Titel:
Datenaustausch Kassenärztliche Vereinigung und Zulassungsgremien
Normenkette:
SGB V § 75 Abs. 1, § 96 Abs. 4, § 285
Leitsätze:
1. Zur Abgrenzung der Feststellungsklage nach § 55 SGG und der Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 131 Abs. 1 S. 3 SGG 2. Im Zweifel ist auf die niedrigeren Anforderungen bei der Fortsetzungsfeststellungsklage abzustellen. (Rn. 24)
2. Eine abstrakte Wiederholungsgefahr als berechtigtes Interesse genügt nicht (Landessozialgericht Hamburg, Urteil vom 24.01.2020, Az L 2 AL 44/19). Erforderlich ist vielmehr, dass damit zu rechnen ist, dass bei im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird (vgl. BayLSG, Urteil vom 16.07.2019, Az L 11 AS 52/19). Waren die tatsächlichen Umstände singulär, liegt keine konkrete Wiederholungsgefahr vor. (Rn. 25)
3. Findet im Zusammenhang mit einem Zulassungsverfahren ein Austausch zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung und den Zulassungsgremien (hier: Übermittlung von e-mails des klagenden Vertragsarztes) statt, wird gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen nicht verstoßen. (Rn. 27)
1. Ändert sich bei einer Fortsetzungsfeststellungsklage der streitauslösende Sachverhalt grundlegend, dann entfällt das Feststellungsinteresse wegen Wiederholungsgefahr. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Übermittlung von E-Mails eines klagenden Vertragsarztes zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung und einem Zulassungsausschuss verstößt nicht gegen gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
vertragsärztliche Versorgung, Praxisabgabe, Bedarfsplanungsanrechnungsfaktor, Anstellungsgenehmigung, Fortsetzungsfeststellungsklage, Feststellungsinteresse, Wiederholungsgefahr, Sachverhaltsänderung, Datenschutzverstoß, E-Mail-Übermittlung
Fundstelle:
BeckRS 2021, 33420
Tenor
I. Die Klage wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
1
Antragsgemäß wurde dem Kläger, der als Facharzt für Allgemeinmedizin zugelassen ist, eine im Umfang eines Bedarfsplanungsanrechnungsfaktors 0,5 erteilt, allerdings mit der Maßgabe, dass der Kläger gegenüber dem Zulassungsausschuss erkläre, den Wert in Höhe des halben Verkehrswertes an den Praxisabgeber (L) zu bezahlen und die schriftliche Erklärung innerhalb von zehn Tagen nach Zustellung des Beschlusses des Berufungsausschusses eingeht. Deshalb war zunächst die Nebenbestimmung im Bescheid des Berufungsausschusses (Beklagter) vom 11.03.2020 beklagt.
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Zur Begründung führte der Beklagte aus, der Antragsteller habe keinen Anspruch auf Erteilung der Anstellungsgenehmigung ohne diese Nebenbestimmung. Die Zulässigkeit der Nebenbestimmung ergebe sich aus § 32 Abs. 1 SGB X. Die Voraussetzungen aus § 103 Abs. 4 S. 8 SGB V müssten sichergestellt werden, wonach die wirtschaftlichen Interessen des ausscheidenden Arztes zu berücksichtigen seien. Art. 14 Grundgesetz sei zu beachten.
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Zum Sachverhalt wurde vom Berufungsausschuss vorgetragen, es habe auf den ausgeschriebenen Vertragsarztsitz von L ursprünglich drei Bewerber gegeben, die Interesse an einem Vertragsarztsitz mit einem Bedarfsplanungsanrechnungsfaktor 0,5 bekundeten. Mit zwei der Bewerber auf der Bewerberliste habe zunächst auch eine Einigung mit dem Praxisabgeber erzielt werden können. Der Kläger habe sich nicht dazu geäußert. Es habe dann zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung und dem Widerspruchsführer am 01.12.2019 einen Kontakt gegeben. Kurz darauf habe der Kläger einen Antrag auf Genehmigung für eine anzustellende Ärztin eingereicht. Diesem Antrag war ein Schreiben beigefügt mit dem Betreff „Kaufpreiseinigung“, in welchem er sich bereit erklärte, den gleichen Preis wie die Mitbewerber zu bezahlen. Die Sitzung vor dem Zulassungsausschuss wurde vertagt. In einer E-Mail des Klägers vom 23.02.2020 sei die Erklärung vom 06.12.2019 insofern relativiert worden, als er nunmehr von dem in dem Vertragsentwurf von L genannten Betrag ausgehe. Im Zuge des Verfahrens habe der zweite Bewerber seinen Antrag zurückgezogen, sodass lediglich zwei Bewerber übrigblieben, jeweils mit einem Bedarfsplanungsanrechnungsfaktor von 0,5, darunter der Kläger. Mit E-Mail vom 09.03.2020 nahm der Kläger seine einseitige Erklärung vom 06.12.2019 zurück.
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Zur Rechtslage führte der Beklagte aus, die Vermögensinteressen des abgebenden Arztes seien besonders geschützt, wie sich aus § 103 Abs. 4 S. 8 SGB V ergebe. Nicht der Vertragsarztsitz, sondern die Arztpraxis als Unternehmen sei veräußerbar. Wo keine Praxis mehr existiere, könne auch keine Nachbesetzung stattfinden. Der Beklagte berief sich auf eine Entscheidung des Bayerischen Landessozialgerichts vom 23.04.2008 unter dem Aktenzeichen L 12 KA 143/07. Soweit der Kläger geltend machte, er wolle für eine nicht existierende Praxis keine Ablöse entrichten, werde darauf hingewiesen, dass er dann überhaupt keine Anstellungsgenehmigung hätte erhalten dürfen. Die von der Klägerseite zitierten BSG-Entscheidungen vom 27.06.2018 und 30.10.2019 (BSG, Az B 6 KA 46/17 R; B 6 KA 14/18 R) stünden der Entscheidung des Berufungsausschusses nicht entgegen.
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Gegen den Bescheid des Berufungsausschusses wurde Klage zum Sozialgericht München eingelegt. Beantragt wurde, die Anstellung von C.B. in E mit einem Tätigkeitsumfang von 10,5 Stunden (Anrechnungsfaktor 0,5) ohne die aufschiebende Bedingung, dem zuständigen Zulassungsausschuss gegenüber zu erklären, den hälftigen Verkehrswert der Praxis des Abgebers an den Abgeber bezahlen, zu genehmigen. Zur Begründung (Schriftsatz des Klägers vom 15.07.2020) wurde ausgeführt, es sei zu differenzieren zwischen der nicht übertragbaren öffentlich-rechtlichen Zulassung und der privatrechtlich übertragbaren Arztpraxis als Vermögensgegenstand. Zum Zeitpunkt der Entscheidungen des Zulassungsausschusses und des Berufungsausschusses sei die Praxis des Arbeitgebers nicht mehr fortführungsfähig gewesen. Es komme nicht auf den Zeitpunkt der Ausschreibung des Vertragsarztsitzes durch die KVB an. Abgesehen davon sei kein Praxiswert mehr vorhanden gewesen. Die Bedingung, mit der die angefochtene Anstellungsgenehmigung verbunden gewesen sei, führe zu einer nicht gewollten Kommerzialisierung des Vertragsarztsitzes. In dem weiteren Schriftsatz vom 29.09.2020 wurden neue Anträge wie folgt gestellt:
1. die Anstellung von C. B. in E mit einem Tätigkeitsumfang von 10,5 Stunden (Anrechnungsfaktor 0,5) ohne aufschiebende Bedingung, dem zuständigen Zulassungsausschuss gegenüber zu erklären, den hälftigen Verkehrswert der Praxis des Arbeitgebers an den Arbeitgeber zu bezahlen, zu genehmigen.
2. festzustellen, dass die Verwendung des Inhalts der E-Mails zwischen dem Kläger und einem Präsenzberater der KVB durch den Berufungsausschuss rechtswidrig ist.
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Zur Begründung wies der Kläger darauf hin, es sei zum Zeitpunkt der Entscheidung des Zulassungsausschusses keine Auswahlentscheidung zu treffen gewesen. Die wirtschaftlichen Interessen des ausscheidenden Arztes bzw. seiner Erben seien nur bei einer Auswahlentscheidung zu berücksichtigen. Dies ergebe sich aus § 103 Abs. 4 S. 9 SGB V. Der Patientenstamm beinhalte keine schutzfähige Rechtsposition. Im Übrigen sei die Bedingung nicht hinreichend bestimmt, nicht sachgerecht und nicht sachbezogen. Der Kläger verwahre sich auch gegen die Verwendung des Inhalts der E-Mail zwischen dem Kläger und der KVB durch den Berufungsausschuss. Diese sei rechtswidrig und verletze den Kläger in seinen Persönlichkeitsund Mitgliedsrechten. Der Ausschuss und die Kassenärztliche Vereinigung seien unterschiedliche Rechtspersonen.
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Mit Schreiben vom 21. 2020 machte die beigeladene Kassenärztliche Vereinigung darauf aufmerksam, es könnten nur solche Bewerber berücksichtigt werden, bei denen ein Fortführungswille vorhanden sei. Die beigeladene KVB bezog sich dabei auf einen Beschluss des Bundessozialgerichts (BSG, Beschluss vom 20.08.1999, Az B 6 KA 14/99 B) und ein Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts (BayLSG, Urteil vom 19.09.2012, Az L 12 KA 4/12).
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In einem weiteren Schreiben des Klägers (Schriftsatz vom 18.11.2020) erfolgte eine erneute Antragstellung. Die Antragstellung hatte folgenden Wortlaut:
1. die Anstellung von C.B. in E mit einem Tätigkeitsumfang von 10,5 Stunden (Anrechnungsfaktor 0,5) ohne die aufschiebende Bedingung, dem zuständigen Zulassungsausschuss gegenüber zu erklären, den Verkehrswert der Praxis des Arbeitgebers an den Abgeber zu bezahlen, zu genehmigen.
2. den Verkehrswert der abgebenden Praxis auf einen (in Zahlen: 1) Euro festzusetzen, hilfsweise den Verkehrswert der abgebenden Praxis festzusetzen.
3. festzustellen, dass die Verwendung des Inhalts der E-Mails zwischen dem Kläger und einem Präsenzberater der KVB durch den Berufungsausschuss rechtswidrig ist.
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Der Kläger betonte, es bestehe sehr wohl eine Fortführungsbereitschaft und auch eine Fortführungsfähigkeit der abgebenden Praxis. Bei einer fehlenden Einigung habe der Zulassungsausschuss den Verkehrswert zu ermitteln. Ferner wurden von dem Kläger umfangreiche Ausführungen zum sogenannten Unternehmerlohn getätigt, auch dazu, ob und inwieweit privatärztliche Leistungen zu berücksichtigen seien. Es wurde die Auffassung vertreten, es sei ein symbolischer Kaufpreis von einem Euro für die objektiv wertlose Praxis festzusetzen.
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Die beigeladene KVB (Schreiben vom 08.01.2021) führte aus, bei bestimmten Konstellationen finde eine Verkehrswertermittlung statt. Die Notwendigkeit sei aber im konkreten Fall erst im Nachgang der ZA-Sitzung deutlich geworden. Der Zulassungsausschuss sei bei seiner Entscheidung davon ausgegangen, dass eine Kaufpreiseinigung zwischen dem Kläger und dem Praxisabgeber noch nicht aussichtslos war. Wegen der isolierten Anfechtung der Nebenbestimmung habe eine Verkehrswertermittlung auch nicht nachgeholt werden können. Komme es zu keiner Einigung, könne der zugelassene Bewerber von der Zulassung keinen Gebrauch machen und die Zulassung sei als erledigt anzusehen.
11
Mit Schreiben vom 05.02.2021 erfolgte durch den Kläger eine erneute Änderung seiner Anträge. Diese hatten folgenden Wortlaut:
- 1.
-
die aufschiebende Bedingung, dem zuständigen Ausschuss gegenüber zu erklären, den hälftigen Verkehrswert der Praxis des Abgebers an den Abgeber zu zahlen, aufzuheben.
- 2.
-
den Verkehrswert der abgebenden Praxis auf einen (in Zahlen: 1) Euro festzusetzen, hilfsweise den Verkehrswert der abgebenden Praxis festzusetzen.
- 3.
-
festzustellen, dass die Verwendung des Inhalts der E-Mails zwischen dem Kläger und einem Präsenzberater der KVB durch den Berufungsausschuss rechtswidrig ist.
12
Zur Begründung wurde ausgeführt, die Antragsänderung sei erforderlich, da Frau Dr. B. zum 31.12.2020 ihre Tätigkeit in der Praxis beendet habe. Mit Bescheid des Zulassungsausschusses aus der Sitzung vom 10.03.2021 wurde dem Kläger die Genehmigung zur Beschäftigung von Frau L. A., Fachärztin für Allgemeinmedizin mit einem Tätigkeitsumfang von zehn Wochenstunden ab 01.04.2021 erteilt.
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Der Beklagte nahm mit Schriftsatz vom 15.02.2021 Stellung. Er vertrat die Auffassung, die Voraussetzungen für einen Feststellungsantrag würden nicht vorliegen. Was die Verwendung des Inhalts der E-Mails zwischen dem Kläger und dem Präsenzberater der KVB betreffe, handle es sich um eine pauschale Geltendmachung von Persönlichkeitsrechten und Mitgliedschaftsrechten, was nicht ausreichend sei. Angeregt wurde eine Entscheidung im Wege eines Gerichtsbescheides nach § 105 SGG.
14
Mit Schriftsatz vom 07.03.2021 wurden letztmalig die Anträge des Klägers geändert. Diese lauten nunmehr wie folgt:
Ich beantrage, festzustellen, dass
1. der Zulassungsausschuss und der Berufungsausschuss unterlassen haben, den Verkehrswert der abgebenden Praxis festzustellen.
2. der Zulassungsausschuss und der Berufungsausschuss ihr Ermessen zur Höhe des zu berücksichtigenden Verkehrswertes der abgebenden Praxis nicht gebraucht haben (Ermessensnichtgebrauch).
3. die Verwendung des Inhalts der E-Mails zwischen dem Kläger und einem Präsenzberater der KVB durch den Berufungsausschuss rechtswidrig ist.
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Die erneute Änderung der Anträge wurde damit begründet, der ursprüngliche Bescheid habe sich dadurch erledigt, dass Frau Dr. B ihre Tätigkeit beendet habe und der Planungsbereich Hausärzte E Süd entsperrt worden sei. Es bestehe aber die konkrete Wiederholungsgefahr, da der Kläger weiterhin am Erwerb weiterer Vertragsarztsitze interessiert sei. Die Nichtermittlung des Verkehrswertes stelle einen Ermessensnichtgebrauch dar. Zum Feststellungsantrag, betreffend die Verwendung des E-MailVerkehrs zwischen dem Kläger und der KVB durch den Berufungsausschuss wurde ergänzend ausgeführt, es handle sich um personenbezogene Daten. Deshalb sei nach Art. 6 Abs. 1 DS-GVO die Datenverarbeitung grundsätzlich verboten. Festzustellen sei ferner ein Verstoß gegen Art. 16 Abs. 1 AEUV und Art. 8 Abs. 1GRCh. Ein Feststellungsinteresse sei wegen der Wiederholungsgefahr zu bejahen.
16
In der mündlichen Verhandlung am 13.10.2021 stellte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Anträge aus dem Schriftsatz vom 07.03.2021.
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Die Vertreterin des Beklagten beantragte,
18
Die Vertreterin der beigeladenen KVB stellte keinen Antrag.
19
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung war die Beklagtenakte. Im Übrigen wird auf den sonstigen Akteninhalt, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten, sowie die Sitzungsniederschrift vom 13.10.2021 verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zum Sozialgericht München eingelegte Klage ist bereits unzulässig. Maßgeblich sind die zuletzt mit Schriftsatz vom 07.03.2021 gestellten Anträge. Danach wird beantragt, festzustellen, dass
1. der Zulassungsausschuss und der Berufungsausschuss unterlassen haben, den Verkehrswert der abgebenden Praxis festzustellen.
2. der Zulassungsausschuss und der Berufungsausschuss ihr Ermessen zur Höhe des zu berücksichtigenden Verkehrswertes der abgebenden Praxis nicht gebraucht haben (Ermessensnichtgebrauch).
3. die Verwendung des Inhalts der E-Mails zwischen dem Kläger und einem Präsenzberater der KVB durch den Berufungsausschuss rechtswidrig ist.
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Es handelt sich nunmehr ausschließlich um Feststellungsanträge. Die Ausgangsklage hatte zum einen zum Gegenstand die isolierte Anfechtung einer Nebenbestimmung im Bescheid vom 11.03.2020 (begehrte Anstellungsgenehmigung ohne Nebenbestimmung), zum anderen die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Verwendung des E-Mail-Verkehrs zwischen dem Präsenzberater der KVB und dem Kläger. Es handelte sich deshalb ursprünglich zum einen um eine Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG, zum anderen um eine Feststellungsklage nach § 55 SGG.
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Die Anträge wurden mehrfach geändert, so mit Schreiben des Klägers vom 18.11.2020, mit Schreiben des Klägers vom 05.02.2021 und schließlich mit Schreiben des Klägers vom 07.03.2021. Es handelt sich somit um eine Klageänderung, nachdem die Voraussetzungen nach § 99 Abs. 3 SGG (dann keine Klageänderung) nicht vorliegen. Eine solche Klageänderung ist dann zulässig, wenn die Beteiligten einwilligen oder das Gericht dies für sachdienlich hält (§ 99 Abs. 1 SGG). Die übrigen Beteiligten haben hier aber nicht widersprochen und sich in der mündlichen Verhandlung am 13.10.2021 auf die abgeänderte Klage eingelassen, sodass von der Zulässigkeit der Klageänderung auszugehen ist.
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Es könnte sich entweder um eine Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 SGG handeln. Danach (§ 55 Abs. 1 Ziff. 1 SGG) kann mit der Klage u.a. die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Es könnte sich aber auch um eine sogenannte Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 131 Abs. 1 S. 3 SGG handeln. Danach - hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt - so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Die begehrte Klageart ist durch Auslegung zu ermitteln.
24
Der Kläger hat zwar nicht ausdrücklich eine Fortsetzungsfeststellungsklage erhoben. Andererseits sind Bescheide der Zulassungsgremien vorangegangen, die sich auch nach dem Vorbringen des Klägers durch Ausscheiden von Frau B. zum 31.12.2020 erledigt haben. Ein Zusammenhang mit dem ursprünglichen Klagebegehren (Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG; Feststellungsantrag nach § 55 Abs. 1 SGG) ist vorhanden. Was das Verhältnis der Feststellungsklage (§ 55 SGG) zur Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 131 Abs. 1 S. 3 SGG) betrifft, sind die Anforderungen an das Feststellungsinteresse unterschiedlich; so sind sie bei § 55 Abs. 1 SGG höher als bei § 131 Abs. 1 S. 3 SGG. (BVerwG, Urteil vom 08.12.2000 1995, Az 8 C 37/93). Deshalb und im Hinblick auf die Vorgeschichte und den Zusammenhang mit dem ursprünglichen Klagebegehren ist in Zweifel auf die Anforderungen der Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 131 Abs. 1 S. 3 SGG abzustellen. Im Übrigen ist die Abgrenzung zwischen dem Anwendungsbereich der Fortsetzungsfeststellungsklage und der allgemeinen Leistungsklage im Ergebnis ohne wesentliche Bedeutung, weil sich in solchen Fällen die Anforderungen an die Zulässigkeit der Klage einschließlich des Feststellungsinteresses regelmäßig im Ergebnis nicht unterscheiden (Meyer-Ladewig/ Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, Rn. 7c zu § 131).
25
Voraussetzung für die Zulässigkeit der Klage ist daher ein berechtigtes Interesse an der Feststellung (drei Feststellungsanträge im Schriftsatz vom 07.03.2021). Das Feststellungsinteresse ist insbesondere bei dem Vorliegen einer Wiederholungsgefahr zu bejahen. Diese Wiederholungsgefahr ist auch vom Kläger geltend gemacht worden. Der Kläger trägt vor, es bestehe die konkrete Wiederholungsgefahr, da er weiterhin am Erwerb zusätzlicher Vertragsarztsitze interessiert sei. Nach Auffassung des Gerichts ist eine solche Wiederholungsgefahr als berechtigtes Interesse an der Feststellung bei sämtlichen drei Feststellungsanträgen zu verneinen. Denn eine abstrakte Wiederholungsgefahr in dem Sinne, dass der Beklagte sein nach Auffassung des Klägers rechtswidriges Verhalten in anderen Fällen oder in einer unbestimmten Zukunft ihm gegenüber erneut an den Tag legen wird, reicht nicht aus (Landessozialgericht Hamburg, Urteil vom 24.01.2020, Az L 2 AL 44/19). Es muss sich vielmehr konkret abzeichnen, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen oder rechtlichen Umständen ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird (BayLSG, Urteil vom 16.07.2019, Az L 11 AS 52/19). Maßgeblicher Zeitpunkt für das Feststellungsinteresse ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (mündliche Verhandlung am 13.10.2021). Nach Auffassung des Gerichts ist es nahezu ausgeschlossen, dass eine wiederkehrende Entscheidung mit der gleichen Begründung erfolgt (LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 27.08.2008, Az L 11 KA 18/08), zumal sich der Sachverhalt entscheidend geändert hat. So ist das Gebiet für Hausärzte in der Region des Klägers entsperrt. Zudem ist der Sachverhalt, der den Bescheiden der Zulassungsgremien zugrunde lag, so die konkrete Konstellation mit drei Bewerbern, wo dann ein Bewerber von ursprünglich dreien seine Bewerbung zurückzog, eine Einigung mit dem Arbeitgeber der Praxis nicht zustande kam, der Zulassungsausschuss aufgrund der Erklärungen des Klägers zur Zahlung des Verkehrswertes zumindest zunächst davon ausgehen konnte, dass eine Einigung zwischen dem Kläger und Praxisabgeber zustande kommen würde, als singulär zu betrachten. Deshalb besteht keine konkrete Wiederholungsgefahr. Dies gilt sowohl für die begehrte Feststellung, der Zulassungsausschuss und der Berufungsausschuss hätten es unterlassen, den Verkehrswert der abgebenden Praxis festzustellen (Antrag unter Ziff. 1), der Zulassungsausschuss und der Berufungsausschuss hätten es unterlassen, ihr Ermessen zur Höhe des zu berücksichtigenden Verkehrswertes der abgebenden Praxis zu gebrauchen (Antrag unter Ziff. 2) und die Verwendung des Inhalts der E-Mails zwischen dem Kläger und einem Präsenzberater der KVB durch den Berufungsausschuss sei rechtswidrig (Antrag unter Ziff. 3).
26
Deshalb ist die Klage als unzulässig anzusehen.
27
Abgesehen davon, was den Antrag unter Ziff. 3 betrifft, teilt das Gericht die Ansicht des Klägers nicht, durch die Verwendung der E-Mails zwischen dem Kläger und einem Präsenzberater seien seine Persönlichkeitsrechte und Mitgliedschaftsrechte des Klägers verletzt und gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen verstoßen worden. Denn - abgesehen davon, dass hier von der Klägerseite nur pauschal vorgetragen wird - handelt es sich zwar bei der KVB und den Zulassungsausschüssen um unterschiedliche Rechtspersonen, jedoch hat die KVB nach § 75 Abs. 1 SGB V einen Sicherstellungsauftrag (Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung) und ist auch nach § 96 Abs. 4 SGB V Beteiligte im Zulassungsverfahren. Insofern ist die Erhebung, Speicherung, Verarbeitung, Nutzen von Daten, aber auch die Übermittlung an andere Behörden (hier: Zulassungsgremien) als zulässig anzusehen (§ 285 SGB V.). Insofern wäre die Feststellungsklage auch unbegründet.
28
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO.