Inhalt

VG Regensburg, Beschluss v. 24.02.2021 – RO 5 E 21.170
Titel:

Wettannahmestelle, Ausnahmegenehmigung, Einstweilige Anordnung, Antragsgegner, Verwaltungsgerichte, Antragstellers, Vorwegnahme der Hauptsache, Verordnungsgeber, Ermessensreduzierung auf Null, Freizeitgestaltung, Prozeßbevollmächtigter, Festsetzung des Streitwerts, Streitwertbeschwerde, Streitwertanhebung, Streitwertkatalog, Effektiver Rechtsschutz, Feststellungsantrag, Aufhebung, Prozeßkostenhilfeverfahren, Infektionsrisiko

Normenketten:
VwGO § 123
BayIfSMV § 11 Abs. 6 der 11.
BayIfSMV § 27 Abs. 2 S. 1 der 11.
Schlagworte:
Betrieb einer Wettannahmestelle, Aufladen von Kundenkarten, Erteilung einer Ausnahmegenehmigung
Fundstelle:
BeckRS 2021, 3401

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 10.000,-- € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin begehrt eine Ausnahmegenehmigung für die Öffnung der Eingangstüren zweier Wettannahmestellen, um die Aufladung von Kundenkarten und die zugehörigen Zahlungsvorgänge zu ermöglichen.
2
Mit E-Mail vom 11.01.2021 informierte die Antragstellerin die Antragsgegnerin, dass die beiden Wettannahmestellen in der … und in der … in R. bislang geschlossen gewesen seien und, da nun ein „Click und Collect“-Betrieb gestattet sei, ein entsprechendes Konzept zur Prüfung und Freigabe übermittelt werde. Mit E-Mail vom 12.01.2021 teilte die Antragsgegnerin mit, dass Konzepte nur auf Verlangen der Antragsgegnerin geprüft würden und der „Click und Collect“-Betrieb erlaubt sei. Die Antragstellerin fragte daraufhin mit E-Mail vom 13.01.2021 nochmals nach, ob die Filialen zur Aufladung der Kundenkarten geöffnet sein dürfen oder nicht. Die Antragsgegnerin bestätigte dies daraufhin mit E-Mail vom 14.01.2021 zunächst, teilte mit einer weiteren E-Mail vom 15.01.2021 dann aber mit, dass die „Click und Collect“-Regelung nicht angewendet werden könne und die Antragstellerin verpflichtet sei, die Filialen unverzüglich sofort zu schließen. Das Ordnungsamt werde die erforderlichen Kontrollen durchführen.
3
Am 15.01.2021 hat die Antragstellerin daraufhin eine Ausnahmegenehmigung zur dauerhaften Öffnung der Eingangstüren beider Wettannahmestellen zur Ermöglichung der Aufladung von Kundenkarten und zugehöriger Zahlungsvorgänge gemäß einem beigefügten Hygienekonzept beantragt. Der Zugang zu den Wettannahmestellen sei danach auch bei geöffneter Eingangstür durch einen quergestellten Tisch versperrt, sodass ein Betreten durch betriebsfremde Personen nicht möglich sei.
4
Mit Schreiben vom 27.01.2021 hat die Antragsgegnerin die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung abgelehnt.
5
Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 02.02.2021, bei Gericht eingegangen am gleichen Tag, ließ die Antragstellerin vorliegenden Antrag gemäß § 123 VwGO stellen, mit dem begehrt wird, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zur Erteilung einer Ausnahmegenehmigung zu verpflichten.
6
Zur Begründung wird geltend gemacht, dass von dem Bedienungsvorgang keine größeren Risiken ausgingen, als bei „Click und Collect“ im Einzelhandel. Indem der Kunde draußen bleibe und der Vorgang sehr kurz dauere, also ein bis zwei Minuten, handele es sich faktisch trotz Öffnung der Eingangstür nicht um eine Freizeiteinrichtung im Sinne des § 11 Abs. 6 der 11. Bayerischen Immissionsschutzmaßnahmenverordnung (IfSMV). Die eigentliche Freizeitgestaltung, das Wetten, finde vielmehr zu Hause statt. Die Öffnung sei infektionsschutzrechtlich vertretbar, da die 7-Tages-Inzidenz in R. bei Antragstellung nur noch bei 65,32 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner gelegen habe und die Tendenz deutlich rückläufig sei. Inzwischen, bei Antragstellung bei Gericht, liege die 7-Tages-Inzidenz bei nur noch 32 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in R. und damit unter beiden in § 28a Abs. 3 Infektionsschutzgesetz (IfSG) genannten Schwellenwerten von 35 bzw. 50.
7
Die Antragstellerin habe einen Anspruch auf Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung, da angesichts der extrem niedrigen Wahrscheinlichkeit auch nur einer einzigen Infektion und fehlender Bezugsfälle die Öffnung infektionsschutzrechtlich vertretbar sei, derweil bei weiterer Schließung der Antragstellerin massive wirtschaftliche Schäden drohen würden. Angesichts der extrem niedrigen Gefahr einer unkontrollierten Weiterverbreitung des Virus und der inzwischen drastisch gesunkenen 7-Tages-Inzidenz in R. sei die Öffnung der Eingangstüren für das Durchreichen von Kundenkarten und Bargeld zur Durchführung von Aufladevorgängen bei gleichzeitig fortdauernder Schließung des Innenbereichs für den Publikumsverkehr infektionsschutzrechtlich vertretbar. Es ermögliche dem Kunden, zu Hause oder im öffentlichen Raum Wetten über das Internet an PCs oder Mobilgeräten abzugeben, wofür die Antragstellerin, welche die Kundenkarten ausgegeben habe, eine Provision erhalte. Der Eilantrag ziele grundsätzlich darauf ab, der Antragstellerin in Bezug auf Abholdienste dieselben Rechte einzuräumen wie den sonstigen nach § 12 Abs. 1 Satz 1 der 11. BayIfSMV geschlossenen Einzelhandels- und Dienstleistungsbetrieben. Im Falle der Antragstellerin würden nur eine Kundenkarte, Bargeld und eine Quittung durch die Tür gereicht, während bei „Click und Collect“ nach § 12 Abs. 1 Satz 6 der 11. BayIfSMV all dieses ebenfalls durch die Tür gereicht werden dürfe, zusätzlich aber auch eine Ware an den Kunden ausgegeben werden müsse. Es gehe im vorliegenden Fall aber gerade nicht darum, die Vereinbarkeit des Ausschlusses von „Click und Collect“ bei Wettannahmestellen auf die Vereinbarkeit höherrangigen Rechts zu prüfen, sondern um eine der besonderen Situation in R. geschuldete Ausnahmegenehmigung.
8
Zu den Kernelementen des anzuwendenden Hygienekonzeptes gehöre der Grundsatz kontaktarmer Durchführung, wozu auch die durchgängige Wahrung von Mindestabständen zwischen Personal und Kunden gehöre, ebenso die vorherige Terminvereinbarung und die Einhaltung eines 15-Minuten-Intervalls zwischen Besuchen einzelner Kunden, um Begegnungen zwischen diesen zu vermeiden, sowie das Verbleiben des Kunden außerhalb der Annahmestelle. Die Abgabe von Wetten sei nicht möglich. Durch eine Plexiglasscheibe werde nicht nur ein Schutz vor Tröpfcheninfektion hergestellt, sondern auch das Ladeninnere gegen Zutritt durch betriebsfremde Personen geschützt. Zusätzlich müssten Kunde und Mitarbeiter durchgängig FFP2-Masken tragen. Der Mitarbeiter trage Gummihandschuhe, die Kundenkarte werde vor und nach der Transaktion desinfiziert. Begleitpersonen seien nicht erlaubt. Der Vorgang dauere maximal fünf Minuten. Die obligatorische Nutzung der Kundenkarte sichere auch die Rückverfolgbarkeit im Falle des Auftretens von Infektionen bei Kunden oder Mitarbeitern. Denn schon bei der Terminvereinbarung müsse die Kundenkartennummer angegeben werden. Es gehe um eine Gleichbehandlung mit denjenigen Betrieben, denen eine kontaktlose Kundenbedienung nach § 12 Abs. 1 Satz 6 der 11. BayIfSMV und dabei auch eine kurzzeitige Öffnung von Eingangstüren und Fenstern zum Durchreichen von Gegenständen gestattet sei. Die Geltung der Verbotsvorschriften an sich werde nicht in Abrede gestellt, vielmehr gehe es darum, in einem Randbereich, der sich in extremer Form vom Normalbetrieb einer Wettannahmestelle und erst recht eines Wettbüros unterscheide, mit Blick auf die sehr niedrige Inzidenz in R. eine Ausnahme von dem ansonsten bayernweit fortgeltenden Verbot zu ermöglichen. Eine solche Individualausnahme sei zu unterscheiden von der in § 26 der 11. BayIfSMV geregelten Möglichkeit genereller Ausnahmen durch Allgemeinverfügung. Denn in einem solchen Falle finde keine individuelle Prüfung von Hygienekonzepten statt. Zudem würde § 26 der 11. BayIfSMV nicht bloß die Gestattung eines solch eingeschränkten Betriebs ermöglichen, sondern sogar die vollumfängliche Aufhebung des Verbots der Öffnung von Wettannahmestellen.
9
Die Öffnung oder Schließung der Außentüren und Fenster von Wettannahmestellen zur Verhinderung der Aufladung von Kundenkarten und Abwicklung von Zahlungsdiensten habe keine signifikante Relevanz für das Infektionsgeschehen in der Stadt. Realistisch sei, dass pro Tag und Annahmestelle rund 20 Termine vergeben würden. Es würden mithin pro Tag rund 40 Annäherungen zwischen Kassierer und Kunden stattfinden, beide geschützt durch FFP2-Masken, pro Woche rund 250. Bei einem Vergleich mit dem Einzelhandel und einer Berücksichtigung der hier maßgeblichen Umstände (Kürze der Begegnung, Kunde bleibt draußen, Wahrung des Mindestabstandes, beide tragen FFP2-Masken, niedrige Inzidenz in R.), liege die Wahrscheinlichkeit, dass es bei der Öffnung der Eingangstüren in zwei Wochen auch nur zu einer einzigen Ansteckung komme, bei deutlich unter einem Prozent, eher bei maximal 0,5 Prozent. Es spreche auch wenig dafür, dass mit vielleicht 500 Annahmestellenbesuchen in zwei Wochen ernsthafte Infektionsrisiken auf dem Hin- und Rückweg verbunden wären. Solche würden fehlen, wenn die Kunden mit dem eigenen Auto anreisen würden oder wenn der Besuch lediglich anlässlich sonstiger Besorgungen erfolge und keine zusätzlichen Wegstrecken zurückgelegt würden. Bei Begegnungen auf offener Straße sei das Infektionsrisiko vernachlässigbar, zumal inzwischen die Innenstädte verödet seien und obendrein in den Fußgängerzonen vielfach Maskenpflicht fortgelte. Für das Infektionsrisiko bei Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel könne man die Antragstellerin nicht wirklich verantwortlich machen, solange der Freistaat Bayern bis heute nicht unmissverständlich der Bevölkerung generell von der unnötigen Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel abrate.
10
Die kurzzeitige Öffnung von Türen und Fenstern zum Durchreichen von Gegenständen von oder an Kunden sei ein atypischer Fall, der eine ausnahmsweise Befreiung vom Verbot jedenfalls in Niedriginzidenzgebieten rechtfertige. Der Einkauf diene nur mittelbar der häuslichen Freizeitgestaltung, die aber unter Infektionsschutzaspekten unter Umständen sogar sinnvoll sein könne, um die Menschen von Kontakten mit anderen Menschen abzuhalten. So sinnvoll es beispielsweise sein könne, Fitnessstudios zu schließen, so deplatziert wäre es, den Betreibern des Fitnessstudios zu verbieten, Fitnessgeräte, die im Studio nicht mehr genutzt werden dürfen, an Kunden auszuleihen. Auf § 28a Abs. 1 Nr. 6 IfSG dürften keinerlei Maßnahmen gestützt werden, die sich gegen die häusliche Freizeitgestaltung richtet, indem sie von Einrichtungen, die in geöffnetem Zustand der Freizeitgestaltung innerhalb der Einrichtung dienen würden, nicht bloß die Schließung für den Publikumsverkehr fordern, sondern auch die Schließung von Türen und Fenstern für das Durchreichen von Gegenständen, obwohl dieses Durchreichen selbst keine Freizeitgestaltung sei, sondern lediglich der häuslichen Freizeitgestaltung diene und in Einzelhandelsgeschäften seit dem 11.01.2021 wieder erlaubt sei. Der sachliche Grund für die Differenzierung zwischen Freizeiteinrichtungen in § 28a Abs. 1 Nr. 6 IfSG und sonstigen Betrieben und Gewerben im Sinne des § 28a Abs. 1 Nr. 14 IfSG liege darin, dass derartige Einrichtungen gerade aufgrund ihrer Widmung für die Freizeitgestaltung per se ein erhöhtes Infektionsrisiko mit sich bringen würden, weil sich Menschen über längere Zeiträume in ihnen aufhielten, während bei sonstigen Betrieben oder Gewerben ein erhöhtes Infektionsrisiko zwar möglich sein könne, jedoch dieser Gruppe nicht typischerweise anhafte. Die in der Gesetzesbegründung zu § 28a Abs. 1 Nr. 14 IfSG nachweisbare Differenzierung bei Gewerben und Betrieben entsprechend ihrem Infektionsrisiko habe Rückwirkungen für das Verständnis der Formulierung „Einrichtungen, die der Freizeitgestaltung dienen“ in § 28a Abs. 1 Nr. 6 IfSG. Die Besonderheit von Einrichtungen, die der Freizeitgestaltung dienen, liege darin, dass auch bei Einhaltung von Mindestabständen allein durch die Zahl der Besucher und deren längeres Verweilen in der Einrichtung, vor allem in geschlossenen Räumen, Anreicherungen virusbelasteter Aerosole zu befürchten seien. Dies impliziere, dass die Einrichtung unmittelbar der Freizeitgestaltung dienen müsse, und die Freizeitgestaltung im Sinne des § 28a Abs. 1 Nr. 6 IfSG in der Einrichtung und nicht außerhalb stattfinden müsse. Berücksichtige man dies, stelle sich die Öffnung lediglich der Eingangstüre einer Wettannahmestelle zum Durchreichen von Kundenkarten und Bargeld im Vergleich zum Normalbetrieb einer Wettannahmestelle als atypischer Fall dar, der eine Ausnahmegenehmigung rechtfertige.
11
Die Zulassung kontaktarmer Kundenbedienung an der Eingangstüre nach Voranmeldung stehe auch nicht im Widerspruch zu den Grundgedanken von § 11 Abs. 6 und § 12 Abs. 1 der 11. BayIfSMV. Die Ausnahmeregelung nach § 12 Abs. 1 Satz 6 der 11. BayIfSMV sei damit begründet worden, aufgrund der Verlängerung des Lockdowns sei es erforderlich, die Versorgung mit entsprechenden Gütern auch unabhängig vom reinen Onlinehandel sicherzustellen. Die Begründung lasse nicht erkennen, wieso diese Regelung auch in Fällen angewendet werden solle, in denen es um Dienstleistungen gehe, wie etwa Reparaturen. Warum dies allerdings für die Aufladung von Kundenkarten in Wettannahmestelle nicht gelten solle, werde nirgends begründet. Die nach § 28a Abs. 5 IfSG vorgeschriebenen Begründungen zu den Beschränkungen im Freizeitbereich würden bei der 11. BayIfSMV fehlen, was schon in formaler Hinsicht Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Beschränkungen erwecken könne. In der Begründung zur 9. BayIfSMV würden als Risikofaktoren, die mit den untersagten Betrieben bzw. Tätigkeiten einherging, die Kontaktintensität, die mangelnde Möglichkeit der konsequenten Einhaltung der Maskenpflicht und von Mindestabständen sowie die körperliche Aktivität angesprochen. Sämtliche Risikofaktoren würden voraussetzen, dass die Freizeiteinrichtungen tatsächlich vom Kunden betreten werde. Der An- und Abreiseverkehr als Risikofaktor werde in der Begründung nur im Zusammenhang mit Veranstaltungen angesprochen, weil dieser hier für alle Teilnehmer bzw. Zuschauer nahezu zeitgleich erfolge und daher damit zu rechnen sei, dass der öffentliche Personennahverkehr während dieser Zeiten in erhöhtem Maße frequentiert werde. Für die übrigen Freizeitaktivitäten werde der An- und Abreiseverkehr nicht als Problem identifiziert. Da der An- und Abreiseverkehr bei Betrieben des Freizeitbereichs in gleicher Weise vorkomme wie bei sonstigen Dienstleistungsbetrieben, käme als Differenzierungskriterium nur noch die angebliche vorübergehende Entbehrlichkeit des Freizeitsektors in Betracht. Nachdem aber § 28a IfSG für dieses Kriterium außerhalb des engen Rahmens von § 28a Abs. 6 Satz 3 IfSG keinen Raum lasse, habe auf der Verordnungsgeber dieses Kriterium nur indirekt und vor allem ergänzend geltend gemacht. Primäres Argument sei, dass es sich bei den betroffenen Bereichen um kontaktintensive Bereiche handele, der Verordnungsgeber glaube also, durch Schließungen in diesem Bereich zur Verminderung der persönlichen Kontakte beizutragen. Das Kriterium der Verzichtbarkeit werde in der Verordnung lediglich zur Differenzierung zwischen Tätigkeiten mit vergleichbarem Infektionspotential verwendet, hingegen nicht als ausschlaggebendes Kriterium zur Einordnung in den Verbotskatalog etwa des § 11 der 11. BayIfSMV. Denn es gebe zahlreiche weitere Betriebe und Einrichtungen, auf deren Betrieb ein paar Wochen ohne Weiteres verzichtet werden könnte, die nunmehr aber nach § 12 Abs. 1 der 11. BayIfSMV geschlossen zu halten seien, jedoch seit dem 11.01.2021 Abholdienste anbieten könnten. Dies bedeute letztlich für § 11 der 11. BayIfSMV, dass als einzige aus der Verordnungsbegründung ableitbare Rechtfertigung ein angeblich besonderes Risikopotenzial übrig bleibe, das sich wiederum allenfalls an einer angeblichen Kontaktintensität der untersagten Betätigung festmachen ließe. Diese fehle wiederum bei einer Kundenbedienung entsprechend § 12 Abs. 1 Satz 6 der 11. BayIfSMV völlig, sodass die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nicht im Widerspruch zu den Grundgedanken der Regelung stehe.
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Es bestünden schließlich ernstliche Zweifel, ob § 28a IfSG die längerfristige vollständige Schließung von Einrichtungen und Betrieben ohne erhöhtes Infektionsrisiko zulasse, insbesondere auch in Konstellationen, in denen der Anstieg der Neuinfektionen gestoppt werden konnte und nur noch das Ziel verfolgt werde, die 7-Tages-Inzidenz auf unter 50 pro 100.000 Einwohner zu drücken und hier namentlich in Städten, in denen dieser Wert und sogar der niedrigere Schwellenwert von 35 bereits unterschritten worden sei. In der Gesetzesbegründung zu § 28a Abs. 1 Nr. 14 IfSG werde näher ausgeführt, unter welchen Umständen ein erhöhtes Infektionsrisiko gegeben sei, das eine unterschiedliche Behandlung innerhalb der von dieser Regelung erfassten Gruppe von Betrieben und Gewerben rechtfertige. Es seien dies der Kunden- und Besucherverkehr, ein enger körperlicher Kontakt und länger andauernde Kontakte. Betriebe, die keines dieser drei Merkmale unvermeidbar aufweisen würden, dürften auf der Grundlage des derzeit geltenden Rechts überhaupt nicht geschlossen werden, weil sie das niedrigste mögliche Infektionsrisiko aufweisen würden. Hätte der Gesetzgeber solch rabiate Eingriffe zulassen wollen, so hätte er hierfür eine gesonderte Ermächtigungsgrundlage mit detaillierten Eingriffsvoraussetzungen schaffen müssen. Es blieben als gesetzgeberisch in Kauf genommene „ultima ratio“ nur Maßnahmen, die eine Ausschaltung der drei Risikofaktoren zum Gegenstand haben würden, was bei Betrieben mit Kundenverkehr deren Schließung für den Publikumsverkehr bedeute. Gewerbebetriebe mit Kundenverkehr, bei denen sich das Risiko tatsächlich auf flüchtige Berührungen beschränke, dürften zwar untersagt werden, aber eben auch nur als „ulitma ratio“. Dies könne der Fall sein, wenn es oberhalb des Schwellenwertes zu einem sich erneut beschleunigenden Infektionsgeschehen komme. Habe sich demgegenüber das Infektionsgeschehen stabilisiert, müsse der Verordnungsgeber bei solchen gewerblichen Tätigkeiten, deren einziges Risikopotenzial in der physischen Präsenz von Kunden liege, sich die Mühe machen, den bestmöglichen Infektionsschutz unterhalb der Ebene einer Volluntersagung sicherzustellen.
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Die Verweigerung einer kurzzeitigen Öffnung von Türen und Fenstern zum Durchreichen von Gegenständen könne auch nicht mit der Erwägung gerechtfertigt werden, die Maßnahme sei Teil eines Gesamtkonzeptes. Ein solches sei inzwischen wieder aufgegeben worden. Dementsprechend blieben die Folgen einer Ausnahmegenehmigung ohne Konsequenzen für andere Bereiche, weil für diese keine gleichermaßen weitreichenden Restriktionen gelten würden. In Ermangelung eines Gesamtkonzeptes, das von Betrieben auch die Schließung von Türen und Fenstern für das Durchreichen von Gegenständen verlange, könne ein entsprechendes Verbot ausschließlich für Wettannahmestellen auch nicht mit der Erwägung einer Vermeidung von Sozialkontakten auf dem Weg von und zu den Annahmestellen gerechtfertigt werden, da Wettannahmestellen nur einen zahlenmäßig sehr kleinen Personenkreis ansprechen würden, weshalb auch Begegnungen auf den Wegen von und zu den Wettannahmestellen keinen nennenswerten Einfluss auf das Infektionsgeschehen haben könnten. Die streitgegenständlichen Annahmestellen würden sich nur an ein ortsansässiges Publikum richten. Das Hygienekonzept sehe nur die Aufladung bestehender Kundenkarten, nicht aber die Ausgabe neuer vor, weswegen keine Anreize für Personen entstünden, die bislang nicht Kunde gewesen seien. Es komme selbst außerhalb von Pandemiezeiten eher unterdurchschnittlich häufig vor, dass Wettannahmestellen eigens mit öffentlichen Verkehrsmitteln angefahren würden.
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§ 2 der 11. BayIfSMV stehe der beantragten Ausnahmegenehmigung nicht im Wege. Verboten sei das gezielte Ansteuern der beiden Wettannahmestellen mit Autos oder gar öffentlichen Verkehrsmitteln. Das von der Antragstellerin beabsichtigte Angebot dürfe nur von Personen genutzt werden, die aus triftigen Gründen die Wohnung verlassen und dann ohnehin an der Wettannahmestelle vorbeikommen würden. Der Besuch einer Bank oder Sparkasse oder der Einwurf eines Briefes in den Briefkasten würden in § 2 der 11. BayIfSMV als triftiger Grund anerkannt, selbst wenn dies ausschließlich dazu diente, ein Überweisungsformular zur Überweisung einer Geldsumme an einen online-Glücksspielanbieter abzugeben bzw. zu versenden. Die Aufladung der Kundenkarte sei nicht risikobelasteter als der Besuch einer Bank oder Sparkasse, in der sich deutlich mehr Personen aufhalten würden und bei dem zudem keine Kontaktdatenerhebung stattfinde. Da der Antrag nur auf Aufladung bestehender Kundenkarten abziele, diese zu 95 Prozent Kunden gehören würden, die in der Stadt wohnt und die übrigen fünf Prozent nur dann zum Aufladen nach R. fahren dürften, wenn sie ohnehin aus triftigen Gründen in die Stadt kämen, bestehe das Risiko, dass Landkreisbewohner zum Aufladen in die Stadt kämen, faktisch nicht.
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Um eine Wiederholung der schlimmen Erfahrungen mit einer Priorisierungsstrategie zu verhindern, sei es unbedingt erforderlich, Ungleichbehandlungen nur aus Gründen, die im Infektionsschutz wurzeln, vorzunehmen und nicht aus Gründen einer Priorisierung gesamtgesellschaftlich oder gesamtwirtschaftlich wichtiger Bereiche. Die infektionsschutzrechtliche Erwägung, das Glückspiel müsse dabei zuletzt kommen, verbiete sich dabei. Die Ablehnung einer Ausnahmegenehmigung im vorliegenden Fall statuiere auch eine Ausnahme vom ansonsten allgemein geltenden Grundsatz, dass sich zwei Menschen nach wie vor an beliebigen Orten treffen könnten. Würden diese Freiheiten extensiv genutzt, würde dies die Eindämmung der Pandemie praktisch unmöglich machen, was vor Augen führe, dass der entscheidende Beitrag nicht die flächendeckende Schließung des Einzelhandels sei, sondern die Nichtausschöpfung der Möglichkeiten enger sozialer Kontakte. Außerhalb der Wettannahmestelle könne die Geldübergabe problemlos stattfinden. Es sei also vorliegend nicht die Ausnahme vom Verbot der Ladenöffnung begründungsbedürftig, sondern die auf Ladengeschäfte beschränkte Ausnahme vom Grundsatz der Freiheit, sich mit jemand anderem zu beliebigen Zwecken zu treffen. Dass dieses Treffen gewerblich motiviert sei, sei kein Problem, sondern in § 3 Nr. 2 der 11. BayIfSMV ausdrücklich privilegiert. Es liege auch ein Anordnungsgrund vor. Die Antragstellerin werde wohl keine Hilfen erhalten können.
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Die Antragstellerin lässt beantragen,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin eine vorläufige Ausnahmegenehmigung nach § 27 Abs. 2 der 11. BayIfSMV für die dauerhafte Öffnung der Eingangstüren in den Wettannahmestellen … und … in R. zum Zwecke der Ermöglichung der Aufladung von Kundenkarten und zugehörigen Zahlungsvorgängen gemäß anliegendem Hygienekonzept zu erteilen.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung wird geltend gemacht, dass der Antrag bereits unstatthaft sei. Die Antragstellerin begehre offenbar die Aufhebung bzw. Anpassung einzelner Vorschriften der 11. BayIfSMV, gehe sie doch davon aus, dass die Regelung des § 12 Abs. 1 Satz 6 der 11. BayIfSMV auf die in § 11 Abs. 6 der 11. BayIfSMV geregelten Wettannahmestellen anwendbar sein solle. Die Antragstellerin müsse dieses Rechtsschutzziel vorrangig mit der einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO verfolgen.
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Jedenfalls sei der Antrag unbegründet, da die Antragstellerin keinen Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung habe. Die Öffnung der Wettannahmestellen sei unmittelbar aufgrund der 11. BayIfSMV untersagt, ohne dass der Kreisverwaltungsbehörde ein Spielraum zukäme. Auf ein Schutz- und Hygienekonzept als Voraussetzung für eine Öffnung komme es nicht an. Es liege kein erlaubtes Ladengeschäft im Sinne des § 12 der 11. BayIfSMV vor. Die FAQ-Corona-Krise, Stand 26.01.2021, würden die Untersagung der Öffnung von Wettannahmestellen noch einmal ausdrücklich klarstellen. Auch seien die „Click und Collect“-Regeln auf Wettannahmestellen offensichtlich nicht anwendbar. Dies folge bereits aus dem Wortlaut des § 11 der 11. BayIfSMV. Zudem ergebe sich dies aus der systematischen und der teleologischen Auslegung. Das „Click und Collect“-System würde ausweislich der systematischen Stellung eine explizite Ausnahme zur Vorschrift des § 12 Abs. 1 Satz 1 der 11. BAyIfSMV darstellen. Die Antragstellerin wolle durch ihren Antrag eine Art Teilöffnung erreichen und ziehe hierbei einen Vergleich mit den Abholsystemen, die für den Einzelhandel derzeit vorgesehen seien. Der Vergleich hinke jedoch, da gerade kein Verkauf vor Ort im Einzelhandel erlaubt sei. Das „Click und Collect“-System definiere sich dadurch, dass vor Ort gerade keine Verfügung getroffen werde, sondern lediglich eine bereits vorbestellte Ware abgeholt werden dürfe. Die von der Antragstellerin begehrte Öffnung der Wettannahmestelle sei mit dieser Abholmöglichkeit nicht vergleichbar, denn die Antragstellerin gedenke, vor Ort Dienstleistungen anzubieten. Diese Möglichkeit sei vom Verordnungsgeber offensichtlich nicht gewollt. So seien Wettannahmestellen seit Anbeginn sehr restriktiv behandelt worden. Seit der 8. BayIfSMV vom 30.10.2020 seien diese dauerhaft aufgeführt und geschlossen. Lockerungen und Ausnahmen seien niemals vorgesehen gewesen. Der Verordnungsgeber positioniere sich so, dass außer den explizit genannten Fällen keine weiteren Fälle des „Click und Collect“-Systems vorgesehen seien. Es handele sich hierbei somit auch nicht etwa um eine planwidrige Regelungslücke.
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Es liege auch kein triftiger Grund zum Verlassen der Wohnung vor. Die Antragstellerin irre, wenn sie vorbringe, dass der Besuch einer Wettannahmestelle im Rahmen eines erlaubten Verlassens der Wohnung zulässig sein solle. Es reiche nicht, wenn ein Betroffener die Wohnung zunächst mit triftigen Grund verlasse und sodann zu einer nicht von § 2 der 11. BayIfSMV umfassten Tätigkeit übergehe. Vielmehr wäre der Aufenthalt im öffentlichen Raum für den Zeitraum des Besuchs der Wettannahmestelle unerlaubt. Der „Umwidmung“ des triftigen Grundes während eines Verlassens der eigenen Wohnung sei zu widersprechen. Dies stelle eine unzulässige Umgehung des Normzwecks dar. Die Antragsgegnerin könne keine Ausnahme erteilen, da die Wettannahmestellen weder für die Versorgung der Bevölkerung notwendige Geschäfte seien, noch eine Öffnung von Wettannahmestellen und somit die Schaffung eines weiteren Anlaufpunkts für Bürger infektionsschutzrechtlich vertretbar sei. Es seien Verlagerungseffekte zu erwarten, da davon auszugehen sei, dass Bewohner des Landkreises sodann geöffnete Wettannahmestellen in R. in Anspruch nehmen würden. Dieses Risiko könne angesichts einer deutlich höheren aktuellen 7-Tages-Inzidenz im Landkreis R. nicht in Kauf genommen werden. Nach dem Lagebericht des RKI vom 03.02.2021 seien insbesondere an den östlich an R. angrenzenden Landkreisen und in den Grenzgebieten zu Tschechien deutlich höhere Inzidenzien zu vermelden. Eine Öffnung der Wettannahmestellen würde weitere Wettkonsumenten auch außerhalb des Stadtgebietes locken, wodurch eine nicht kalkulierbare Gefahr der Infektionsübertragung eröffnet würde. Insbesondere mit Blick auf die erhebliche Gefahr des Auftretens mutierter Varianten des Virus ergebe sich keinerlei Grund, vorschnell Lockerungen durch die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen einzuleiten. Auch aus Sicht des Gesundheitsamtes bestehe kein Anlass, durch vorschnelle Lockerungen die erzielten Erfolge zu gefährden. Eine Ausnahmegenehmigung sei infektionsschutzrechtlich nicht vertretbar.
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Es begegne keinen Bedenken, dass in § 12 Abs. 1 Satz 6 der 11. BayIfSMV das „Click und Collect“-System“ erlaubt werde, während dies für Wettannahmestellen gerade nicht vorgesehen sei. Hierin liege kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Selbst wenn das Infektionsgeschehen Lockerungen zulassen sollte, gebiete sich im Rahmen einer abweichenden Erleichterung von der Verordnung vorrangig, die Geschäftsbereiche vorsichtig zu öffnen, die nicht dem Glücksspiel zugeordnet würden. Eine solche Entscheidung treffe jedoch die Bayerische Staatsregierung. Die Antragsgegnerin schließe sich aber der Auffassung des Verordnungsgebers an, dass in der gegenwärtigen Phase der Pandemie, die von einem diffusen Ausbruchsgeschehen geprägt sei und in der ein Großteil der Infektionen nicht mehr zurückverfolgt werden könne, die letztjährigen, vordringlich auf Einhaltung von Abstand und Hygiene ausgerichteten Maßnahmen, nicht mehr genügen würden, sondern die Kontakte der Bevölkerung insgesamt deutlich verringert werden müssten.
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Das Erteilen einer Ausnahmegenehmigung würde eine Ungleichbehandlung gegenüber anderen untersagten Handels- und Dienstleistungsbetrieben darstellen, insbesondere gegenüber weiteren Wettannahmestellen und vergleichbaren Mitbewerbern. Eine individuelle Rechtfertigung für eine solche Ungleichbehandlung habe die Antragstellerin nicht dargetan. § 27 Abs. 2 der 11. BayIfSMV diene jedoch der Berücksichtigung individueller Besonderheiten.
23
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vorgelegten Behördenakte Bezug genommen.
II.
24
Der nach § 123 Abs. 1 VwGO zulässige Eilrechtsschutzantrag ist nicht begründet. Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.
25
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind darüber hinaus nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Regelungsanordnung).
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Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist in jedem Fall die Glaubhaftmachung sowohl eines Anordnungsgrundes (Eilbedürftigkeit) als auch eines Anordnungsanspruchs, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 1 und 2, 294 ZPO.
27
Dem Wesen und Zweck der einstweiligen Anordnung entsprechend darf das Gericht dabei grundsätzlich nur die zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes notwendigen Maßnahmen anordnen. Soweit, wie vorliegend, mit der begehrten Verpflichtung des Antragsgegners zur Erteilung einer Ausnahmegenehmigung eine, wenngleich auch nur auf beschränkte Zeit und unter Vorbehalt einer Entscheidung in der Hauptsache, Vorwegnahme der Hauptsache verbunden ist, kann einem Eilantrag nach § 123 Abs. 1 VwGO nur stattgegeben werden, wenn dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG dringend erforderlich ist. Dies setzt neben einem hohen Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache schwere und unzumutbare Nachteile der Antragstellerin voraus, die im Falle einer Verweisung auf das Hauptsacheverfahren nachträglich nicht mehr zu beseitigen wären (vgl. vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 123, Rn. 14 m.w.N.). Maßgeblich sind die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.
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1. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Die Antragstellerin hat schon das Bestehen eines Anordnungsanspruchs nicht in dem für die Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Maß an Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht. Es lässt sich bei der im vorliegenden Verfahren allein möglichen summarischen Prüfung nicht feststellen, dass die Antragstellerin, die auf der Grundlage von § 27 Abs. 2 Satz 1 der 11. BayIfSMV eine Ausnahme von der gemäß § 11 Abs. 6 der 11. BayIfSMV angeordneten Schließung von Wettannahmestellen begehrt, gegenüber der Antragsgegnerin einen entsprechenden Anspruch mit Erfolg geltend machen kann. Es handelt sich um keine vom Regelfall der Schließung von Wettannahmestellen abweichende Fallgestaltung, da kein atypischer Sachverhalt vorliegt. Überdies wäre keine Ermessensreduzierung auf Null erkennbar.
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a) Gemäß § 11 Abs. 6 der 11. BayIfSMV ist die Öffnung von Wettannahmestellen untersagt. Es handelt es sich dabei um eine für Wettannahmestellen gegenüber der Regelung des § 12 Abs. 1 Satz 1 der 11. BayIfSMV spezielle Regelung.
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Die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gem. § 27 Abs. 2 Satz 1 der 11. BayIfSMV, die im Ermessen der zuständigen Kreisverwaltungsbehörde steht, setzt aus Sicht der entscheidenden Kammer zunächst voraus, dass ein besonderer Ausnahmefall von der allgemeinen Regelung vorliegt, es sich mithin um einen atypischen Einzelfall handelt, der aufgrund besonders gelagerter Umstände bzw. wenn es damit einhergehend infektionsschutzrechtlich vertretbar ist, eine entspreche Ermessensentscheidung erfordert.
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Zwar stellt der Wortlaut des § 27 Abs. 2 Satz 1 der 11. BayIfSMV nicht unmittelbar auf das Vorliegen eines atypischen Einzelfalls ab, anders als etwa die Regelung des § 7 Abs. 9 Satz 1 der Verordnung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie des Saarlandes, die ausdrücklich einen atypischen Einzelfall fordert. Aus Sicht des Gerichts entspricht es aber dem Wesen eines Ausnahmefalls, dass eine Konstellation vorliegt, die sich vom abstrakt-generellen Regelungszweck der Norm, von der eine Ausnahme begehrt wird, abgrenzt, da sonst nicht zu erkennen wäre, worin eine Ausnahme liegen sollte. Die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung ist letztlich daher für besondere Fallgestaltungen vorgesehen, die von einer Regelung erfasst sind, obwohl diese vom Normgeber bei Betrachtung der maßgeblichen Umstände wohl davon ausgenommen worden wären. Die auftretenden Belastungen können daher auch nur dann eine Ausnahmeentscheidung rechtfertigen, wenn sie über diejenigen Belastungen und Einschränkungen hinausgehen, die der Verordnungsgeber bei Verordnungserlass bereits als zumutbar und verhältnismäßig angesehen hat und von denen nicht alle Regelungsadressaten in gleicher Weise betroffen sind.
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Das Erfordernis einer atypischen Fallgestaltung hängt insoweit eng mit dem Merkmal der infektionsschutzrechtlichen Vertretbarkeit zusammen. Denn hier kann nicht die Kreisverwaltungsbehörde ungeachtet der Wertungen des Normgebers eigene Maßstäbe ansetzen, sondern hat zu beachten, was der Verordnungsgeber infektionsschutzrechtlich für vertretbar hält, da andernfalls über das Instrument der Ausnahmegenehmigung die Wertungen des Verordnungsgebers unterlaufen werden könnten.
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b) Vor diesem Hintergrund ist die Schließung von Wettannahmestellen, auch wenn sie nur in der von der Antragstellerin beabsichtigten Form betrieben werden sollen, typischerweise und regelhaft mit der Verbotsnorm des § 11 Abs. 6 der 11. BayIfSMV bezweckt.
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aa) Im Ausgangspunkt und ungeachtet der Besonderheiten des vorliegenden Falles würde eine Ausnahmegenehmigung für den Betrieb von Wettannahmestellen bereits im Hinblick auf die nach § 2 der 11. BayIfSMV geltenden Ausgangsbeschränkungen dem infektionsschutzrechtlichen Ziel der Verordnung widersprechen, da damit zwangsläufig zusätzliche Personenbewegungen verbunden sind, die es nach dem Willen des Verordnungsgebers aus Infektionsschutzgründen zu vermeiden gilt (vgl. VG Augsburg, Beschluss vom 20.01.2021, Az. AU 9 E 21.91).
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Dabei kommt es zunächst nicht erheblich auf die zwischen den Beteiligten kontrovers erörterte Fragestellung an, ob es mit der Regelung des § 2 der 11. BayIfSMV vereinbar ist oder nicht, wenn nach Verlassen der Wohnung aus triftigem Grunde, etwa auf dem Weg zur Arbeit, noch die Wettannahmestelle aufgesucht wird. Denn für die Beurteilung, ob eine bestimmte Fallgestaltung von der Regelung des § 11 Abs. 6 BayIfSMV typischerweise erfasst sein soll, ist die auf eine Vermeidung von Personenbewegungen gerichtete und in § 2 der 11. BayIfSMV auch zum Ausdruck kommende Intention des Normgebers maßgeblich, nicht aber, ob ein einzelnes konkretes Handeln im Einzelfall in den Anwendungsbereich des § 2 der 11. BayIfSMV fällt oder nicht.
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Die Betriebsbeschränkungen beruhen auf der Erwägung, dass ein ganz erheblicher Teil der für das Infektionsgeschehen relevanten sozialen Kontakte von vorneherein verhindert werden muss, und dass diese Verhinderung neben den ganz erheblichen Beschränkungen von Kontakten im privaten Bereich am gemeinwohlverträglichsten durch Verbote und Beschränkungen in den Bereichen Freizeit, Sport und Unterhaltung erreicht werden kann (vgl. OVG Saarland, Beschluss vom 11.02.2021 Az. 2 B 32/2 für die dortige Rechtslage). Immer dann, wenn Menschen aufeinandertreffen, besteht das Risiko einer Ansteckung. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass die exponentiell verlaufende Verbreitung des besonders leicht im Wege der Tröpfcheninfektion und über Aerosole von Mensch zu Mensch übertragbaren Virus voraussichtlich nur durch eine strikte Minimierung der physischen Kontakte zwischen den Menschen eingedämmt werden kann (vgl. BayVGH, Beschluss vom 15.12.2020 Az. 20 NE 20.2526). Anlass für die aktuelle Verordnung zur Änderung der Elften Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung vom 12.02.2021, bei der die Schließung von Wettannahmestellen weder angetastet worden ist, noch das „Click und Collect“-System darauf übertragen wurde, ist ausweislich der entsprechenden Begründung das sich trotz erster Erfolge weiterhin auf hohem Niveau bewegende Infektionsgeschehen, insbesondere der Nachweis verschiedener besorgniserregender Virusvarianten auch in Bayern. Bei dieser mutierten Form des Virus werde von einer deutlich erhöhten Übertragbarkeit, bis zu 70% höher im Vergleich zu den bisher zirkulierenden Virusvarianten, ausgegangen. Wie der Verordnungsgeber betont, würden die neuen Virusvarianten die Gefahr eines erneuten erheblichen oder sogar exponentiellen Anstiegs der Zahl der Neuinfektionen in Bayern bergen, bei denen seit Mitte Januar 2021 ein kontinuierlicher Rückgang verzeichnet werden könne. Das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten habe die Risikoeinstufung für die Einschleppung und gemeinschaftliche Ausbreitung der Variant of Concern (VOC) am 21.01.2021 von „hoch“ auf „sehr hoch“ geändert und warne vor einer mit einer verstärkten Ausbreitung einhergehenden Erhöhung der Hospitalisierungs- und Sterberaten in allen Altersgruppen, insbesondere aber bei älteren Menschen und Personen mit Vorerkrankungen. Es sei daher von entscheidender Bedeutung, die Übertragung und Ausbreitung von SARS-CoV-2 so gering wie möglich zu halten und Ausbrüche zu verhindern, um Belastungsspitzen im Gesundheitswesen zu vermeiden.
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Entgegen der Meinung der Antragstellerin ist diese Kontaktreduzierung bei An- und Abreise vor dem geschilderten Hintergrund durchaus maßgeblich für die Entscheidung des Normgebers, die Wettannahmestellen zu schließen. Dazu braucht es keiner eigenen, konkreten Teilbegründung. Die Schließung von Wettannahmestellen trägt zu einer Kontaktreduzierung bei.
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bb) Zwar mag bei dem vorliegenden Konzept weitgehend ausgeschlossen sein, dass sich Kunden an der Wettannahmestelle treffen und dürfte das Ansteckungsrisiko hinsichtlich der Begegnung des Kunden mit dem Mitarbeiter durch die umfangreichen beabsichtigten Hygienemaßnahmen stark reduziert sein. Gleichwohl können Kunden auf dem Weg zur Wettannahmestelle und nach deren Verlassen in Kontakt zu anderen möglicherweise infizierten Personen kommen.
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Da unabhängig von der konkreten Ausgestaltung des Betriebs bereits die Öffnung von Wettannahmestellen für den Publikumsverkehr zwangsläufig zu weiteren Sozialkontakten führt, indem Menschen sich, um zu den entsprechenden Einrichtungen zu gelangen, in der Öffentlichkeit bewegen und zumindest auch einige Kunden in öffentlichen Verkehrsmitteln aufeinandertreffen, kann sich die Antragstellerin letztlich nicht mit Erfolg auf ihre Absicht berufen, eine Wettannahmestelle ohne jeden Aufenthalts- und Verweilcharakter betreiben zu wollen und dabei nur das Aufladen von Kundenkarten zu ermöglichen. Auch wäre trotz zeitlich gestaffelter Terminvergabe nicht auszuschließen, dass einzelne Kunden sich im öffentlichen Raum ansammeln, um das Ergebnis der Wette abzuwarten und dann ggf. auf einem mobilen Gerät weiterzuspielen (vgl. hierzu auch OVG Saarland, Beschluss vom 11.02.2021 a.a.O.).
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Es ist nach alledem ausgeschlossen, dass der Verordnungsgeber beim aktuellen Pandemiegeschehens Wettannahmestellen, auch wenn sie keinen Aufenthaltscharakter haben und mit den bestmöglichen Hygienekonzepten ausgestattet sind, den Betrieb erlauben wollte (BayVGH, Beschluss vom 28.01.2021 Az. 20 CE 20.3169). Darauf, ob in den Wettannahmestellen ein erhöhtes Infektionsrisiko besteht, kommt es daher nicht streiterheblich an.
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cc) Auch das beabsichtigte Konzept der Antragstellerin ist daher regelhaft von der Verbotsnorm erfasst. Dies zeigt sich insbesondere darin, dass der Normgeber es unterlassen hat, die in § 12 Abs. 1 Satz 6 BayIfSM eingeführte „Click und Collect“-Regelung auch auf Freizeiteinrichtungen zu übertragen. Eine planwidrige Regelungslücke ist nicht zu erkennen (so auch BayVGH, Beschluss vom 28.01.2021 Az. 20 CE 20.3169). Der von der Antragstellerin begehrte Betrieb ist faktisch dem „Click und Collect“-Prozedere weitgehend vergleichbar, auch wenn die Antragstellerin freilich keine Ware aushändigt.
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Der Antragstellerin ist insoweit insbesondere nicht zuzustimmen, dass sich der beabsichtigte Betrieb der Wettannahmestelle von den anderen in § 11 Abs. 6 der 11. BayIfSMV genannten Freizeiteinrichtungen unterscheide. Im Gegenteil sieht die Kammer bei dem hier angedachten Betriebskonzept keinen Unterschied zu den anderen Freizeiteinrichtungen. Denn alle in § 11 Abs. 6 der 11. BayIfSMV genannten Einrichtungen könnten in gleicher Weise wie die Antragstellerin versuchen, Liquidität zu generieren, indem in den Eingangsbereich der jeweiligen Einrichtung ein Tisch gestellt und dort beispielsweise Gutscheine oder Eintrittskarten für Theater, Sportveranstaltungen oder Museen verkauft werden oder auch entsprechende Kundenkarten der jeweiligen Einrichtung aufgeladen werden. Gerade im Hinblick auf das von der Antragstellerin beabsichtigte Geschäftsmodell unterscheiden sich die genannten Einrichtungen viel weniger voneinander wie dies im Normalbetrieb der Fall wäre. Würde daher der Antragstellerin eine Ausnahmegenehmigung erteilt, müsste allen anderen Freizeiteinrichtungen, soweit sie dies freilich für wirtschaftlich sinnvoll halten und entsprechende Anträge stellen, Ausnahmegenehmigungen erteilt werden. Da der Normgeber aber gerade eine ähnliche Regelung wie § 12 Abs. 1 Satz 6 der 11. BayIfSMV für die Freizeiteinrichtungen nicht geschaffen hat, kann eine solche Regelung nun nicht ersatzweise über den Weg einer Ausnahmegenehmigung herbeigeführt werden. Insoweit liegt kein atypischer Sachverhalt vor und wäre eine Ausnahmegenehmigung infektionsschutzrechtlich nicht vertretbar, da sie den Ausschluss von ähnlichen Lösungen wie der „Click und Collect“-Möglichkeit beim Handel bei Freizeiteinrichtungen unterlaufen würde. Da überdies bei einem Betrieb wie vorliegend das Infektionsrisiko vor Ort tatsächlich sehr reduziert sein dürfte, spricht der Ausschluss einer solchen „Click und Collect“ ähnlichen Option bei Freizeiteinrichtungen gerade dafür, dass der Normgeber hier insbesondere auch An- und Abreiseverkehr vermeiden will.
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dd) Schließlich wäre für die infektionsschutzrechtliche Vertretbarkeit erforderlich, dass eine Individualausnahme keinen signifikanten Beitrag zum Infektionsgeschehen leistet und dabei wäre auch das Ausmaß des Infektionsgeschehens insgesamt in den Blick zu nehmen. Es müsste sich aber zunächst um einen atypischen Ausnahmefall handeln, was vorliegend, wie dargelegt, nicht der Fall ist.
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Die Argumentation der Antragstellerin, wonach der Betrieb beider Einrichtungen keine signifikante Relevanz für das Infektionsgeschehen in R. habe, ist daher nicht zielführend. Denn eine Vielzahl kleinerer Einrichtungen und Betriebe wird dies für sich reklamieren können. Nur wenn es sich um einen atypischen Einzelfall handeln würde, wäre für die Beurteilung, ob die Öffnung infektionsschutzrechtlich vertretbar ist, zusätzlich erforderlich, dass kein signifikanter Beitrag für das Infektionsgeschehen entsteht. Für sich gesehen kann dieser Umstand aber zur Begründung eines Ausnahmefalls keinen Beitrag leisten. Denn, wie dargelegt, müsste allen anderen Freizeiteinrichtungen die gleiche Vorgehensweise gestattet werden, was dann ein Vielfaches an Kundenbewegungen verursachen würde.
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Daher kann aus der vergleichsweise niedrigen 7-Tages-Inzidenz in R. nicht die Rechtfertigung für eine Ausnahmegenehmigung hergeleitet werden. Sollten die bestehenden Regelungen durch die Entwicklung des Infektionsgeschehens nicht mehr gerechtfertigt sein, würde dies vom Verordnungsgeber zu berücksichtigen sein oder aber die Kreisverwaltungsbehörde müsste ggf. in Anwendung des § 26 der 11. BayIfSMV reagieren.
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c) Selbst wenn von einer atypischen Situation auszugehen wäre, ist zu sehen, dass die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 27 Abs. 2 Satz 1 der 11. BayIfSMV im Ermessen der Antragsgegnerin läge. Eine Genehmigung käme dann nur in Betracht, wenn eine sogenannte Ermessensreduzierung auf Null vorliegen würde, wonach eine andere Entscheidung der Behörde als die Erteilung der gewünschten Genehmigung ermessensfehlerhaft und somit rechtswidrig wäre. Diese Voraussetzungen liegen im Fall der Antragstellerin auch unter Berücksichtigung der geltend gemachten individuellen Umstände nicht vor.
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Denn in einer Abwägung zwischen den gesundheitlichen Gefahren der Bevölkerung einerseits und den wirtschaftlichen Interessen bzw. wirtschaftlichen Freiheiten der Antragstellerin andererseits kann nicht außer Acht gelassen werden, ob und inwieweit der Geschäftsbetrieb auf die physische Präsenz von Kunden angewiesen ist und inwieweit aus diesem Grunde Personenbewegungen in Kauf zu nehmen wären. Zwar darf, um die unternehmerische Freiheit nicht unnötig einzuschränken, kein zu strenger Maßstab angelegt werden. Sollte es aber ohne relevante Belastungen oder Umsatzeinbußen zumutbar erscheinen, dass dem begehrten Geschäftsmodell auch ohne Präsenz des Kunden nachgegangen werden kann, ist diesem Umstand bei der Frage, ob eine Ermessensreduzierung auf Null vorliegt, Bedeutung beizumessen. So hat beispielsweise das VG Saarlouis (Beschluss vom 21.01.2021 Az. 6 L 35/21) hinsichtlich der im dortigen Fall begehrten Ausnahmegenehmigung für einen Telekom-Shop entschieden, dass es nicht der Öffnung des Ladens bedarf, um den Bedürfnissen der Kunden Rechnung zu tragen.
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Das Aufladen der Kundenkarte ist maßgeblicher Bestandteil des Geschäftsmodells der Antragstellerin und typischer Bestandteil der Geschäftsabläufe einer Wettannahmestelle. Für die Antragstellerin ist das Aufladen von Kundenkarten durch sie von besonderer Bedeutung, da sie offenbar nur so eine Provision beziehen kann, wenn im Internet Wetten abgeschlossen werden. Ungeachtet dessen, dass für das Gericht nicht erkennbar ist, welchen Vorteil der Kunde durch die Bezahlung vor Ort gegenüber der Nutzung digitaler Bezahlmöglichkeiten hat, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, weshalb es für das Aufladen der von der Antragstellerin ausgegebenen Kundenkarten einer physischen Präsenz des Kunden vor Ort bedarf und dieser nicht etwa stattdessen auf das Konto der Antragstellerin Überweisungen vornehmen bzw. sich anderer digitaler Zahlungsformen behelfen kann und die entsprechenden Geldmittel dann von der Antragstellerin auf die Kundenkarte gebucht werden. Denn wenn beim Wettvorgang das Kundenkonto ohne Benutzung eines entsprechenden Gerätes belastet werden kann, erschließt sich mangels gegenteiliger Anhaltspunkte nicht, weshalb nicht auch das Aufladen ohne Übergabe der Karte an der Wettannahmestelle möglich sein sollte. Die Antragstellerin müsste im Falle einer stattgebenden Entscheidung ohnehin die Kunden informieren, dass eine Aufladung der Karte vor Ort möglich wäre und hierfür Termine vereinbaren. Weshalb eine ähnliche Information der Kunden, dass eine Aufladung der von der Antragstellerin ausgegebenen Kundenkarten auch durch Überweisung oder andere Bezahlungsformen ohne physische Präsenz des Kunden möglich sei, zu Umsatzeinbußen führen könnte, ist nicht erkennbar. Dass etwa gerade die Übergabe von Bargeld ermöglicht werden soll und dies bedeutsam für die anvisierte Lösung sein soll, ist von der Antragstellerin nicht dargetan. Die Entscheidung der Antragsgegnerin, die Möglichkeit zum Glücksspiel müsse hinter dem Allgemeinbedürfnis der Volksgesundheit zurückstehen, begegnet daher im Ergebnis keinen Bedenken. Eine Ermessensreduzierung auf Null ist nicht anzunehmen.
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Die Ablehnung des Antrags auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung ist daher nach summarischen Prüfung rechtmäßig.
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2. Klarzustellen ist schließlich, dass Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens nicht die verbindliche Klärung der Frage ist, ob § 11 Abs. 6 der 11. BayIfSMV unwirksam oder insoweit unwirksam ist, als der Betrieb von Wettannahmestellen auch dann untersagt wird, wenn eine reine Wettannahme kontaktarm und innerhalb fester Zeitfenster erfolgt. Ein solches Begehr wäre mittels eines Antrags gemäß § 47 Abs. 6 VwGO an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu richten. Insofern kann vorliegend dahinstehen, ob zur Abwendung eines sonst anzunehmenden Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG eine der Regelung des § 12 Abs. 1 Satz 6 der 11. BayIfSMV angenäherte Handhabung auch bei Fällen des § 11 Abs. 6 der 11. BayIfSMV nötig wäre. Ebenso ist unerheblich, ob § 11 Abs. 6 der 11. BayIfSMV mit § 28a Abs. 1 IfSG in Einklang steht. Denn selbst wenn das Gericht von der Unwirksamkeit der Schließung von Wettannahmestellen ausgehen würde, könnte dies im Rahmen der hier ausschließlich beantragten einstweiligen Anordnung auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung weder ausdrücklich festgestellt werden, noch könnte die Antragsgegnerin zur Erteilung einer Ausnahmegenehmigung verpflichtet werden. Insbesondere wäre dann mangels wirksamen Verbots bereits der Anwendungsbereich des § 27 Abs. 2 Satz 1 der 11. BayIfSMV gar nicht eröffnet. Ein unwirksames Verbot kann nicht durch Erteilung von Ausnahmegenehmigungen vollzogen werden.
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Zwar mag, da die Rechtslage zur Eröffnung der Wettannahmestelle zwischen den Beteiligten in Streit steht, alternativ hierzu denkbar sein, die Frage, ob die Antragstellerin aufgrund des § 11 Abs. 6 der 11. BayIfSMV den hier beabsichtigten Geschäftsbetrieb nicht aufgreifen darf, im Rahmen einer Feststellungsklage, einhergehend mit einem entsprechenden Eilantrag, klären zu lassen. Doch ein solcher Antrag ist nicht, auch nicht hilfsweise, gestellt.
52
Ebenso kann daher in vorliegendem Verfahren nicht eine etwaige Nichtanwendbarkeit des § 11 Abs. 6 der 11. BayIfSMV auf die konkrete Wettannahmestelle geklärt werden (vgl. hierzu VG München, Beschluss vom 22.12.2020 Az. M 26a E 20.6256), denn auch ein diesbezüglicher Feststellungsantrag ist nicht gestellt. Selbst wenn insoweit der Standpunkt eingenommen würde, dass es sich bei der Wettannahmestelle mit dem streitgegenständlichen Konzept nicht mehr um eine Wettannahmestelle im Sinne des § 11 Abs. 6 der 11. BayIfSMV handelt, würde vorliegend bereits aus diesem Grunde kein Raum für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung verbleiben.
53
Da die Prozessbevollmächtigten ausdrücklich und in Kenntnis der prozessualen Situation nur einen Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gestellt haben, kann nicht gemäß §§ 122, 88 VwGO davon ausgegangen werden, dass in dem Antrag etwaige Feststellungsanträge mitenthalten wären.
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3. Der Antrag ist nach alldem mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
55
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 Gerichtskostengesetz i. V. m. Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Angesichts der Vorwegnahme der Hauptsache erachtet es das Gericht für sachgerecht, den Streitwert für jede der beiden Wettannahmestellen auf die Höhe des für ein Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts anzuheben und insgesamt damit einen Streitwert in Höhe von 10.000 € festzusetzen.