Inhalt

LG Traunstein, Beschluss v. 04.05.2021 – 3 T 312/21
Titel:

Sofortiges Anerkenntnis bei vorprozessualer Weigerung, stationäre Behandlungskosten eines Unfallgeschädigten ohne vorherige Vorlage eines Operationsberichts zu erstatten

Normenketten:
ZPO § 93
SGB X § 116 Abs. 1 S. 1
Leitsätze:
1. Macht der zum Schadensersatz nach einem Unfall Verpflichtete die Erstattung stationärer Behandlungskosten des Geschädigten von der vorherigen Vorlage eines für die Prüfung der geltend gemachten Forderungshöhe und der Unfallbedingtheit der Kosten erforderlichen Operationsberichts abhängig, so gibt er allein dadurch keine Veranlassung zur Klage iSv § 93 ZPO. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2. Dies gilt auch, wenn es sich beim Kläger nicht um den Geschädigten selbst, sondern einen Sozialversicherungsträger handelt, auf den die geltend gemachten Forderungen gem. § 116 Abs. 1 S. 1 SGB X übergegangen sind. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Unfall, Geschädigter, Sozialversicherungsträger, Kosten, Prozesskosten, sofortiges Anerkenntnis, Veranlassung zur Klage, Kläger
Vorinstanzen:
AG Traunstein, Beschluss vom 08.02.2021 – 319 C 852/20
AG Traunstein, Anerkenntnisurteil vom 23.12.2020 – 319 C 852/20
Fundstellen:
BeckRS 2021, 35758
NZV 2022, 80
LSK 2021, 35758

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen die Kostenentscheidung im Anerkenntnisurteil des Amtsgerichts Traunstein vom 23.12.2020, Az. 319 C 852/20, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
1
Im Anerkenntnisurteil vom 23.12.2020 (Bl. 43-46 d.A.) nahm das Amtsgericht ein sofortiges Anerkenntnis i.S.d. § 93 ZPO an und verurteilte die Klägerin daher zur Kostentragung. Zur Begründung führte es aus, dass der von der Beklagten beauftragten Firma zur Abrechnungsprüfung der bereits mit vorgerichtlichem Schreiben vom 23.01.2020 (Anlage K13) seitens der Beklagten von der Klägerin angeforderte OP-Bericht erst nach Klagezustellung vorlag. Dessen Vorlage sei zur Begründung der von der Klägerin begehrten stationären Behandlungskosten und zum Nachweis deren Schlüssigkeit jedoch unerlässlich. Mit Schreiben vom 30.12.2020, eingegangen bei Gericht am selben Tag (Bl. 47-65 d.A.), legte die Klägerin sofortige Beschwerde gegen diese Kostenentscheidung ein. Die Klägerin ist der Rechtsauffassung, die Beklagte habe Anlass zur Klage gegeben, da sie vorprozessual unberechtigt die Regulierung von der Vorlage des OP-Berichtes abhängig gemacht habe. Mit Beschluss vom 08.02.2021 (Bl. 74 d.A.) hat das Amtsgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
2
Die sofortige Beschwerde ist zulässig, jedoch unbegründet.
3
1. Die sofortige Beschwerde ist statthaft gem. § 99 Abs. 2 ZPO. Die Beschwerdefrist nach § 567 Abs. 1 ZPO wurde eingehalten.
4
2. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
5
Das Amtsgericht hat § 93 ZPO in nicht zu beanstandender Weise angewandt. Die Annahme eines sofortigen Anerkenntnisses begegnet keinen Bedenken. Die Beklagte hat keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben.
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a) Ein Anlass zur Klagerhebung liegt vor, wenn der Beklagte sich vor Prozessbeginn so verhält, dass der Kläger bei vernünftiger Würdigung davon ausgehen muss, er werde anders als durch eine Klage nicht zu seinem Recht kommen. An einer Klageveranlassung fehlt es grundsätzlich immer dann, wenn der Beklagte weder in Verzug war, noch den Anspruch bestritten oder die Leistung verweigert hat. Dabei ist eine Wertungsentscheidung zu treffen, die alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt (vgl. MüKoZPO/Schulz, 5. Aufl. 2016, ZPO § 93 Rn. 7).
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b) Die Beklagte hat die Leistung hinsichtlich der stationären Behandlungskosten nicht per se verweigert, sondern lediglich von der Vorlage des OP-Berichtes abhängig gemacht.
8
Hierzu war sie auch berechtigt. Denn wie von der Beklagten zutreffend dargestellt, sind die Anforderungen an Anspruchsgrund- und Schadensnachweis für den Rechte aus § 116 Abs. 1 Satz 1 SGB X herleitenden Sozialversicherungsträger nicht anders, insbesondere besser als für seinen Versicherungsnehmer, den unmittelbar Geschädigten. Der Aufwand des Sozialversicherungsträgers wird durch ein Haftpflichtgeschehen ausgelöst; er tritt nur infolge der Legalzession in die Rechte des unmittelbar verletzten Versicherungsnehmers ein. Es geht also dogmatisch nicht um Aufwendungsersatz. Der Sozialversicherungsträger macht vielmehr einen auf ihn übergegangenen Schadensersatzanspruch geltend. Hieraus folgt zwingend, dass ihn die gleiche Darlegungs- und Beweislast trifft wie den Geschädigten. Der Sozialversicherungsträger muss also den Strengbeweis (§ 286 ZPO) für die Verletzungen und die Unfallkausalität von Behandlungen und Arbeitsunfähigkeit führen (OLG Jena Urt. v. 15.5.2012 - 4 U 661/11, BeckRS 2012, 12085, beck-online, m. w. Nachw.). Demnach obliegt es der Klägerin, die verfügbaren und seitens der Beklagten ja auch ausdrücklich angeforderten Behandlungsunterlagen wie eben den OP-Bericht vorzulegen, um der Beklagten eine Prüfung der geltend gemachten Forderungshöhe und deren Unfallbedingtheit zu ermöglichen. Diese Vorlage ist der Klägerin auch zumutbar. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den klageseits zitierten Entscheidungen. Diese betreffen vielmehr einen anderen Fall, nämlich die Frage der Erforderlichkeit der Behandlungskosten und die Tragung des diesbezüglichen Einschätzungsrisikos.
III.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
10
Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen, da die vorliegende Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erforderlich ist. Es ging um eine reine Einzelfallentscheidung.