Inhalt

VG München, Urteil v. 06.10.2021 – M 7 K 20.2931
Titel:

Anfechtung einer Gemeinderatswahl, Zählfehler, Softwarefehler, Substantiierungsgebot

Normenketten:
GLKrWG Art. 51 S. 1
GLKrWG Art. 50 Abs. 2 S. 1 Nr. 2
GLKrWG Art. 35 Abs. 2
GLKrWO § 82
Schlagworte:
Anfechtung einer Gemeinderatswahl, Zählfehler, Softwarefehler, Substantiierungsgebot
Fundstelle:
BeckRS 2021, 33387

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen die Zurückweisung seiner Anfechtung der Gemeinderatswahl in W. … am 15. März 2020 durch das Landratsamt M1. (im Folgenden: Landratsamt) mit Bescheid vom 4. Juni 2020.
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Am 15. März 2020 fand in der bayerischen Gemeinde W. … die Wahl zum Gemeinderat statt. Das Ergebnis der Gemeinderatswahl wurde am 30. März 2020 vom Wahlausschuss der Gemeinde W. … festgestellt und am gleichen Tag verkündet.
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Der Kläger war für diese Wahl auf Platz 2 der Bürgerliste WIR für W. … und Sch. … (im Folgenden: Liste WIR) nominiert, die zur Gemeinderatswahl am 15. März 2020 erstmals angetreten war. Die Liste WIR hat nach dem am 30. März 2020 verkündeten abschließenden Ergebnis zwei Sitze im Gemeinderat W. … erlangt. Für die Liste WIR in den Gemeinderat gewählt wurden der Beigeladene zu 37) und die Beigeladene zu 38). Hinsichtlich des letzten für den Gemeinderat zu vergebenden Sitzes unterlag die Liste WIR nach dem amtlichen Ergebnis mit geringem Abstand der Freien Wähler Gemeinschaft für W. … und Sch. … (im Folgenden: FWG).
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Mit Schreiben vom 9. April 2020, dem Landratsamt spätestens am 14. April 2020 zugegangen, erklärte der Kläger die Anfechtung dieser Wahl mit dem Antrag, das Ergebnis der Gemeinderatswahl dahin zu berichtigen, dass der Liste WIR bei der Verteilung der Sitze ein weiterer Sitz zugeteilt werde. Zur Begründung trug er im Wesentlichen vor, dass die Gründe für die Verletzung von Wahlvorschriften hauptsächlich in der verwendeten Software der Anstalt für Kommunale Datenverarbeitung in Bayern (im Folgenden: AKDB) liegen würden. Nebenziel der Anfechtung sei, dass er unbedingt verhindern wolle, dass diese bei einer Wahl nochmals verwendet werde. Die Software habe am Wahlabend erhebliche Probleme im Leistungsverhalten gezeigt. Die Softwarefehler dürften nahezu jeden Benutzer beim Auszählen zu unbewussten Fehlern verleitet haben. Im Einzelnen hätten sich folgende Fehler gezeigt:
1. Es sei bei der Eingabe der Stimmen wiederholt zu einem Absturz der Eingabemaske gekommen. Daher sei es möglich oder gar wahrscheinlich, dass eine Wiederholung der Eingabe ganzer Stimmzettel übersehen worden sei oder, dass nur die Einzelstimmen, nicht aber die Listenstimmen vor dem Absturz gespeichert worden seien und dies nach dem Absturz übersehen und die Listenstimmen nicht erneut eingegeben worden seien.
2. Bei der Eingabe der Listenstimmen sei es wiederholt vorgekommen, dass die Stimme nicht gespeichert worden sei, das für eine Liste gesetzte „Häkchen“ also wieder verschwunden sei. Es sei völlig offen, ob dies in jedem Fall bemerkt und die Eingabe wiederholt worden sei.
3. Die Zusammenführung der ausgezählten Stimmen der einzelnen Teams eines Wahlbezirks sei im System über einen längeren Zeitraum nicht möglich gewesen. Ob bei der späteren Zusammenführung alle Stimmen im System übernommen worden seien, könne nicht geprüft werden.
4. Das System habe Stimmzettel, die bis zu 20 Einzelstimmen und zusätzlich zwei Listenkreuze oder mehr aufwiesen, unterschiedlich bewertet. Es habe solche Stimmzettel teilweise als gültig (mit und ohne Prüfung durch den Wahlvorstand), teilweise aber auch als ungültig gewertet. Die Einzelstimmen hätten jedoch in einem solchen Fall als gültig gewertet werden müssen. Diese uneinheitliche Behandlung habe mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer fehlerhaften Anzahl von Einzelstimmen geführt.
5. Die Anzahl der Mandate sei ebenfalls infolge eines Softwarefehlers fehlerhaft berechnet worden. Die Gesamtzahl der zu vergebenden Sitze sei von dem System mit 21, statt korrekterweise mit 20 angegeben worden.
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Insgesamt seien die Fehler im System so erheblich gewesen, dass es auch bei nur leichter Nachlässigkeit, z.B. infolge einer nachlassenden Konzentration im Laufe des langen Abends, gegebenenfalls in Kombination mit dem weiteren Softwarefehler bei der Mandatszuweisung, zu erheblichen Fehlern im Ergebnis gekommen sein könnte, die eine Verletzung der Wahlvorschriften, insbesondere von Art. 35 Abs. 2 GLKrWG, begründen würden. Tatsächlich sei die Zuteilung des letzten Sitzes äußerst knapp zugunsten der FWG ausgegangen. Das Ergebnis würde sich bei nur 101 Stimmen, was etwa fünf Stimmzetteln entspräche, zugunsten der Liste WIR ändern. Dies wiederum entspräche weniger als 0,16% der möglichen, abgegebenen Gesamtstimmen bei der Gemeinderatswahl in W, … Auch die Bürgermeisterwahl, die ähnlich knapp ausgegangen sei, sei umgehend nochmals nachgezählt worden.
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Das Landratsamt wies als Rechtsaufsichtsbehörde mit Bescheid vom 4. Juni 2020, dem Kläger zugestellt am 6. Juni 2020, die Wahlanfechtung des Klägers zurück. Unzulässig sei die Wahlanfechtung, soweit damit das Ziel verfolgt werde, zu verhindern, dass eine Software der AKDB nochmals bei einer Wahl Verwendung finde. Die Gemeinden hätten im Rahmen ihrer Organisationshoheit einen eigenen Spielraum bei der Entscheidung, welche elektronische Datenverarbeitung sie für die Aufgabenerfüllung einsetzen wolle. Unzulässig sei auch der Antrag, das Ergebnis der Gemeinderatswahl dahingehend zu berichtigen, dass bei der Verteilung der Sitze der Bürgerliste WIR ein weiterer Sitz zugeteilt werde. Ohne eine hierfür zwingend erforderliche Berichtigungsgrundlage mit konkreten Zahlen entspräche eine solche Handlung der bewussten Manipulation des Wahlergebnisses entgegen demokratischen Prinzipien. Im Übrigen sei die Wahlanfechtung zulässig, aber nicht begründet, weil die dargelegten Gründe, auf die die Wahlanfechtung gestützt werde, eine Berichtigung oder Ungültigerklärung der Gemeinderatswahl in W. … am 15. März 2020 nicht rechtfertigen würden. Der Einsatz der Software der AKDB habe nicht zur Verfälschung des Wahlergebnisses geführt. Vielmehr sei von einer korrekt durchgeführten Auszählung der Stimmen auszugehen. Ein Verstoß gegen Wahlrechtsgrundsätze, der die Berichtigung oder Ungültigerklärung der Wahl zur Folge hätte, lasse sich nicht belegen. Nicht belegte Vermutungen, bloße Andeutungen einer Möglichkeit von Wahlfehlern oder ein knappes Wahlergebnis würden für die Ungültigerklärung einer Wahl nicht ausreichen. Sowohl die Wahlleitung der Gemeinde W. … als auch die AKDB hätten schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass der Einsatz der bemängelten Software nicht zu einer fehlerhaften Auszählung der Stimmen geführt habe. In ihrer Stellungnahme habe die Wahlleitung der Gemeinde W. … erklärt, dass die Wahlhelfer angewiesen worden seien, die Stimmzettel im Programm genauso abzubilden, wie sie in Papierform vorgelegen hätten und dies im Vier-Augen-Prinzip durchzuführen. Um programmunabhängige Eingabefehler durch Wahlhelfer weitestgehend auszuschließen, seien Auszählungsvorgänge bei Wahlen im Vier-Augen-Prinzip durchzuführen, so auch nach § 82 GLKrWO bei der Auszählung der Stimmen für die Gemeinderats- und Kreistagswahl. Mit dieser präventiven Kontrollmaßnahme sollten zum einen bewusste Manipulationen, zum anderen konzentrationsbedingte Fehler bei der Eingabe der einzelnen Stimmen durch die Wahlhelfer erkannt und behoben werden. Die Wahlleitung der Gemeinde W. … habe dieses Prinzip angeordnet und die Wahlvorstände in den einzelnen Stimmbezirken entsprechend personell ausgestattet. Zu den vom Kläger vorgetragenen Softwarefehlern berufe sich das Landratsamt auf die Stellungnahmen der Wahlleitung und der AKDB. Die Wahlleitung habe erklärt, dass Fehler im Falle eines Absturzes der Eingabemaske (1.) nicht möglich gewesen seien. Die Nummerierung der Stimmzettel würde gewährleisten, dass man nach erneuter Anmeldung den zuletzt gespeicherten Stimmzettel abgleichen könne. Eine wiederholte Eingabe hätte somit nicht erfolgen können, da ansonsten die Anzahl der Wähler mit der Anzahl der Stimmzettel nicht übereingestimmt hätte. Auch nach Angaben der AKDB seien Abstürze der Eingabemaske nicht nachvollziehbar. Möglicherweise habe es Probleme mit der vor Ort eingesetzten Hardware gegeben. Im Falle eines Absturzes wären aber jedenfalls die gesamten Eingaben des aktuell erfassten Stimmzettels nicht gespeichert worden. Eine teilweise oder falsche Speicherung wäre bei einem Absturz nicht erfolgt. Ebenfalls sei für die AKDB eine fehlerhafte Speicherung von Listenkreuzen (2.) nicht nachvollziehbar, da vom Programm entweder eine gesamte oder keine Speicherung der Eingaben erfolgt wäre. Das Problem der Zusammenführung der Teilergebnisse (3.) habe laut Stellungnahme der AKDB tatsächlich vorgelegen. Es sei am 17. März 2020 abschließend bearbeitet worden; die Kommune habe anschließend weiterarbeiten können. Seitens der Wahlleitung werde ausgeführt, dass sich das Problem der Listenzusammenführungen ausschließlich bei der Kreistagswahl gestellt hätte. Ein Verlust von Stimmen sei jedoch auch in diesem Fall auszuschließen, weil nach der Zusammenführung der Teilergebnisse der Abschluss des Wahlbezirks erfolgt sei. Die dabei erfolgte Plausibilitätsprüfung habe ergeben, dass die Gesamtzahl der Wähler mit den eingegebenen Stimmzetteln übereingestimmt habe. Andernfalls wäre eine Fehlermeldung erschienen. Ebenso habe das Programm erkannt, wenn Einzelstimmen vorrangig vor einem Listenkreuz zu werten gewesen seien (4.). Solche Stimmzettel seien in der Liste „Stimmzettel mit Beschluss“ erfasst worden und hätten nochmals manuell kontrolliert werden können. Nach Angaben der AKDB seien bei Einzelstimmenvergabe Stimmzettel mit mehreren Listenkreuzen als gültig bewertet worden. Dabei wären nur die Einzelstimmen als gültige Stimmen bewertet worden. Die Wahlleiter der Gemeinden hätten anschließend die Möglichkeit gehabt, solche Stimmzettel manuell mit ungültig zu bewerten, z.B., wenn bei einer Einzelstimme nicht klar erkennbar gewesen sei, welchem Bewerber diese zuzuordnen sei. Dies sei aber eine Entscheidung der Wahlleitung und kein Programmfehler. Die vorläufige Sitzverteilung (5.) sei aufgrund einer prozentualen Berechnung der Sitze mit Rundung erfolgt. Die endgültige Sitzverteilung werde angezeigt, sobald die Auszählung vollständig sei und eventuell nötige Losentscheide durchgeführt worden seien. Die Berechnung erfolge korrekt nach dem vorgeschriebenen Verfahren Sainte-Laguë/Schepers. Bei dieser Anzeige handele es sich ausschließlich um eine unverbindliche Informationsquelle. Kunden könnten dabei selbst entscheiden und konfigurieren, ob die vorläufige Sitzverteilung angezeigt werden solle oder nicht. Die Darstellung vorläufiger Ergebnisse und Sitzverteilungen auf der Internetseite sei im Übrigen nicht verbindlich. Fehlerhafte Anzeigen aufgrund ausstehender Losentscheide hätten keine Auswirkung auf die Richtigkeit des Wahlergebnisses. Ergänzend zu den Ausführungen der Gemeindewahlleitung und der AKDB sei festzustellen, dass sich in keiner Niederschrift zur Gemeinderatswahl in der Gemeinde Waakirchen ein Hinweis finden lasse, der darauf hindeute, dass man Zweifel an der korrekten Stimmenerfassung gehabt hätte. Unterzeichnet worden seien die Niederschriften u.a. vom Kläger und von den von ihm benannten Zeugen, dem Beigeladenen zu 37), Frau G. und Herrn S. Im Fall konkreter Zweifel an der Richtigkeit der Auszählung der Stimmen sei davon auszugehen, dass man eine Verweigerung der Unterzeichnung mit Angabe entsprechender Gründe oder zumindest eine Erwähnung in den Niederschriften feststellen könnte.
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Gegen die Zurückweisung seiner Wahlanfechtung durch das Landratsamt wendet sich der Kläger mit seiner durch seine Bevollmächtigten am 2. Juli 2020 erhobenen Klage.
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Ergänzend zu den im Rahmen der Anfechtung angeführten Gründen trägt der Kläger vor, dass, soweit das Landratsamt in seinem Bescheid bezüglich der Abstürze der Eingabemaske (1.) darauf verweise, dass nach den Angaben der AKDB Abstürze nur solche der von der Gemeinde eingesetzten Hardware gewesen sein könnten, dies schlichtweg falsch sei. Die Aussagen der benannten Zeugen, die im Übrigen vom Landratsamt zu keinem Zeitpunkt befragt worden seien, würden das Gegenteil, nämlich einen Absturz der Software belegen. Der beim Absturz einzugebende Stimmzettel sei tatsächlich mit den bis dahin eingegebenen Stimmen gespeichert worden. Dieser Stimmzettel habe zwar wieder aufgerufen, aber nicht mehr bearbeitet werden können. Das System könne aber trotz dieser automatischen Speicherung nicht selbständig erkennen, ob bereits alle Stimmen vor dem Absturz eingeben worden seien. Somit sei die Möglichkeit gegeben, dass Stimmen verloren gegangen seien. Weiter seien die Mitarbeiter der AKDB, auf deren Angaben das Landratsamt sich in seiner Begründung stütze, am Wahlabend nicht vor Ort gewesen und könnten daher gar keine Angaben zu dem Fehlerbefund machen, dass eingegebene Listenstimmen nicht gespeichert worden seien (2.). Zeugen seien hierzu seitens des Landratsamt nicht gehört worden. Auch soweit das Landratsamt in seinem Bescheid darauf abstelle, dass das Problem der fehlerhaften Stimmenzusammenführung (3.) nur die Kreistagswahl betroffen habe, sei dies nicht richtig. Tatsächlich habe dieses Problem bereits am Abend des 15. März 2020 bei mindestens einem Briefwahlbezirk im Rahmen der Auszählung der Gemeinderatswahl bestanden. Hierbei seien neben dem Problem der Zusammenführung zeitweilig sogar bis zu 200 Stimmzettel verlustig gegangen, bevor das Problem gelöst worden sei. Wie dieses Problem durch die Wahlleitung gelöst worden sei, sei nicht bekannt, weil die Zeugen aufgrund der fortgeschrittenen Uhrzeit auf Hinweis der Wahlleitung nach Hause gegangen seien. Soweit das Landratsamt darauf abstelle, dass nach Angaben der Wahlleitung bei theoretischem Vorliegen eines solchen Fehlers auf Gemeinderatswahlebene eine Abweichung der abgegebenen Stimmen von der Anzahl der Gesamtwählerzahl per Fehlermeldung aufgefallen wäre, greife dies nicht. Eine solche Fehlermeldung basiere auf einer Plausibilitätsprüfung, die gravierende Abweichungen toleriere, weshalb sie im Falle eines so engen Wahlausgangs zur Überprüfung gänzlich ungeeignet sei. Soweit das Landratsamt unter Berufung auf die Wahlleitung darauf verweise, dass das System die Konstellation von Stimmzetteln mit bis zu 20 Einzelstimmen und mindestens zwei Listenkreuzen (4.) einwandfrei erkannt und in jedem der Fälle dem Stapel „Stimmzettel mit Beschluss“ zugeordnet habe, widerspreche dies den eindeutigen Beobachtungen der am Wahlabend anwesenden Zeugen. Auch hierzu hätte das Landratsamt die Zeugen allerdings nicht befragt. Soweit die AKDB darauf verweise, dass die Wahlleiter einer Gemeinde bei einer solchen Konstellation die Möglichkeit besessen hätten, die Fälle manuell und separat zu bewerten, sei zu beachten, dass eine solche Möglichkeit dann nicht mehr gegeben sei, wenn das System diese Fälle bei einer Akzeptanz des Ergebnisses automatisch „durchwinke“. Schließlich sei bezüglich der fehlerhaft dargestellten Anzahl von Gesamtmandaten (5.) darauf hinzuweisen, dass es im Gemeindewahlrecht per se nicht zu Überhangmandaten kommen könne, weshalb jedes anzuwendende System dies berücksichtigen und nur die korrekte Anzahl an Gesamtmandaten zuordnen könne bzw. dürfe. Die falsche Darstellung der Sitze sei auch nach dem Auszählen aller Stimmen bestehen geblieben. Die Wahlleitung habe nach Angabe des Wahlleiters gegenüber dem Kläger in einem Telefonat vom 16. März 2020 deshalb die Mandatsverteilung selbst ausrechnen und entsprechend korrigieren müssen. Eine Verletzung von Wahlvorschriften könne nicht dadurch ausgeschlossen werden, dass sich in keiner Niederschrift zur Wahl des Gemeinderats W. … ein Hinweis finde, dass es Zweifel an der korrekten Stimmerfassung gegeben habe. Richtig sei, dass die Wahlhelfer, insbesondere die klägerseits benannten Zeugen, die Niederschrift unterzeichnet hätten, ohne Zweifel darzulegen. Einige Wahlhelfer seien allerdings bereits in der Einweisung explizit angewiesen worden, die Unterschriften bereits vor der Wahlauszählung zu leisten, aus Zeitgründen und um zu verhindern, dass sie später vergessen würden. Ein Hinweis darauf, dass Unregelmäßigkeiten zu notieren seien, sei nicht erfolgt. Tatsächlich seien die Niederschriften dann auch teilweise bereits während der Auszählung unterschrieben worden. Zudem sei zu berücksichtigen, dass das gesamte Ausmaß der Unregelmäßigkeiten den einzelnen Helfern teilweise erst in einer Gesamtschau sämtlicher Beobachtungen im Gespräch mit anderen Wahlhelfern nach der Auszählung bewusst geworden sei. Auch sei das Vier-Augen-Prinzip nicht in jedem Fall eingehalten worden. Die zugewiesenen Räumlichkeiten seien teilweise so eng gewesen, dass gar nicht mehr als zwei Personen direkt vor dem Bildschirm Platz gehabt hätten. Dies habe dazu geführt, dass ein Wahlhelfer die Wahlzettel ausgebreitet und vorgelesen habe und der andere die Eingabe am PC vorgenommen habe. Eine Kontrolle der Eingabe durch eine weitere Person, welche hinter dem „Eingeber“ habe stehen sollen, sei dadurch nicht möglich gewesen.
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Der Kläger beantragt,
1.
Der Bescheid des Landratsamts M1. vom 4. Juni 2020 wird aufgehoben.
2.
Das Landratsamt wird verpflichtet, das Wahlergebnis zur Wahl des Gemeinderats von W. … vom 15. März 2020 zu berichtigen.
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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung wird zunächst auf den Bescheid des Landratsamts vom 4. Juni 2020 verwiesen. Ergänzend wird mit Schriftsatz vom 28. September 2020 ausgeführt, dass das subjektive Empfinden verschwindender Häkchen (2.) sich im Einzelfall dadurch hätte nachprüfen und belegen lassen, dass die erfassten Stimmzettel erneut aufgerufen worden wären. Offensichtlich habe jedoch während der Wahlhandlungen und vor der Feststellung des Wahlergebnisses hierzu kein Bedarf bestanden, obgleich die Möglichkeit nicht nur für den Kläger und weitere genannte Zeugen bestanden habe, soweit sie auch Mitglieder der Wahlvorstände gewesen seien, sondern auch für zahlreiche weitere Wahlhelfer bayerischer Gemeinden, in denen die Software der AKDB Anwendung gefunden habe. Dass dies erst im Anschluss an das bekanntgegebene Wahlergebnis als Begründung angeführt werde, könne die Erfassung des Wahlergebnisses nicht in Frage stellen. Für den Fall, dass eine erhebliche Anzahl von bis zu 200 Stimmzetteln verlustig gegangen wäre (3.), hätten die rechnerischen Feststellungen (Anzahl der Wähler, Anzahl gültige und ungültige Stimmzettel) durch aktives Mitwirken manipuliert werden müssen. Ein zeitlicher Aufschub bei der Zusammenführung der Teilergebnisse sei unerheblich. Selbst für den Fall, dass die Zusammenführung tagelang unterblieben wäre, lägen keine Informationen darüber vor, dass sich die zusammenzuführenden Teilergebnisse während dieses Zeitraums in einem kritischen Speicherzustand befunden hätten, z.B. flüchtig oder von außen manipulierbar. Eine Plausibilitätsprüfung diene lediglich dazu, dass bei besonderen zahlenmäßigen Abweichungen entsprechende Hinweise Anlass zu einer Prüfung geben könnten. Zur Behauptung, dass Stimmzettel, die mehrere Einzelstimmen und zusätzlich zwei Listenkreuze enthalten hätten, uneinheitlich bewertet worden seien (4.), habe die AKDB nachvollziehbar in ihrem Schreiben vom 23. April 2020 Stellung genommen. Die Beobachtungen bewegten sich offensichtlich in der Sphäre subjektiver Wahrnehmung und ließen sich nicht näher mit einem einzelnen konkreten Fall belegen. Sofern diese Beobachtung zugetroffen hätte, hätten am Wahlabend entsprechende Fälle bei der Erfassung nachkontrolliert werden müssen, anstelle die Zweifel erst nachträglich in die Begründung zur Wahlanfechtung einzubringen. Sofern die Darstellungen zuträfen, würde dies die Kommunalwahl nicht nur in W. …, sondern bayernweit betreffen, jedenfalls in den Gemeinden, in denen die Software der AKDB eingesetzt worden sei. Bezüglich der Leistung der Unterschriften zu den Niederschriften und der Umsetzung des Vier-Augen-Prinzips werde auf die Stellungnahme der Gemeindewahlleitung verwiesen. Bezüglich der Unterzeichnung der Wahlniederschriften seien die Wahlvorsteher und Wahlhelfer im Rahmen der vorab durchgeführten Unterweisung durch die Wahlleitung über den ordnungsgemäß vorgesehenen Zeitpunkt der Unterschriftsleistung informiert worden. Erkenntnisse darüber, dass Unterschriften bereits vor der Wahlauszählung geleistet worden seien, seien der Wahlleitung bisher nicht bekannt. Darüber hinaus hätten bei der Kommunalwahl bei der Abgabe der Wahlniederschriften ganz vereinzelt auch Mitglieder von Wahlvorständen noch um die Unterzeichnung der Niederschriften gebeten werden müssen, da ihnen die Niederschrift offenbar noch nicht zur Unterschrift vorgelegt worden sei. Dies deute darauf hin, dass die Wahlvorstände die Niederschriften erst nach der Stimmauszählung geleistet hätten. Höchst vorsorglich werde ergänzend angemerkt, dass, selbst wenn die Einlassungen des Klägers zutreffend wären, sämtliche Mitglieder der jeweiligen Wahlvorstände jederzeit - auch im Nachhinein - die Möglichkeit gehabt hätten, gegenüber den Wahlvorstehern oder der Wahlleitung etwaige Bedenken gegen die Richtigkeit der Niederschrift vorzubringen und ihre Unterschrift zu widerrufen bzw. zu streichen. Dies sei bis zum heutigen Tage in keiner Form geschehen. Im Hinblick auf die Wahrung des Vier-Augen-Prinzips trage der Kläger selbst vor, dass bei der Erfassung der Stimmzettel jeweils mindestens zwei Personen anwesend gewesen seien. Auch darauf seien die Wahlhelfer im Rahmen ihrer Schulung bzw. Einweisung entsprechend hingewiesen worden. Damit sei grundsätzlich auch eine gegenseitige Kontrolle möglich. Dennoch seien oftmals sogar drei Personen bei der Eingabe zugegen gewesen. Der Argumentation des Klägers folgend, müssten dann pro Stimmzettel aber mindestens vier Personen anwesend sein, damit sowohl dem vorlesenden Wahlhelfer wie auch dem erfassenden Wahlhelfer jeweils nochmals eine Kontrollperson zur Seite stehen würde. Ein solches „Acht-Augen-Prinzip“ sei jedoch weder angezeigt noch rechtlich vorgesehen.
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Mit Schriftsatz vom 26. Oktober 2020 ergänzte der Klägerbevollmächtigte den Sachvortrag insbesondere dahingehend, dass die in der Klage vorgetragenen Fehler in mindestens fünf unterschiedlichen Stimmbezirken aufgetreten seien, nämlich im Stimmbezirk Sch. …-P. … (West), Sch. … Schule (Ost), W. … Oberdorf und in beiden Teilen des Briefwahlbezirks 13. Angesichts der Art der Fehler sei aber davon auszugehen, dass diese in allen Stimmbezirken vorgekommen seien, gegebenenfalls unbemerkt. Dass es beim Eingeben der Stimmen wiederholt zu einem Absturz der Eingabemaske gekommen sei, hätten der Zeuge S. und die Zeugin G. beobachtet. Beim Zeugen S., der zwischen 14.30 Uhr und 1.00 Uhr des Folgetags im Briefwahlbezirk 13 Teil 2 als Beisitzer zugegen gewesen sei, sei es zu einem Absturz gekommen. In der Folge sei der Stimmzettel gesperrt gewesen, sodass eine neue Nummer habe vergeben werden müssen, um die Stimmen neu einzugeben. Die Zeugin G., die von 18.00 Uhr bis 1.00 Uhr des Folgetags im Stimmbezirk Sch. … P. … (West) als Beisitzerin eingesetzt gewesen sei, habe mindestens zwei Abstürze beobachtet, könne zum weiteren Verfahren aber keine Angaben machen, da sie nicht bei der Eingabe (eingesetzt) gewesen sei. Zu den fehlenden Listenhäkchen (2.) habe die Zeugin G. von der „Ansagerin“ oder dem „Eingeber“ gehört, dass mehrfach Häkchen gefehlt hätten, diese also „nicht gesetzt oder wieder rausgesprungen“ wären. Die Zeugin T., die als Beisitzerin für den Bezirk 12 von 14.30 Uhr bis ca. 2.00 Uhr des Folgetags tätig gewesen sei, habe aufgrund des zu kleinen Bildschirms beim Eingeben der Stimmen „runterscrollen“ müssen. Durch Zufall sei irgendwann festgestellt worden, dass oben das Listenstimmenhäkchen wieder „rausgesprungen“ sei. Der Zeuge S. habe beim Speichern eines Stimmzettels ein kurzes Flimmern vernommen, wobei er aus dem Augenwinkel den Fehler bemerkt habe. Beim Wiederaufruf sei dann festgestellt worden, dass das Häkchen für die Listenstimme beim Speichern gelöscht worden sei. Das von den Zeugen S. und T. beobachtete Verschwinden der Häkchen bei den Listenstimmen sei zwar im Einzelfall korrigiert worden. Nach den Beobachtungen der Zeugen sei aber sicher davon auszugehen, dass diese Fehler nicht in jedem Fall bemerkt worden seien. Es sei gerade das Wesen von verschwundenen Häkchen, dass dieses sehr häufig unbemerkt passiere. Nachprüfen könne man dies als Wahlhelfer überhaupt nur, wenn der Vorfall tatsächlich bemerkt werde. Da das Verschwinden der Häkchen von einigen Wahlhelfern in verschiedenen Wahlbezirken und mit verschiedenen Laptops bemerkt worden sei, sei es folgerichtig, dass dieser Fehler bei einer ganzen Reihe von Eingaben aufgetreten sei, ohne dass er in vielen Fällen bemerkt worden sei. Die Zusammenführungsproblematik (3.) zeige eindeutig die Insuffizienz des Systems. Der Beigeladene zu 39), der im Briefwahlbezirk 13 Teil 1 von 14.30 Uhr bis 2.00 Uhr des Folgetags als Beisitzer zugegen gewesen sei, habe nach dem Übertragen der Stimmen aus verschiedenen Laptops aus demselben Stimmbezirk festgestellt, das 230 Stimmen aus dem weiteren Laptop gefehlt hätten. Das weitere Verfahren habe nicht mehr beobachtet werden können, da der Wahlvorstand nicht mehr anwesend gewesen sei, sondern die Wahlleitung den Prozess übernommen habe. Die Problematik bei der Zusammenführung sei auch nicht nur auf W. … beschränkt gewesen, sondern habe sich auch in der Gemeinde G. … ereignet und sei zudem von der AKDB schriftlich bestätigt worden. Darüber hinaus sei die Behauptung, dass eine korrekte Zusammenführung konsequent sei, weil sonst die Gesamtzahlen nicht gestimmt hätten, rein hypothetischer Natur. Woher solle ein System bei der Zusammenführung von zwei Teilbezirken wissen, was die Gesamtzahl der Stimmen sei. Final entstehe auch die Frage, welcher Wahlvorstand nach einer verspäteten Zusammenführung die Korrektheit der Gesamtstimmen hätte schriftlich bestätigen können. Der betreffende Wahlvorstand in W. … sei zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zugegen gewesen. Die durchgeführte Rechnung, welche dem Zweck diene, die Plausibilität der Gesamtstimmenzahl zu überprüfen, basiere nach eigenem Wissen nicht auf den Gemeinderatssondern den Kreistagswahlen. Die verwendeten Vergangenheitswerte seien auf Grundlage derselben Software ermittelt worden und letztlich viel zu grob. Bei einem Abstand von gerade einmal 0,16% der Stimmen bei insgesamt über 60.000 gültigen Stimmen, sei eine solche Überprüfung auf dieser Basis gänzlich ungeeignet. Auch die unterschiedliche Behandlung der Stimmzettel, die mehrere Listenkreuze aufwiesen, (4.) habe zu einer fehlerhaften Stimmerfassung geführt. Zum Teil seien diese Stimmzettel für den Stapel E vorgemerkt, also einer nochmaligen Prüfung durch den Wahlvorstand unterzogen worden, zum Teil seien sie von der Software als gültig eingestuft worden, ohne nochmalige Prüfung. Die auf Stapel E gelegten Stimmzettel seien dann aber ebenfalls in einigen Stimmbezirken als gültig, in anderen als ungültig eingestuft worden. Der Kläger, der im Stimmbezirk W. … Oberdorf von 13.00 bis ca. 23.00 Uhr eingesetzt gewesen sei, habe beobachtet, dass das System einen Stimmzettel mit mehreren Listenkreuzen, aber weniger als 20 Einzelstimmen dem Stapel E zugewiesen habe. Später seien dann aber mehrfach Stimmzettel mit mehreren Listenkreuzen und weniger als 20 Einzelstimmen direkt für gültig erklärt worden. Eine Information, wie mit fehlerhaften Stimmzetteln umzugehen sei, habe es mit dem Hinweis, „dies mache dann das System“, bei der Schulung nicht gegeben. Erst mit den Unterlagen am Wahltag sei ein Stapel mit Beispielen und Erläuterungen gekommen. Der Beigeladene zu 39) habe nicht nachvollziehen können, was bei der Eingabe mehrerer Listenstimmen passiere. Erst nach mehreren Eingaben habe er auf Nachfrage den Hinweis erhalten, dass auf die Taskleiste zu schauen sei. Der Zeuge S. habe in seinem Stimmbezirk einen Streit über die richtige Behandlung von Stimmzetteln mit mehreren Listenkreuzen mitbekommen. Laut dem Beigeladenen zu 37), der im Bezirk Sch. … Schule (Ost) von 18.00 Uhr bis 1.00 Uhr des Folgetags als Schriftführer eingesetzt gewesen sei, sei der Stapel E durch den Wahlvorstand für gültig erklärt worden. Er wisse aber vom Hörensagen, dass bei einem anderen Team Stapel E als ungültig erklärt behandelt worden sei. Laut Beobachtungen der Zeugin G. seien solche Stimmzettel auf Stapel E gelegt, später aber für ungültig erklärt worden. Dass Unterschriften bereits vor der Auszählung geleistet worden seien, werde durch detaillierte Zeugenaussagen belegt. Es sei in der Schulung auch nicht darauf hingewiesen worden, zu welchem Zeitpunkt die Unterschriften zu erfolgen hätten. Die Aussage des Wahlleiters, dass ihm der Umstand der vorzeitigen Unterschriftsleistung nicht bekannt gewesen sei und die Wahlhelfer sich dahingehend nicht geäußert hätten, sei sachlich nicht korrekt. Der Sachverhalt sei im Zuge der Anfechtung auch fristgerecht zur Kenntnis gebracht worden. Weiter sei weder mitgeteilt noch erläutert worden, dass Unregelmäßigkeiten und Fehler zu notieren seien. Für die Einhaltung des Vier-Augen-Prinzips sei es vorgeschrieben, dass ein „Ansager“ die Ergebnisse vorlese, ein „Eingeber“ am PC diese Ergebnisse eintrage und eine Person die Eingaben des „Eingebers“ über dessen Schulter überprüfe. Der Prozess sehe also insgesamt sechs Hände und vier Augen bei der Eingabe vor. Im konkreten Fall habe es aber die Person, die die Überprüfung des „Eingebers“ habe vornehmen sollen, nicht gegeben. Laut dem Beigeladenen zu 39) sei außerdem der Schriftführer eines Wahlbezirks durch eine Schriftführerin ersetzt worden, die dann zwei Wahlvorstände verantworten habe müssen. Zudem habe sich der Bürgermeister und Kreistagskandidat über längere Zeit im Büro des Wahlleiters aufgehalten, obwohl er kein Wahlhelfer gewesen sei.
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Mit Beschluss vom 17. November 2020 hat das Gericht alle gewählten Mitglieder des Gemeinderats der Gemeinde W. … sowie die jeweils ersten drei Listennachfolger aus den jeweiligen Wahlvorschlägen zum Verfahren beigeladen.
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Auf entsprechende gerichtliche Anfrage legte der Beklagte mit Schriftsatz vom 30. März 2021 eine Stellungnahme der Gemeinde W. … vom 23. Februar 2021 sowie eine Stellungnahme der AKDB vom 12. März 2021 vor und teilte mit, dass das Landratsamt bei seiner Wahlprüfung nach Art. 50 Abs. 1 GLKrWG sämtliche beschlussmäßig behandelten Stimmzettel kontrolliert und dabei keine Unrichtigkeiten bei der Beurteilung der Gültigkeit festgestellt habe. Laut Stellungnahme der Gemeinde W. … sei die unterschiedliche Bewertung bei mindestens zwei Listenkreuzen möglich. Hierbei seien drei Fälle zu betrachten. Seien mindestens zwei Listenkreuze und 20 oder weniger Einzelstimmen vergeben worden, so sei der erfasste Stimmzettel mit der Begründung „Vorrang der Einzelstimmen vor Listenkreuz“ gültig. Dies bedeute, dass nur die Einzelstimmen gültig seien und die Listenkreuze nicht bewertet würden. Bei Vorliegen eines Stimmzettels mit mindestens zwei Listenkreuzen und höchstens 20 Einzelstimmen erscheine im Programm nach dem Speichern ein Informationsfenster. Dieses beinhalte die Information, dass über den Stimmzettel Beschluss gefasst werden müsse und der Stimmzettel in Stapel E abgelegt werde. Die Stimmzettel, die sich in Stapel E befänden, würden abschließend auch im Ausdruck „Übersicht der Stimmzettel mit Beschlussfassung“ aufgeführt. Dieser Ausdruck beinhalte die beschlussmäßig zu behandelnden Stimmzettel mit der jeweilig gekennzeichneten Nummerierung. Des Weiteren werde der Stimmzettel nach Erfassung gesondert gestapelt, da dieser dem Wahlleiter vorgelegt werden müsse. Sowohl der Ausdruck als auch die darin enthaltenen Stimmzettel seien dann auch beim Landratsamt vorzulegen gewesen. Natürlich gebe es auch die Möglichkeit, dass Stimmzettel mit zwei oder mehr Listenkreuzen ungültig seien könnten. Dies seien die anderen angesprochenen Fälle. Seien mindestens zwei Listenkreuze ohne Einzelstimme vergeben worden, so sei der erfasste Stimmzettel ungültig und die Begründung laute „Annahme mehrerer Wahlvorschläge“. Dieser Stimmzettel werde ebenfalls in Stapel E abgelegt. Seien mindestens zwei Listenkreuze und mehr als 20 Einzelstimmen vergeben worden, so sei dieser Stimmzettel ebenso ungültig. Die Begründung hierfür seien die zu vielen Einzelstimmen. Dieser Stimmzettel sei wie in den ersten beiden Fällen in Stapel E abgelegt worden. Alle Stimmzettel mit mindestens zwei Listenkreuzen seien im Stapel E abgelegt und somit auch vom Wahlvorstand beschlussmäßig behandelt worden. In der Übersicht der Stimmzettel mit Beschlussfassung seien alle beschlussmäßig behandelten Stimmzettel mit ihrer jeweiligen Nummer, Angabe der Gültigkeit bzw. Ungültigkeit und Begründung vorhanden und seien allesamt dem Landratsamt zur nochmaligen Prüfung vorzulegen gewesen. Laut Stellungnahme der AKDB, in der darauf eingegangen werde, welche Reaktion des Systems mit den Begriffen „als gültig bewertet“ bzw. „als ungültig bewertet“ gemeint sei sowie welche Handlungsalternativen planmäßige Reaktionen des Systems seien, seien auf den Stapel E solche Stimmzettel abzulegen, auf denen die Stimmabgabe nicht zweifelsfrei gültig bzw. nicht zweifelsfrei oder eindeutig ungültig sei. Vom Stimmzettelmodul würden Stimmzettel automatisch auf den Stapel E gelegt, wenn 1. mehrere Wahlvorschläge gekennzeichnet worden seien (als gültig, soweit die Gesamtstimmenzahl nicht überschritten worden sei bzw. unter Wertung der Einzelstimmvergabe vor Listenkreuzen; sonst als ungültig), 2. die Gesamtstimmenzahl überschritten sei (immer ungültig) oder 3. ein Bewerber mehr als drei Stimmen erhalten habe (als gültig mit Ausnahme der überzähligen Einzelstimmen für den konkreten Bewerber). Zudem könne auch eine manuelle Feststellung für eine Zuweisung an Stapel E bei - im Einzelnen aufgeführten - Sonderfällen erfolgen. Darüber hinaus wurde anhand der vom Gericht vorgegebenen Testkonstellationen jeweils das anhand einer am 5. März 2021 durchgeführten Simulation ermittelte Ergebnis der Software (Version SZM: 20.02.3 - freigegeben und verfügbar zu Kommunalwahl 2020) unter Beifügung entsprechender Screenshots dargestellt. Wegen der Einzelheiten wird auf die dortige Darstellung Bezug genommen.
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Mit Schriftsatz vom 30. April 2021 nahm der Klägerbevollmächtige hierzu Stellung und führte im Wesentlichen aus, dass aus Sicht des Klägers die „Testfälle“ von der bei der Simulation vom 5. März 2021 eingesetzten Software korrekt abgearbeitet, also die beispielhaften Stimmabgaben richtig behandelt worden seien. Hierzu sei jedoch darauf hinzuweisen, dass zwar nach Ansicht der AKDB die bei der Simulation vom 5. März 2021 eingesetzte Software in der Version SZM 20.02.3 für die Gemeinderatswahl in W. … freigegeben und verfügbar gewesen sei, die Frage, ob genau diese Software aber auch von allen Wahlvorständen in der Wahlnacht eingesetzt worden sei, die AKDB jedoch nicht beantworten könne. Da die AKDB die Software nicht entwickelt habe, könne sie auch keine Aussage dahin machen, ob es an der damals verwendeten Version bzw. an der Version SZM 20.02.3 in der Zwischenzeit Fehlerbehebungen/Änderungen gegeben habe. Bekanntlich habe die Softwarefirma v. … … GmbH selbst in der Wahlnacht schon Updates in das System eingespielt und hinterher auch schriftlich bestätigt, dass an Fehlerbehebungen gearbeitet werde. Diesbezüglich werde angeregt, eine Stellungnahme der Softwarefirma v. … … GmbH zu Updates/Änderungen vor, in und nach der Wahlnacht sowie betreffend Grund und Ergebnisse des sog. Penetrationstests im Vorfeld der Kommunalwahl in Hessen am 14. März 2021 und hinsichtlich der Durchführung sonstiger regelmäßiger Tests der Wahlsoftware einzuholen. Rein tatsächlich habe die Software in der Wahlnacht nicht so gearbeitet, wie sie hätte sollen. Die tatsächliche Behandlung durch die Software und im Nachgang durch einzelne Wahlvorstände in Bezug auf Entscheidungen des Stapels E seien nicht einheitlich gewesen und hätten nicht den Vorschriften entsprochen. In der Wahlnacht habe die Software den einem Stimmzettel mit 15 Einzelstimmen und mindestens zwei Listenstimmen vergleichbaren Fall unterschiedlich gehandhabt. Mal sei nach der ersten Eingabe eine Zuweisung zum Stapel E vorgenommen worden, manches Mal habe das System solche Fälle aber von vorneherein als gültig akzeptiert und eine Zuordnung zum Stapel E sei somit nicht mehr erfolgt. Nicht alle echten „Stapel-E-Fälle“ seien tatsächlich auch dort gelandet. Mithin sei die Überprüfung des Stapels E auf Korrektheit durch das Landratsamt von vorneherein fehlerbehaftet, da gar nicht alle Fälle hätten geprüft werden können. Stapel E sei nicht vollzählig gewesen, da einige Fälle durch die Software vorher schon als gültig erklärt und nicht dem Stapel E zugeordnet worden seien. Mit der Klage sei vorgetragen und unter Beweis gestellt worden, dass einige Wahlvorstände Fälle des Stapels E nicht einheitlich beschieden hätten. So sei der o.g. Beispielsfall von den meisten Wahlvorständen als (richtigerweise) teilgültig, in Einzelfällen aber auch als komplett ungültig deklariert worden. Weitere gravierende Fehler, die tatsächlich aufgetreten seien, seien dargestellt und unter Beweis gestellt worden.
16
Mit Schriftsatz vom 26. Juli 2021 vertiefte der Klägerbevollmächtigte seinen Vortrag und führte insbesondere aus, dass nach Meinung des Klägers weitere Erkenntnismöglichkeiten auszuschöpfen seien. Dies sei zum einen die Einvernahme von Herrn Dr. J. … O. …, IT-Sicherheitsexperte sowie wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer Institut München, der am 15. März 2020 Wahlleiter in Bayern gewesen sei. Konkret habe Herr Dr. O. … nicht nur eine detaillierte Analyse der bei der Bayerischen Kommunalwahl eingesetzten Software - mit seinem Kollegen und Wahlhelfer Herrn T. … M. … - durchgeführt und dabei sehr viele gravierende Schwachpunkte aufgedeckt. Er sei auch selber mit dem Problem der Zusammenführung von Stimmen in der Wahlnacht konfrontiert gewesen. Zum anderen sei Herr Dr. Wz. … K. …, Leiter der Rechtsabteilung des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport und Landeswahlleiter für Hessen einzuvernehmen. In Bezug auf die Kommunalwahl in Hessen am 14. März 2021, bei der die identische Software in vielen Kommunen zum Einsatz gekommen sei, habe dieser in einem Schreiben an die Kommunen von Problemen bei der Kommunalwahl in Bayern gesprochen.
17
Hierauf erwiderte der Beklagte mit Schriftsatz vom 10. August 2021 und legte eine Stellungnahme der v. … … GmbH vor. Es erscheine nicht sachdienlich, „Zeugen“ einzuvernehmen, die zur streitgegenständlichen Gemeinderatswahl in W. … keinerlei Angaben aus eigener Wahrnehmung machen könnten. Laut Stellungnahme der v. … … GmbH sei es richtig, dass am Wahlabend die Datei eines Erfassungsteams bei einem anderen Erfassungsteam nicht richtig habe eingelesen werden können, wenn die Datei die Größe von 10 MB überschritten habe. Diese Größenbeschränkung werde aus Sicherheitsgründen standardmäßig beim Upload von Daten verwendet. Damit werde eine Flutung des Systems mit Daten verhindert. Die Entwicklung könne in begründeten Ausnahmefällen ein anderes Limit einstellen. Bei umfangreichen Tests sowohl bei der v. … … GmbH als auch bei der AKDB und den Kunden der AKDB sei diese Grenze nicht aufgefallen. Nach Bekanntwerden der Grenze sei unmittelbar ein Update an die AKDB ausgeliefert worden. Zudem seien aus Sicherheitsgründen Rechner mit Windows-Versionen, die nicht mehr im Microsoft-Support seien, von der Nutzung der Stimmzettelerfassung ausgeschlossen worden.
18
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die vorgelegten Behördenakten sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

19
Die zulässige Klage ist unbegründet.
20
Der Bescheid des Landratsamts vom 4. Juni 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Berichtigung des Wahlergebnisses (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
21
Gemäß Art. 51 Satz 1 Gesetz über die Wahl der Gemeinderäte, der Bürgermeister, der Kreistage und der Landräte (Gemeinde- und Landkreiswahlgesetz - GLKrWG) kann jede in einem zugelassenen Wahlvorschlag aufgeführte sich bewerbende Person innerhalb von 14 Tagen nach Verkündung des Wahlergebnisses die Wahl durch schriftliche Erklärung wegen der Verletzung wahlrechtlicher Vorschriften bei der Rechtsaufsichtsbehörde anfechten. Der Kläger hat als Wahlbewerber mit seiner Erklärung vom 9. April 2020 Fehler bei der Auszählung der Stimmen für die Gemeinderatswahl in W. … fristgerecht geltend gemacht.
22
Der Kläger hat jedoch keinen Anspruch auf Berichtigung des Wahlergebnisses, da die mit der Anfechtung angeführten Fehler die konkrete Möglichkeit mandatsrelevanter Zählfehler, die eine Neuauszählung der Stimmen insgesamt erfordern könnten, nicht substantiiert aufzeigen.
23
Wurden Wahlvorschriften verletzt, besteht ein Anspruch auf Berichtigung des Wahlergebnisses bei einer Gemeinderatswahl nach Art. 50 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 1 i.V.m. Art. 51 Satz 2 GLKrWG nur dann, wenn die Verteilung der Sitze auf die Wahlvorschläge anders wäre, andere Personen das Amt erhalten hätten, andere Personen Listennachfolger wären oder die Reihenfolge der Listennachfolger anders wäre. Dabei ist ohne Bedeutung, worauf die unrichtige Ämterverteilung, Sitzverteilung oder Listennachfolge beruht, ob sie also lediglich die Folge offenbarer Unrichtigkeiten ist (z.B. Rechenfehler beim Zusammenzählen, Überspringen einer Seite, fehlender Übertrag von Teilergebnissen oder rechnerisch falsche Schlussfolgerungen) oder ob sie auf wahlrechtlich falschen Entscheidungen beruht (vgl. Büchner, Kommunalwahlrecht in Bayern, Stand: 1. Februar 2020, Nr. 11.50, zu Art. 50 GLKrWG Anm. 4). Soweit Wahlfehler - wie es für die hier geltend gemachten Fehler bei der Stimmenauszählung und Ermittlung des Wahlergebnisses grundsätzlich in Betracht kommen kann - durch Nachzählung heilbar sind, wären sie unter Aufrechterhaltung der Wahl als solcher zu berichtigen, sog. Verbesserungsprinzip (vgl. VerfGH NW, B.v. 18.12.2018 - 16/17 - juris Rn. 27 m.w.N.).
24
Wenn die Verletzung von Vorschriften beanstandet wird, die das Verfahren der Stimmenauszählung und der Ermittlung des Wahlergebnisses regeln, kann die Erheblichkeit eines solchen Mangels für das Wahlergebnis und die Verteilung der Sitze im Allgemeinen nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Sinn und Zweck der die Stimmenauszählung betreffenden Vorschriften der Wahlgesetze ist es, die zutreffende Ermittlung des Wahlergebnisses zu gewährleisten. Ist gegen diese Vorschriften verstoßen worden, so fehlt es an hinreichender Gewähr dafür, dass das ermittelte Wahlergebnis den Wählerwillen korrekt wiedergibt. Dementsprechend haben die Wahlprüfungsorgane in solchen Fällen den mit dem Einspruch vorgetragenen Sachverhalt durch geeignete Ermittlungen aufzuklären. Dabei ist die Aufklärung entsprechend dem Sinn des Substantiierungsgebots zunächst auf die Prüfung zu beschränken, ob sich die gerügten Verfahrensfehler bei der Auszählung der Stimmen ereignet haben. Ist dies der Fall, so haben sich die Ermittlungen der Frage zuzuwenden, ob die festgestellten Mängel des Zählverfahrens Auswirkungen auf das im konkreten Fall in Zweifel gezogene Wahlergebnis und darüber hinaus auf die Zuteilung von Mandaten haben. Das ist - anders als bei sonstigen Wahlmängeln - grundsätzlich nicht ohne Nachzählung der abgegebenen Stimmen möglich (vgl. BVerfG, B.v. 12.12.1991 - 2 BvR 562/91 - juris Rn. 40).
25
Das Gebot der Substantiierung verlangt jedoch, dass ein Einspruchsführer bezogen auf konkrete Vorgänge und Stimmbezirke vortragen muss, worin er einen Wahlfehler oder einen anderen Rechtsverstoß begründet sieht. Als wesentlicher Grundsatz der Wahlprüfung soll es gerade sicherstellen, dass die sich auf der Grundlage der Feststellung des endgültigen Wahlergebnisses ergebende Zusammensetzung des Parlaments - hier des Gemeinderats - nicht vorschnell mittels Vermutungen von Wahlfehlern infrage gestellt wird und dadurch Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit geweckt werden. Auch wenn die Ermittlung des Wahlergebnisses im Anschluss an den Wahlakt als menschliches Handeln naturgemäß fehlerbehaftet ist, bietet daher allein der Umstand, dass erfahrungsgemäß auch in anderen als den konkret bezeichneten Fällen Fehler erfolgt sein könnten, regelmäßig keine ausreichende tatsächliche Grundlage für eine weiterreichende Prüfung (vgl. VerfGH NW, B.v. 18.12.2018 - 16/17 - juris Rn. 29 m.w.N.). Wahlbeanstandungen, die über nicht belegte Vermutungen oder die bloße Andeutung der Möglichkeit von Wahlfehlern nicht hinausgehen und einen konkreten, der Überprüfung zugänglichen Tatsachenvortrag nicht enthalten, dürfen deshalb als unsubstantiiert zurückgewiesen werden (vgl. BVerfG, B.v. 12.12.1991 - 2 BvR 562/91 - juris Rn. 39). Dieses Substantiierungsgebot findet auch auf kommunaler Ebene seine Rechtfertigung im Interesse an der raschen und verbindlichen Klärung der ordnungsgemäßen Besetzung der gewählten Vertretungsorgane; es soll sicherstellen, dass ein festgestelltes Wahlergebnis nicht vorschnell in Frage gestellt wird und dadurch lediglich pauschal Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit geweckt werden (vgl. VG Augsburg, U.v. 30.9.2014 - Au 3 K 14.805 - juris Rn. 24 m.w.N.).
26
Nach diesen Grundsätzen vermag die Wahlanfechtung des Klägers eine Pflicht der Wahlprüfungsbehörde zur Neuauszählung nicht zu begründen. Der Kläger hat das Vorliegen mandatsrelevanter Zähl- oder Bewertungsfehler bei der Auszählung der Wahl des Gemeinderats in W. … am 15. März 2020 nicht substantiiert dargelegt. Eine weitere Sachaufklärung durch das Gericht war dabei nicht veranlasst.
27
Soweit der Kläger zunächst geltend macht, dass es beim Eingeben der Stimmen wiederholt zu einem Absturz der Eingabemaske gekommen sei und es daher möglich oder gar wahrscheinlich sei, dass zum einen eine Wiederholung der Eingabe ganzer Stimmzettel übersehen, zum anderen bei der Wiederholung der Eingabe festgestellt worden sei, dass die Einzelstimmen vor dem Absturz gespeichert gewesen seien, allerdings übersehen worden sei, dass Listenstimmen nicht gespeichert gewesen seien und diese dann nicht (noch einmal) eingegeben worden seien, liegt darin kein dem Substantiierungsgebot genügender Vortrag.
28
So ist dem Vortrag des Klägers - selbst bei Wahrunterstellung - bereits nicht zu entnehmen, dass der Absturz der Eingabemaske in einem konkreten Einzelfall zu einer fehlerhaften Erfassung von Stimmen geführt hat. Soweit die vom Kläger benannten Zeugen einen Absturz der Eingabemaske in einem bzw. mindestens zwei Fällen geschildert haben, hat keiner der beiden Zeugen angegeben, dass es in der Folge eines Absturzes zu einer fehlerhaften Erfassung von Stimmen gekommen ist. Der Zeuge S. habe, nachdem der Stimmzettel infolge des Absturzes gesperrt gewesen sei, eine neue Nummer vergeben, um den Stimmzettel erneut zu erfassen. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass es bei dieser erneuten Erfassung des gesamten Stimmzettels zu Fehlern gekommen wäre, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Zeugin G. habe nicht bemerkt, wie dann weiter verfahren worden sei, da sie nicht bei der Eingabe eingesetzt gewesen sei. Soweit der Kläger darüber hinaus lediglich vermutet, dass es in der Folge von Abstürzen der Eingabemaske zu einer fehlerhaften Erfassung von Stimmen gekommen sei, stellt sich dieser Einwand als unsubstantiiert dar. Denn es handelt sich um eine Wahlbeanstandung, die über nicht belegte Vermutungen oder die bloße Andeutung der Möglichkeit von Wahlfehlern nicht hinausgeht und einen konkreten, der Überprüfung zugänglichen Tatsachenvortrag nicht enthält. Aus dem Umstand, dass der Vorgang der Stimmerfassung (u.U. auch mehrmals) durch einen Absturz unterbrochen wird, kann nicht per se auf eine fehlerhafte Erfassung von Stimmen geschlossen werden und auch nicht darauf, dass dies naheliegend wäre. Zwar hat der jeweils Betroffene in jedem Einzelfall den Status der Stimmerfassung des aktuellen Stimmzettels genau zu prüfen, d.h. ob und inwieweit die vor Absturz eingegebenen Stimmen bereits gespeichert wurden, bevor er mit der Eingabe fortfährt. Eine auf die Unterbrechung zurückzuführende fehlerhafte Erfassung von Stimmen ist indes nicht beachtlich wahrscheinlich. Denn durch die unerwartete Unterbrechung des Eingabevorgangs wird der Auszählende in einen Zustand erhöhter Alarmbereitschaft versetzt. Da zwischen dem Absturz und der Wiederherstellung des Eingabemodus der Speicherstatus für den Eingebenden unklar bleibt, wird er sich anschließend zunächst versichern, welche seiner Arbeitsschritte noch gespeichert wurden bzw. welche verloren sind und nun wiederholt werden müssen. Ob der (unvollständig erfasste) Stimmzettel gespeichert wurde oder nicht, lässt sich dabei - nach insoweit unbestrittenem Vortrag des Beklagten - durch Abgleich der Stimmzettelnummer feststellen. Im Fall der Speicherung konnte nach dem Vortrag des Klägers der Stimmzettel mit den bis dahin eingegebenen Stimmen zwar noch aufgerufen, jedoch nicht mehr bearbeitet werden. Mithin bleibt zur Korrektur des unvollständig erfassten Stimmzettels nur dessen Stornierung und vollständige Neuerfassung (vgl. AKDB, OK.VOTE, Auszählung mit dem Stimmzettelmodul, Kurzanleitung für Wahlhelfer, Stand: Februar 2020, Nr. 2 Unterpunkt „Stornierung“, Bl. 15 der Behördenakte) - wie auch von dem vom Kläger benannten Zeugen S. im konkret geschilderten Einzelfall vorgenommen. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass ein potentiell von dieser Störung Betroffener in diesem Zustand erhöhter Aufmerksamkeit den jeweiligen Speicherzustand unzutreffend erfasst und es in der Folge unterlassen hätte, sämtliche Stimmen des vom Absturz betroffenen Stimmzettels ordnungsgemäß zu erfassen, sind nicht ersichtlich. So bietet allein der Umstand, dass erfahrungsgemäß auch in anderen als den konkret bezeichneten Fällen Fehler erfolgt sein könnten, schon regelmäßig keine ausreichende tatsächliche Grundlage für eine weiterreichende Prüfung (vgl. VerfGH NW, B.v. 18.12.2018 - 16/17 - juris Rn. 29 m.w.N.). Dies gilt erst recht, wenn - wie hier - ein Auszählungsfehler in einem konkreten Einzelfall gar nicht festgestellt worden ist.
29
Schließlich handelt es sich bei den aufgezeigten Einzelfällen von Abstürzen der Eingabemaske allein schon aufgrund der sehr geringen Anzahl in einem mehrstündigen Zeitfenster auch nicht um einen solchen Fehler, der nach Art und Umfang den Rückschluss auf einen systematischen Fehler bei der Auszählung zulässt.
30
Auch soweit der Kläger mit der Anfechtung geltend macht, dass es bei der Eingabe der Listenstimmen wiederholt vorgekommen sei, dass die Stimme nicht gespeichert worden sei, das gesetzte „Häkchen“ also wieder verschwunden sei, ist ein mandatsrelevanter Zählfehler nicht ausreichend substantiiert worden.
31
Diesbezüglich ist dem Vortrag des Klägers - selbst bei Wahrunterstellung - ebenfalls nicht zu entnehmen, dass das Verschwinden eines Listenkreuzes in einem konkreten Einzelfall zu einer fehlerhaften Erfassung von Stimmen geführt hat. So trägt der Kläger selbst vor, dass dies im bemerkten Einzelfall korrigiert worden sei. Soweit der Kläger darüber hinaus meint, dass nach den Beobachtungen der Zeugen sicher davon auszugehen sei, dass dieser Fehler nicht in jedem Fall bemerkt worden sei, wurde diese Behauptung nicht näher substantiiert. Die Angaben der Zeugen tragen diesen vom Kläger gezogene Schluss jedenfalls nicht. Die vom Kläger benannten Zeugen schildern unterschiedliche Fälle von Fehlern, die sich lediglich im Fehlerbefund „Listenkreuz fälschlicherweise nicht gesetzt“ gleichen. Soweit vorgetragen wurde, die Zeugin G. habe von der Ansagerin oder dem Eingeber gehört, dass mehrfach Häkchen gefehlt hätten (nicht gesetzt oder wieder rausgesprungen), selbst habe sie es nicht gesehen, weil sie keinen Blick auf den Bildschirm gehabt habe, ergibt sich hieraus bereits nicht hinreichend verlässlich, dass dem Fehlerbefund tatsächlich ein systemseitiger Fehler zugrundeliegt. So gibt die Zeugin G. selbst an, dass es ebenso möglich sei, dass das Häkchen gar nicht erst gesetzt worden sei. Die Zeugin T. hat in einem Fall festgestellt, dass oben - es habe beim Eingeben der Stimmen wegen des zu kleinen Bildschirms „runtergescrollt“ werden müssen - das Listenstimmenkreuz wieder „rausgesprungen“ sei. Der Verlust des Listenkreuzes wäre demnach während der Eingabe und vor dem Speichervorgang eingetreten. Der Zeuge S. wiederum schildert, dass er nach Abschluss der Eingabe im Rahmen des Speichervorgangs ein kurzes Flimmern des Bildschirms wahrgenommen und aus dem Augenwinkel einen Fehler bemerkt habe. Beim Wiederaufruf habe er festgestellt, dass das Häkchen für die Listenstimme beim Speichern gelöscht worden sei. Der Zeuge S. schildert mithin einen Fehler im Rahmen des Speichervorgangs. Konkret geben die Zeugen damit zwei Fälle an, in denen sie jeweils davon ausgehen, dass ein Listenkreuz systemseitig gelöscht worden sei. Dabei wurde dies jeweils korrigiert. Das Auftreten von mandatsrelevanten Zählfehlern ist dadurch nicht hinreichend substantiiert worden. Dass es bei der Stimmenauszählung und Ergebnisermittlung am Wahlabend zu Fehlern kommt, ist nahezu unvermeidlich und betrifft praktisch jede Wahl. Es ist deshalb zunächst Aufgabe des Wahlrechts, typische Fehlerquellen zu antizipieren und ihnen durch die Gestaltung des einzuhaltenden Verfahrens möglichst entgegenzuwirken. Verbleibende Unzulänglichkeiten eines konkreten Auszählungsvorgangs sind regelmäßig hinzunehmen, sofern das gesetzlich geregelte Verfahren der Stimmabgabe und der Auszählung der Stimmen geeignet erscheint, ein möglichst richtiges Wahlergebnis zu gewährleisten, und dieses Verfahrensrecht auch eingehalten wurde (vgl. VerfGH NW, B.v. 18.12.2018 - 16/17 - juris Rn. 30 m.w.N.). Den Verdacht einer organisierten Wahlmanipulation außenvorgelassen - was weder vorgetragen noch ersichtlich ist -, fehlt es im vorliegenden Fall an Anhaltspunkten dafür, dass dies hier nicht der Fall gewesen wäre. Die von den Zeugen im Einzelfall vorgenommenen Korrekturen lassen weder aufgrund ihrer Zahl noch nach der Art der ihnen zugrundeliegenden Fehler auf einen flächendeckenden Mangel des Auszählvorgangs oder die prinzipielle Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften schließen (vgl. hierzu auch Wahlprüfungsgericht Bremen, B.v. 21.12.2015 - 14 K 1330/15 - juris Rn. 256). Das Gericht hält es nicht für beachtlich wahrscheinlich, dass der von den Zeugen T. und S. jeweils in einem Einzelfall geschilderte Fehler gehäuft aufgetreten ist. Hiergegen spricht zunächst, dass die Zeugen selbst den von ihnen festgestellten Fehler jeweils nur in einem Einzelfall beobachtet haben. Wäre der Fehler tatsächlich gehäuft aufgetreten, wäre aber davon auszugehen, dass gerade den beiden Zeugen, die den konkreten Fehler bereits festgestellt und damit eine erhöhte Sensibilität für gerade diesen Fehler hatten, im weiteren Verlauf der Auszählung derselbe Fehler weitere Male aufgefallen wäre. Die Zeugen sind zudem offenbar auch selbst nicht davon ausgegangen, dass der im Einzelfall festgestellte Fehler eine systematische Fehlerquelle für die Auszählung bedeuten könnte. Denn unstreitig wurde dies, was im Hinblick auf die Gewährleistung der Korrektheit der Auszählung jedoch nahegelegen hätte, den Wahlvorstehern in keinem Fall während des Auszählungsvorgangs oder im Anschluss daran zur Kenntnis gebracht. Auch ist nicht bekannt, dass ein ähnlicher Fehler in einer anderen bayerischen Kommune, die dieselbe Auszählungssoftware verwendet hat, gemeldet worden wäre (vgl. LT-Drs. 18/14862, S. 3). Die klägerseits getroffene Annahme, dass es folgerichtig sei, dass - da das Verschwinden der Häkchen von einigen Wahlhelfern in verschiedenen Wahlbezirken und mit verschiedenen Laptops bemerkt worden sei - dieser Fehler bei einer ganzen Reihe von Eingaben aufgetreten ist, ohne dass er in vielen Fällen bemerkt wurde, geht insoweit fehl. Ungeachtet dessen, dass schon die beiden Zeugen T. und S. - wie ausgeführt - nicht denselben Fehler bemerkt haben, ist „der Fehler“ nicht nur nicht in vielen Fällen, sondern in keinem einzigen weiteren Fall bemerkt worden. Wäre es tatsächlich gehäuft zu der geltend gemachten Löschung von Listenkreuzen gekommen, wäre aber davon auszugehen, dass dies bei sorgfältiger Arbeit der Wahlhelfer - wie auch in den beiden klägerseits konkret geschilderten Fällen geschehen - etwa bei nochmaligem überblicksartigem Abgleich mit dem Stimmzettel vor Speicherung bzw. bei Anwendung des Vier-Augen-Prinzips jedenfalls in einigen weiteren Fällen aufgefallen wäre. Dafür, dass es sich tatsächlich nicht um eine systematische Problematik gehandelt hat, die in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu einer fehlerhaften Erfassung von Stimmen geführt hat, spricht insbesondere auch, dass in nahezu allen Fällen, in denen wegen Problemen der eingesetzten Software eine Neuauszählung vorgenommen wurde, mandatsrelevante Abweichungen nicht festgestellt werden konnten (vgl. LT-Drs. 18/14862, S. 4 bis 6). Selbst für den Fall, dass der jeweilige Fehler über die von den Zeugen geschilderten Fälle hinaus in weiteren Einzelfällen aufgetreten wäre, ergeben sich keinerlei begründete Anhaltspunkte dafür, dass ein Fehler in diesen Fällen nicht ebenfalls bemerkt und korrigiert worden wäre. Auch im Rahmen der Wahlprüfung kommt eine Nachzählung sämtlicher Stimmzettel eines oder mehrerer Stimmbezirke vor allem (nur) dann in Betracht, wenn hinreichend konkrete Anhaltspunkte bestehen, dass die Auswertung in einem oder mehreren Stimmbezirken durchgängig und nicht nur in Einzelfällen fehlerhaft ist (vgl. Nr. 7.2.2 Satz 2 und Satz 3 GLKrWBek).
32
Der Kläger hat einen mandatsrelevanten Zählfehler weiter auch im Hinblick darauf nicht substantiiert geltend gemacht, dass die Zusammenführung der ausgezählten Stimmen der einzelnen Teams eines Wahlbezirks im System über einen längeren Zeitraum nicht möglich gewesen sei mit der Folge, dass nicht geprüft werden könne, ob bei der späteren Zusammenführung alle Stimmen im System übernommen worden seien.
33
Zwar trifft es zu, dass in der Gemeinde W. … die Zusammenführung der Teilergebnisse eines Stimmbezirks über einen längeren Zeitraum nicht möglich war. So wurde seitens des Softwareherstellers v. … … GmbH angegeben, dass es richtig sei, dass am Wahlabend die Datei eines Erfassungsteams bei einem anderen Erfassungsteam nicht eingelesen habe werden könne, wenn die Datei die Größe von 10 MB überschritten habe. Nach Bekanntwerden der Grenze sei jedoch unmittelbar ein Update an die AKDB ausgeliefert worden. Diesbezüglich heißt es auch in der Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Finanzen und für Heimat vom 20. März 2021 auf die Schriftliche Anfrage des Abgeordneten B. … A. … BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 14. Februar 2021, dass alle Wahllokale, in denen das Softwaremodul zur Stimmzettelauswertung der Gemeinderats- und Kreistagswahlen verwendet worden sei, von Problemen bei der Zusammenführung von Teilerfassungen in die Haupterfassung hätten betroffen sein können. Diese Probleme seien ab einer bestimmten Dateigröße der Teilerfassungen aufgetreten. Zur Auszählung der Wahlergebnisse mithilfe des Softwaremoduls würden in der Regel zwei oder mehrere Zählteams gebildet, die einen bestimmten Anteil ihnen zugewiesener Stimmzettel auswerteten. Das Ergebnis dieser mithilfe der Software ermittelten Teilauswertung (Teilerfassung) werde dann in die Haupterfassung importiert. Erst wenn alle Teilerfassungen zusammengeführt worden seien, könne das Gesamtergebnis für den jeweiligen Stimmbezirk festgestellt werden. Dies sei durch die Dateigrößenbeschränkung in vielen Fällen am Wahltag nicht mehr möglich gewesen, obwohl nach Auskunft des Softwareanbieters noch im Laufe der Wahlnacht ein Softwareupdate angeboten worden sei (vgl. LT-Drs. 18/14862, S. 3). Laut AKDB sei dieses Problem jedoch in W. … am 17. März 2020 abschließend bearbeitet worden, sodass die Kommune anschließend habe weiterarbeiten können (vgl. Bl. 23a der Behördenakte). Etwaige Anhaltspunkte dafür, dass es bei der Zusammenführung der Teilergebnisse nach Behebung des Problems zu einer fehlerhaften Erfassung gekommen ist, sind mit der Anfechtung weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Zwischenergebnisse waren nach dem insoweit unbestritten gebliebenen Vortrag des Beklagten bis zur abschließenden Zusammenführung sicher gespeichert und dem Zugriff Dritter entzogen. Der Beklagte geht daher zurecht davon aus, dass allein der zeitliche Aufschub bei der Zusammenführung der Teilergebnisse sich auf das Stimmenergebnis nicht ausgewirkt haben kann. Hierfür spricht - ungeachtet der klägerseits in Zweifel gezogenen Belastbarkeit der erfolgten Plausibilitätsprüfung nach Zusammenführung der Stimmen - insbesondere auch die Tatsache, dass auch die im Hinblick auf die identische Problematik in anderen Wahlbezirken durchgeführten Nachzählungen keinerlei Abweichungen ergeben haben (vgl. etwa Neuauszählung der Kreistagswahl für Markt Laaber und Gemeinde Deuerling, LT-Drs. 18/14862, S. 6).
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Soweit klägerseits im gerichtlichen Verfahren angedeutet wurde, dass softwareseitig gleichwohl nicht sichergestellt sei, dass die erfassten Stimmen auch nach der durch das eingespielte Update ermöglichten Zusammenführung der Daten der einzelnen Zählteams qualitativ unverändert geblieben seien, geht dieser - im Übrigen erst außerhalb der gesetzlichen Anfechtungsfrist vorgebrachte - Vortrag über die bloße - wie ausgeführt unzureichende - Andeutung der Möglichkeit von Wahlfehlern nicht hinaus. Es ist weder ersichtlich noch vorgetragen, wie die Entsperrung des Updatevolumens eine qualitative Veränderung der gespeicherten Daten bewirkt haben soll. Dabei handelt es sich lediglich um eine nicht weiter belegte Vermutung des Klägers. Zweifel daran, dass sämtliche Stimmzettel in der abgespeicherten Form bei der Zusammenführung der Teilergebnisse auch tatsächlich übernommen wurden, sind insbesondere im Hinblick auf den erfolgten Abgleich der Gesamtwählerzahl mit der Anzahl erfasster Stimmzettel nicht angezeigt. Denn die Vollständigkeit des programmgestützten Auszählungsverfahrens ist durch entsprechende Plausibilitäten im Wahlauszählungsmodul sichergestellt. Anhand der Stimmabgabevermerke im Wählerverzeichnis wird die Anzahl der Wähler ermittelt und im Verfahren vorgegeben. Diese Anzahl der vorgegebenen Wähler muss mit der Anzahl der erfassten Stimmzettel übereinstimmen, ansonsten kann kein Ergebnis festgestellt werden (vgl. LT-Drs. 18/14862, S. 7).
35
Soweit der Kläger weiter anführt, dass der Wahlvorstand in W. … zum Zeitpunkt der Zusammenführung nicht mehr zugegen gewesen sei und somit bei der verspäteten Zusammenführung die Korrektheit der Gesamtstimmen nicht mehr hätte schriftlich bestätigen können, vermag dies Zweifel an der Korrektheit der Stimmenzusammenführung ebenfalls nicht zu begründen. Zunächst sind im Wahlanfechtungsverfahren nur diejenigen Einspruchsgründe zu berücksichtigen, die fristgerecht vorgebracht worden sind und die konkret, unmissverständlich und hinreichend substantiiert mit Tatsachen belegt sind, sodass sie eine Nachprüfung rechtserheblicher Tatsachen zulassen (vgl. BayVGH, B.v. 14.9.2015 - 4 ZB 15.639 - juris Rn. 5 m.w.N.). Die gerichtliche Prüfung muss sich auf diejenigen Wahlanfechtungsgründe beschränken, die vom jeweiligen Kläger rechtzeitig und ausreichend substantiiert vorgetragen worden sind. Das Wahlrecht ist formellen Anforderungen in besonderem Maße verhaftet und kann auf ihre Einhaltung umso weniger verzichten. Eine Prüfung von nicht „innerhalb von 14 Tagen nach Verkündung des Wahlergebnisses“ ausreichend substantiiert vorgetragenen Anfechtungsgründen von Amts wegen bzw. die Zugrundelegung nicht explizit vorgetragener, aber angeblich gerichtsbekannter Wahlrechtsverstöße wäre daher mit dem Gesetz unvereinbar (vgl. BayVGH, B.v. 14.9.2015 - 4 ZB 15.639 - juris Rn. 7). Das in der kurzen Anfechtungsfrist zum Ausdruck kommende öffentliche Interesse, möglichst rasch Gewissheit über die Zusammensetzung der gewählten Volksvertretung zu erhalten, schließt ein Nachschieben neuer Anfechtungsgründe und neuen Sachvortrags nach Fristablauf aus. Die erst nach diesem Zeitpunkt vorgebrachten Tatsachen müssen nicht nur im Verfahren nach Art. 51 GLKrWG unberücksichtigt bleiben, sondern ebenso in einem nachfolgenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren (vgl. BayVGH, B.v. 22.2.2021 - 4 ZB 20.3109 - juris Rn. 23 m.w.N.). Zwar bleibt die Ergänzung und Erläuterung eines schon vorliegenden Sachvortrags möglich. Bei der vorzunehmenden Abgrenzung zwischen (unzulässiger) neuer Tatsache und (zulässiger) Ergänzung ist eine wertende Betrachtungsweise im Einzelfall angezeigt. Nur dann, wenn es sich bei natürlicher Betrachtung um einen einheitlichen Sachverhalt handelt, von dem - gerade auch wegen fehlender Einsichtsmöglichkeiten eines Außenstehenden - nur ein Ausschnitt benannt worden ist, der sich von den anderen Sachverhaltselementen nicht grundlegend unterscheidet, sodass der benannte Fehlertatbestand damit letztlich nur eine quantitative Änderung erfährt, ist die Erstreckung der Prüfung auf den gesamten Sachverhaltskomplex geboten (vgl. BayVGH, B.v. 14.9.2015 - 4 ZB 15.639 - juris Rn. 9 m.w.N.). So verhält es sich vorliegend jedoch nicht. Denn der Vortrag, dass der Wahlvorstand vorzeitig entlassen worden sei, stellt eine weitere selbständige Rüge der Verletzung von Verfahrensvorschriften dar. Es handelt sich insbesondere auch nicht um einen Ausschnitt ein- und desselben Problemkomplexes, der dem Kläger, der selbst als Mitglied des Wahlvorstands bei der Auszählung zugegen war, als Außenstehendem wegen fehlender Einsichtsmöglichkeiten verborgen geblieben wäre. Jedenfalls aber sind vorliegend auch keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich oder vorgetragen, dass sich dies kausal auf die korrekte Ermittlung des Abstimmungsergebnisses ausgewirkt hätte. Selbiges gilt auch hinsichtlich der klägerseits gerügten vorzeitigen Unterschriftsleistung durch einzelne Wahlvorstände oder -helfer.
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Auch die Rüge, das System habe solche Stimmzettel, die bis zu 20 Einzelstimmen, aber zusätzlich zwei Listenkreuze oder mehr aufwiesen, unterschiedlich bewertet, teilweise als gültig (mit und ohne Prüfung durch den Wahlvorstand), teilweise aber auch als ungültig, vermag einen mandatsrelevanten Zählfehler nicht zu begründen.
37
Soweit Stimmzettel mit dieser Konstellation durch das System als gültig bewertet wurden, liegt - sei es mit oder ohne Prüfung durch den Wahlvorstand - kein Bewertungsfehler vor. In Fällen, in denen die wählende Person zwei (oder mehr) Wahlvorschläge in der Kopfleiste kennzeichnet und ferner in einem oder mehreren Wahlvorschlägen sich bewerbende Personen - sei es unter voller Ausnutzung der ihr zustehenden Stimmenzahl oder unter Vergabe von weniger als ihr zustehender Stimmen - ankreuzt, ist der Stimmzettel nach dem Grundsatz „Einzelstimmvergabe vor Listenkreuz“ gültig. Die gesetzten Listenkreuze sind unbeachtlich, da die wählende Person durch die Einzelstimmvergabe ihre Gesamtstimmenzahl voll ausgenutzt hat bzw. ggf. nicht ausgenutzte Reststimmen aufgrund der Mehrzahl von Listenkreuzen nicht erkennbar einem Wahlvorschlag zugeordnet werden können. Es sind mithin nur die - unter Beachtung der weiteren Regeln gültiger Stimmabgabe - vergebenen Einzelstimmen zu zählen (vgl. Nrn. 72.11, 72.12, 72.3 GLKrWBek). Die Bewertung solcher Stimmzettel als gültig durch das System ist mithin nicht zu beanstanden. Anhaltspunkte dafür, dass in der Folge nicht (nur) die Einzelstimmen als gültige Stimmen gezählt worden wären, sind weder ersichtlich noch vorgetragen. Insbesondere hat auch der Kläger selbst nicht geltend gemacht, dass das System bei der Zählung der gültigen Stimmen, den Grundsatz „Einzelstimme vor Listenkreuz“ nicht beachtet hätte. Allein aus der - den klägerischen Vortrag als wahr unterstellt - Tatsache, dass das System die Stimmen auf einem solchen gültigen Stimmzettel, zwar ohne weitere Prüfung durch den Wahlvorstand, jedoch im Ergebnis zutreffend, direkt ins System übernommen hat, ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine falsche Erfassung von Stimmen.
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Ein Zählfehler ist auch nicht substantiiert geltend gemacht, soweit der Kläger angegeben hat, das System habe Stimmzettel mit dieser Konstellation als ungültig bewertet. Nach unbestrittener Angabe der AKDB wurden durch das System als ungültig befundene Stimmzettel („eindeutig ungültig“) dem Stapel E (Stimmzettel mit Beschluss) zugewiesen. Zwar wurde klägerseits unter Bezugnahme auf diverse Zeugenaussagen vorgetragen, dass solche Fälle im Rahmen der Beschlussfassung in den einzelnen Stimmbezirken uneinheitlich behandelt worden seien. Den nicht näher substantiierten Zeugenaussagen (Zeuge S.: „Streit zwischen Frau E. und Frau H. über richtige Behandlung von Stimmzetteln mit mehreren Listenkreuzen“; Beigeladener zu 37): „Stapel E wurde durch Wahlvorstand als gültig erklärt, aber vom Hörensagen am nächsten Tag erfahren, dass bei anderem Team Stapel E als ungültig erklärt behandelt wurde (Herr W.); Zeugin G.: „wurde auf Stapel E gelegt, aber später für ungültig erklärt“) steht insoweit jedoch der unwidersprochene Vortrag des Beklagten entgegen, wonach das Landratsamt im Rahmen der Wahlprüfung nach Art. 50 Abs. 1 GLKrWG sämtliche beschlussmäßig behandelten Stimmzettel kontrolliert und dabei keine Unrichtigkeiten bei der Beurteilung der Gültigkeit festgestellt hat. Zudem wurde eine solche etwaig fehlerhafte Bewertung durch den Wahlvorstand auch nicht innerhalb der maßgeblichen Anfechtungsfrist, sondern erstmalig im gerichtlichen Verfahren geltend gemacht. Die Bewertung und Beschlussfassung durch den Wahlvorstand stellt aber eine von den mit der Anfechtung gerügten Softwarefehlern losgelösten, eigenständigen Verfahrensschritt dar. Die Rüge der fehlerhaften Entscheidung des Wahlvorstandes stellt sich vorliegend daher nicht als bloße quantitative Erläuterung des schon vorliegenden Sachverhalts dar, sondern als unzulässiger neuer Tatsachenvortrag. Dass das System ungültige Stimmzettel automatisiert ohne Wertung der Einzelstimmen und weitere Prüfung durch den Wahlvorstand ausgesondert hätte, ist mit der Anfechtung nicht vorgetragen.
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Schließlich vermag auch die Tatsache, dass die Gesamtzahl der zu vergebenen Sitze in der im Internet einsehbaren vorläufigen Darstellung des Wahlergebnisses mit 21 statt korrekterweise mit 20 angegeben wurde, einen mandatsrelevanten Zählfehler nicht zu begründen. Dieser Fehler wurde unstreitig in der Folge manuell korrigiert, sodass im Ergebnis zutreffend 20 Sitze auf Basis der zuvor ermittelten Gesamtstimmenzahlen vergeben wurden. Zweifel an einer korrekten Mandatsverteilung bestehen insoweit keine. Anhaltspunkte dafür, dass sich dieser Fehler bei der Ermittlung der Gesamtstimmenzahlen mit der Folge ausgewirkt haben könnte, dass der Mandatsverteilung eine fehlerhafte Gesamtstimmenzahl zugrunde gelegt wurde, sind nicht ersichtlich. Soweit der Kläger meint, dieser Fehler im System berechtige zu erheblichen Zweifeln am berechneten Ergebnis, handelt es sich lediglich um eine nicht weiter belegte Vermutung bzw. bloße Andeutung der Möglichkeit von Wahlfehlern, welche als unsubstantiiert zu qualifizieren ist.
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Auch in der Gesamtschau belegen die vom Kläger gerügten Mängel keinen systematischen Zählfehler.
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Soweit der Kläger vorträgt, dass angesichts der Art der Fehler davon auszugehen sei, dass diese in allen Stimmbezirken vorgekommen seien, ggf. unbemerkt, liegt darin kein im Wahlprüfungsverfahren zulässiger Vortrag. Wie ausgeführt, verlangt das Gebot der Substantiierung, dass ein Anfechtungsführer bezogen auf konkrete Vorgänge und Stimmbezirke vortragen muss, worin er einen Wahlfehler oder einen anderen Rechtsverstoß begründet sieht. Als wesentlicher Grundsatz der Wahlprüfung soll es - wie ausgeführt - gerade sicherstellen, dass die sich auf der Grundlage der Feststellung des endgültigen Wahlergebnisses ergebende Zusammensetzung des Parlaments nicht vorschnell mittels Vermutungen von Wahlfehlern infrage gestellt wird und dadurch Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit geweckt werden. Auch wenn die Ermittlung des Wahlergebnisses im Anschluss an den Wahlakt als menschliches Handeln naturgemäß fehlerbehaftet ist, bietet daher allein der Umstand, dass erfahrungsgemäß auch in anderen als den konkret bezeichneten Fällen Fehler erfolgt sein könnten, regelmäßig keine ausreichende tatsächliche Grundlage für eine weiterreichende Prüfung (vgl. VerfGH NW, B.v. 18.12.2018 - 16/17 - juris Rn. 29 m.w.N.; vgl. auch Wahlprüfungsgericht Bremen, B.v. 21.12.2015 - 14 K 1330/15 - juris Rn. 254). Der pauschalen Vermutung, dass sich bestimmte Fehler, nur weil sie in gleichartiger oder zumindest ähnlicher Weise in mehreren Stimmbezirken vorgekommen sind, auch anderenorts wiederholt haben müssen, steht zudem die besondere Vertrauenswürdigkeit entgegen, die den Mitgliedern der Wahlvorstände grundsätzlich zukommt. Sie werden für dieses Ehrenamt eigens berufen, neutralitätsverpflichtet und geschult. Ihre Tätigkeit kann ohne hinreichend konkreten Anhalt nicht unter den Generalverdacht der Fehlerhaftigkeit gestellt werden (vgl. VerfGH NW, B.v. 18.12.2018 - 16/17 - juris Rn. 34 m.w.N.). Wie ausgeführt, hat der Kläger vorliegend jedoch bereits keinen Fehler, der in einem konkreten Fall zu einer fehlerhaften Erfassung von Stimmen geführt hat, substantiiert dargelegt. Daher und vor dem Hintergrund, dass die Auszählenden angewiesen waren, ein genaues Abbild des Stimmzettels in der Auszählungssoftware zu erzeugen, und Zweifel an der Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Wahlvorstände und -helfer insoweit auch nicht angezeigt sind, verbietet sich vorliegend ein Rückschluss von den gerügten Mängeln auf eine systematische Fehlerhaftigkeit der Auszählung. Das Gericht verkennt nicht, dass die Auszählenden auch der Erwartungshaltung einer zügigen Auszählung gerecht werden wollen und die Auszählung für sie daher stets auch eine Stresssituation darstellt, die in Einzelfällen Fehler begünstigen kann. Gleichwohl ist die situative Überforderung im Einzelfall, die - wie hier - kein Ausmaß erreicht, dass der Betroffene es für nötig erachtet, im Hinblick auf die Gewährleistung der Korrektheit des Auszählungsergebnisses, während der Auszählung auf bestehende Missstände hinzuweisen, keine tragfähige Grundlage, um von einer insgesamt unsorgfältigen Auszählung oder einer generell unzureichenden Vorbereitung der Wahlvorstände auf ihre Aufgabe auszugehen (vgl. auch VerfGH NW, B.v. 18.12.2018 - 16/17 - juris Rn. 36). Auch eine unzureichende Vorbereitung der Wahlvorstände, für die am 11. und 12. März 2020 zwei Schulungsabende mit - im hiesigen Verfahren vorgelegtem - umfangreichem Informationsmaterial und der Möglichkeit zur Klärung von Einzelfragen angeboten wurde, ist vorliegend weder ersichtlich noch substantiiert vorgetragen. Zudem stand die Wahlleitung nach eigenen - unwidersprochenen - Angaben am Wahltag bei auftretenden Problemen für Fragen zur Verfügung. Es ist daher nicht erkennbar, weshalb etwaig in Einzelfällen aufgetretene Probleme bei der Stimmerfassung nicht zutreffend erkannt, den Verantwortlichen zur Kenntnis gebracht und ordnungsgemäß gelöst worden sein sollten.
42
Schließlich ergibt sich auch keine andere Bewertung vor dem Hintergrund, dass der Kläger die durchgängige Anwendung des Vier-Augen-Prinzips bei der Auszählung in Frage stellt. Es kann hier dahinstehen, ob auch dieser erstmals im gerichtlichen Verfahren - und damit nicht innerhalb von 14 Tagen nach Verkündung des Wahlergebnisses (vgl. Art. 51 Satz 1 GLKrWG) - gerügte Verstoß im Hinblick auf das strenge Substantiierungsgebot überhaupt Berücksichtigung finden darf. Ungeachtet dessen, ob und in welchem Umfang wegen Missachtung des Vier-Augen-Prinzips ein Verfahrensverstoß anzunehmen sein könnte, wurde vom Kläger jedenfalls ein für eine erfolgreiche Wahlanfechtung (zusätzlich) erforderlicher Verstoß gegen materielles Recht in Gestalt der vermuteten Zählfehler, die alleine zu einem anderen Ergebnis führen können, - wie ausgeführt - in keinem Fall konkret belegt. Dass das Wahlergebnis knapp war und menschlicher Irrtum beim Zählen grundsätzlich nicht auszuschließen ist, reicht nicht aus. Bei Nichtanwendung des Vier-Augen-Prinzips vergrößert sich zwar die Gefahr von Zählfehlern, dies allein reicht für eine Wahlanfechtung aber nicht aus. Erforderlich wäre, dass der Wahlanfechter den Fehler auch hier konkret benennt. Hierzu ist er grundsätzlich auch in der Lage. Aus gutem Grunde ist nämlich nach Art. 17 GLKrWG die Ermittlung und Feststellung der Abstimmungsergebnisse in den Stimmbezirken, einschließlich der Briefwahl, öffentlich (vgl. BayVGH, B.v. 24.6.1998 - 4 ZB 97.2164 - juris Rn. 26). Dies gilt umso mehr, als der Kläger als Mitglied des Wahlvorstands eines Stimmbezirks selbst unmittelbar an der Auszählung beteiligt und für deren ordnungsgemäße Durchführung mitverantwortlich war.
43
Im Ergebnis war daher die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Es entspricht der Billigkeit, dass die Beigeladenen ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen, da sie keinen Antrag gestellt haben und sich damit nach § 154 Abs. 3 VwGO keinem Kostenrisiko ausgesetzt haben (vgl. § 162 Abs. 3 VwGO).
44
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.