß vorläufigen Zuwendung von vornherein unanwendbar seien. Die Gewährung einer Abschlagszahlung im Vorgriff auf eine zwingend vorgesehene Schlussabrechnung ist auch nicht ohne weiteres gleichzusetzen mit dem in § 820 Abs. 1 Satz 2 BGB genannten Fall, dass der Wegfall des Rechtsgrunds einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts als (lediglich) „möglich“ angesehen wird, so dass nach § 820 Abs. 1 Satz 1 i.V. m. § 818 Abs. 4 BGB schon ab dem Zeitpunkt des Empfangs der Leistung der Entreicherungseinwand abgeschnitten wäre (dazu Sachs, a.a.O., § 49a Rn. 60; HessVGH, U.v. 21.8.1989 - 8 UE 554/84 - juris Rn. 44).
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(2) Auch wenn somit auch in der vorliegenden Fallkonstellation eine Entreicherung nach Art. 49a Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG i.V. m. § 818 Abs. 3 BGB prinzipiell möglich erscheint, steht dieser Einwand jedenfalls hier dem Erstattungsanspruch der Beklagten nicht entgegen; die Reichweite des Entreicherungsausschlusses nach Art. 49a Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG in Fällen einer vorläufigen Gewährung bedarf daher keiner Erörterung.
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Die Klägerin kann sich nicht auf Entreicherung berufen. Sie hat die für das Jahr 2017 aufgrund von Abschlagszahlungen erlangten Fördermittel nach eigenen Angaben zweckentsprechend zur Deckung ihrer laufenden Betriebskosten verwendet. Dieser vollständige Verbrauch führte bei der insoweit gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung (vgl. BVerwG, U.v. 28.1.1993 - 2 C 15.91 - NVwZ-RR 1994, 32/33; Sachs, a.a.O., § 49a Rn. 47) nicht zu einem Wegfall der Bereicherung. Dies dürfte sich allein schon aus der Tatsache ergeben, dass die Klägerin ohne den Einsatz der Fördermittel andere Ressourcen aus ihrem Vermögen hätte angreifen müssen, um ihre Einrichtung in der gewünschten Weise betreiben zu können; sie hat sich damit anderweitige Aufwendungen erspart (vgl. BGH, U.v. 17.12.2009 - IX ZR 16/09 - NJW-RR 2010, 1146 Rn. 15; Schwab in Münchner Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2020, § 818 Rn. 189 f.).
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Da die zu erstattende Überzahlung sich aus dem finanziellen Mehraufwand errechnet, der im Jahr 2017 infolge der Beschäftigung einer zweiten Leitungskraft mit entsprechend höherer tariflicher Vergütung angefallen ist, handelte es sich um eine Förderleistung, mit der die Klägerin einen Teil ihrer damaligen Gehaltszahlungsverpflichtung erfüllt und insoweit eigene Schulden getilgt hat. In der Befreiung von einer bestehenden Verbindlichkeit durch eine unentgeltliche Zuwendung liegt in aller Regel ein fortdauernder Vermögensvorteil (BGH, U.v. 2.6.2015 - XI ZR 327/14 - BGHZ 205, 334 Rn. 22; Schwab, a.a.O., Rn. 194; vgl. auch OVG LSA, U.v. 23.11.2007 - 1 L 48/07 - NVwZ-RR 2008, 364/365). Eine Entreicherung kommt in solchen Fällen allenfalls dann in Betracht, wenn durch die Schuldentilgung sonstige Mittel freigeworden und mittlerweile ersatzlos verbraucht worden sind. Der Empfänger der unentgeltlichen Leistung muss dazu aber substantiiert darlegen und beweisen, dass und wofür er die freigewordenen Mittel anderweitig ausgegeben hat, dass er dadurch keinen bleibenden Vorteil erlangt hat und dass die anderweitige Mittelverwendung ohne die unentgeltliche Leistung unterblieben wäre (BGH, U.v. 27.10.2016 - IX ZR 160/14 - NJW-RR 2017, 111 Rn. 15 und 18 m.w.N.). Die Klägerin hat diesbezüglich nichts vorgetragen, so dass eine hieraus sich ergebende Entreicherung nicht weiter zu prüfen ist.
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Von vornherein unbehelflich ist in diesem Zusammenhang die durch nichts belegte Behauptung der Klägerin, sie hätte deutlich weniger Personal eingesetzt, wenn sie gewusst hätte, dass ihr die Förderung nicht im beantragten Umfang gewährt werden würde. Dass diese Aussage nicht den Tatsachen entspricht, folgt schon aus dem Schreiben der Klägerin an die Beklagte vom 4. April 2016. Darin hat sie nicht nur die - aus ihrer Sicht - für das Modell einer Doppelspitze sprechenden fachlichen Gründe erläutert, sondern am Ende auch klar zu erkennen gegeben, dass im kommenden Jahr unabhängig von der Gewährung des Zuschusses die Entscheidung zugunsten des einen oder anderen Leitungsmodells „ganz von den individuellen Bedürfnissen des Hauses“ abhängen werde. Hiernach kann zumindest für das Bewilligungsjahr 2017 von einer im Vertrauen auf die Bezuschussung erfolgten Erhöhung des Personalbestands keine Rede sein.
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Im Übrigen läge in der genannten Behauptung, selbst wenn sie zutreffen würde, noch keine schlüssige Darlegung einer eingetretenen Entreicherung. Vermögensdispositionen, die im Vertrauen auf die Rechtsbeständigkeit des Erwerbs getätigt wurden, wirken sich nur dann bereicherungsmindernd im Sinne des § 818 Abs. 3 BGB aus, wenn der Empfänger den Bereicherungsgegenstand zu Ausgaben verwendet, die er sich sonst nicht geleistet hätte (sog. Luxusausgaben). Das Empfangene muss für außergewöhnliche Zwecke verwendet worden sein, wobei es nicht genügt, dass die dem Vermögenszufluss zugrundeliegenden Tatsachen nur einen von mehreren Beweggründen für die Eingehung weiterer Verbindlichkeiten abgegeben haben (BGH, U.v. 27.10.2016, a.a.O., Rn. 20 ff. m.w.N.). Nach diesen Maßstäben liegt hier eine Entreicherung insbesondere deshalb nicht vor, weil mit dem Förderprogramm der Beklagten immer nur ein Teil der Personalkosten abgedeckt wird. Die Aussicht auf spätere finanzielle Entlastung kann demnach aus damaliger Sicht der Klägerin nicht das einzige Motiv für die Einstellung bzw. Beibehaltung einer zusätzlichen Leitungskraft gewesen sein.
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II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, da kein Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.