Titel:
Entfernung eines Schulleiters aus dem Dienst nach strafrechticher Verurteilung wegen Untreue
Normenketten:
BayDG Art. 6, Art. 14 Abs. 1, Abs. 2, Art. 25 Abs. 1, Art. 26 Abs. 3, Art. 63
BeamtStG § 33 Abs. 1 S. 3, § 34 S. 3, § 47 Abs. 1 S. 1
BaySchFG Art. 14 Abs. 1 S. 3
BayEUG Art. 23 Abs. 2 S. 1, Art. 57 Abs. 2 S. 1
StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2, § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 1, Nr. 4, § 266 Abs. 1, Abs. 2
Leitsätze:
1. Sämtliche tatsächliche Feststellungen zur objektiven und subjektiven Seite einer Straftat eines rechtskräftigen Urteils im Strafverfahren, das denselben Sachverhalt wie das Disziplinarverfahren betrifft, sind für das Disziplinarverfahren bindend; das gilt auch für Berufungsverfahren, allerdings hat die Auffassung der Strafgerichte über die Subsumierbarkeit des festgestellten Sachverhalts unter einen Straftatbestand für die Disziplinargerichte keine bindende Wirkung. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Mit Begehung einer Untreue verstößt der Beamte zugleich gegen die ihm obliegenden Dienstpflichten, der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Beruf erfordert, und sein Amt uneigennützig zu führen. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das Fehlverhalten eines Beamten wiegt schwer iSv Art. 14 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 1 BayDG, wenn es zur Folge hat, dass der Beamte das Vertrauen seines Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren hat, sodass auf die Höchstmaßnahme erkannt und die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ausgesprochen werden kann. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
4. Zur Bestimmung des Ausmaßes des Vertrauensschadens, der durch eine vom Beamten vorsätzlich begangene Straftat hervorgerufen worden ist, ist auch bei innerdienstlich begangenen Straftaten auf den Strafrahmen zurückzugreifen; begeht ein Beamter innerdienstlich eine Straftat, für die das Strafgesetz als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vorsieht, reicht somit der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
5. Die vollständige Ausschöpfung des Orientierungsrahmens ist geboten, wenn es sich bei dem Dienstvergehen nicht um ein einmaliges Fehlverhalten, sondern um selbstständige Untreuehandlungen, die sich über etwa sechs Monate hinweg erstrecken, handelt, der Schaden eine erhebliche Höhe hat (20.000 EUR), dem Beamten in seiner Stellung als Schulleiter eines Gymnasiums eine Vorbildfunktion auch über den Kollegenkreis hinaus zukommt und sein Verhalten Auswirkungen auf die Dienstmoral und das Ansehen der öffentlichen Verwaltung haben kann. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Disziplinarrecht, Berufungsverfahren, Schulleiter eines Gymnasiums (BesGr. A 15 + Z), Untreue im besonders schweren Fall in drei tatmehrheitlichen Fällen, Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten, Bindungswirkung der tatsächlichen Feststellungen eines Strafurteils, Widerruf eines Geständnisses, Untreue im besonders schweren Fall, Orientierungsrahmen, Vorbildfunktion, Entfernung aus dem Beamtenverhältnis
Vorinstanz:
VG Regensburg, Urteil vom 24.09.2018 – RN 10A DK 17.2106
Fundstellen:
RÜ 2022, 376
BeckRS 2021, 36713
LSK 2021, 36713
Tatbestand
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Gegenstand des Verfahrens ist die disziplinarrechtliche Ahndung des Vorwurfs der Untreue durch den 1969 geborenen Beklagten, einem am 18. Juli 2008 zum Oberstudiendirektor (BesGr. A 15 mit Amtszulage) ernannten Gymnasiallehrer. Er war im Zeitraum vom 1. August 2007 bis 14. Februar 2014 zur Leitung des M.-Gymnasiums der Schulstiftung der Diözese R. unter fortlaufender Besoldung durch den Kläger als Dienstherr aus dem staatlichen Schuldienst beurlaubt worden.
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Das Amtsgericht Landshut verhängte mit Strafurteil vom 4. April 2016 (Az. 01 Ds 104 Js 149797/14) wegen Untreue im besonders schweren Fall in drei tatmehrheitlichen Fällen (§ 266 Abs. 1, 2, § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Alt. 1, Nr. 4, § 53 StGB) eine zur Bewährung ausgesetzte Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten. Bezüglich weiterer, dem Beklagten in der Anklageschrift vom 1. Dezember 2015 zur Last gelegten Sachverhalte wurde der Beklagte freigesprochen. Das Strafurteil wurde nach Rücknahme der hiergegen gerichteten Berufungen in der Sitzung des Landgerichts Landshut am 30. März 2017 rechtskräftig. Das Strafurteil enthält folgende tatsächliche Feststellungen:
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„Auf Grund der durchgeführten Hauptverhandlung steht folgender Sachverhalt zur Überzeugung des Gerichts fest: Der Angeklagte war von September 2007 bis Februar 2014 Schulleiter am M.-Gymnasium F., das in der Trägerschaft der Schulstiftung der Diözese R. …steht. Der Angeklagte ist Staatsbeamter und war für die Tätigkeit an der kirchlichen Schule beurlaubt. Die Schule war Inhaberin eines sogenannten „Klassenfahrten-Kontos“ bei der Sparkasse…, auf das Überweisungen des Schulfotografen, ausgehandelte Nachlässe oder Prozente für bestellte Bücher oder Arbeitshefte eingingen. Für dieses Konto war der Angeklagte sowie bis 2012 der damals stellvertretende Schulleiter und die im Sekretariat als Verwaltungsangestellte beschäftigte Zeugin M. verfügungsberechtigt. Als Schulleiter war er neben der Organisation des Schulbetriebs auch mit der Verwaltung des Sachhaushalts und damit der der Schule zugeordneten Konten betraut. Insofern oblag ihm eine herausgehobene Pflicht, die Vermögensinteressen der Schule und damit deren Trägerin zu wahren und insbesondere die der Schule zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel nicht für eigene Zwecke zu vereinnahmen.
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1. Am 11.06.2012 wies der Angeklagte die Zeugin M. an, ihm einen Betrag von 4000 € von oben genannten Klassenfahrten-Konto in bar auszuhändigen. Zuvor hatte er ihr gegenüber vorgegeben, er werde den Betrag an die Schulstiftung, den dortigen Direktor … gegen Quittung übergeben. Tatsächlich reichte der Angeklagte einen entsprechenden Betrag nie an die Schulstiftung weiter, sondern bewahrte ihn zunächst einige Zeit zu Hause und in der Folge im Tresor der Schule auf. Am 13.09.2012 zahlte er den Betrag seinem Tatplan entsprechend, aufgestockt auf 10.000 € aus eigenen Mitteln, auf ein Konto seines Sohnes M…, geboren am …2003, bei der …bank mit der Kontonummer …ein, über das er verfügungsberechtigt war.
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2. Am 12.11.2012 hatte sich der Angeklagte 6.400 € vom vorgenannten Schulkonto nach entsprechender Anweisung über die Zeugin M. auszahlen lassen. Der Betrag stammte aus Gebühren, die der Sportverein … dem M.-Gymnasium für die Turnhallenbenutzung überwies. Der Zeugin M. gegenüber gab der Angeklagte vor, den Betrag werde er persönlich an die Schulstiftung, den dortigen Direktor … übergeben. Tatsächlich erhielt die Schulstiftung einen entsprechenden Bargeldbetrag nie. Vielmehr zahlte der Angeklagte seinem Tatplan entsprechend den Betrag, um Eigenmittel auf 10.000 € aufgestockt, am 21.11.2012 auf das Konto seines Sohnes F…, geboren am …2007, bei der …bank mit der Kontonummer …ein, über das er verfügungsberechtigt war.
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3. Ende 2012 wies der Angeklagte die Zeugin M. an, bei der Sparkasse … vom vorgenannten Klassenfahrten-Konto 10.000 € in bar abzuheben und ihm auszuhändigen, damit er sie dem Direktor der Schulstiftung bei einem Treffen übergeben könne als Zuzahlung für einen neuen Kleinbus für die Schule. Der Angeklagte hatte im Vorfeld mit der Schulstiftung hinsichtlich der Anschaffung und Finanzierung dieses Busses verhandelt und der Zeugin M. mitgeteilt, die Schulstiftung bezahle 50%, wenn die Schule auch 50% dazugeben würde. Auf die Angaben des Angeklagten vertrauend hob die Zeugin M. am 11.12.2012 weisungsgemäß 10.000 Euro vom Klassenfahrten-Konto ab und übergab den Betrag zusammen mit einer vom Angeklagten erbetenen, vorbereiteten Quittung an diesen. Der Angeklagte reichte das Geld aber wie von Anfang an geplant nicht an die Schulstiftung weiter, sondern zahlte es am 27.12.2012 auf eines seiner Privatkonten bei der …bank mit der KontoNr… ein. Tatsächlich hatte es über etwaige Gespräche hinaus keine Vereinbarung mit der Schulstiftung über die Aufwandsteilung für die Anschaffung eines Kleinbusses gegeben. Vielmehr bezahlte die Schulstiftung in der Folge am 16.07.2013 die Gesamtrechnung über das angeschaffte Fahrzeug der Marke … über 21.836,50 € vollumfänglich. Der Angeklagte hatte hierzu bereits im Herbst 2012 die voraussichtliche Ausgabe für den Bus in den zu erstellenden Haushaltsplan für das Jahr 2013 eingestellt, den die Schulstiftung insoweit noch im Dezember 2012 antragsgemäß genehmigte.
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Durch die wiederholte Begehung der oben dargestellten Taten verschaffte der Angeklagte sich - wie von Anfang an beabsichtigt - eine zusätzliche Einnahmequelle von einiger Dauer und mit insgesamt 20.400,- € einigem Umfang.“
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Es stehe nach der Einlassung des Beklagten und den uneidlichen Einvernahmen von fünf als Zeugen vernommenen Personen fest, dass das betreffende Konto seiner Verantwortung unterlegen habe. Er habe auch eingeräumt, den ersten Betrag auf 10.000 Euro aufgestockt und auf das Konto seines Sohnes F. eingezahlt zu haben. Er sei mit der Verwaltung des Kontos überfordert, allerdings immer in der Lage gewesen, das Geld zurückzuzahlen. Der Beklagte habe seine ihm eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, verletzt und damit den fremden Vermögensinteressen einen Nachteil zugefügt. Er habe insbesondere die Zahlungsflüsse auf die Konten seiner Söhne dadurch verschleiert, dass er den veruntreuten Betrag aufgestockt habe. Auch nach dem Ende seiner Tätigkeit am M.-Gymnasium habe er keine Anstrengungen unternommen, die Gelder nunmehr nach dem Ende seiner Verfügungsbefugnis über das Schulkonto zurückzuzahlen. Der Beklagte habe als Amtsträger und außerdem gewerbsmäßig gehandelt. Der Strafrahmen sehe eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vor. Zu seinen Gunsten spreche der inzwischen verstrichene, nicht unerhebliche Zeitraum, der Umstand, dass ihm die Tatbegehung leicht gemacht worden sei und er den Schaden überschießend wieder gut gemacht habe, sowie auch sein Gesundheitszustand. Zu seinen Lasten sei zu berücksichtigen, dass der Schaden nicht unerheblich gewesen sei und er das in ihn gesetzte Vertrauen ausgenützt habe.
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Das Strafgericht halte Einzelfreiheitsstrafen von sechs, sieben und acht Monaten für erforderlich; hieraus sei eine Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten als tat- und schuldangemessen zu bilden.
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Der Beklagte hatte, nachdem er von der Diözese mit deren Untersuchungen konfrontiert worden war, am 20. März 2014 einen Betrag in Höhe von 50.000 Euro und fünf Tage später weitere 21.786,75 Euro an die Schulstiftung zur Wiedergutmachung des Schadens überwiesen (vgl. StMUK v. 18.3.2015, S. 2). Am 31. März 2014 informierte der Beklagte das Staatsministerium telefonisch über die gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Vorwürfe.
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Mit Bescheid vom 6. Juni 2017 enthob die Disziplinarbehörde den Beklagten nach Eintritt der Rechtskraft des Strafurteils mit sofortiger Wirkung vorläufig des Dienstes und ordnete mit weiterer Verfügung vom 27. Juli 2017 die Einbehaltung von 50 v. H. seiner monatlichen Dienstbezüge an. Am 8. Dezember 2017 erhob die Landesanwaltschaft Disziplinarklage.
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Mit Urteil vom 24. September 2018 erkannte das Verwaltungsgericht auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis. Die im Disziplinarklageverfahren bindenden strafgerichtlichen Feststellungen träfen zur Überzeugung des Gerichts zu, ihre Unrichtigkeit sei nicht dargelegt worden. Der Beklagte habe vorsätzlich und schuldhaft gegen seine Pflicht zur Beachtung der Gesetze verstoßen, damit zugleich gegen seine Pflicht, sich achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten. Die Schwere des einheitlichen innerdienstlichen Dienstvergehens gebiete seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Begehe ein Beamter unter Ausnutzung seiner Dienststellung eine Straftat, für die ein Strafrahmen von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe vorgesehen sei, reiche der Orientierungsrahmen für die Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung. Allerdings bedürfe es einer sorgsamen Würdigung aller Umstände des Einzelfalls. Hier wirkten sich die Umstände der Tatbegehung zulasten des Beklagten aus, denn es lägen Erschwernisgründe vor, denen keine Milderungsgründe von solchem Gewicht gegenüberständen, dass die Annahme, der Beamte habe das Vertrauen nicht endgültig verloren, gerechtfertigt sei.
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Der Beklagte führt zur Begründung seiner Berufung aus, das Verwaltungsgericht gehe zwar zu Recht von dem vom Strafgericht mit bindender Wirkung festgestellten Sachverhalt (objektiver und subjektiver Tatbestand) aus, verkenne aber, dass damit die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 266 StGB nicht ausgefüllt würden. Die Rechtsauffassung des Strafgerichts über die Subsumierbarkeit des Sachverhalts entfalte keine Bindungswirkung. Der Straftatbestand der Untreue in einem besonders schweren Fall komme jedenfalls nicht in Betracht. Gleichwohl übernehme das Verwaltungsgericht unreflektiert die Erfüllung des Straftatbestands der Untreue und knüpfe hinsichtlich der Maßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis am Strafrahmen des § 266 Abs. 1, 2 StGB an. In den Gründen stelle das Verwaltungsgericht mehrfach - insbesondere zur Begründung der Schwere des Dienstvergehens - auf die vom Strafgericht angenommene Untreue ab, ohne eine eigene Begründung für die Verwirklichung dieses Straftatbestandes (in Form des Missbrauchs- oder Treubruchtatbestands) zu liefern. Es werde insbesondere nicht festgestellt, dass dem Beklagten überhaupt eine Befugnis zur Verfügung über das besagte Konto oder zur generellen Finanzierung von Schulbedarf eingeräumt gewesen sei. Er selbst habe jedenfalls kein Geld abgehoben. Auch eine angeblich verletzte Treuepflicht bedürfe im Einzelfall besonderer Begründung; hier fehle es an einer qualifizierten, als Hauptpflicht ausgestalteten Vermögensbetreuungspflicht des Beklagten. Die Handhabung des Schulkontos gehöre nicht zu den Hauptpflichten eines Schulleiters. Diese Frage sei weder im Strafverfahren noch vom Verwaltungsgericht angesprochen worden. Des Weiteren seien im behördlichen Disziplinarverfahren die Einvernahmen der Zeugin M. und des Zeugen G. unter Verstoß gegen Art. 26 Abs. 3 BayDG abgelehnt worden. Das Verwaltungsgericht mache es sich zu einfach, insoweit auf die Bindungswirkung der strafgerichtlichen Feststellungen abzustellen und damit die Verpflichtung der Disziplinarbehörde und des Disziplinargerichts zur Beweiserhebung entfallen zu lassen. Die Schwere des Dienstvergehens gebiete nicht die Entfernung des Beklagten, weil er das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit nicht endgültig verloren habe. Entscheidend sei, dass er bislang weder straf- noch disziplinarrechtlich in Erscheinung getreten sei, weit überdurchschnittliche dienstliche Leistungen erbracht und den Schaden vollständig beglichen habe. Das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus habe mit Schreiben vom 14. August 2017 (Bl. 327 Disziplinarakte) ein uneingeschränkt positives Persönlichkeitsbild übermittelt; das zur Beurteilung stehende Verhalten sei „erkennbar persönlichkeitsfremd“, sodass hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestünden, dass die Dienstpflichtverletzungen im Zusammenhang mit einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit (§§ 20, 21 StGB) stünden. Im Juli 2011 habe der Beklagte einen schweren Verkehrsunfall erlitten, der zu einer Wesensveränderung und einzelnen Kontrollverlusten geführt habe. Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis sei wegen der damit verbundenen Härten unverhältnismäßig. Kollegen, Eltern und weitere Personen hätten sich zugunsten des Beklagten geäußert.
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Der Beklagte beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben und die Klage
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die Berufung zurückzuweisen.
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Das Verwaltungsgericht habe zu Recht auf die disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme erkannt, denn der Beklagte habe infolge des zugrundeliegenden Sachverhalts das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren. Wegen des Sachverhalts, der ein innerdienstliches Dienstvergehen nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG darstelle, sei der Beklagte rechtskräftig zu einer zehnmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt worden und habe damit gegen die Pflicht zur Beachtung der Gesetze nach § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG sowie gegen § 34 Satz 3 BeamtStG verstoßen. Die Bindungswirkung eines strafgerichtlichen Urteils umfasse nicht nur die Frage, ob der objektive und subjektive Tatbestand erfüllt sei, sondern auch die Feststellung, dass der Beamte vorsätzlich und schuldhaft gehandelt habe. Dagegen müsse das Disziplinargericht in eigener Zuständigkeit prüfen, ob der bindend festgestellte Sachverhalt als Dienstvergehen zu bewerten sei. Hier sei das Verwaltungsgericht zu Recht der Auffassung des Strafgerichts gefolgt, dass der Beklagte die ihm obliegende Vermögensbetreuungspflicht in drei tatmehrheitlichen Fällen der Untreue in einem besonders schweren Fall verletzt habe. Die fremdnützige Vermögensfürsorge müsse sich als Hauptpflicht darstellen und über die rein tatsächlichen Einwirkungsmöglichkeiten hinausgehen; der Täter müsse eine gewisse Selbstständigkeit besitzen, wobei auch das Fehlen von Kontrolle und die sich daraus ergebende tatsächliche Möglichkeit, auf das Vermögen des Treugebers zuzugreifen, zu beachten sei. Nach den Feststellungen des Strafgerichts sei der Beklagte neben zwei weiteren Personen über das Schulkonto verfügungsberechtigt gewesen. Als Schulleiter sei er auch mit der Verwaltung des Sachhaushalts und damit der zugeordneten Konten betraut gewesen; damit habe ihm die herausgehobene Pflicht oblegen, die Vermögensinteressen der Schule und ihrer Trägerin zu wahren, also insbesondere deren Mittel nicht für eigene Zwecke zu verwenden. Dem Schulleiter sei - wie bei staatlichen Schulen auch - die Haushaltsbewirtschaftung übertragen (Art. 14 Abs. 1 Satz 3 BaySchFG). Dass er selbst kein Geld von dem Konto abgehoben habe und allein die Sekretärin verfügungsberechtigt gewesen sein solle, sei unerheblich, weil der Beklagte nach Art. 57 Abs. 2 Satz 1 BayEUG weisungsbefugt gewesen sei, diese Befugnis ausgeübt und unter Vorspiegelung falscher Tatsachen die Sekretärin zur Übergabe verschiedener Geldsummen in drei Fällen veranlasst habe. Dadurch sei dem Vermögen der Schulträgerin, deren Interessen vermögensrechtlicher Art der Beklagte zu betreuen gehabt habe, ein Schaden in Höhe von 20.400 Euro entstanden. Der sich demnach ergebene Strafrahmen der Untreue in einem besonders schweren Fall reiche von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Begehe ein Beamter unter Ausnutzung seiner Dienststellung eine innerdienstliche Straftat, sei der Orientierungsrahmen bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis eröffnet. Vergreife sich ein Beamter an ihm dienstlich anvertrauten Vermögenswerten, sei das Vertrauen in seine Ehrlichkeit und Zuverlässigkeit zerstört, worauf die Verwaltung in hohem Maße angewiesen sei. Milderungsgründe, die ausnahmsweise ein Absehen von der Höchstmaßnahme zuließen, seien nicht ersichtlich. Im Übrigen lägen keine erheblichen Mängel des behördlichen Disziplinarverfahrens vor; insbesondere sei die Einvernahme der beiden benannten Zeugen zu Recht abgelehnt worden, weil die Bindungswirkung der strafgerichtlichen Feststellungen nach Art. 23 Abs. 2 Satz 1 BayDG eigene Ermittlungen der Disziplinarbehörde ausschließe.
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Ein vom Beklagten unter Berufung auf § 359 Nr. 5 StPO angestrengtes Wiederaufnahmeverfahren, in dessen Rahmen er sowohl sein Geständnis vom 25. März 2014 (Selbstanzeige) als auch das vom 4. April 2016 widerrief, blieb in zwei Instanzen erfolglos (AG Eggenfelden, B.v. 25.2.2020 - 1 DS 104 Js 14979/14, nachfolgend: LG Landshut, B.v. 23.2.2021 - 6 Qs 77/20). Die hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Strafakten im Ausgangssowie im Wiederaufnahmeverfahren, die Akte der Disziplinarbehörde sowie die Gerichtsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Berufung des Beklagten ist zulässig, bleibt in der Sache aber ohne Erfolg.
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Der Senat kommt bei der Bemessungsentscheidung zu dem Ergebnis, dass der Beklagte ein innerdienstliches Dienstvergehen begangen hat (1.), das bei Abwägung aller disziplinarrechtlich relevanten Gesichtspunkte vom Verwaltungsgericht zurecht mit der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis geahndet wurde (2.). Die grundsätzliche Zuordnung des Dienstvergehens nach seiner Schwere zu einer Disziplinarmaßnahme nach Art. 6 BayDG richtet sich nach dem gesetzlich bestimmten Strafrahmen (2.1). Ein Schulleiter, der sich wiederholt der Untreue zu Lasten des Schulvermögens schuldig gemacht hat, beeinträchtigt das für die Ausübung seines Berufs erforderliche Vertrauen seines Dienstherrn und sein Ansehen in der Öffentlichkeit aufs Schwerste und macht sich untragbar. In diesem Fall ist die volle Ausschöpfung des in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung gebildeten Orientierungsrahmens geboten (2.2). Die Gesamtwürdigung sämtlicher be- und entlastender Umstände ergibt, dass die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis auszusprechen ist (2.3).
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Das Disziplinarverfahren weist nicht die geltend gemachten Mängel in formeller Hinsicht auf (Art. 53 Abs. 1 BayDG). Der in der Berufungsbegründung wiederholte Vorwurf, die im Disziplinarverfahren gestellten Anträge auf Einvernahmen der Zeugin M. sowie des Zeugen G. seien unter Verstoß gegen Art. 26 Abs. 3 BayDG abgelehnt worden, trifft nicht zu. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht (UA S. 10, 11, unter 1.) zu Recht festgestellt, dass den Beweisanträgen im Hinblick auf die Bindungswirkung der Disziplinarbehörde an die tatsächlichen Feststellungen des rechtskräftigen Urteils im Strafverfahren (Art. 25 Abs. 1 BayDG) gar nicht stattgegeben hätte werden dürfen. Soweit die Bindungswirkung reicht, steht es der Disziplinarbehörde nicht mehr zu, Beweise zu erheben. Im Übrigen waren die im strafgerichtlichen Verfahren gemachten Aussagen der beiden Zeugen so eindeutig, dass die Beweisanträge des Beklagten nicht geeignet waren, die bestehende Beweislage zu erschüttern (vgl. Zängl, Bayerisches Disziplinarrecht, Stand: August 2020, Art. 26 Rn. 68).
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1. Der dem Beklagten im Disziplinarverfahren zur Last gelegte Sachverhalt, der dem rechtskräftigen Strafurteil des zuständigen Amtsgerichts vom 4. April 2016 zugrunde liegt, steht nach Art. 25 Abs. 1, Art. 55 Halbsatz 1, Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayDG für den Senat bindend fest. Danach sind sämtliche tatsächliche Feststellungen zur objektiven und subjektiven Seite einer Straftat eines rechtskräftigen Urteils im Strafverfahren, das denselben Sachverhalt wie das Disziplinarverfahren betrifft, auch im Berufungsverfahren bindend. Die Bindungswirkung umfasst auch die Feststellung, dass der Beamte vorsätzlich und schuldhaft gehandelt hat (BVerwG, B.v. 25.2.2016 - 2 B 1.15 - juris Rn. 9; BayVGH, U.v. 20.9.2021 - 16b D 19.1302 - juris Rn. 23). Allerdings hat die Auffassung der Strafgerichte über die Subsumierbarkeit des festgestellten Sachverhalts unter einen Straftatbestand für die Disziplinargerichte keine bindende Wirkung (VGH BW, U.v. 11.12.2008 - DL 16 S 3107/07 - juris Rn. 137). Damit kann im vorliegenden Fall allein aufgrund der Bindungswirkung nicht davon ausgegangen werden, dass der Beklagte durch sein Verhalten den Tatbestand der Untreue verwirklicht hat.
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1.1 Insoweit macht die Berufungsbegründung geltend, der festgestellte Sachverhalt erfülle nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 266 StGB, vielmehr liege die Prüfung anderer Straftatbestände näher. Ohne weitere Begründung sei im Strafurteil lediglich festgestellt worden, der Beklagte sei für das fragliche Konto verfügungsberechtigt gewesen, obwohl nicht feststehe, dass er überhaupt eine entsprechende Befugnis gehabt habe; jedenfalls habe er eine solche Befugnis nicht missbraucht.
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1.2 Der Senat bewertet den festgestellten Sachverhalt - dem zutreffenden Strafurteil folgend - rechtlich wie folgt: Der Beklagte hat dadurch, dass er die - an den nachfolgenden strafbaren Handlungen unbeteiligte - Schulsekretärin M. dreimal angewiesen hat, erhebliche Bargeldbeträge vom Schulkonto abzuheben und ihm auszuhändigen, die er dann mit gewissem zeitlichen Abstand auf drei verschiedene private Konten - aufgestockt in zwei Fällen durch eigene Mittel - eingezahlt hat, eine Untreue im besonders schweren Fall in drei tatmehrheitlichen Fällen (§ 266 Abs. 1, 2, § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 4, § 53 StGB) begangen.,
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Untreue im Sinn des § 266 Abs. 1 StGB begeht, wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, missbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt. Gemessen daran erfüllen die dem Beklagten im Strafurteil zur Last gelegten Einzahlungen von dem aus einem Schulkonto stammenden Bargeld auf private Konten seiner Familie den Treubruchtatbestand des § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB (BayVGH, U.v. 28.6.2017 - 16a D 15.1484 - juris Rn. 72; SächsOVG, U.v. 7.3.2014 - D 6 A 555/10 - juris Rn. 74).
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Der Beklagte hatte - entsprechend der Regelung für staatliche Schulen (vgl. Art. 1 Satz 1, Art. 3, Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BaySchFG) - in seiner Funktion als Leiter einer privaten Schule die Aufgabe, die zur Erfüllung der schulischen Belange von der Schulträgerin bereitgestellten Mittel zu bewirtschaften; hierzu zählte im vorliegenden Fall insbesondere die Verwaltung des für verschiedene schulische Ausgaben angelegten „Klassenfahrten-Kontos“ (vgl. § 1 Abs. 4, § 24 Abs. 1 1. Spiegelstrich, § 40 LDO, Art. 3 Abs. 2, Art. 57 BayEUG). Dem Beklagten war dementsprechend (zumindest auf das genannte Konto bezogen) die Bewirtschaftung der für den Schulaufwand bereitgestellten Mittel zur selbständigen Wahrnehmung von Vermögensangelegenheiten der Schule - einschließlich der Entscheidung über die Verwendung dieser Mittel - übertragen (vgl. Art. 14 Abs. 1 Satz 3 BaySchFG). In dieser dienstlichen Stellung erfüllte er somit, vergleichbar einem Amtsinhaber im öffentlichen Dienst, dessen Amt typisch vermögensfürsorgerische Aufgaben mit sich bringt, die täterschaftlichen Voraussetzungen des Untreuetatbestandes („tauglicher Untreuetäter“, vgl. BGH, U.v. 6.5.1986 - 4 StR 124/86 - juris Rn. 7; vgl. BeckOK StGB/Wittig, Stand: 1.5.2021, § 266 StGB Rn. 40, 40.1; Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, 30. Auflage 2019, § 266 Rn. 11).
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Der Beklagte hat zudem im Strafverfahren seine Berechtigung, über das maßgebliche Schulkonto zu verfügen, und seine Verantwortlichkeit hierfür eingestanden (vgl. Strafurteil v. 4.4.2016, S. 4). Dementsprechend ist er von Anbeginn seiner Tätigkeit als Schulleiter seit September 2007 verfahren und hat die Schulsekretärin M. laufend angewiesen, für ihn Bargeldbeträge vom fraglichen Konto abzuheben. Für die rechtliche Beurteilung der Vermögensfürsorgepflicht macht es dabei keinen Unterschied, ob er das Geld eigenhändig abgehoben oder mit dieser Aufgabe eine Hilfsperson beauftragt hat. Ebenso wenig spielt im Hinblick auf die dem Beklagten eingeräumte tatsächliche Verfügungsbefugnis eine Rolle, ob sein Vortrag, er sei von der Schulträgerin angewiesen worden, die auf dem Konto liegenden Beträge möglichst niedrig zu halten, zutrifft oder nicht. Im Übrigen hat die Beweisaufnahme im Strafverfahren die Richtigkeit dieser Behauptung nicht bestätigt. Es steht mit für das Disziplinarverfahren bindender Wirkung fest, dass dem Beklagten als Schulleiter die finanziellen Interessen des M.-Gymnasiums anvertraut und er für den Schutz des Vermögens der Schulträgerin, der Schulstiftung der Diözese R., jedenfalls insoweit verantwortlich war, als es das „Klassenfahrten-Konto“ betrifft.
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Die Vermögensbetreuungspflicht betraf auch nicht eine völlig untergeordnete Verantwortlichkeit des Beklagten in Form einer Nebenpflicht, sondern stellte sich schon im Hinblick auf seine Stellung als Schulleiter und auf die Höhe der Beträge, die regelmäßig auf dem Konto eingingen, als „mitbestimmende, nicht nur beiläufige Verpflichtung“ dar (vgl. BGH, B.v. 16.8.2016 - 4 StR 163/16 - juris Rn. 10,18; Matt in Matt/Renzikowski, StGB, 2. Aufl. 2020, § 266 Rn. 21 m.w.N.).
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Der Beklagte hat die ihm obliegende Vermögensbetreuungspflicht dadurch verletzt, dass er in drei Fällen fremde Geldmittel, über die zu verfügen er die Befugnis ausschließlich im schulischen Interesse besaß, zu privaten Zwecken vereinnahmt und damit entgegen der ihm von der Schulträgerin eingeräumten Befugnis verwendet hat. Die private Vereinnahmung der Beträge kann unabhängig von der eingetretenen, bereits dargestellten Bindungswirkung des Strafurteils auch vor dem Hintergrund der eindeutigen Beweislage nicht mehr in Abrede gestellt werden.
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Durch die Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht ist auch ein Vermögensnachteil bei der Schulträgerin (Kontoinhaber) eingetreten, dessen Vermögen spätestens durch die vom Beklagten vorgenommene Einzahlung der ihm in bar zur Verfügung stehenden Geldmittel auf die privaten Konten der Familie in Höhe der veruntreuten Gelder vermindert wurde, ohne dass dem zugleich ein unmittelbarer Vermögensvorteil in entsprechender Höhe gegenübergestanden wäre. Es kann dabei offenbleiben, ob der Vermögensnachteil nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt - etwa schon bei Mitnahme der Geldbeträge aus dem Schulgebäude - eingetreten ist. Der Eintritt des Schadens ist jedenfalls bei der unberechtigten Nutzung des anvertrauten Vermögens für private Zwecke ohne weiteres zu bejahen (vgl. zum Begriff des Vermögensnachteils: BeckOK StGB/Wittig a.a.O. Rn. 47 f.). Der Vermögensnachteil liegt hier in der unberechtigten Überführung schulischer Gelder auf eigene Konten des Beklagten und seiner Familie, womit die Grenze einer bloßen, nicht schadensgleichen Vermögensgefährdung überschritten ist (vgl. hierzu: BeckOK StGB/Wittig a.a.O. Rn. 55 f.). Die vom Beklagten behauptete Absicht, die Gelder zurückzuzahlen, und der Hinweis auf seine insoweit jederzeit vorhandenen finanziellen Möglichkeiten stehen dem nicht entgegen, weil der eingetretene Vermögensnachteil dadurch nicht beseitigt wird (BayVGH, U.v. 30.9.2020 - 16a D 18.1764 - juris Rn. 42).
34
1.3 Der Beklagte hat durch die Begehung der Straftaten zugleich gegen die ihm obliegenden Dienstpflichten verstoßen, durch sein Verhalten innerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht zu werden, die sein Beruf erfordert (§ 34 Satz 3 BeamtStG), und sein Amt uneigennützig zu führen (§ 34 Satz 2 BeamtStG).
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1.4 Mit den vorgenannten Pflichtverletzungen hat der Beklagte ein innerdienstliches Dienstvergehen gemäß § 47 Abs. 1 BeamtStG begangen, weil sein pflichtwidriges Verhalten in sein Amt als Schulleiter und in seine dienstlichen Pflichten eingebunden war (BVerwG, U.v. 15.11.2018 - 2 C 60.17 - juris Rn. 19).
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Die Frage, ob ein pflichtwidriges Verhalten als innerdienstliches oder als außerdienstliches Dienstvergehen anzusehen ist, ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung hinreichend geklärt (vgl. BVerwG, B.v. 28.8.2018 - 2 B 5.18 - juris Rn. 21; Weiß GKÖD Band II, Stand Juli 2020, J 090). Die erforderliche Abgrenzung ist nicht bloß anhand einer formellen Dienstbezogenheit (zeitlicher oder örtlicher Zusammenhang), sondern in erster Linie materiell danach vorzunehmen, wieweit sich das Fehlverhalten auf den Amtsbereich des Beamten ausgewirkt hat (materielle Dienstbezogenheit). Hiernach liegt ein Fehlverhalten außerhalb des Dienstes (nur dann) vor, wenn es weder formell in das Amt des Beamten noch materiell in die damit verbundene dienstliche Tätigkeit eingebunden war (stRspr, vgl. etwa BVerwG, U.v. 20.2.2001 - 1 D 55.99 - juris Rn. 57; U.v. 25.8.2009 - 1 D 1.08 - juris Rn. 54; U.v. 18.6.2015 - 2 C 9.14 - juris Rn. 10).
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Gemessen daran hat der Beklagte ein innerdienstliches Dienstvergehen begangen. Dagegen spricht zunächst nicht der Umstand, dass der Beklagte mit seinem Einverständnis aus dem staatlichen Gymnasialdienst (ab 1.8.2007 bis 14.2.2014) zur Leitung einer staatlich anerkannten Ersatzschule (eines kirchlichen Trägers) gemäß Art. 44 BaySchFG beurlaubt worden war. Denn auch während einer Beurlaubung besteht das Beamtenverhältnis als Dienst- und Treueverhältnis zum beurlaubenden Dienstherrn fort (vgl. „zur Dienstleistung“, Art. 44 BaySchFG), wohingegen die Einzelheiten zu Art und Umfang der Pflichterfüllung während der Dauer der Beurlaubung von der Ersatzschule festgelegt werden. Die Beurlaubung ist hier unter der ausdrücklichen Bedingung erfolgt, dass die staatliche Lehrkraft ihre Dienstpflichten für den festgelegten Zeitraum an der näher bestimmten Ersatzschule erfüllt (vgl. Wachsmuth in PdK Bayern G-1a, Sept. 2019, Art. 44 BaySchFG, Erl. 3). Für sämtliche finanzielle Leistungen (insbesondere die Besoldung) bestand hingegen die Verpflichtung des Dienstherrn fort. Er hat den Beklagten im Übrigen auch während der Beurlaubung am 18. Juli 2008 zum Oberstudiendirektor ernannt.
38
Dem Beklagten waren - wie bereits dargelegt - die auf dem „Klassenfahrten-Konto“ liegenden Gelder von der Schulstiftung zur Verwendung für schulische Zwecke des M.-Gymnasiums anvertraut worden. Ihm war daher gemäß Art. 1 Satz 1, Art. 14 Abs. 1 Satz 3 BaySchFG insoweit die Verfügungsbefugnis und damit die korrespondierende Vermögensbetreuungspflicht für dieses Konto dienstlich übertragen. Ein Zugriff auf das Konto war ihm nicht als Privatperson gestattet, sondern ausschließlich in seiner Funktion als Schulleiter. Damit bestand ein kausaler und funktionaler Zusammenhang zwischen den Untreuehandlungen und dem bekleideten Amt.
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2. Das Fehlverhalten des Beklagten wiegt schwer im Sinn von Art. 14 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 BayDG. Es hat zur Folge, dass der Beklagte das Vertrauen seines Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren hat. Deshalb hat das Verwaltungsgericht nach Art. 14 Abs. 2, Art. 11 BayDG zu Recht auf die Höchstmaßnahme erkannt und die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ausgesprochen.
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Nach Art. 14 Abs. 1 BayDG ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens und unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbildes des Beamten sowie des Umfangs der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 - 2 C 6.14 - juris Rn. 12 m.w.N.).
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Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme ist nur zulässig, wenn der Beamte wegen der schuldhaften Verletzung einer ihm obliegenden Pflicht das für die Ausübung seines Amts erforderliche Vertrauen endgültig verloren hat (Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG). Nur so können die Integrität des Berufsbeamtentums und das Vertrauen in die ordnungsgemäße Aufgabenwahrnehmung der Beamten aufrechterhalten werden. Ist die Weiterverwendung eines Beamten wegen eines von ihm begangenen schweren Dienstvergehens nicht mehr denkbar, muss er durch eine Disziplinarmaßnahme aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden. Schwerwiegende Vorsatzstraftaten bewirken generell einen Vertrauensverlust, der unabhängig vom jeweiligen Amt zu einer Untragbarkeit der Weiterverwendung als Beamter führt (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 - 2 C 6.14 - juris Rn. 12 ff.).
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2.1 Da die Schwere des Dienstvergehens nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, muss das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des Art. 6 Abs. 1 BayDG aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zugeordnet werden. Bei der Auslegung des Begriffs „Schwere des Dienstvergehens“ ist maßgebend auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, z.B. Kern- oder Nebenpflichtverletzungen, sowie besondere Umstände der Tatbegehung, z.B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 - 2 C 6.14 - juris Rn. 16).
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Zur Bestimmung des Ausmaßes des Vertrauensschadens, der durch eine vom Beamten vorsätzlich begangene Straftat hervorgerufen worden ist, greift der Senat auch bei innerdienstlich begangenen Straftaten auf den Strafrahmen zurück (vgl. BVerwG, B.v. 28.8.2018 - 2 B 5.18 - juris Rn. 18; U.v. 10.12.2015 - 2 C 6.14 - juris Rn. 19; B.v. 5.7.2016 - 2 B 2.16 - juris Rn. 14). Begeht ein Beamter innerdienstlich eine Straftat, für die das Strafgesetz als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vorsieht (hier sind es bis zu zehn Jahre, vgl. § 266 Abs. 1, 2 i.V.m § 263 Abs. 3 StGB), reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 - 2 C 6.14 - juris Rn. 20). Bei innerdienstlichen Dienstvergehen kommt dem ausgeurteilten Strafmaß (hier: 10 Monate Freiheitsstrafe) dabei keine „indizielle“ oder „präjudizielle“ Bedeutung für die Bestimmung der konkreten Disziplinarmaßnahme zu (BVerwG, B.v. 5.7.2016 - 2 B 24.16 - juris Rn. 15 f.). Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 10. Dezember 2015 (2 C 6.14 - juris Rn. 19) ausdrücklich klargestellt hat, dass es seine bisherige Rechtsprechung zu den Zugriffsdelikten aufgibt, so dass sich jede schematische Betrachtung - insbesondere anhand von Schwellenwerten - verbietet.
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2.2 Die in Ausfüllung dieses Rahmens zu treffende Ermessenentscheidung führt zur Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis, weil er durch sein Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn und auch der Allgemeinheit endgültig verloren hat (Art. 14 Abs. 2 BayDG). Eine vollständige Zerstörung des Vertrauens in die Zuverlässigkeit und Ehrlichkeit eines Beamten, die die Höchstmaßnahme erforderlich macht, ist bei innerdienstlichen Betrugs- oder Untreuehandlungen in der Regel anzunehmen, wenn entweder das Eigengewicht der Tat besonders hoch ist oder eine zusätzliche Verfehlung mit erheblichem disziplinarischem Eigengewicht vorliegt und durchgreifende Milderungsgründe fehlen (BayVGH, U.v. 30.9.2020 - 16a D 18.1764 - juris Rn. 58). Erschwernisgründe können sich z.B. aus der Anzahl und Häufigkeit der Taten, der Höhe des Gesamtschadens und der missbräuchlichen Ausnutzung der dienstlichen Stellung oder dienstlich erworbener Kenntnisse ergeben.
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Die vollständige Ausschöpfung des Orientierungsrahmens ist hier wegen der konkreten Umstände des Dienstvergehens geboten. Es handelt sich bei dem Dienstvergehen nicht um ein einmaliges Fehlverhalten, sondern um selbstständige Untreuehandlungen, die sich über etwa sechs Monate hinweg erstrecken und auf jeweils steigende Beträge beziehen. Ein Beamter, der der Schulträgerin des Gymnasiums, für das er als Schulleiter tätig ist, durch Untreuehandlungen zur eigenen Bereicherung oder derjenigen seiner minderjährigen Kinder erheblich schädigt, begeht ein schwerwiegendes Dienstvergehen. Der Dienstherr (Schulträgerin) kann seine Bediensteten nicht auf Schritt und Tritt kontrollieren. Für eine effiziente Aufgabenerfüllung ist er darauf angewiesen, ihnen Vertrauen entgegenzubringen. Ein Beamter, der dies ausnutzt, um sich zu bereichern, belastet das unverzichtbare Vertrauen seines Dienstherrn und der Allgemeinheit in die ordnungsgemäße und uneigennützige Aufgabenwahrnehmung empfindlich. Zudem musste zu Lasten des Beklagten die erhebliche Höhe des eingetretenen, später wieder gutgemachten Schadens (20.400 Euro) berücksichtigt werden. Der Beklagte bekleidete als hoch besoldeter Schulleiter eines Gymnasiums eine Vorgesetztenstelle, womit ihm Vorbildfunktion auch über den Kollegenkreis hinaus zukam. Seine (inner-)dienstliche Stellung wirkt sich erschwerend aus, weil die Verletzung insbesondere innerdienstlicher Pflichten durch Vorgesetzte größere Auswirkungen auf die Dienstmoral und das Ansehen der öffentlichen Verwaltung auslöst als bei Beamten in untergeordneter Dienststellung (vgl. Conrad in Zängl, Bayerisches Disziplinarrecht, Stand: August 2020, Art. 14 Rn. 10).
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2.3 Mildernde Umstände von solchem Gewicht, dass trotz der Schwere des Dienstvergehens die Verhängung der Höchstmaßnahme als unangemessen erscheinen würde, liegen nicht vor.
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Das Gewicht des Dienstvergehens wird zunächst nicht dadurch herabgesetzt, dass der Beklagte am 25. März 2014 Selbstanzeige gestellt hat, denn zu diesem Zeitpunkt waren die Taten bereits Gegenstand der am 11. März 2014 abgehaltenen Besprechung zwischen der geschädigten Schulstiftung und dem Beklagten (vgl. Aussage des Geschäftsführers der Schulstiftung: Strafakte Bl. 64 bis 66) und damit „aufgedeckt“. In dieser Besprechung wurde dem Beklagten empfohlen, Selbstanzeige zu erstatten. Im Übrigen hat er sie dann am 8. April 2014 nach anwaltlicher Beratung „widerrufen“.
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Zugunsten des Beklagten sind jedenfalls sein tadelloses (privates wie dienstliches) Verhalten vor den strafbaren Handlungen anzumerken, seine überdurchschnittlichen dienstlichen Leistungen, die sich aus der beigezogenen Personalakte ergeben sowie der Umstand, dass ihm die Taten wegen der unzureichenden Vorkehrungen und fehlenden zeitnahen Prüfungen durch die Schulträgerin „leicht gemacht“ wurden. Weiter spricht für den Beklagten seine alsbald erfolgte Wiedergutmachung des eingetretenen finanziellen Schadens in einem Umfang, der die vom Strafgericht rechtskräftig festgestellte Schadenssumme überschießt, sowie die lange Dauer des Disziplinarverfahrens, für die allerdings das vom Beklagten angestrengte, im Ergebnis erfolglose strafrechtliche Wiederaufnahmeverfahren mit mehr als zwei Jahren verantwortlich zeichnet.
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Die dargestellten Aspekte sind in der vorzunehmenden Gesamtschau jedoch nicht geeignet, die Schwere der Dienstverfehlung derart abzumildern, dass eine andere Disziplinarmaßnahme als die Höchstmaßnahme in Betracht käme. Auch hervorragende dienstliche Leistungen und das Fehlen einer straf- oder disziplinarrechtlichen Vorbelastung vermögen die schweren Verfehlungen des Beklagten, der das in ihn gesetzte Vertrauen von Grund auf erschüttert hat, nicht zu „kompensieren“. Diese Umstände stellen sich vielmehr auch als Ausfluss der regelmäßig zu erfüllenden Dienstpflichten dar (BayVGH, U.v. 29.7.2015 - 16b D 14.1328 - juris Rn. 40).
50
Soweit der Beklagte andeutet, die Untreuetaten stünden im Zusammenhang mit einem bereits im Jahre 2011 erlittenen Verkehrsunfall, der bei ihm zu einer „Wesensveränderung“ und einem „Kontrollverlust“ geführt habe, vermag der Senat diesem Vortrag schon deshalb nicht näher zu treten, weil die vorliegenden Akten insoweit jegliche Anhaltspunkte für die geltend gemachten Auswirkungen des Unfalls vermissen lassen und es an einer Dokumentation des behaupteten Unfallereignisses fehlt.
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Auch der Umstand, dass der Beklagte eine höhere Schadenssumme an die Schulträgerin gezahlt hat, als seiner strafgerichtlichen Verurteilung entsprach, vermag sich nicht zu seinen Gunsten auszuwirken. Die Frage, auf welcher Rechtsgrundlage und aus welchen Überlegungen heraus er sich hierzu bereitgefunden hat, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Disziplinarverfahrens.
52
Schließlich kann die unzureichende Dienstaufsicht durch Vorgesetzte nur in Ausnahmefällen unter dem Blickwinkel der Verletzung der Fürsorgepflicht als Mitursache einer dienstlichen Verfehlung bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahme mildernd berücksichtigt werden. Hierfür müssen jedenfalls konkrete Anhaltspunkte für besondere Umstände vorliegen, die ausreichende Kontrollmaßnahmen unerlässlich machten, solche aber pflichtwidrig unterblieben sind oder nur unzureichend durchgeführt wurden (BVerwG, U.v. 10.1.2007 - 1 D 15.05 - juris Rn. 22; B.v. 11.7.2014 - 2 B 70.13 - juris Rn. 9). Derartige konkrete Anhaltspunkte sind hier nicht ersichtlich, zumal das Verhalten des Beklagten zuvor keinen Anlass zu dienstlichen Beanstandungen gegeben hatte.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 BayDG.
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Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig geworden (Art. 64 Abs. 2 BayDG).