Inhalt

VG Augsburg, Urteil v. 13.09.2021 – Au 9 K 20.857
Titel:

Keine Einzahlungsverpflichtung eines neu gegründeten ambulanten Pflegebetriebs für Pflegeausbildungsfonds

Normenketten:
PflBG § 7 Abs. 1 Nr. 3, § 32, § 33 Abs. 4
PflAFinV § 11 Abs. 4, § 12 Abs. 3 S. 1, § 18
Leitsatz:
Aufgrund fehlender Anpassung der Berechnungsgrundlagen in § 18 Abs. 2 S. 4 PflAFinV für neu gegründete Pflegeeinrichtungen ist nach der eindeutigen gesetzlichen Regelung für den hier maßgeblichen Finanzierungszeitraum 2020 ausgehend vom Festsetzungsjahr 2019 das Bezugsjahr 2018 maßgeblich und der Einzahlungsbetrag eines in 2020 neu gegründeten ambulanten Pflegebetriebs für das Finanzierungsjahr 2020 auf Null festzusetzen. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Einzahlungsverpflichtung in den Pflegeausbildungsfonds (verneint), Verletzung von Mitwirkungspflichten (verneint), Schätzung der Berechnungsgrundlagen, Neugründung einer ambulanten Pflegeeinrichtung, materiell-rechtlicher Begründungsmangel, Pflegeausbildungsfonds, Einzahlung, Berechnungsgrundlage, Neugründung, Mitwirkungspflicht, Schätzung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 16.02.2023 – 7 ZB 23.127
Fundstelle:
BeckRS 2021, 33352

Tenor

I. Der Bescheid der Beklagten vom 11. Mai 2020 wird aufgehoben.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen einen Festsetzungs- und Zahlungsbescheid für das Jahr 2020 in Höhe von 2.104,49 EUR.
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Der Kläger gründete zum 1. Februar 2020 einen ambulanten Pflegedienst in … in der Form eines Einzelunternehmens.
3
Mit Bescheid der Beklagten vom 11. Mai 2020 (Az.: …) wurde gegenüber dem Kläger die für das Kalenderjahr 2020 in den Ausgleichsfond nach dem Pflegeberufegesetz (PflBG) zu leistenden Einzahlungen auf insgesamt 2.104,49 EUR festgesetzt.
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Zur Begründung führt die Beklagte aus, dass Rechtsgrundlage des Festsetzungs- und Zahlungsbescheids § 33 Abs. 4 Satz 2 PflBG i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 der Pflegeberufe-Ausbildungsfinanzierungsverordnung (PflAFinV) sei. Mit dem Pflegeberufegesetz würden die bislang getrennten Ausbildungen in der Krankenpflege, Kinderkrankenpflege und Altenpflege in eine generalistische Ausbildung zum Pflegefachmann bzw. zur Pflegefachfrau zusammengeführt. Im Rahmen des Umlageverfahrens ermittle die zuständige Stelle für jedes Kalenderjahr anhand der Summe aller Ausbildungsbudgets, einer Liquiditätsreserve und einer Verwaltungskostenpauschale (vgl. § 32 PflBG) den Finanzierungsbedarf für die Pflegeausbildung in Bayern. Dieser Finanzierungsbedarf werde zu in § 33 Abs. 1 PflBG festgelegten Anteilen von den verschiedenen Einzahlergruppen getragen. Die Aufteilung innerhalb der Sektoren der Krankenhäuser und der stationären sowie ambulanten Pflegeeinrichtungen erfolge nach den Vorgaben der §§ 33 Abs. 3, 4 PflBG, §§ 10 ff. PflAFinV. Für das Kalenderjahr 2020 sei in Bayern ein Finanzierungsbedarf in Höhe von 124.075.678,15 EUR ermittelt worden. Der Betrag, der durch Einrichtungen nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 PflBG (ambulante Pflegeeinrichtung) einzubringen sei, werde nach § 33 Abs. 4 Satz 3 PflBG anhand der Zahl der im ambulanten Sektor beschäftigten Pflegefachkräfte ermittelt. Nach § 12 Abs. 1 Satz 1 PflAFinV werde dabei der von allen stationären und ambulanten Pflegeeinrichtungen zu tragende Finanzierungsbedarf im Verhältnis der Zahl der in den jeweiligen Sektoren beschäftigten und eingesetzten Pflegefachkräfte zur Gesamtzahl der Pflegefachkräfte auf die Sektoren aufgeteilt. Bei ambulanten Pflegeeinrichtungen würde nach § 12 Abs. 1 Satz 2 PflBG bei der Aufteilung nur der Anteil an Pflegefachkräften berücksichtigt, der auf Pflegeleistungen nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) entfalle. Der auf die ambulante Pflegeeinrichtung des Klägers entfallene Anteil am durch alle ambulanten Pflegeeinrichtungen in Bayern zu tragenden Finanzierungsbetrag werde gemäß § 12 Abs. 3 PflAFinV und nach dem Verfahren des § 2 Abs. 8 der Vereinbarung der Verfahrensregelungen gemäß § 33 Abs. 6 PflBG bemessen nach dem Verhältnis der Umsätze für Pflegeleistungen nach § 36 SGB XI für das Kalenderjahr 2018 der ambulanten Pflegeeinrichtungen zur Summe der Umsetzungen für Pflegeleistungen nach § 36 SGB XI für das Kalenderjahr 2018 aller ambulanten Pflegeeinrichtungen in Bayern. Der Anteil des Klägers betrage hierbei 0,024955%. Der Einzahlungsbetrag für das Kalenderjahr 2020 betrage somit 2.104,49 EUR. Die Berechnung des Anteils beruhe auf den nach § 11 Abs. 2, Abs. 4 PflAFinV übermittelten Angaben zur Anzahl der in der Einrichtung zum Stichtag 15. Dezember 2018 beschäftigten oder eingesetzten Pflegefachkräfte in Vollkräften, zur regelmäßigen Wochenarbeitszeit einer Vollkraft in Zeitstunden, zum Anteil der von der Einrichtung im Jahr 2018 erbrachten Pflegeleistungen nach SGB XI an allen von der Einrichtung im Jahr 2018 erbrachten Pflegeleistungen und zum Gesamtumsatz, den die Einrichtung im Jahr 2018 durch für Pflegeleistungen nach § 36 SGB XI abgerechnete Punkte und Zeitwerte erzielt habe. Gemäß § 33 Abs. 4 Satz 1 PflBG werde der von den Trägern der stationären und der ambulanten Pflegeeinrichtungen zu zahlende Anteil am Finanzierungsbedarf über Ausbildungszuschläge aufgebracht. Es seien landesweite Ausbildungszuschläge in Höhe von jeweils 2,53% auf die Rechnungssumme für Pflegeleistungen nach § 36 SGB XI vorgesehen.
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Auf den weiteren Inhalt des Bescheids der Beklagten vom 11. Mai 2020 wird ergänzend verwiesen.
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Mit Schreiben vom 18. Mai 2020 hat der Kläger Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erhoben und mit Schriftsatz vom 15. Juni 2020 beantragt,
7
Der Bescheid über die zu leistenden Einzahlungen gemäß § 33 PflBG i.V.m. § 13 PflAFinV für das Kalenderjahr 2020 des … vom 11. Mai 2020 wird aufgehoben.
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Zur Begründung ist ausgeführt, dass maßgeblicher Stichtag für die Festsetzung der 15. Dezember 2018 sei. Der auf den Kläger entfallende Anteil basiere auf Umsätzen der Pflegeleistungen nach § 36 SGB XI für das Kalenderjahr 2018. Der Kläger habe seinen Pflegedienst erst ab dem 1. Februar 2020 als Neugründung in Betrieb genommen. Auch sei der Kläger vor Festsetzung der Ausgleichszahlung weder angehört worden, noch aufgefordert worden, die nach § 11 PflAFinV erforderlichen Angaben zu machen. Nach § 18 Abs. 2 PflAFinV werde der Umlagebetrag bei Neuaufnahme eines Betriebs einer Pflegeeinrichtung nach § 12 Abs. 3 PflAFinV ermittelt. Der auf die einzelne ambulante Einrichtung entfallende Anteil bemesse sich danach nach dem Verhältnis der in den zwölf Monaten vor dem 1. Januar des Festsetzungsjahres von der jeweiligen Einrichtung nach dem SGB XI entsprechend des im jeweiligen Land geltenden Abrechnungssystems abgerechneten Punkten oder Zeitwerten zur Gesamtzahl der Punkte oder Zeitwerten im ambulanten Sektor im selben Zeitraum. Der Kläger sei in den zwölf Monaten vor dem 1. Januar des Festsetzungsjahres nicht tätig geworden und habe somit auch keine Pflegeleistungen abrechnen können. Der auf die Einrichtung entfallende Wert sei daher auf Null zu setzen. Der Bescheid sei demnach rechnerisch unrichtig. Die Beklagte lege ihrer Berechnung tatsächlich nicht vorhandene Werte aus dem Jahr 2018 zugrunde. Sofern der Betrag aufgrund einer Schätzung festgelegt worden sei, so sei diese Festsetzung mangels Anhörung des Klägers unwirksam.
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Auf den weiteren Vortrag im Klagebegründungsschriftsatz vom 15. Juni 2020 wird ergänzend verwiesen.
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Mit Schriftsatz vom 2. August 2021 teilte der Bevollmächtigte des Klägers dem Gericht mit, dass der Betrieb des Pflegedienstes … als Einzelunternehmen zum 30. September 2020 eingestellt worden sei. Zum 1. Oktober 2020 habe nunmehr die … ihren Betrieb aufgenommen. Eine Rechtsnachfolge bestehe nicht. Vor diesem Hintergrund entfalle die Zahlungspflicht des Klägers für die Zeit von Oktober 2020 bis Dezember 2020 bereits nach § 18 Abs. 3 PflAFinV.
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Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung des Antrags auf Klageabweisung hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 22. März 2021 ausgeführt, dass die Argumentation des Klägers, die Einrichtung habe in den Jahren 2018 und 2019 kein Umsatz erzielt, weil die Eröffnung erst im Jahr 2020 (Februar) erfolgt sei, für die Festsetzung des Zahlungsbetrages nicht ausschlaggebend sein könne. Wenn der entsprechende Umsatz der Einrichtung auf Null gesetzt werde, wäre die Einrichtung zwar nicht einzahlungsverpflichtet, könne andererseits aber auch keinen Ausbildungszuschlag an die Kunden abrechnen. Für den Ausgleich für das Jahr 2020 würden dann die Ist-Daten, d.h. der Umsatz 2020 sowie Einnahmen aus dem Ausbildungszuschlag zum 30. Juni 2021 abgefragt. Hier drohe dem Kläger unter Umständen eine Nachforderung für die Einrichtung, die dann nicht refinanzierbar wäre. Deshalb sei die Klage insgesamt als unbegründet abzuweisen.
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Auf die weiteren Ausführungen im Schriftsatz vom 22. März 2021 wird ergänzend verwiesen.
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Am 13. September 2021 fand die mündliche Verhandlung statt. Für den Hergang der Sitzung wird auf das hierüber gefertigte Protokoll Bezug genommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist begründet. Der mit der Klage angegriffene Bescheid der Beklagten vom 11. Mai 2020, mit dem der Kläger zur Einzahlung eines Betrags von 2.104,49 EUR in den Pflegeausbildungsfond Bayern für das Finanzierungsjahr 2020 verpflichtet wurde, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO). Nach den insoweit maßgeblichen gesetzlichen Regelungen des Gesetzes über die Pflegeberufe (Pflegeberufegesetz - PflBG - vom 17. Juli 2017, gültig ab 1. Januar 2020, BGBl I 2017, 2581) und insbesondere der Verordnung über die Finanzierung der beruflichen Ausbildung nach dem Pflegeberufegesetz sowie zur Durchführung statistischer Erhebungen (Pflegeberufe-Ausbildungsfinanzierungsverordnung - PflAFinV - vom 2. Oktober 2018, gültig ab 1. Januar 2019) besteht für den Kläger für das Finanzierungsjahr 2020 keine Einzahlungsverpflichtung in den Pflegeausbildungsfonds. Die der Berechnung zugrundeliegende Bescheidsbegründung ist materiell-rechtlich unrichtig und nicht geeignet, für den Kläger eine Einzahlungsverpflichtung in den Pflegeausbildungsfonds zu begründen.
18
1. Rechtsgrundlage für eine Beitragszahlung in den neu geschaffenen Pflegeausbildungsfonds ist § 33 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 Satz 1 PflBG i.V.m. §§ 12, 13 PflAFinV.
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a) Nach § 33 Abs. 1 PflBG wird der nach § 32 PflBG ermittelte Finanzierungsbedarf durch die Erhebung von Umlagebeträgen und Zahlungen nach § 26 Abs. 3 PflBG aufgebracht, deren Anteile in § 33 Abs. 1 PflBG für die verschiedenen Einzahlergruppen jeweils gesondert festgelegt wurden. Maßgeblich für die hier vorliegende ambulante Pflegeeinrichtung des Klägers als Einzelunternehmer ist § 33 Abs. 1 Nr. 2 PflBG, wonach ihr Anteil als Einrichtung im Sinne von § 7 Abs. 1 Nr. 3 PflBG 30,2174% beträgt, der über Ausbildungszuschläge aufgebracht wird (§ 33 Abs. 4 Satz 1 PflBG). Die zuständige Stelle setzt gegenüber jeder Einrichtung den jeweils zu entrichtenden Umlagebetrag fest (§ 33 Abs. 4 Satz 2 PflBG). Hierfür wird der Anteil nach § 33 Abs. 1 Nr. 2 PflBG auf die Sektoren „voll- und teilstationär“ und „ambulant“ im Verhältnis der in diesen Sektoren beschäftigten Pflegefachkräfte aufgeschlüsselt (§ 33 Abs. 4 Satz 3 PflBG).
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Die Aufteilung des Finanzierungsbedarfs auf die einzelnen Pflegeeinrichtungen legt § 12 PflAFinV fest. Nach § 12 Abs. 3 Satz 1 PflAFinV bemisst sich der auf die einzelne ambulante Einrichtung entfallene Anteil an dem nach § 12 Abs. 1 PflAFinV für den ambulanten Sektor ermittelten Betrag nach dem Verhältnis der in den zwölf Monaten vor dem 1. Januar des Festsetzungsjahres von der jeweiligen Einrichtung nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch entsprechend des im jeweiligen Land geltenden Abrechnungssystems abgerechneten Punkte oder Zeitwerte zur Gesamtzahl der Punkte oder Zeitwerte im ambulanten Sektor im selben Zeitraum. Festsetzungsjahr im Sinne der PflAFinV ist dabei nach § 1 Abs. 3 PflAFinV das Vorjahr des jeweiligen Finanzierungszeitraums nach dem Pflegeberufegesetz.
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Zur Berechnung des Finanzierungsbedarfs schafft die PflAFinV in § 11 gesetzliche Mitteilungspflichten der Pflegeeinrichtungen. So haben die stationären und ambulanten Pflegeeinrichtungen nach § 11 Abs. 2 Satz 1 PflAFinV der zuständigen Stelle bis zum 15. Juni des Festsetzungsjahres die Anzahl der Vollzeitäquivalente der Pflegefachkräfte mitzuteilen, die am 15. Dezember des Vorjahres des Festsetzungsjahres in der Einrichtung beschäftigt oder eingesetzt sind. § 11 Abs. 2 Satz 2 PflAFinV erweitert dies für ambulante Pflegeeinrichtungen dahingehend, dass diese zusätzlich mitzuteilen haben, welcher Anteil an Vollzeitäquivalenten auf Pflegeleistungen nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch entfällt. Weitergehend bestimmt § 11 Abs. 4 PflAFinV, dass die ambulanten Pflegeeinrichtungen der zuständigen Stelle ebenfalls bis zum 15. Juni des Festsetzungsjahres zusätzlich die Anzahl der in den zwölf Monaten vor dem 1. Januar des Festsetzungsjahres von der jeweiligen Einrichtung nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch entsprechend des im jeweiligen Land geltenden Abrechnungssystems abgerechneten Punkte oder Zeitwerte mitteilen. Auf der Grundlage dieser Mitteilungen setzt die zuständige Stelle nach § 12 Abs. 4 Satz 1 PflAFinV bis zum 31. Oktober des Festsetzungsjahres den monatlichen Umlagebetrag gegenüber den Pflegeeinrichtungen fest.
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b) Für die Pflegeeinrichtung des Klägers wurde für das Finanzierungsjahr 2020 auf dieser Grundlage in dem mit der Klage angegriffenen Bescheid vom 11. Mai 2020 ein Einzahlungsbetrag in Höhe von 2.104,49 EUR festgesetzt. Dies erfolgte mit der Begründung, dass der Kläger seinen Mitteilungspflichten nach § 11 Abs. 2 Satz 1 und 2 und Abs. 4 PflAFinV nicht nachgekommen sei und deshalb zu seinen Lasten sowohl die Zahl der Vollzeitäquivalente der Pflegefachkräfte als auch die nach dem Abrechnungssystem des Landes Bayern abgerechneten Punkte oder Zeitwerte bezogen auf den Stichtag 15. Dezember 2018 (Zahl der Vollzeitäquivalente) bzw. das Bezugsjahr 2018 geschätzt worden seien. Diese Begründung trägt die gegenüber dem Kläger begründete Einzahlungspflicht in Höhe von 2.104, 49 EUR jedoch nicht. Für das Finanzierungsjahr 2020 besteht nach den im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen der PflAFinV gerade keine Einzahlungspflicht des Klägers (1). Unter Berücksichtigung der geltenden Bestimmungen der PflAFinV kann somit keine Verletzung von Mitwirkungspflichten des Klägers festgestellt werden (2).
23
(1) Für den ambulanten Pflegebetrieb des Klägers besteht im Jahr 2020 bereits keine Einzahlungsverpflichtung. Dies folgt daraus, dass es sich bei dem am 1. Februar 2020 aufgenommenen ambulanten Pflegebetrieb des Klägers um eine Neugründung handelt, die der gesetzlichen Regelung in § 18 PflAFinV unterliegt. Dies lässt der mit der Klage angegriffene Bescheid der Beklagten gänzlich unberücksichtigt. Nach § 18 Abs. 2 Satz 2 PflAFinV werden bei Neugründungen die in § 11 PflAFinV geregelten Mitteilungspflichten zur Aufteilung des Finanzierungsbedarfs auf die jeweiligen Pflegeeinrichtungen dahingehend modifiziert, dass Pflegeeinrichtungen, die den Betrieb aufgenommen haben, die Mitteilungen nach § 11 Abs. 3 oder 4 PflAFinV unverzüglich vornehmen und die Zuständige Stelle nach § 18 Abs. 2 Satz 3 PflAFinV den monatlichen Umlagebetrag gegenüber einer neu aufgenommenen Pflegeeinrichtung zum nächstmöglichen Zeitpunkt festsetzt. Der sich auf dieser Grundlage ergebende Umlagebetrag wird nach § 18 Abs. 2 Satz 4 PflAFinV wiederum auf der Grundlage von § 12 Abs. 2 oder 3 PflAFinV ermittelt. Da bei Neugründungen für die Berechnung des einzelnen Umlagebetrages - anders als in Bezug auf die Mitteilungspflichten - keine gesetzliche Modifikation in der Verordnung (PflAFinV) erfolgt ist, bemisst sich der festzusetzende Betrag nach wie vor nach dem Verhältnis der in den zwölf Monaten vor dem 1. Januar des Festsetzungsjahres von der jeweiligen Einrichtung nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch entsprechend des im jeweiligen Land geltenden Abrechnungssystems abgerechneten Punkte oder Zeitwerte zur Gesamtzahl der Punkte oder Zeitwerte im ambulanten Sektor im selben Zeitraum. Aufgrund fehlender Anpassung der Berechnungsgrundlagen in § 18 Abs. 2 Satz 4 PflAFinV für neu gegründete Pflegeeinrichtungen ist nach der eindeutigen gesetzlichen Regelung für den hier maßgeblichen Finanzierungszeitraum 2020 ausgehend vom Festsetzungsjahr 2019 das Bezugsjahr 2018 maßgeblich. Da der Betrieb des Klägers aber erst im Februar 2020 seine Tätigkeit aufgenommen hat, liegen für ihn auch für den nach § 18 Abs. 2 Satz 4, § 12 Abs. 3 PflAFinV maßgeblichen Bezugszeitraum 2018 keine für die Berechnung notwendigen Punkte und Zeitwerte vor. Zwingende rechtliche Folge ist somit, dass der Einzahlungsbetrag des Klägers für das Finanzierungsjahr 2020 auf Null festzusetzen ist. Dies ergibt sich aus der eindeutigen gesetzlichen Regelung in § 18 Abs. 2 Satz 4 PflAFinV mit dem dort erfolgten Verweis auf die inhaltlich für Neugründungen nicht entsprechend angepasste Berechnungsgrundlage des § 12 Abs. 3 PflAFinV.
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(2) Aufgrund der vom Verordnungsgeber erfolgten Bezugnahme auf das Jahr 2018 ist eine Verletzung der Mitteilungs- bzw. Mitwirkungspflichten nach § 18 Abs. 2 Satz 2 PflAFinV bzw. § 11 Abs. 4 PflAFinV durch den Kläger begrifflich bereits nicht denkbar, weil dieser mangels Geschäftsbetriebs im Bezugsjahr 2018 keine berechnungsrelevanten Unterlagen vorlegen konnte. Daher durfte die mit der Verletzung von Mitwirkungspflichten begründete Schätzung fehlender Berechnungsgrundlagen zu Lasten des Klägers auch nicht erfolgen.
25
c) Der Bescheid erweist sich aus den dargestellten Gründen in seiner Begründung und der darauf fußenden Berechnung des Umlagebetrags somit als materiell rechtswidrig. Es handelt sich hierbei auch nicht lediglich um einen bloßen formellen Begründungsmangel im Sinne des Art. 39 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetzt (BayVwVfG), der einer Heilung nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BayVwVfG zugänglich wäre. Die Begründung des mit der Klage angegriffenen Bescheids vom 11. Mai 2020 ist vielmehr inhaltlich unrichtig, da für den Kläger im maßgeblichen Finanzierungsjahr 2020 keine Einzahlungsverpflichtung besteht. Dies ist Folge der gesetzlich missglückten Regelung in § 18 Abs. 2 Satz 4 PflAFinV, der für die Berechnung des Umlagebetrags bei Neugründungen nach Auffassung der Kammer verfehlt auf die nicht modifizierte Berechnung der Umlage nach § 12 Abs. 3 PflAFinV verweist.
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2. Mangels Einzahlungspflicht für das gesamte Finanzierungsjahr 2020 ist es letztlich unerheblich, dass der Kläger den Betrieb seiner ambulanten Pflegeeinrichtung in Form eines Einzelunternehmens bereits zum 30. September 2020 eingestellt hat und eine Einzahlungspflicht für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2020 zusätzlich nach § 18 Abs. 3 PflAFinV ausscheidet, wonach die Pflicht zur Zahlung von Umlagebeträgen mit der endgültigen Aufgabe des Betriebs für die Zukunft entfällt.
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Daher war der Klage des Klägers stattzugeben und der mit der Klage angegriffene Bescheid der Beklagten vom 11. Mai 2020 antragsgemäß aufzuheben.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Als im Verfahren unterlegen hat die Beklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).