Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 17.09.2021 – AN 2 K 21.01093
Titel:

Schulwegkostenfreiheit nur für nächstgelegene Schule

Normenketten:
BaySchBefV § 2 Abs. 1 S. 1, S. 3 Nr. 3, Abs. 3, Abs. 4
BaySchKfrG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 2
Leitsätze:
1. Inhaber des Anspruchs auf Übernahme von Schulwegkosten ist zwar zunächst der Schüler selbst; darüber hinaus ist aber auch - aus eigenem Recht - ein Anspruch der Eltern des Schülers auf Übernahme der Schulwegkosten anzuerkennen. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es ist nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht zu beanstanden, dass § 2 Abs. 1 S. 3 Nr. 3 Hs. 2 BaySchBefV auch bei Existenz eines verbundweit gültigen Jahrestickets zum Pauschalpreis die Tarife für Monatskarten für maßgeblich hält. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Erstattung fiktiver Beförderungskosten sieht das Schulwegbeförderungsrecht nicht vor. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
nächstgelegene Schule, Beförderungskosten, verbundweit gültiges Jahresticket zum Pauschalpreis, Maßgeblichkeit der Tarife der Monatskarten, Gleichheitsgrundsatz, Zumutbarkeit des Schulwechsels, Schulweg, Jahresticket, Monatskarte, Schulwechsel, fiktive Kosten
Fundstelle:
BeckRS 2021, 35011

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Beteiligten streiten um die Übernahme von Schulwegkosten.
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Die Schülerin … besucht seit dem Schuljahr 2021/2022 die 8. Jahrgangsstufe an der …-Realschule … Die Kläger, Erziehungsberechtigte der Schülerin, beantragten unter dem 2. Mai 2021 für ihre Tochter für das Schuljahr 2021/2022 die Übernahme der Fahrtkosten zum Besuch der …-Realschule … auf der Strecke von … nach … (und zurück) mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Ihre Tochter besuche den Zweig Ernährung und Gesundheit, der in …nicht angeboten werde.
3
Mit Bescheid vom 11. Mai 2021, den Klägern zugestellt am 18. Mai 2021, lehnte das Landratsamt … den Antrag ab. Die Beförderungspflicht beziehe sich nur auf die Kosten der notwendigen Beförderung zum Pflicht- und Wahlpflichtunterricht der nächstgelegenen Schule. Nächstgelegene Schule sei dabei diejenige Schule der gewählten Schulart, Ausbildungs- und Fachrichtung, die mit dem geringsten Beförderungsaufwand erreichbar sei. Für die Beurteilung der nächstgelegenen Schule sei der objektive Beförderungsaufwand der Schülerbeförderung zugrunde zu legen. Da ein Anspruch auf Kostenfreiheit für den gesamten Schulweg bestehe, seien hier die Beförderungskosten für die gesamte Wegstrecke zugrunde zu legen. Es komme hier auf eine Gegenüberstellung der anfallenden Kosten bei jeweiliger Beförderung zu den Schulen in … und in … an, wobei für diese Gegenüberstellung ein Verzicht auf eine Beförderung auf einer Teilstrecke unberücksichtigt bleiben müsse. Die Realschule in … biete genauso wie die derzeit besuchte Realschule in … die Wahlpflichtfächergruppen I, II und III an. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Urteil vom 8. Januar 2008 festgelegt, dass an den Realschulen nur drei Ausbildungsrichtungen in Form entsprechender Wahlpflichtfächergruppen (I, II, III) bestünden. Die Unterscheidung in III a und III b innerhalb der Gruppe III bleibe auf Ebene des Schülerbeförderungsrechts ohne Bedeutung. Aufgrund des Kostenvergleichs sei die …Realschule …die nächstgelegene Schule. Die Beförderungskosten zur …Realschule … überstiegen die Beförderungskosten zur …Realschule um ca. 105%. Aus diesem Grund sei eine Übernahme der Fahrtkosten nach § 2 Abs. 4 Ziffer 3 SchBefV nicht möglich. Eine Übernahme der Fahrtkosten nach § 2 Abs. 4 Ziffer 4 der Schülerbeförderungsverordnung komme nicht in Betracht. Gesichtspunkte, die den Ausgleich einer außergewöhnlichen Härte erforderten, seien nicht vorgetragen worden. Durch die Einführung des 365,00-Euro-Ticket erfolge eine Anpassung des § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SchBefV. Da dieses Ticket ein verbundweit gültiges Jahresticket zum Pauschalbetrag sei, müssten für die Ermittlung des Beförderungsaufwands und damit für die Beurteilung der nächstgelegenen Schule weiterhin die Tarife für Schülermonatskarten herangezogen werden.
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Die Kläger ließen hiergegen über ihren Bevollmächtigten mit Schriftsatz vom 11. Juni 2021, bei Gericht eingegangen am selben Tag, Klage erheben mit dem Antrag,
den Bescheid des Landratsamtes … vom 11.05.2021 aufzuheben und das Landratsamt … zu verurteilen, die Erstattung der Fahrtkosten für die Schülerin … … für das Schuljahr 2021/2022 zur …Realschule, Staatliche Realschule … zu bewilligen.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, dass Kinder aus der Gemeinde … alle gemeinsam in die Grundschule nach … gingen; daher solle es nicht nur für die Kinder aus …, die die Busfahrkarte bezahlt erhielten, möglich sein, die Realschule in … zu besuchen, sondern auch für die Kinder aus den anderen Ortsteilen der Gemeinde … Insbesondere im Hinblick auf das Wohl der Kinder, die entstandenen Freundschaften, das soziale Umfeld und die Entwicklung der jeweiligen Kinder sei es von großem Interesse, dass diese nicht auseinandergerissen würden, um sie in ihrer weiteren Entwicklung nicht unnötig zu beeinträchtigen. Es sei zudem bekannt, dass aus anderen Ortsteilen die Busfahrkarte schon bezahlt worden sei oder bezahlt werde. Das beklagte Landratsamt verstoße daher gegen den Grundsatz der Gleichberechtigung. Aufgrund der Selbstbindung der Verwaltung sei es nicht möglich, einzelne Ausnahmen zuzulassen, im vorliegenden Fall aber auf vermeintlich gegebene formale Rechtspositionen zurückzugreifen. Es sei auch nicht einleuchtend, weshalb nicht jedenfalls der Betrag erstattet werde, der für die Busfahrt nach … anfallen würde, gleich welche Schule das Kind tatsächlich besuche. Die Entscheidung, ob darüber hinausgehende Kosten aus eigener Tasche bezahlt würden und ob die Schule gewechselt werde, sei eine reine erzieherische Entscheidung der sorgeberechtigten Eltern. Es wäre ein Eingriff in diese Erziehungsberechtigung, weil faktisch der Besuch einer bestimmten Schule vorgeschrieben wäre. Würde man dieser Vorschrift Folge leisten, wäre eine Kostenerstattung möglich. Es sei aber nicht einsehbar, weshalb dann, wenn man dieser Vorschrift nicht Folge leiste, schlicht keinerlei Kosten übernommen werden sollten, wenn diese Kosten doch andernfalls ohnehin zu erstatten wären. Entsprechendes ergebe sich für die Argumentation zum Teilstreckenverzicht. Insbesondere auch in Anbetracht der Sprengel- bzw. Ortsgrenzen führe dies, wie der vorliegende Fall zeige, zu völlig willkürlichen und nicht nachvollziehbaren Ergebnissen. Darüber hinaus habe das beklagte Landratsamt offensichtlich in verschiedenen Fällen bereits Ausnahmen genehmigt. Weshalb eine Ausnahme im vorliegenden Fall nicht möglich sein solle, erschließe sich nicht. Auf den Grundsatz der Gleichbehandlung, Verhältnismäßigkeit und Selbstbindung der Verwaltung sei nochmals hinzuweisen.
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Das Landratsamt … beantragte für den Beklagten mit Schriftsatz vom 23. Juli 2021,
die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen die Argumentation im ablehnenden Bescheid wiederholt und darüber hinaus vorgetragen, dass auch ein Teilstreckenverzicht unzulässig wäre. Die Beurteilung erfolge nach dem objektiven Beförderungsaufwand. Dieser umfasse die Kosten vom Wohnort des Schülers bis zur Schule. Daher müsse ein Verzicht der Beförderungskosten auf einer Teilstrecke unberücksichtigt bleiben. Für die Ortsteile …und …sei die Realschule in …die nächstgelegene Schule. Schüler aus dem Ortsteil … könnten sich zwischen beiden Realschulen entscheiden. Bei allen anderen Ortsteilen sei die Realschule … die nächstgelegene Schule. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichberechtigung liege nicht vor, da kein Schüler aus dem Ortsteil … die Fahrkarten zur Realschule … erhalte. Soweit sich die Kläger auf eine Übernahme der Beförderungskosten für Schüler anderer Ortsteile beziehen würden, könne hier nicht auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichberechtigung verwiesen werden. Das Schülerbeförderungsrecht sehe keine Verpflichtung vor, beim Besuch der nicht nächstgelegenen Schule generell wenigstens die fiktiven Kosten („Sowieso-Kosten“) zur nächstgelegenen Schule zu übernehmen. Dies verletze die Kläger auch nicht in ihren Grundrechten. Auch das Recht auf freie Schulwahl gemäß Art. 6 GG bleibe hiervon unberührt. Ein allgemeiner Anspruch auf Subventionierung von Ausbildungskosten in Gestalt der Übernahme der Beförderungskosten in jedem Fall lasse sich der Verfassung nicht entnehmen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakte sowie wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
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1. Die Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) ist zulässig. Insbesondere sind die Kläger klage- und prozessführungsbefugt.
11
Nach § 42 Abs. 2 VwGO ist eine Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch einen Verwaltungsakt oder seine Ablehnung in seinen Rechten verletzt zu sein. Klagebefugt ist, wer substantiiert Tatsachen vorträgt, nach denen es möglich ist, dass er in eigenen Rechten verletzt ist (vgl. Schmidt-Kötters in Beckscher Online-Kommentar, VwGO, 58. Ed. Stand 1.10.2019, § 42 Rn. 175).
12
Inhaber des Anspruchs auf Übernahme von Schulwegkosten ist zwar zunächst der Schüler selbst. Darüber hinaus ist aber auch - aus eigenem Recht - ein Anspruch der Eltern des Schülers auf Übernahme der Schulwegkosten anzuerkennen (vgl. ausführlich m.w.N. VG Ansbach, U.v. 27.5.2019 - AN 2 K 17.01114 - BeckRS 2019, 13926). Gemeinsam sorgeberechtigte Elternteile sind grundsätzlich lediglich gemeinsam im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO prozessführungsbefugt (vgl. zur Prozessführungsbefugnis Schmidt-Kötters in Beckscher Online-Kommentar VwGO, 58. Ed. Stand 1.10.2019, § 42 Rn. 114). Danach sind die sorgeberechtigten Eltern der Klägerin, die hier gemeinsam Klage erhoben haben, klage- und prozessführungsbefugt.
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2. Die Klage ist jedoch unbegründet, da der Bescheid des Beklagten vom 11. Mai 2021 rechtmäßig ist und die Kläger nicht in ihren Rechten verletzt. Vorliegend besteht kein Anspruch auf Übernahme von Schulwegkosten (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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a) Insbesondere ergibt sich kein Anspruch auf Übernahme von Schulwegkosten unter dem Gesichtspunkt des Besuchs der nächstgelegenen Schule. Denn bei der besuchten …Realschule, Staatliche Realschule …, handelt es sich nicht um die nächstgelegene Schule im Sinne des Schulwegbeförderungsrechts.
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aa) Nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Kostenfreiheit des Schulwegs (Schulwegkostenfreiheitsgesetz - SchKfrG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Mai 2000 (GVBl S. 452, BayRS 2230-5-1-K) ist die notwendige Beförderung der Schülerinnen und Schüler auf dem Schulweg bei öffentlichen und staatlich anerkannten privaten Realschulen bis einschließlich Jahrgangsstufe 10 Aufgabe der kreisfreien Gemeinde bzw. des Landkreises des gewöhnlichen Aufenthalts der Schülerin oder des Schülers. Gemäß Art. 2 Abs. 1 Satz 1 SchKfrG ist eine Beförderung notwendig, wenn der Schulweg in einer Richtung mehr als drei Kilometer beträgt und die Zurücklegung des Schulwegs auf andere Weise nach den örtlichen Gegebenheiten und nach allgemeiner Verkehrsauffassung nicht zumutbar ist. Hinsichtlich des Umfangs der Beförderungspflicht konkretisiert § 2 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Schülerbeförderung (Schülerbeförderungsverordnung - SchBefV) in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. September 1994, GVBl S. 953, BayRS 2230-5-1-1-K, dass die Beförderungspflicht zum Pflicht- und Wahlpflichtunterricht der nächstgelegenen Schule besteht. Nach § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 Halbs. 1 SchBefV ist nächstgelegene Schule diejenige Schule der gewählten Schulart, Ausbildungs- und Fachrichtung, die mit dem geringsten Beförderungsaufwand erreichbar ist. Hinsichtlich des Beförderungsaufwands ist weder auf die räumliche noch auf die zeitliche Entfernung, sondern durch Vergleich der jeweils anfallenden Fahrtkosten auf den finanziellen Aufwand der Beförderung abzustellen (vgl. BayVGH, U.v. 13.4.2011 - 7 B 10.1423 - BeckRS 2011, 49904 m.w.N.). Insoweit bestimmt § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 Halbs. 2 SchBefV, dass zur Ermittlung des Beförderungsaufwands im allgemeinen öffentlichen Personennahverkehr die Tarife von Monatskarten für den betroffenen Personenkreis heranzuziehen sind, wenn ein verbundweit gültiges Jahresticket zum Pauschalpreis eingeführt ist. Der Begriff der Ausbildungsrichtung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 Halbs. 1 SchBefV bestimmt sich anhand von Art. 8 Abs. 3 Bayerisches Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 31. Mai 2000 (GVBl S. 414, 632, BayRS 2230-1-1-K).
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bb) Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ergibt sich vorliegend kein Anspruch auf Übernahme von Schulwegkosten zur … Realschule … Denn bei der nächstgelegenen Schule im Sinne des Schulwegbeförderungsrechts handelt es sich vorliegend um die …Realschule … Die Tochter der Kläger besucht derzeit als gewählte Schulart die Ausbildungsrichtung III mit Schwerpunkt im hauswirtschaftlichen und sozialen Bereich an der … Realschule … Die Ausbildungsrichtung III zählt dabei als eine Ausbildungsrichtung. Die Schwerpunkte innerhalb der gewählten Ausbildungsrichtung sind im Bereich des Schülerbeförderungsrechts ohne Bedeutung (vgl. BayVGH, B.v. 23.6.2008 - 7 B 08.550 - juris, Rn. 24). Sowohl in der derzeit besuchten Realschule in … als auch in der nächstgelegenen Schule in …werden alle drei Ausbildungsrichtungen angeboten.
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Jedoch ist die … Realschule … vom Wohnort der Kläger nur mit höherem finanziellen Aufwand erreichbar. So ist unstreitig geblieben, dass für die Beförderung zur … Realschule … die Tarifstufe 6+T (monatliche Fahrtkosten in Höhe von 132,80 EUR) einschlägig ist, für die Beförderung zur …Realschule … dagegen nur die Tarifstufe 2+T (monatliche Beförderungskosten in Höhe von 64,70 EUR).
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Soweit der Bevollmächtigte der Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, mit Blick auf die Einführung des 365,00-Euro-Ticket sei nicht verständlich, dass zur Ermittlung des Beförderungsaufwands die Tarife von Monatskarten heranzuziehen seien, ergibt sich nichts Anderes. Es bestehen insoweit keine Bedenken an der Rechtmäßigkeit des § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 Halbs. 2 SchBefV. Insbesondere verstößt die Regelung nicht gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 118 Abs. 1 BV.
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So begründet die Schulpflicht als Konkretisierung des staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrags aus Art. 7 GG keinen Anspruch auf kostenlose Schülerbeförderung, da die Erfüllung der Schulpflicht als „Bringschuld“ zu verstehen ist. Entsprechend obliegt es grundsätzlich den Eltern, für den Transport zu und von den Schulen zu sorgen und die hiermit verbundenen Kosten als allgemeine Lebenshaltungskosten zu tragen (OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 25.8.2003 - 2 A 10588/03 - beck-online; Schleswig-Holsteinisches VG, U.v. 9.10.2017 - 9 A 257/16 - juris Rn. 22). Zusammengefasst wäre es grundsätzlich verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, hätte sich der Gesetzgeber dazu entschieden, überhaupt keine Schulwegkostenfreiheit zu gewähren. Damit ist es - vorbehaltlich hier nicht ersichtlicher, ungerechtfertigter Ungleichbehandlungen - erst Recht verfassungsrechtlich unbedenklich, sofern Schulwegkostenfreiheit lediglich teilweise oder unter bestimmten Voraussetzungen gewährt wird. Da es sich vorliegend um eine verfassungsrechtlich freiwillige Leistung handelt, ist dem Gesetzgeber zudem ein sehr weitreichender Gestaltungsspielraum eingeräumt, sodass er die Reichweite seiner Förderung standardisieren und pauschalieren darf (OVG Lüneburg, B.v. 16.11.2012 - 2 ME 359/12 - NVwZ-RR 2013, 148, BayVerfGH, B.v. 27.7.1984 - Vf. 17-VII-83 - VerfGH 37, 126/137). Dieser Spielraum ist durch § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 Halbs. 2 SchBefV nicht überschritten. Denn die Norm dient einem sachlichen Zweck.
20
Zweck des im engen Zusammenhang mit der Organisation des Schulwesens stehenden Schülerbeförderungsrechts ist es, ein Schülertransportnetz aufzubauen, das den Schulen tragfähige Einzugsbereiche sichert (vgl. so zum Ganzen BayVGH, B.v. 4.2.2013 - 7 ZB 12.2438 - BeckRS 2013, 47569 Rn. 11 f.). Die Ausweitung der Schülerbeförderung auf alle vom Wohnort beliebig weit entfernten Schulen innerhalb eines Verkehrsverbundgebietes bei Existenz eines verbundweit gültigen Jahrestickets zum Pauschalpreis würde zu einer noch stärkeren Streuung der Schülerströme führen, was dem öffentlichen Interesse der auf den näheren Einzugsbereich abstellenden Schulplanung widerspräche. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 Halbs. 2 SchBefV in diesem Fall die Tarife für Monatskarten für maßgeblich hält (so zum Ganzen VG Würzburg, U.v. 24.3.2021 - W 2 K 20.1737 - juris).
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Soweit weiter vorgetragen wurde, es werde gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung dadurch verstoßen, indem der Beklagte Schülern aus anderen Ortsteilen die Busfahrkarte schon bezahlt habe oder bezahle, ist dem entgegenzuhalten, dass ausweislich des Vortrags des Beklagten für andere Ortsteile die Realschule in … eben die nächstgelegene Schule ist. Im Übrigen ergäbe sich auch aus einer etwaigen Ungleichbehandlung kein Anspruch, vielmehr läge ein Fall der sog. Gleichheit im Unrecht vor.
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b) Die Übernahme von Schulwegkosten ergibt sich vorliegend auch nicht aus § 2 Abs. 3 SchBefV. Denn hier ist mit Blick auf die … Realschule … keine pädagogische oder weltanschauliche Eigenheit geltend gemacht oder ersichtlich. Auch die seitens der Schule angebotene Ausbildungsrichtung stellt keine pädagogische oder weltanschauliche Eigenheit dar, sondern grenzt nach § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3, Satz 4 SchBefV lediglich den Kreis der Schulen ein, die in den Vergleich der jeweiligen Beförderungskosten zur Bestimmung der nächstgelegenen Schule einbezogen werden. Nach alledem fehlt es bereits an den tatbestandlichen Voraussetzungen nach § 2 Abs. 3 SchBefV, so dass dem Beklagten kein etwaiges Ermessen eröffnet war. Entsprechend kann es insoweit auch nicht zu Ermessensfehlern gekommen sein.
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c) Auch nach § 2 Abs. 4 SchBefV war dem Beklagten kein Ermessen eingeräumt, Schulwegkosten der Tochter der Kläger (teilweise) zu übernehmen. Denn auch insoweit liegen die hierfür erforderlichen Voraussetzungen auf Tatbestandsseite nicht vor. Entsprechend kann es auch hier nicht zu Ermessenfehlern gekommen sein.
24
aa) Insbesondere liegt kein Fall der Unzumutbarkeit des Schulwechsels nach § 2 Abs. 4 Nr. 2 SchBefV vor. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs setzt die Unzumutbarkeit außergewöhnliche individuelle Umstände voraus, die zum Ausgleich der durch die Beschränkung der Beförderungspflicht auf die nächstgelegene Schule verursachten Härten Berücksichtigung verlangen (BayVGH, B.v. 4.8.2003 - 7 C 03.800 - juris Rn. 10). Vorliegend sind keine Umstände vorgebracht oder ersichtlich, die einen Schulwechsel unzumutbar erscheinen ließen. Die in der Klagebegründung angeführten Gründe wie bereits entstandene Freundschaften und das soziale Umfeld sind gerade keine außergewöhnlichen individuellen Umstände, sondern Umstände, die gewöhnlich auf alle Kinder nach Abschluss der Grundschulzeit zutreffen. Im Übrigen wäre der Tochter der Kläger ein Schulwechsel zumutbar, da sie die 8. Klasse besucht, sodass auch mit Blick auf die zeitlich noch entfernte Abschlussprüfung ein Schulwechsel ohne weiteres möglich wäre.
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bb) Auch § 2 Abs. 4 Nr. 3 SchBefV ist bereits tatbestandlich nicht einschlägig.
26
Nach der genannten Vorschrift kann die Schulwegbeförderung ganz oder teilweise übernommen werden, wenn der Beförderungsaufwand die ersparten Beförderungskosten zur nächstgelegenen Schule um nicht mehr als 20% übersteigt. Hier übersteigen aber die Beförderungskosten zu der … Realschule … die Beförderungskosten zum Besuch der …Realschule in … um mehr als 20%, nämlich um 105%.
27
cc) Schließlich liegt weder eine Zustimmung der betroffenen Aufwandsträger zur Kostenübernahme im Sinne von § 2 Abs. 4 Nr. 4 SchBefV vor noch ist ein Anspruch auf eine solche Zustimmung ersichtlich. Die Zustimmung nach dieser Vorschrift ist nur in außergewöhnlichen Fällen zu erteilen (vgl. BayVGH, U.v. 10.1.1996 - 7 B 94.1847 - BayVbl. 1996, 434). Ein außergewöhnlicher Fall liegt jedoch nicht vor.
28
d) Die Kläger können auch nicht die Übernahme sogenannter fiktiver Kosten verlangen, also der Kosten für die Beförderung in der Höhe, wie sie beim Besuch der …Realschule in … anfallen würden. Die Erstattung fiktiver Beförderungskosten sieht das Schulwegbeförderungsrecht nicht vor, da durch die (teilweise) Übernahme von Beförderungskosten zu entfernteren Schulen die Schülerzahlen der nächstgelegenen Schule und damit die auf den Einzugsbereich abstellende Schulplanung gefährdet wären. So hätten im Fall der Anerkennung fiktiver Kosten alle Schüler, deren Beförderung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Satz 1 SchKfrG notwendig ist, Anspruch auf kostenfreie Beförderung bzw. (fiktiven) Kostenersatz, so dass die Anreizfunktion der Schulwegkostenfreiheit in Bezug auf die nächstgelegene Schule weitgehend verloren ginge. Zweck des im engen Zusammenhang mit der Organisation des Schulwesens stehenden Schülerbeförderungsrechts ist es auch, ein Schülertransportnetz aufzubauen, das den Schulen tragfähige Einzugsbereiche sichert (vgl. so zum Ganzen BayVGH, B.v. 4.2.2013 - 7 ZB 12.2438 - BeckRS 2013, 47569 Rn. 11 f.).
29
e) Auch das von der Klägerseite reklamierte Elternrecht der freien Schulwahl aus Art. 6 Abs. 2 GG gebietet es nicht, den Eltern, die aus besonderen Gründen nicht die nächstgelegene Schule einer bestimmten Ausbildungsrichtung wählen, dadurch entstehende finanzielle Belastungen abzunehmen. Eltern bzw. Schüler werden schließlich nicht zum Schulwechsel gezwungen, vielmehr geht es ausschließlich um die Verteilung finanzieller Lasten zwischen öffentlicher Hand und Bürger. Wird aber, wie hier, vom Recht der Schulwahl in der Weise Gebrauch gemacht, dass aus nachvollziehbaren Gründen nicht die nächstgelegene Schule besucht wird, so ist es den Erziehungsberechtigten zuzumuten, die finanziellen Folgen der Entscheidung selbst zu tragen. Ein allgemeiner Anspruch auf Subventionierung von Ausbildungskosten in Gestalt der Übernahme der Beförderungskosten in jedem Fall lässt sich der Verfassung nicht entnehmen (vgl. VG München, U.v. 20.6.2017 - M 3 K 15.5905 - juris Rn. 40, OVG Lüneburg, B.v. 16.11.2012 - 2 ME 359/12 - NVwZ-RR 2013, 148).
30
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.