Inhalt

VG München, Urteil v. 30.03.2021 – M 5 K 20.5997
Titel:

Schadensersatzanspruch eines Beamten gegen den Dienstherrn wegen Beschädigung des Privatfahrzeugs durch einen Dritten

Normenketten:
BayBG § 98 Abs. 1, Abs. 2
BayVwVfG § 38 Abs. 1
Leitsätze:
1. Bereits aus dem Wortlaut des Art. 98 Abs. 1 S. 1 BayBG geht hervor, dass ein möglicher Schadenersatzanspruch voraussetzt, dass der Gewaltakt, der die Beschädigung herbeiführt, einen Bezug zum dienstlichen Verhalten des betroffenen Beamten aufweisen muss. Dabei obliegt dem Beamten sowohl für die Beschädigung als auch für die Bezogenheit des Gewaltakts die Feststellungslast. Das hat zur Folge, dass die fehlende Erweisbarkeit von Tatsachen und Ursachenzusammenhängen zu Lasten dessen geht, der den Anspruch geltend macht. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Zwar kann bei typischen Geschehensabläufen, die nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache als maßgeblich hinweisen, grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass dieser Geschehensablauf auch tatsächlich die Ursache war. Eine solche Entscheidung, die auf den prinzipiell erforderlichen Nachweis der Beschädigungsursache verzichtet, ist jedoch nur dann möglich, wenn nach der Art des Gewaltakts und dem ausgewählten Subjekt oder Objekt der nach dem Tatbestand des Art. 98 Abs. 1 BayBG festzustellende Sachverhalt nahe liegt. Der Beweis des ersten Anscheins führt dabei nur zu einer Erleichterung der Anforderungen an den Beweis, nicht aber zu einer Umkehrung der Beweislast. Zur Entkräftung des Anscheinsbeweises ist es erforderlich und zugleich ausreichend, dass eine andere Ursache ernsthaft in Betracht kommt. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
3. Interne handschriftliche Aktennotizen in Behördenakten stellen keine Zusicherung dar, wenn sie keinerlei Rechtswirkung nach außen entfalteten, sondern lediglich einen internen Bearbeitungshinweis darstellten. Solche Vorbereitungshandlungen sind die gesamten tatsächlichen und rechtlichen Handlungen der Behörde innerhalb eines Verwaltungsverfahrens, die der Entscheidung der Behörde vorausgehen und geeignet sind, das Verwaltungsverfahrens zu fördern, es aber nicht abschließen. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Schadensersatz, Gewaltakte Dritter, Feststellungslast, Beweis des ersten Anscheins, Beschädigung von Reifen, Gewaltakte, Dritter, Polizist, Beschädigung, Privatfahrzeug, Sachschadenersatz, Reifen, dienstlicher Bezug, Beweislast, Bedienstetenparkplatz, Vandalismus, Unfall, Zusicherung, Bearbeitervermerke
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 08.11.2021 – 3 ZB 21.1308
Fundstelle:
BeckRS 2021, 36760

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger steht als Polizei … im Dienst des Beklagten. Er begehrt Sachschadenersatz wegen einer Beschädigung seines Privatfahrzeugs.
2
Der Kläger parkte am … April 2020 seinen privaten PKW zwischen 5:50 Uhr und 11:00 Uhr während der Dienstzeit auf dem Schotterparkplatz der Kriminalpolizeiinspektion, bei der er Dienst leistet. Der Parkplatz war als Bedienstetenparkplatz gekennzeichnet und öffentlich zugänglich. Nach Dienstschluss bemerkte der Kläger auf der Heimfahrt von seinem Dienstort zu seinem Wohnort, dass sein PKW etwas nach rechts zog. Nach Beendigung der Fahrt stellte er einen Druckverlust am linken Hinterreifen und rechten Vorderreifen fest. Beim Wechsel der Reifen in der Werkstatt ergab sich, dass mehrere Nägel insgesamt drei Reifen beschädigt hatten. Weitere Beschädigungen an anderen Fahrzeugen, welche ebenfalls von Polizeibediensteten auf dem Parkplatz am … April 2020 abgestellt wurden, sind nicht bekannt.
3
Der Kläger erstattete am 26. April 2020 Anzeige gegen Unbekannt. Das Ermittlungsverfahren wurde nach der Mitteilung der Staatsanwaltschaft vom 30. April 2020 eingestellt, weil der Täter bislang nicht habe ermittelt werden können.
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Mit Formblatt vom 18. Mai 2020 beantragte der Kläger die Gewährung von Schadenersatz für die drei beschädigten Reifen in zunächst noch unbezifferter Höhe. Zur Ergänzung wies der Kläger im Schreiben vom … Juni 2020 darauf hin, dass in der Vergangenheit immer wieder Fahrzeuge von Polizeiangehörigen auf dem Parkplatz der … … beschädigt oder auch Radmuttern gelöst worden seien.
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Mit Schreiben vom 19. August 2020 (dem keine Rechtsbehelfsbelehrung:beigefügt war) lehnte das Landesamt für Finanzen, Dienststelle …, die Gewährung von Schadensersatz ab. Ein Gewaltakt eines Dritten mit Beziehung zum pflichtgemäßen dienstlichen Verhalten des Klägers oder ein Angriff auf dessen Dienstherrn als solchen sei nicht bewiesen, da ein Täter nicht habe ermittelt werden können und deshalb keine Tatsachen festgestellt worden seien, die einen solchen Gewaltakt belegen würden. Eine Beweisführung nach den Grundsätzen des Beweises des ersten Anscheins sei nicht möglich. Allein der eventuelle Tatort ließe nicht mit der gebotenen Wahrscheinlichkeit auf die Zielsetzung des oder der Täter schließen. Eine Sachbeschädigung ohne Zielrichtung auf den Kläger in seiner Eigenschaft als Polizeibeamter oder auf dessen Dienstherrn erscheine ebenso möglich.
6
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom … September 2020 Widerspruch ein. Zuletzt habe es im Jahr 2018 eine Serie von insgesamt acht Fällen gegeben habe, bei denen unbekannte Personen mit Schrauben und Nägeln Reifenschäden an auf dem Polizeiparkplatz abgestellten PKW von Polizeibediensteten verursacht hätten. Diese Fälle seien in der Regel während des Tagdienstes der geschädigten Kollegen/-innen aufgetreten. Ermittlungen und eine zusätzliche Videoüberwachung seien erfolglos geblieben. Auch im Jahr 2013 habe es nach Auskunft des Personalrats eine Serie mit sogenannten Krähenfüßen gegeben, bei denen PKW einiger Polizeibediensteter beschädigt worden seien. Hinzukomme, dass insgesamt drei Reifen des klägerischen PKW beschädigt worden seien. Ein zufälliges Einfahren eines auf der Straße liegenden Nagels als allgemeines Risiko der Teilnahme am Straßenverkehr scheide daher aus. Durch eine entsprechende Beschilderung sei eindeutig und für jeden ersichtlich, dass dies der Parkplatz der Polizeibeamten sei.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Oktober 2020 wies das Landesamt für Finanzen den Widerspruch zurück. Die Feststellungslast für das Vorliegen eines durch den Dienst verursachten Gewaltakts liege beim Kläger. Zwar greife der Beweis des ersten Anscheins gegebenenfalls in Fällen, in denen der Täter nicht ermittelt werden könne. Der Anscheinsbeweis führe jedoch nicht zu einer Umkehrung der Beweislast, sondern nur zu einer Erleichterung der Anforderungen an einen Beweis. Zur Entkräftung des Anscheinsbeweises sei es ausreichend, wenn eine andere Ursache ernsthaft in Betracht komme. Wie und warum es zur Beschädigung der Reifen gekommen sei, habe sich bisher nicht ermitteln lassen. Allein der Tatort beweise noch nicht den notwendigen dienstlichen Zusammenhang. Es erscheine ebenso möglich, dass der Schaden Folge von „normalem Vandalismus“ ohne Zielrichtung auf den Widerspruchsführer als Polizeibeamten oder auf den Dienstherrn sei. Ein Zusammenhang mit den Schadensfällen aus dem Jahr 2018 sei nicht erkennbar; der zeitliche Abstand spreche dagegen.
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Mit Schriftsatz vom … November 2020, eingegangen bei Gericht am selben Tag, hat der Kläger Klage erhoben und beantragt,
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den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 19. August 2020 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 20. Oktober 2020 zu verurteilen, dem Kläger Schadensersatz in Höhe von 249,57 EUR zu gewähren.
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Nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises sei von einem Gewaltakt Dritter im Hinblick auf die Eigenschaft des Klägers als Polizeibeamter auszugehen. Dafür spräche der Reifenschaden nach dem Abstellen auf dem als solchen gekennzeichneten Polizeiparkplatz sowie der Zusammenhangs mit Schadensereignissen aus dem Jahr 2018. Eine andere Ursache für die Beschädigung der Reifen komme daher nicht in Betracht. Ein Anspruch ergebe sich auch daraus, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein schädigendes Ereignis gegen den Kläger in seiner Dienstfunktion begangen worden sei. Im Übrigen stelle das Ziehen des PKW nach rechts auf der Heimfahrt eine Gefährdung des Klägers dar. Schließlich sei darauf hinzuweisen, dass auf Blatt 13 der Behördenakte eine handschriftliche Notiz mit einem Folgepfeil und der Bemerkung „Erstattung nach Art. 98 Abs. 2 BayBG“ zu finden sei.
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Mit Schriftsatz vom 26. Februar 2021 hat das Landesamt für Finanzen, Dienststelle …, für den Beklagten beantragt,
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die Klage abzuweisen.
13
Die handschriftliche Bearbeiternotiz auf Blatt 13 der Behördenakte sei nicht von Bedeutung. Maßgeblich sei die den streitgegenständlichen Bescheiden getroffene Entscheidung. Hierauf werde Bezug genommen. Es liege auch kein Unfallereignis vor, das den Anspruch rechtfertigen könnte.
14
Die Klagepartei hat mit Schriftsatz vom *. März 2021, die Beklagtenpartei mit Schriftsatz vom 26. Februar 2021 (wiederholt im Schriftsatz vom 11. März 2021) auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
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Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Über die Streitsache kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt haben (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO).
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1. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten zur Gewährung des beantragten Schadenersatzes. Der Bescheid des Landesamts für Finanzen vom 19. August 2020 in Gestalt dessen Widerspruchbescheids vom 20. Oktober 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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Ein Anspruch auf Schadenersatz ergibt sich weder aus Art. 98 Abs. 1 des Bayerischen Beamtengesetzes (BayBG) noch aus Art. 98 Abs. 2 BayBG.
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a) Gemäß Art. 98 Abs. 1 Satz 1 BayBG kann der Dienstherr Ersatz leisten, wenn durch Gewaltakte Dritter, die im Hinblick auf das pflichtgemäße dienstliche Verhalten eines Beamten begangen werden, Gegenstände beschädigt oder zerstört werden, die dem Beamten, seinen Familienangehörigen oder mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebenden Personen gehören, oder wenn dem Beamten sonstige, nicht unerhebliche Vermögensschäden zugefügt werden. Gleiches gilt nach Art. 98 Abs. 1 Satz 2 BayBG in den Fällen, in denen sich der Gewaltakt gegen den Dienstherrn des Beamten als solchen gerichtet hat.
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Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Schadenersatz gemäß Art. 98 Abs. 1 BayBG, da er der ihm obliegenden Feststellungslast nicht nachkommen kann und auch die Grundsätze des Beweises des ersten Anscheins nicht über die fehlende Erweisbarkeit der Beschädigungsursache hinweghelfen.
21
b) Bereits aus dem Wortlaut des Art. 98 Abs. 1 Satz 1 BayBG geht hervor, dass ein möglicher Schadenersatzanspruch voraussetzt, dass der Gewaltakt, der die Beschädigung herbeiführt, einen Bezug zum dienstlichen Verhalten des betroffenen Beamten aufweisen muss*. Dabei obliegt dem Beamten sowohl für die Beschädigung als auch für die Bezogenheit des Gewaltakts die Feststellungslast (VG Bayreuth, U.v. 21.2.2017 - B 5 K 16.464 - juris Rn. 24; U.v. 12.3.2004 - B 5 K 03.1417 - juris Rn. 25 - zum Vorgängervorschrift des Art. 97 BayBG; Baßlsberger in Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: Januar 2021, Art. 98 Rn. 8). Das hat zur Folge, dass die fehlende Erweisbarkeit von Tatsachen und Ursachenzusammenhängen zu Lasten dessen geht, der den Anspruch geltend macht (VG Bayreuth, U.v. 21.2.2017 - B 5 K 16.464 - juris Rn. 24; U.v. 12.3.2004 - B 5 K 03.1417 - juris Rn. 25 - zur Vorgängervorschrift des Art. 97 BayBG).
22
Vorliegend wurde die Ursache der Beschädigung der Reifen nicht nachgewiesen. Der die Feststellunglast tragende Kläger konnte keinen Beweis dafür erbringen, dass die Beschädigung der Reifen durch einen Gewaltakt mit dienstlichem Bezug erfolgte, wie es für die Gewährung von Schadenersatz nach Art. 98 Abs. 1 Satz 1 BayBG erforderlich ist.
23
Zwar kann bei typischen Geschehensabläufen, die nach der Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache als maßgeblich hinweisen, grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass dieser Geschehensablauf auch tatsächlich die Ursache war. Eine solche Entscheidung, die auf den prinzipiell erforderlichen Nachweis der Beschädigungsursache verzichtet, ist jedoch nur dann möglich, wenn nach der Art des Gewaltakts und dem ausgewählten Subjekt oder Objekt der nach dem Tatbestand des Art. 98 Abs. 1 BayBG festzustellende Sachverhalt nahe liegt (VG Bayreuth, U.v. 21.2.2017 - B 5 K 16.464 - juris Rn. 25; U.v. 12.3.2004 - B 5 K 03.1417 - juris Rn. 26; Baßlsberger in Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: Januar 2021, Art. 98 Rn. 8). Der Beweis des ersten Anscheins führt dabei nur zu einer Erleichterung der Anforderungen an den Beweis, nicht aber zu einer Umkehrung der Beweislast. Zur Entkräftung des Anscheinsbeweises ist es erforderlich und zugleich ausreichend, dass eine andere Ursache ernsthaft in Betracht kommt (BVerwG, U.v. 24.8.1999 - 8 C 24/98 - NVwZ-RR 2000, 256, juris Rn. 14; W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 108 Rn. 18).
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Unter Anwendung dieser Grundsätze vermag der Beweis des ersten Anscheins über die fehlende Erweisbarkeit des Geschehens nicht hinwegzuhelfen. Es ist kein - wie für die Anwendung dieser Grundsätze erforderlich - konkreter Sachverhalt gegeben, der in seinen die Typizität ausmachenden Merkmalen mit den Vorgängen eines Kollektivs übereinstimmt (vgl. Dawin in Schoch/Schneider, VwGO, Stand: Juli 2020, § 108 Rn. 71; BVerwG, U.v. 24.8.1999 - 8 C 24/98 - NVwZ-RR 2000, 256, juris Rn. 14 f.). Ein Zusammenhang zwischen der Beschädigung der PKW-Reifen und dem pflichtgemäßen dienstlichen Verhalten des Klägers lässt sich zur Überzeugung des Gerichts mit diesen Grundsätzen daher nicht beweisen.
25
Es erscheint zwar möglich, dass eine unbekannte Person die Reifen des Klägers durch einen Gewaltakt mit dienstlichem Bezug im Sinne des Art. 98 Abs. 1 Satz 1 BayBG beschädigte. Als Hintergrund für die Beschädigung kommen daneben aber auch reiner - nicht zielgerichteter - Vandalismus oder eine auf die Person des Klägers abzielende (Rache-)Tat ohne Bezug zu seinem pflichtgemäßen dienstlichen Verhalten in Betracht. Die Umstände des Vorfalls lassen gerade nicht auf den Tatbestand des Art. 98 Abs. 1 Satz 1 BayBG als den wahrscheinlicheren Hergang schließen. Vielmehr sind die Sachverhaltsvarianten gleichwertig nebeneinander und damit als Ursachen jeweils ernsthaft in Erwägung zu ziehen.
26
Entgegen der Ansicht des Klägers liegt ein für den Tatbestand des Art. 98 Abs. 1 Satz 1 BayBG typischer Geschehensablauf nicht nahe. Gegen einen Gewaltakt mit dienstlichem Bezug spricht, dass sich der Vorfall vom … April 2020 nicht in eine Serie von Beschädigungen etwa aus den Jahren 2018 bzw. 2013 einreiht. Diese Vorfälle liegen zeitlich bereits länger zurück, wobei es in der Zwischenzeit zu keinen weiteren Schadensfällen gekommen war. Der einzelne, für sich stehende Vorfall vom … April 2020 kommt daher keine Beziehung für einen möglichen Hintergrund der Beschädigung zu. Zudem wurden keine weiteren Fahrzeuge anderer Polizeibediensteter beschädigt, die zur selben Zeit auf dem Bedienstetenparkplatz abgestellt waren. Wäre dies der Fall, würde zumindest eine Tat mit persönlichen, auf den Kläger abzielenden Hintergründen ohne dienstlichen Bezug als mögliche Ursache ausscheiden und die Wahrscheinlichkeit für einen Gewaltakt mit dienstlichem Bezug steigen. Allein aus der Tatörtlichkeit auf dem Bedienstetenparkplatz lässt sich nicht herleiten, dass das Fahrzeug des Klägers wegen seiner Dienstausübung beschädigt wurde. Andernfalls würde bereits die Tatsache, dass eine Beschädigung auf einem Polizeiparkplatz erfolgte, zu einer Umkehr der Beweislast führen. Das soll nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweise jedoch gerade nicht der Fall sein (VG Bayreuth, U.v. 21.2.2017 - B 5 K 16.464 - juris Rn. 25).
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c) Ein Anspruch auf Gewährung von Schadenersatz ergibt sich auch nicht aus Art. 98 Abs. 1 Satz 2 BayBG, da die Voraussetzung eines Gewaltakts gegen den Dienstherrn als solchen nach den Grundsätzen des Beweises des ersten Anscheins nicht vorliegt. Es mag zwar möglich erscheinen, dass der Täter den Dienstherrn als solchen treffen wollte. Wie oben dargestellt, ist das vorliegende Geschehen für sich zu betrachten und stellt sich derzeit als zusammenhangloser Einzelfall dar.
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d) Ein Anspruch auf Schadensersatz ergibt sich auch nicht aus Art. 98 Abs. 2 BayBG. Nach dieser Vorschrift kann der Dienstherr nach Art. 98 Abs. 2 BayBG Ersatz leisten, wenn in Ausübung oder infolge des Dienstes eines Beamten Kleidungsstücke oder sonstige Gegenstände, die üblicherweise oder aus dienstlichem Grund im Dienst mitgeführt werden, durch einen Unfall beschädigt oder verloren werden, sofern der Beamte oder die Beamtin den Schaden nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht hat.
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Vorliegend fehlt es bereits an der Voraussetzung eines Unfalls im Sinne der Norm. Aus der Systematik des Art. 98 BayBG ergibt sich, dass mit einem Unfall im Sinne des Art. 98 Abs. 2 BayBG gerade nicht die bewusste und gewollte Beschädigung durch einen Dritten gemeint ist. Ein solcher Gewaltakt wird bereits von Art. 98 Abs. 1 BayBG erfasst. Eine solche bewusste Schädigung stellt keinen Die Beschädigung der Reifen am … April 2020 zwischen 5:50 Uhr und 11:00 Uhr erfolgte durch einen Dritten auf dem Bedienstetenparkplatz. Dabei ist jedoch nicht erwiesen, dass die Tat im Hinblick auf das dienstliche Verhalten des Klägers begangen wurde. Dies folgt aus den Darstellungen des Klägers im Verwaltungsverfahren. Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist ein Einfahren von drei Nägeln auf derselben Fahrt sehr unwahrscheinlich. Für die Feststellung des Vorliegens eines Unfalls in Form der Beschädigung der Reifen während der Fahrt fehlt es ebenso an einem für den Anscheinsbeweis erforderlichen typischen Geschehensablauf, die vom menschlichen Willen unabhängig gleichsam mechanisch ablaufen (W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 26. Auflage 2020, § 108 Rn. 18 m.w.N). Wie bereits dargestellt ist es außergewöhnlich, dass drei Reifen durch Nägel auf derselben Fahrt beschädigt werden.
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Im Übrigen fehlt an einer körperlichen Gefährdung des Klägers. Nach dem rechtssystematischen Zusammenhang zwischen der Regelung des Sachschadensersatzes und der den Schadensersatz bei einem Dienstunfall regelnden Vorschriften soll die Gewährung von Sachschadensersatz in Fällen, in denen der Beamte keinen Körperschaden erlitten hat, auf Ereignisse beschränkt werden, bei denen bis auf den Körperschaden alle Merkmale eines Dienstunfalls vorgelegen haben und eine unmittelbare körperliche Gefährdung des Beamten bestanden hat. Diese Voraussetzung, die in Abschnitt 12 Nr. 1.3 der Verwaltungsvorschriften zum Beamtenrecht/VV-BeamtR festgelegt ist, beruht auf der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 25.8.1077 - II C 27.74 - DÖV 1978, 101, juris Rn. 27 ff. für die insoweit vergleichbare Rechtslage in Baden-Württemberg) sowie des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (U.v. 2.4.2001 - 3 B 98.2694 - juris Rn. 11 f.), der sich dieser Ansicht angeschlossen hat (vgl. VG München, U.v. 15.9.2020 - M 5 K 18.4598 - Rn. 21 f.; VG Regensburg, U.v. 15.2.2013 - RO 1 K 11.2172 - juris Rn. 30 ff; VG Augsburg, U.v. 20.6.2012 - Au 2 K 10.1634 - juris Rn. 16; VG Regensburg, ablehnend: Baßlsberger in in Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: Januar 2021, Art. 98 Rn. 19 b).
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Für eine solche körperliche Gefährdung hat der Kläger nichts vorgetragen, hierfür ist auch ansonsten nichts ersichtlich. Insbesondere hat der Kläger die Fahrt über nahezu 160 km durchgeführt, ohne angegeben zu haben, dass er die Fahrt habe unterbrechen müssen, um sich von der Verkehrssicherheit seines Fahrzeugs überzeugen zu müssen. Der Umstand, dass er bemerkt habe, dass sein Fahrzeug „nach rechts ziehe“ bedingt keine körperliche Gefährdung, die über die üblichen Gefahren bei der Teilnahme am Straßenverkehr hinausgehen.
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d) Da schon die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 98 BayBG nicht gegeben sind kommt es auf die Frage nicht an, ob der Kläger im Rahmen einer Ermessensreduzierung „auf Null“ einen - mit dem Klageantrag ausschließlich geltend gemachten - Anspruch auf Gewährung des Schadensersatzes hat oder ob dem Landesamt für Finanzen im Einzelfall noch ein Ermessensspielraum eingeräumt ist - also mehrere rechtlich zulässige Handlungsalternativen bestehen würden -, was lediglich zu einem Anspruch auf Neuverbescheidung des Antrags auf Schadenersatzes führen würde.
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In diesem Rahmen ist darauf hinzuweisen, dass es vorliegend nicht darauf ankommt, ob der Beklagte Vorkehrungen oder Abhilfe gegen Beschädigungen getroffen hat. Art. 98 Abs. 1 BayBG enthält als Rechtsfolge, das heißt bei Vorliegen des Tatbestandes, eine Entscheidung über die Gewährung von Schadenersatz, die im Ermessen der Behörde liegt. Erst auf dieser Ebene könnte relevant werden, ob der Beklagte auf dem dienstlich zur Verfügung gestellten Parkplatz Vorkehrungen bzw. Abhilfe gegen Beschädigungen getroffen hat. Auf der Tatbestandsebene kommt es auf derartige Vorkehrungen bzw. Abhilfen jedoch nicht an. Maßgeblich auf der Tatbestandsebene ist die Dienstbezogenheit des Gewaltakts. Da diese vorliegend nicht erwiesen ist und damit der Tatbestand des Art. 98 Abs. 1 BayBG nicht zur Überzeugung des Gerichts erfüllt ist, ist dem Dienstherrn schon kein Ermessensspielraum hinsichtlich der Gewährung von Schadenersatz eingeräumt.
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2. Der Kläger kann den geltend gemachten Anspruch auch nicht aus einer Zusicherung (Art. 38 Abs. 1 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes/BayVwVfG) herleiten.
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Die handschriftliche Aktennotiz auf Blatt 13 der Behördenakte in Form eines Folgepfeils und der Bemerkung „Erstattung nach Art. 98 Abs. 2 BayBG“ stellt keine Zusicherung dar. Denn diese entfaltete keinerlei Rechtswirkung nach außen, sondern stellt lediglich einen internen Bearbeitungshinweis dar. Solche Vorbereitungshandlungen sind die gesamten tatsächlichen und rechtlichen Handlungen der Behörde innerhalb eines Verwaltungsverfahrens, die der Entscheidung der Behörde vorausgehen und geeignet sind, das Verwaltungsverfahrens zu fördern, es aber nicht abschließen (Schmitz in Stelkens/Bonk/Sachs/Schmitz, 9. Aufl. 2018, VwVfG § 9 Rn. 161). Dem Kläger war die interne Aktennotiz auch vor der Bekanntgabe des Bescheids vom 19. August 2020 nicht bekannt.
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Das Ergebnis dieses Entscheidungsprozesses wurde dem Kläger durch die abschließende Behördenentscheidung vom 19.08.2020 in Form eines rechtsmittelfähigen Verwaltungsaktes im Sinne des Art. 35 S. 1 BayVwVfG mit Außenwirkung mitgeteilt. Die vorige rein interne Aktennotiz stellt demgegenüber gerade keine abschließende, dem Kläger mit Außen- und Rechtswirkung zugegangene Behördenentscheidung dar.
3. Der Kläger trägt als unterlegener Beteiligter die Kosten des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).