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VG München, Urteil v. 19.02.2021 – M 17 K 19.2705
Titel:

Beihilfe für Aufwendungen anlässlich einer stationären Krankenhausbehandlung in einer Privatklinik

Normenketten:
GG Art. 33 Abs. 5
BayBG Art. 96
BayBhV § 7 Abs. 1, Abs. 2 S. 2, § 28 Abs. 2
KHG § 17b
KHEntgG § 9, § 10 Abs. 9
VwGO § 113 Abs. 1, Abs. 5 S. 1
SGB V § 108, § 301 Abs. 2
Leitsätze:
1. Handelt es sich bei einer Privatklinik um ein Krankenhaus, das nicht nach § 108 SGB V zugelassen ist, sind gem. § 28 Abs. 2 S. 1 BayBhV bei Indikationen, die bei einer Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus vom DRG-Fallpauschalenkatalog erfasst wären, die allgemeinen Krankenhausleistungen im Sinn des § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BayBhV bis zum Betrag (fiktive Obergrenze) aus dem Produkt der oberen Korridorgrenze des Basisfallwerts gem. § 10 Abs. 9 KHEntgG mit der Bewertungsrelation gem. Teil a) des DRG-Fallpauschalen-Katalogs unter Ansatz der jeweiligen mittleren Verweildauer (Nr. 1) sowie gesondert berechnete Wahlleistungen für Unterkunft bis zur Höhe von 1,5 vH der oberen Korridorgrenze des Basisfallwerts gem. § 10 Abs. 9 KHEntgG abzgl. der Eigenbeteiligung gem. Art. 96 Abs. 2 S. 7 BayBG (Nr. 2) beihilfefähig. Wird die Privatklinik vergleichbar einer Belegklinik geführt, ist nach § 28 Abs. 2 S. 2 BayBhV die Bewertungsrelation gemäß Teil b) des DRG-Fallpauschalenkatalogs anzusetzen. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Regelung des § 28 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BayBhV verstößt nicht gegen Verfassungsrecht, selbst wenn die vorgesehene Deckelung im Einzelfall dazu führen kann, dass der Beihilfeberechtigte hohe Kosten selbst tragen muss. (Rn. 32 – 34, 36 und 38 – 39) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beihilfe, Stationärer Aufenthalt in Privatklinik, Notfallbehandlung (verneint), DRG-Abrechnung, stationärer Aufenthalt, Privatklinik, Notfallbehandlung, Belegklinik, Erstattungsfähigkeit, fiktive Obergrenze, Eigenbeteiligung, Vergleichsberechnung, Diagnose, Behandlungsfall, Codierung, Vereinbarkeit, Verfassungsrecht, Kosten
Fundstelle:
BeckRS 2021, 35302

Tenor

I.Die Klage wird abgewiesen.
II.Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.   

Tatbestand

1
Die mit einem Bemessungssatz von 50% beihilfeberechtigte Klägerin begehrt die Gewährung weiterer Beihilfe für Aufwendungen anlässlich einer stationären Krankenhausbehandlung in der … Privatklinik M* …
2
Mit Beihilfeantrag vom 18. März 2019 machte die Klägerin unter anderem Aufwendungen in Höhe von 7.609,27 € für eine Behandlung in der … Privatklinik M* … (Rechnung vom 13. März 2019) geltend. Die Behandlung mit stationärem Aufenthalt fand vom 8. März 2019 bis 9. März 2019 statt. Die Klägerin gab an, dass die Aufwendungen durch einen Unfall verursacht worden seien, der sich am 26. Februar 2019 ereignet habe. Bei einem Herunterspringen von einem Holzwürfel sei sie unglücklich auf dem rechten Knie aufgekommen und habe sich einen Kreuzbandriss zugezogen.
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Von der Rechnungssumme erkannte der Beklagte durch Bescheid vom 22. März 2019 Aufwendungen in Höhe von 3.917,02 € als beihilfefähig an und gewährte eine Beihilfe in Höhe von 1.958,51 €. Zur Begründung wurde unter Hinweis-Nr. f0 erläutert, dass bei Leistungen von Krankenhäusern, die die Voraussetzungen des § 107 Abs. 1 SGB V erfüllen, aber nicht nach § 108 SGB V zugelassen sind, die Aufwendungen für allgemeine Krankenhausleistungen bei Indikationen, die vom DRG-Fallpauschalenkatalog erfasst wären, nur bis zu einer Höchstgrenze beihilfefähig seien. Der beihilfefähige Betrag errechne sich aus dem Produkt der oberen Korridorgrenze des Basisfallwertes gemäß § 10 Abs. 9 KHEntgG (2018: 3.553,98 €; 2019: 3.633,60 €) mit der Bewertungsrelation gemäß Teil a) bzw. Teil b) des DRG-Fallpauschalenkatalogs unter Ansatz der jeweiligen mittleren Verweildauer. Gesondert berechnete Aufwendungen für Komfort- oder Serviceleistungen seien nicht beihilfefähig.
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Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 23. April 2019 Widerspruch. Zur Begründung führte sie mit Schreiben vom 6. Mai 2019 im Wesentlichen aus, dass sie sich am … Februar 2019 beim Freizeitsport einen Kreuzbandriss zugezogen habe. In der Vergangenheit habe sie wegen einer Tinnitus-Erkrankung, die seit 2006 bestehe, mehrfach Cortison verabreicht bekommen, das ihre hohen Leberwerte negativ beeinflusst habe. In den Jahren 2007, 2014 und 2017 habe sie infolge von Cortisongaben jeweils eine starke Leberentzündung erlitten. Von ihrem behandelnden Orthopäden und auf telefonische Anfrage beim Klinikum G* … und beim Krankenhaus S* … habe sie die Auskunft erhalten, dass bei einem Kreuzbandriss ausschließlich eine sog. Ersatzplastik vorgenommen werde. Die bei der Operation entstehenden Wunden würden mit cortisonhaltigen Präparaten versorgt; die Einnahme von Schmerzmitteln und das Injizieren von Thrombose-Spritzen seien unumgänglich. Aufgrund der Skifahrer-Saison müsse sie sich darauf einstellen, dass sie frühestens im April 2019 einen Termin für die Operation erhalten werde. Bei einer Anfrage in der Orthopädie-Praxis E* … sei ihr mitgeteilt worden, dass bei bestimmten Parametern der Kreuzbandriss auch ohne Ersatzplastik und ohne Cortison-Gabe operiert werden könne. Am 6. März 2019 sei ihr bei der Konsultation von Herrn Dr. R* … (* … Privatklinik M* …*) von diesem mitgeteilt worden, dass ihr Kreuzband nur oben abgerissen sei und er ohne die Ersatzplastik-Methode operieren könne. Der Eingriff sei gering, es müssten lediglich zwei kleine Schnitte am Knie durchgeführt werden. Eine Cortison-Gabe sei nicht erforderlich. Die Operation könne aber nur bei frischen Kreuzbandrissen erfolgen. Aus diesem Grund habe sie sich am 8. März 2019 in der … Privatklinik M* … operieren lassen. Die Klägerin weist darauf hin, dass sie bei Anwendung der Ersatzplastik-Methode Cortison, Schmerzmittel, Magenmedikamente und Thrombosespritzen benötigt hätte. Da anzunehmen sei, dass es in der Folge dieser Operation zu eklatant hohen Leberwerten, Gelbsucht und zum Absinken des Quick-Wertes gekommen wäre, hätte sie die nach der Kreuzbandriss-Operation angezeigte Physiotherapie nicht wahrnehmen können, was zu Langzeitschäden am Knie geführt hätte. Ihr Krankheitsbild sei insgesamt als Notfallsituation anzusehen.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Mai 2019 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück.
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Die Klägerin erhob mit Schreiben vom *. Juni 2019, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München eingegangen am 5. Juni 2019, Klage. Sie beantragte,
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die Aufhebung des Widerspruchsbescheids sowie die vollständige Kostenübernahme der Klinikrechnung vom 13. März 2019.
8
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Widerspruchsbescheid rechtswidrig sei. Der Beklagte sei im Widerspruchsbescheid nicht auf ihre Begründung des Widerspruchs eingegangen und habe diese nicht einmal erwähnt. Der Widerspruchsbescheid bestehe nur aus einer Aneinanderreihung von Standard-Textbausteinen, die nicht zu der Widerspruchsbegründung passten.
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Der Beklagte beantragte mit Schreiben vom 18. Juli 2019,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen der Klägerin für Krankenhausleistungen der … Privatklinik M* … sei auf der Grundlage des § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 BayBhV ermittelt worden. Die Klägerin sei mit Schreiben der Beihilfestelle vom 7. März 2019 darüber informiert worden, dass die … Privatklinik M* … nicht nach § 108 SGB V zugelassen sei, mit der Folge, dass Aufwendungen für die von der Klägerin beabsichtigte stationäre Behandlung in der … Privatklinik M* … nach § 28 Abs. 2 BayBhV nur eingeschränkt beihilfefähig seien. Die Fürsorgepflicht verlange keine lückenlose Erstattung jeglicher Aufwendungen in Krankheitsfällen, solange eine medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung im Krankheitsfall gewährleistet sei und der Maßstab des medizinisch Gebotenen nicht unterschritten werde. Die Ausführungen der Klägerin im Widerspruchsverfahren würden nicht zu einem anderen Ergebnis führen. Der geschilderten Notfallsituation stehe bereits entgegen, dass die Klägerin laut Klinik als Normalfall aufgenommen worden sei. Es sei davon auszugehen, dass die von der Klägerin geschilderten Besonderheiten im Rahmen der Behandlung und Abrechnung berücksichtigt worden seien.
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Mit Schreiben vom 18. Juli 2019 und vom 28. Juli 2019 erklärten sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.
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Mit Beschluss vom 6. April 2020 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vorgelegten Behördenakte Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

Entscheidungsgründe

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Das Gericht konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
16
I. Die Klage ist zulässig.
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Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage statthaft, § 113 Abs. 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO. Bei einer verständigen Würdigung des klägerischen Begehrens gem. § 88 VwGO zielt der Antrag der Klägerin auf teilweise Aufhebung des Bescheids vom 22. März 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Mai 2019 sowie auf den Erlass eines Leistungsbescheides über eine weitere Beihilfe in Höhe von 1.906,13 € (Rechnungsbetrag von 7.729,27 € x 50% abzüglich der gewährten Beihilfe in Höhe von 1.958,51 €) zu der streitgegenständlichen Rechnung der … Privatklinik M* … vom 13. März 2019.
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II. Die Klage ist unbegründet.
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Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine weitere Beihilfe in Höhe von 1.958,51 € (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der Bescheid des Beklagten vom 22. März 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Mai 2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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1. Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (stRspr, vgl. statt aller BVerwG, U.v. 2.4.2014 - 5 C 40.12 - NVwZ-RR 2014, 609 Rn. 9). Die Aufwendungen gelten nach § 7 Abs. 2 Satz 2 BayBhV in dem Zeitpunkt als entstanden, in dem die sie begründende Leistung erbracht wird. Für eine Krankenhausbehandlung entstehen Aufwendungen mit der stationären Behandlung (Mildenberger, Beihilferecht in Bund, Ländern und Kommunen, Stand Dezember 2020, Bd. 2 Anm. 12 zu § 7 Absatz 2 BayBhV: „mit jedem Krankenhaustag“). Bei der streitgegenständlichen Krankenhausbehandlung vom 8. März 2019 bis einschließlich 9. März 2019 bestimmt sich die Beihilfefähigkeit daher nach Art. 96 Bayerisches Beamtengesetz (BayBG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 29. Juli 2008 (GVBl S. 500), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. Mai 2018 (GVBl S. 286), der Verordnung über die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen in Krankheits-, Geburts-, Pflege- und sonstigen Fällen (Bayerische Beihilfeverordnung - BayBhV) vom 2. Januar 2007 (GVBl S. 15) in der Fassung der Änderungsverordnung vom 12. Oktober 2018 (GVBl S. 794), dem Gesetz über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen - Krankenhausentgeltgesetzes (KHEntgG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. April 2002 (BGBl S. 1412, 1422), zuletzt geändert durch Gesetz vom 11. Dezember 2018 (BGBl S. 2394) und dem Gesetz zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze - Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. April 1991 (BGBl S. 886), zuletzt geändert durch Gesetz vom 11. Dezember 2018 (BGBl S. 2394).
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2. Anspruchsgrundlage für die von der Klägerin begehrte (weitere) Beihilfe zu den in Rechnung gestellten Leistungen der Privatklinik anlässlich des stationären Aufenthaltes der Klägerin vom 8. März 2019 bis zum 9. März 2019 sind Art. 96 BayBG i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 und § 28 Abs. 2 Satz 1 und 2 BayBhV.
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2.1 Die Klägerin ist zu 50% beihilfeberechtigt (Art. 96 Abs. 3 Satz 2 BayBG, § 2 Abs. 1 Nr. 1 BayBhV).
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2.2 Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BayBhV sind Aufwendungen beihilfefähig, wenn sie medizinisch notwendig und der Höhe nach angemessen sind und ihre Beihilfefähigkeit nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist. Für Krankenhausleistungen enthält § 28 BayBhV nähere Regelungen zur Angemessenheit der entsprechenden Aufwendungen.
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Bei der … Privatklinik M* … handelt es sich um ein Krankenhaus, das nicht nach § 108 SGB V zugelassen ist. In derartigen Krankenhäusern sind gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 BayBhV bei Indikationen, die bei einer Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus vom DRG-Fallpauschalenkatalog erfasst wären, die allgemeinen Krankenhausleistungen im Sinn des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayBhV bis zum Betrag (fiktive Obergrenze) aus dem Produkt der oberen Korridorgrenze des Basisfallwerts gemäß § 10 Abs. 9 KHEntgG mit der Bewertungsrelation gemäß Teil a) des DRG-Fallpauschalen-Katalogs unter Ansatz der jeweiligen mittleren Verweildauer (Nr. 1) sowie gesondert berechnete Wahlleistungen für Unterkunft bis zur Höhe von 1,5 v. H. der oberen Korridorgrenze des Basisfallwerts gemäß § 10 Abs. 9 KHEntgG abzüglich der Eigenbeteiligung gemäß Art. 96 Abs. 2 Satz 7 BayBG (Nr. 2) beihilfefähig. Wird die Privatklinik - wie hier - vergleichbar einer Belegklinik geführt, ist nach § 28 Abs. 2 Satz 2 BayBhV die Bewertungsrelation gemäß Teil b) des DRG-Fallpauschalenkatalogs anzusetzen.
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Gemessen an diesen Vorschriften hat die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung einer weiteren Beihilfe.
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2.2.1 Der Beklagte hat die Vergleichsberechnung bezüglich der allgemeinen Krankenhausleistungen zu Recht nach § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Satz 2 BayBhV vorgenommen und auf die zutreffende Diagnose im Rahmen der Vergleichsberechnung abgestellt.
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Für die Zuordnung eines bestimmten Behandlungsfalls zu einer DRG (Diagnosis Related Groups) wird in einem ersten Schritt die Diagnose nach der Internationalen Klassifikation der Krankheiten - dem ICD-10 - in der jeweiligen vom Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebenen deutschen Fassung verschlüsselt (§ 301 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Zur sachgerechten Durchführung der Verschlüsselung („Kodierung“) haben die Vertragspartner auf Bundesebene „Kodierrichtlinien“ beschlossen. In einem zweiten Schritt wird der in den Computer eingegebene Code einer bestimmten DRG zugeordnet, anhand der dann nach Maßgabe des Fallpauschalenkatalogs und der Pflegesatzvereinbarung die zu zahlende Vergütung errechnet wird. Diesem als „Groupierung“ bezeichneten Prozess der DRG-Zuordnung liegt ein festgelegter Groupierungsalgorithmus zugrunde; in diesem vorgegebenen, vom Krankenhaus nicht zu beeinflussenden Algorithmus wird entsprechend dem vom Krankenhaus angegebenen Code nach dem ICD-10 eine bestimmte DRG angesteuert (vgl. BSG, U.v. 18.7.2013 - B 3 KR 7/12 R - juris Rn. 12). Die Verbindlichkeit der in dem jeweiligen Vertragswerk angesprochenen Klassifikationssysteme folgt aus dem Umstand, dass sie in die zertifizierten Grouper einbezogen sind (BSG, U.v. 14.10.2014 - B 1 KR 25/13 R - juris Rn. 12 m.w.N.). Stationäre Krankenhausleistungen werden gemäß § 17b KHG nach dem Vergütungssystem DRG abgerechnet.
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Nach diesen Grundsätzen hat der Beklagte hier unstreitig auf die in der Klinikrechnung genannte Diagnose I30A „Arthroskopischer Eingriff am Hüftgelenk und Alter < 16 Jahre oder sehr komplexe Eingriffe am Kniegelenk oder Alter < 18 Jahre mit äußerst schweren oder schweren CC“) abgestellt und diese seiner Vergleichsberechnung zutreffend zugrunde gelegt.
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Für das Jahr 2019 liegt die obere Korridorgrenze des Basisfallwertes bei 3.633,60 €. Für die DRG (Fallpauschale) I30A ergeben sich nach Teil b des Fallpauschalenkatalogs 2018 verschiedene Bewertungsrelationen, die in den Spalten dargestellt sind. Nach § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayBhV ist der sich für die mittlere Verweildauer ergebende Multiplikator aus Spalte 4 zu wählen, welcher vorliegend 1,078 beträgt. Bei Multiplikation von 3.633,60 € mit 1,078 ergeben sich beihilfefähige Aufwendungen in Höhe von 3.917,02 €, was bei einem Beihilfebemessungssatz von 50% eine zu gewährende Beihilfe von 1.958,51 € (50% von 3.917,02 €) ergibt.
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2.2.2 Nach § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BayBhV ist bei gesondert berechneten Wahlleistungen für Unterkunft im Sinn des § 28 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BayBhV ein Betrag bis zur Höhe von 1,5 v.H. der oberen Korridorgrenze des Basisfallwerts gemäß § 10 Abs. 9 KHEntgG abzüglich der Eigenbeteiligung gemäß Art. 96 Abs. 2 Satz 7 BayBG beihilfefähig. Da in der … Privatklinik M* … das Zweibettzimmer Standardleistung ist, sind diese Kosten bereits durch die in der Fallpauschale erfassten allgemeinen Krankenhausleistungen abgedeckt. Der wahlweise in Anspruch genommene Komfortzuschlag, der zusätzliche Komfortleistungen umfasst, ist nicht beihilfefähig.
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Auch liegt kein Fall des § 28 Abs. 2 Satz 4 BayBhV vor, wonach die Sätze 1 bis 3 nicht im Fall einer stationären Notfallbehandlung gelten, wenn das nicht nach § 108 SGB V zugelassene behandelnde Krankenhaus das nächstgelegene geeignete Krankenhaus ist. Ein Notfall zeichnet sich dadurch aus, dass es sich um ein akutes, unvorhersehbares, unerwartet auftretendes Ereignis handelt, welches einer sofortigen Behandlung bedarf. Unter einer Notfallbehandlung ist das Erkennen drohender oder eingetretener Notfallsituationen und die Behandlung von Notfällen einschließlich der Wiederherstellung und Aufrechterhaltung akut bedrohter Vitalfunktionen zu verstehen (vgl. Mildenberger, Beihilferecht in Bund, Ländern und Kommunen, Stand Dezember 2020, Bd. 1 Anm. 10 (4) zu § 11 BBhV und Bd. 2, Anm. 8 zu § 28 BayBhV). Vorliegend stellt der stationäre Aufenthalt in der … Privatklinik M* … vom 8. - 9. März 2019 und die dort durchgeführte Operation (Behandlung des Kreuzbandrisses) der Klägerin keinen Notfall dar. Die Klägerin hatte den Kreuzbandriss bereits am 26. Februar 2019 erlitten. Die Aufnahme in die Klinik erfolgte nach vorheriger Konsultation des behandelnden Arztes am 6. März 2019 am 8. März 2019; als Aufnahmeanlass wurde von der Klinik „Normalfall“ angegeben (Bl. 5 der Behördenakte). Mithin handelte es sich um eine geplante Operation des Kreuzbandrisses, den die Klägerin sich am 26. Februar 2019 zugezogen hatte.
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3. Die Regelung des § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayBhV verstößt nicht gegen Verfassungsrecht, selbst wenn die vorgesehene Deckelung im Einzelfall dazu führen kann, dass der Beihilfeberechtigte hohe Kosten selbst tragen muss (vgl. BayVGH, U.v. 22.2.2019 - 14 BV 17.1251 - juris).
33
a) Es liegt kein Verstoß gegen Art. 33 Abs. 5 Grundgesetz (GG) vor.
34
Ausgangspunkt ist dabei, dass die Beihilfe selbst in ihrer gegenwärtigen Gestalt nicht zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums gehört (BVerfG, B.v. 7.11.2002 - 2 BvR 1053/98 - BVerfGE 106, 225/232). Auch die zu den hergebrachten Grundsätzen gehörende Fürsorgepflicht des Dienstherrn gebietet nicht eine lückenlose Erstattung jeglicher Aufwendungen (BVerfG, B.v. 7.11.2002 a.a.O. S. 233). Inhaltlich darf zwar aus Fürsorgegesichtspunkten der Maßstab des medizinisch Gebotenen nicht unterschritten werden - eine lückenlose Erstattung aller Kosten ist aber nicht geboten (BVerwG, U.v. 13.12.2012 - 5 C 3.12 - ZBR 2013, 249 Rn. 19 f.). Insbesondere ist der Dienstherr nicht verpflichtet, die Beihilfevorschriften so auszugestalten, dass die Wahl des Krankenhauses durch den Beamten für diesen immer wirtschaftlich neutral ausfällt (BVerwG, B.v. 19.8.2009 - 2 B 19.09 - juris Rn. 7). Dem wird § 28 BayBhV gerecht, weil er den Beihilfeberechtigten jedenfalls insoweit eine angemessene Kostenerstattung sichert, als diese sich in Krankenhäusern i.S.v. § 108 SGB V behandeln lassen können. Zwar sind nach dem gegenwärtigen System Aufwendungen nicht ausschließbar, wenn der absehbare Erfolg einer Maßnahme von existenzieller Bedeutung oder notwendig ist, um wesentliche Verrichtungen des täglichen Lebens erledigen zu können (BVerwG, U.v. 28.5.2008 - 2 C 1.07 - NVwZ 2008, 1380 Rn. 26 m.w.N.), so dass es unzulässig wäre, es bei der in § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayBhV vorgesehenen Deckelung zu belassen, wenn im Einzelfall eine für eine beihilfeberechtigte Person medizinisch notwendige Behandlung ausschließlich in einer Privatklinik, nicht dagegen in einem Krankenhaus i.S.v. § 108 SGB V i.V.m. § 28 Abs. 1 BayBhV verfügbar sein sollte. Jedoch könnte dieser verfassungsrechtlichen Problematik über eine verfassungskonforme Auslegung des § 49 Abs. 2 BayBhV Rechnung getragen werden.
35
Es ist nicht ersichtlich und wurde auch nicht substantiiert vorgetragen, dass die … Privatklinik M* … im Falle der Klägerin eine medizinisch notwendige Leistung angeboten hat, die in keinem der Krankenhäuser i.S.v. § 108 SGB V gleichwertig verfügbar gewesen wäre. Allein die von der Klägerin vorgetragene von ihr eingeholte telefonische Auskunft des Klinikums G* … und des Krankenhauses S* …, dass bei einem Kreuzbandriss ausschließlich eine sog. Ersatzplastik vorgenommen werde, ist nicht geeignet zu belegen, dass die von der … Privatklinik M* … angesichts des bei der Klägerin vorliegenden unkomplizierten Kreuzbandrisses vorgenommene minimal-invasive Operation von keinem nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhaus durchgeführt werden hätte können. Ebenso ist die telefonische Auskunft, dass die Klägerin sich wegen der Skifahrer-Saison terminlich auf frühestens April 2019 einstellen müsse, nicht geeignet zu belegen, dass die Klägerin bei persönlicher Konsultation eines nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhauses keinen früheren Operationstermin erhalten hätte.
36
b) Auch der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) steht der in § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayBhV vorgesehenen Deckelung nicht entgegen. Bei der Prüfung des Gleichheitssatzes im Beihilferecht spielt auch der Kernbereich der Fürsorgepflicht eine Rolle, wobei aber sachliche Gründe ausreichen können, um einen Ausschluss von Leistungen zu rechtfertigen (vgl. BVerwG, U.v. 13.12.2012 - 5 C 3.12 - juris Rn. 29). Ein solcher sachlicher Grund ist hier gegeben. Der der Regelung des § 28 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayBhV zugrundeliegende Aspekt der Verwaltungsvereinfachung ist angesichts der Komplexität des DRG-Fallpauschalensystems und des Pflegesatzsystems nach Bundespflegesatzverordnung legitim. Da Privatkliniken keine Verpflichtung zur Leistungsdokumentation und zu entsprechenden Klassifikationen nach diesen Systemen unterliegen, führt dies dazu, dass hypothetische Vergleichsberechnungen für die Beihilfestellen nicht nur mit erheblichem Verwaltungsaufwand, sondern auch mit erheblichen Unsicherheiten verbunden sein können. Demgegenüber bleibt bei Krankenhäusern i.S.v. § 108 SGB V diese Klassifikation und Dokumentation diesen Krankenhäusern überlassen. Damit ist ein sachlicher Differenzierungsgrund für die - mit der in § 28 Abs. 2 BayBhV vorgesehenen Pauschalierung und Deckelung einhergehende - Ungleichbehandlung solcher Beihilfeberechtigter, die sich in nicht unter § 108 SGB V fallenden Privatkliniken behandeln lassen, gegeben (vgl. BayVGH, U.v. 22.2.2019 - 14 BV 17.1251 - juris).
37
4. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus der von der Klägerin in der Widerspruchsbegründung vorgetragenen Krankenvorgeschichte. Streitgegenständlich ist nur die Rechnung der … Privatklinik M* … vom 13. März 2019, die ausschließlich die allgemeinen Krankenhausleistungen (und den Komfortzuschlag Zweibettzimmer) beinhaltet. Aufwendungen für auf der Grundlage der Gebührenordnung für Ärzte gesondert abgerechnete ärztliche Leistungen sind in der streitgegenständlichen Rechnung nicht enthalten. Wie oben ausgeführt, lag auch keine Notfallbehandlung im Sinne des § 28 Abs. 2 Satz 4 vor. Für die von der Klägerin geltend gemachte Betrachtung des gesamten Krankheitsbildes als Notfallsituation besteht keine Rechtsgrundlage.
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5. Schließlich ergibt sich ein Anspruch der Klägerin auf Beihilfegewährung auch nicht unmittelbar aus der verfassungsrechtlichen Fürsorgepflicht.
39
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. z.B. U.v. 24.1.2012 - 2 C 24/10 - juris) erstreckt sich die in Art. 33 Abs. 5 GG verankerte Pflicht des Dienstherrn zur Sicherstellung des amtsangemessenen Lebensunterhalts auf Lebenslagen, die einen erhöhten Bedarf begründen. Die verfassungsrechtliche Alimentations- bzw. Fürsorgepflicht gebietet dem Dienstherrn, Vorkehrungen zu treffen, dass die notwendigen und angemessenen Maßnahmen im Falle von Krankheit, Pflegebedürftigkeit, Geburt und Tod nicht aus wirtschaftlichen Gründen unterbleiben, weil sie der Beamte mit der Regelalimentation so nicht bewältigen kann, und dass der amtsangemessene Lebensunterhalt wegen der finanziellen Belastungen in diesen Ausnahmesituationen nicht gefährdet wird. Sind die Dienst- und Versorgungsbezüge so bemessen, dass sie eine zumutbare Eigenvorsorge nur im Hinblick auf einen Teil der durch Krankheit, Pflegebedürftigkeit, Geburt und Tod begründeten Belastungen ermöglichen, so hat der Dienstherr zusätzliche Vorkehrungen zu treffen, damit der Beamte die Belastungen, die den Umfang der Eigenvorsorge überschreiten, ebenfalls tragen kann. Wenn sich der Dienstherr für ein Mischsystem aus Eigenleistungen des Beamten und Beihilfen entscheidet, muss gewährleistet sein, dass der Beamte nicht mit erheblichen Aufwendungen belastet bleibt, die er auch über eine ihm zumutbare Eigenvorsorge nicht abzusichern vermag. Die Fürsorgepflicht verlangt aber nicht, dass Aufwendungen in Krankheits- bzw. Pflegefällen durch ergänzende Beihilfen vollständig gedeckt werden oder dass die von der Beihilfe nicht erfassten Kosten in vollem Umfang versicherbar sind (vgl. BVerwG, U.v. 30.4.2009 - 2 C 127/07 - juris Rn. 8,12; U.v. 10.6.1999 - 2 C 29/98 - juris Rn. 22f.). Der Beamte muss wegen des ergänzenden Charakters der Beihilfe auch Härten und Nachteile hinnehmen, die sich aus der am Alimentationsgrundsatz orientierten pauschalierenden und typisierenden Konkretisierung der Fürsorgepflicht ergeben und keine unzumutbare Belastung bedeuten (vgl. BayVGH, B.v. 8.1.2007 - 14 ZB 06.2911 - juris Rn. 13 m.w.N.). Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin durch den Umstand, dass sie einen Teil der Aufwendungen für die streitgegenständliche Behandlung selbst tragen muss, derart unzumutbar belastet wäre, sind weder substantiiert vorgetragen noch sonst ersichtlich.
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Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m §§ 708 ff. ZPO.