Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 12.01.2021 – AN 2 K 20.00272
Titel:

Unverzügliche prüfungsrechtliche Befangenheitsrüge

Normenketten:
BayJAPO § 12
GG Art. 3
BGB § 121 Abs. 1
Leitsätze:
1. Während die Prüfungsbehörde offensichtliche Mängel, die den äußeren Prüfungsablauf betreffen, von Amts wegen zu vermeiden hat, obliegt dem Prüfling die Rüge einer Verletzung der Chancengleichheit insbesondere bei Fehlern, die nur ihn persönlich betreffen. Entscheidet sich der Prüfling zur Rüge, hat er diese unverzüglich – also ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 BGB) – zu erheben, wobei regelmäßig ein strenger Maßstab angelegt wird. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
2. Im Fall des Verfahrensmangels der Befangenheit eines Prüfers ist dem Prüfling eine Rüge während der laufenden Prüfung zwar regelmäßig nicht zumutbar. Aber auch in diesem Fall ist die Rüge einen Monat nach der mündlichen Prüfung nicht mehr unverzüglich erfolgt. (Rn. 32 und 40) (redaktioneller Leitsatz)
3. Durch die Ausschlussfrist von einem Monat nach § 12 Abs. 2 S. 3 BayJAPO wird die Obliegenheit zur unverzüglichen Rüge weder beseitigt noch konkretisiert. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
prüfungsrechtliche Befangenheitsrüge, Obliegenheit der unverzüglichen Geltendmachung von Verfahrensmängeln, Substantiierung von Bewertungsrügen, mündliche Prüfung, Juristische Staatsprüfung, prüfungsrechtliche Befangenheit, Obliegenheit der unverzüglichen Rüge von Verfahrensmängeln, Chancengleichheit, Beurteilungsspielraum, Bewertungsspielraum, Substantiierungspflicht
Fundstelle:
BeckRS 2021, 3316

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt zuletzt eine Wiederholung seiner mündlichen Prüfung im Ersten Juristischen Staatsexamen.
2
Der Kläger legte zur Notenverbesserung vom 5. bis 12. September 2019 den schriftlichen Teil der Ersten Juristischen Staatsexamen ab. Hierfür hatte der Beklagte dem Kläger auf dessen Antrag einen Nachteilsausgleich in Gestalt einer Schreibzeitverlängerung von … Minuten je Prüfungstag gewährt. Dem lag ein amtsärztliches Attest vom 14. Juni 2019 zugrunde, das dem Kläger … attestiert, die mit einer deutlichen motorischen Beeinträchtigung einhergingen. … In seinem Antrag hatte der Kläger seine Erkrankung selbst dahingehend beschrieben, er leide insbesondere in starken Stresssituationen unter … Die Leistungen des Klägers im schriftlichen Prüfungsteil wurden mit der Gesamtnote 9,58 - vollbefriedigend - bewertet. Im Einzelnen stellen sich seine Leistungen wie folgt dar:
Aufgabe 1: 7,5 Punkte
Aufgabe 2: 10,0 Punkte
Aufgabe 3: 11,0 Punkte
Aufgabe 4: 6,0 Punkte
Aufgabe 5: 8,0 Punkte
Aufgabe 6: 15,0 Punkte
3
Am … legte der Kläger die mündliche Prüfung seines Ersten Juristischen Staatsexamens ab. Hierbei wurde er im öffentlichen Recht durch Oberregierungsrat … geprüft, der gleichzeitig den Vorsitz der Prüfungskommission führte. Im Zivilrecht prüfte Rechtsanwalt … und im Strafrecht … Als Gesamtnote der mündlichen Prüfung erzielte der Kläger 6,33 Punkte - befriedigend. Im Einzelnen wurden seine Leistungen wie folgt bewertet:
Zivilrecht: 7,0 Punkte
Strafrecht: 6,0 Punkte Öffentliches Recht: 6,0 Punkte
4
Hieraus ergab sich eine Prüfungsgesamtnote des Ersten Juristischen Staatsexamens von 8,76 Punkten - befriedigend, was dem Kläger unmittelbar nach der mündlichen Prüfung (ohne Rechtsmittelbelehrung) bekannt gegeben wurde.
5
Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 21. Januar 2020, eingegangen bei dem Beklagten am selben Tag, beantragte der Kläger die Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens. In dem Schriftsatz lässt er ankündigen, er werde insbesondere Einwendungen gegen die Bewertung seiner mündlichen Prüfungsleistungen erheben. Entsprechend enthält der Schriftsatz selbst keine inhaltlichen Ausführungen. Inhaltliche Rügen erhob der Kläger im Nachprüfungsverfahren sodann mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 14. Februar 2020.
6
In der Folge hat der Kläger mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 17. Februar 2020, eingegangen bei Gericht am selben Tag, Klage erhoben und sinngemäß ausgeführt, die Klagebegründung erfolge nach Abschluss des Nachprüfungsverfahrens.
7
Nach Aufforderung durch den Beklagten nahm der Prüfungsvorsitzende … zu den im Nachprüfungsverfahren erhobenen Rügen mit Schreiben vom 8. März 2020 Stellung. In tatsächlicher Hinsicht führte er sinngemäß im Wesentlichen aus, die Prüfungskommission habe nochmals beraten bzw. gemeinsam abgestimmt. Der Kläger sei entsprechend dem Merkblatt „Vorsitz in der mündlichen Prüfung“ u.a. zu seinem Berufswunsch, zu seiner Zufriedenheit mit der Note im schriftlichen Prüfungsteil und zu seinem persönlichen Ziel in der mündlichen Prüfung befragt worden. Er habe mitgeteilt, aktuell im Referendariat in … zu sein und derzeit bei dem … zu arbeiten, wo er auch künftig arbeiten wolle. Seine …-kenntnisse seien hierfür von Vorteil. Mit seiner Note aus dem schriftlichen Prüfungsteil habe er im Unterschied zu den zuvor erzielten … Punkten wohl gute Chancen, von dem … angestellt zu werden. Sein Ziel sei es daher, die Note aus dem schriftlichen Prüfungsteil zu halten, eventuell sogar 10 Punkte zu erzielen. Ihm - dem Prüfungsvorsitzenden - erschließe sich nicht, wie der Kläger darauf komme, dass er ihm gegenüber Desinteresse gezeigt habe. Das Vorgespräch mit dem Kläger sei im Wesentlichen nicht anders abgelaufen als bei den übrigen Prüfungsteilnehmern.
8
Die mündliche Prüfung sei in der „klassischen“ Reihenfolge Zivilrecht, dann Strafrecht und sodann Öffentliches Recht abgehalten worden. Im Zivilrecht habe der Kläger oft die Ergebnisse der Vorredner zusammengefasst, ohne wesentlich neue, eigene Überlegungen hinzuzufügen. …
… Alles in allem seien damit im strafrechtlichen Teil - mit den genannten Ausnahmen - praktisch keine positiven Aspekte zu verzeichnen gewesen. Die Bewertung mit 6 Punkten habe damit schon im oberen Bereich dessen gelegen, was gerade noch vertretbar erscheine. Aus Sicht der Kommission sei die Qualität der klägerischen Antworten häufig nicht präzise und klar gewesen. Dies habe nach dem Eindruck der Kommission auch für das Strafrecht zugetroffen.
9
Soweit dem Kläger im Öffentlichen Recht Fragen unklar gewesen seien, hätten ihm Rückfragen offen gestanden. Hierauf sei auch in dem Vorgespräch hingewiesen worden. Inwieweit der Kläger diese Möglichkeit genutzt habe, sei nicht mehr erinnerlich. Die mündliche Prüfung sei kein Frage-Antwort-Spiel, so dass nicht auf jede Frage unmittelbar eine Antwort durch den Prüfer erfolgen müsse. Gerade bei Fragen, die aus Sicht des Prüfers noch nicht in vollem Umfang beantwortet seien bzw. Raum für Diskussion aufzeigten, eröffne dies regelmäßig die Möglichkeit, die Frage an den nächsten Prüfling bzw. die übrigen Prüflinge weiterzugeben. So erhielten diese die Chance, die vorigen Antworten aufzugreifen, diese zu ergänzen und eigene ggf. kreative oder kontroverse Lösungsansätze aufzuzeigen. Auf diese Weise hätten Teilnehmer auch die Möglichkeit, neben der Beantwortung fachlicher Fragen ihre Kommunikations-, Problemerfassungs- und Problemlösungskompetenz darzustellen. Hierbei sei nicht nur im Bereich des öffentlichen Rechts aufgefallen, dass der Kläger oftmals nicht klar und präzise argumentiert sowie die gestellten Fragen nicht strukturiert und verständlich beantwortet habe. Teilweise sei er „geschwommen“ bzw. habe zum Teil keine eigenen Beiträge zur Fragestellung leisten oder eigene Lösungsansätze anbieten können. Gerade auf fachliche Fragen habe der Kläger im Bereich des öffentlichen Rechts nur teilweise zutreffende Beiträge geliefert. Weder ihm noch den Beisitzern sei aufgefallen, dass er viel im Gesetz geblättert hätte.
10
Mit Schreiben vom 19. März 2020 teilte der Beklagte dem Kläger mit, die Prüfungskommission sei unter eingehender Würdigung der vorgetragenen Argumente zu dem Ergebnis gekommen, dass es bei der bisherigen Bewertung sein Bewenden haben müsse.
11
Mit Schriftsatz vom 23. April 2020 lässt der Kläger zur Begründung seiner Klage sinngemäß im Wesentlichen ausführen, der Prüfungsvorsitzende … habe bereits im Vorgespräch ihm gegenüber im Wesentlichen desinteressiert gewirkt. Dessen Frage, ob er wisse, was auf ihn in der Prüfung zukomme, habe er mit dem Hinweis bejaht, dies sei sein Verbesserungsversuch. Zudem habe er von sich aus betont, er sei mit seiner nunmehr erzielten schriftlichen Examensnote sehr zufrieden. Seine Rücksprache mit den Mitprüflingen habe ergeben, dass er der einzige Kandidat gewesen sei, der im Vorgespräch nicht nach seiner Erwartung hinsichtlich der mündlichen Prüfung gefragt worden sei. Der Vorsitzende habe dann noch - ohne konkret eine Frage zu formulieren - seine Tätigkeit bei dem … erwähnt. Diese habe sich aus seinem bei den Prüfungsakten befindlichen Lebenslauf ergeben. Hierauf habe er ein paar kurze Anmerkungen machen können. Weitere Fragen seien ihm seiner Erinnerung nach nicht mehr gestellt worden. Während sein Vorgespräch sehr nüchtern abgelaufen sei, sei bei den Vorgesprächen der Mitprüflinge regelmäßig Gelächter zu hören gewesen. Diese lockere Stimmung hätten ihm seine Mitprüflingen auch auf Nachfrage bestätigt. Er habe sich aufgrund des in dem Vorgespräch tendenziell eher zurückhaltenden Verhaltens des Vorsitzenden schließlich gar nicht getraut, auf seine … mit einem Grad der Behinderung von … hinzuweisen.
12
Im öffentlich-rechtlichen Teil der Prüfung habe ihn der Vorsitzenden … nach seiner sowie der Erinnerung seiner Mitprüflinge mehrfach auf falsche Fährten gelockt, indem ihm bei falschen oder ungenauen Antworten Rückfragen zur Vertiefung gestellt worden seien, ohne ihm zuvor eine Rückmeldung hinsichtlich der Richtigkeit seiner Antworten zu geben. Der Vorsitzende habe bei ihm falsche Antworten durch verwirrende Rückfragen provoziert. Um seine Nervosität und die in dieser Situation bei ihm typischerweise auftretenden … zu überspielen, habe er viel im Gesetz geblättert. Dies müsse den Prüfern ebenfalls negativ aufgestoßen sein. Ob seine durch … aufgefallen seien, könne er nicht beurteilen.
13
Aufgrund der „verkappt formulierten“ Fragestellungen sei die Prüfung im Öffentlichen Recht am schlechtesten verlaufen, während die straf- und zivilrechtlichen Prüfungsteile deutlich besser gewesen seien. Die Benotung im öffentlichen Recht sei nicht nachvollziehbar, sowohl im Vergleich der einzelnen Prüfungsteile zueinander als auch hinsichtlich der konkret vergebenen Punkte. Die Benotung des öffentlich-rechtlichen Teils mit 6 Punkten liege trotz erbrachter Leistungen weit unter seinen Fähigkeiten und sei vor dem Hintergrund von Klausurbenotungen mit 8 bzw. 15 Punkten realitätsfern. Es scheine, dass es den Prüfern - vornehmlich dem Prüfungsvorsitzenden - im Wesentlichen nur darum gegangen sei, ihm das im schriftlichen Prüfungsteil erlangte Prädikat wieder zu entziehen.
14
Soweit der Prüfungsvorsitzende … im Nachprüfungsverfahren erklärt habe, von Desinteresse könne keine Rede sein, entspreche dies nicht dem tatsächlichen Gesprächsverlauf. Entsprechende Widersprüche werde eine Befragung des Prüfungsvorsitzenden als Zeugen offenbaren. In dem Vorgespräch sei er weder auf die Möglichkeit von Rückfragen hingewiesen worden noch habe der Prüfungsverlauf tatsächlich Nachfragemöglichkeiten erlaubt. Es treffe auch nicht zu, dass er oftmals nicht klar und präzise argumentiert sowie gestellte Fragen nicht strukturiert und verständlich beantwortet habe. Dasselbe gelte für die Behauptung, er sei „geschwommen“ bzw. habe zum Teil keine eigenen Beiträge geleistet oder eigene Lösungsansätze angeboten. Insoweit werde die Zeugenbefragung des Vorsitzenden … bzw. die Befragung seiner Mitprüflinge den tatsächlichen Sachverhalt ergeben.
15
Zwar komme Prüfern grundsätzlich ein Bewertungsspielraum zu, den die Kammer allerdings daraufhin überprüfen könne, ob dieser überschritten sei, weil sich der Prüfer von sachfremden Erwägungen habe leiten lassen bzw. von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen sei. Derartige gerichtlich überprüfbare Überschreitungen des Bewertungsspielraums hätten sich angesichts des geschilderten Prüfungsverlaufs zugetragen, sodass der Klage stattzugeben sei.
16
Der Kläger hat zunächst der Sache nach die Neubewertung seiner (erbrachten) Leistungen beantragt. Nach Hinweis der Kammer im Termin zur mündlichen Verhandlung, aufgrund der geltend gemachten Befangenheit des Vorsitzenden der Prüfungskommission sowie der Schwierigkeiten, die bereits ein Jahr zurückliegenden Prüfung neu zu bewerten, könne sich das Klageziel wohl nur noch auf die Wiederholung der Prüfung erstrecken, hat der Kläger seine Klage umgestellt.
17
Der Kläger beantragt zuletzt wörtlich,
die Bewertung der mündlichen Prüfung aufzuheben und dem Kläger eine Wiederholungsprüfung im Hinblick auf die mündliche Prüfung zu gewähren.
18
Der Beklagte beantragt
19
Klageabweisung.
20
Er trägt sinngemäß im Wesentlichen vor, im Bereich prüfungsspezifischer Wertungen stehe den Prüfern ein Bewertungsspielraum zu, den Verwaltungsgerichte nur daraufhin überprüfen könnten, ob er überschritten sei, weil Prüfer gesetzliche Bewertungsvorgaben missachtet oder allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe verletzt hätten, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen seien oder sich von sachfremden Erwägungen hätten leiten lassen. Der prüfungsspezifische Bewertungsspielraum gelte auch für mündliche Prüfungen. Gerade hier dürfe der Prüfer bei seinem wertenden Urteil auch den persönlichen Eindruck zugrunde legen, den er im Rahmen der Prüfung gewonnen habe. Er könne keine starren Bewertungsschemata verwenden, da jede mündliche Prüfung individuell ablaufe. Insofern sei es grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn bei einer mündlichen Prüfung die Note aus einer Gesamtschau der Leistungen gebildet werde, die sich im Rahmen der mündlichen Prüfung gezeigt hätten. Da sich die komplexen Erwägungen, die einer Prüfungsentscheidung zugrunde lägen, nicht regelhaft erfassen ließen, führe eine gerichtliche Kontrolle zur Verzerrung der Maßstäbe.
21
Gemessen hieran sei keine Überschreitung des prüfungsspezifischen Bewertungsspielraums ersichtlich. Der Kläger beschränke sich im Wesentlichen auf eine Darstellung des Gangs der mündlichen Prüfung. Soweit er den Verlauf der mündlichen Prüfung schildere, werde in vollem Umfang auf die Stellungnahme der Prüfungskommission Bezug genommen. Die Behauptungen des Klägers seien in tatsächlicher Hinsicht nur teilweise zutreffend. Unzutreffend seien seine rechtlichen Erwägungen.
22
Der Prüfungsvorsitzende … habe den Kläger - wie die anderen Prüfungsteilnehmer auch - u.a. zu seinem Berufswunsch, seiner Zufriedenheit mit der Note im schriftlichen Teil und zu seinem persönlichen Ziel für die mündliche Prüfung befragt. In der Folge sei konkret über die Notenerwartung des Klägers gesprochen worden. Es erschließe sich nicht, auf welcher Grundlage der Kläger davon ausgehe, der Vorsitzende sei während des Vorgesprächs desinteressiert gewesen. Dies ergebe sich insbesondere nicht aus den Schilderungen des Klägers, dessen Behauptungen zudem unzutreffend seien. Im Übrigen sei nicht erkennbar, welchen Einfluss das Vorgespräch auf die nachfolgende Bewertung von Prüfungsleistungen gehabt haben solle. Soweit der Kläger darauf abziele, eine etwaige Befangenheit zu unterstellen, könne er mit dieser Argumentation nicht durchdringen. So sei die Besorgnis der Befangenheit berechtigt, wenn ein Grund vorliege, der geeignet sei, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen. Dies sei objektiv, wenngleich aus dem Blickwinkel eines Prüflings zu beurteilen. Hier bestünden keine Anhaltspunkte, dass der Prüfungsvorsitzende dem Kläger gegenüber voreingenommen gewesen sei und ihm deswegen bei der Bewertung Fehler unterlaufen seien. Dies könne ohne konkrete Anhaltspunkte nicht unterstellt werden.
23
Weiter gehe die Annahme des Klägers fehl, bei falschen oder ungenauen Antworten dürften Prüfer keine Rückfragen stellen, sodass diese vielmehr unmittelbar auf die unzureichende Beantwortung der Frage hinweisen müssten. Tatsächlich stehe es dem Prüfer frei, die im Raum stehenden Antworten zur Diskussion an nachfolgende Prüflinge freizugeben oder dem Antwortenden selbst durch Rückfragen Gelegenheit zu geben, nach Erkennen einer unzureichenden Antwort diese nachzubessern. Die Behauptung des Klägers, der Vorsitzende habe ihn mit seinen Rückfragen auf falsche Fährten locken und habe mit verwirrenden Rückfragen falsche Antworten provozieren wollen, entbehre jeder Grundlage und sei tatsächlich unzutreffend. Soweit der Kläger Rückfragen als verwirrend empfunden habe, hätte die Möglichkeit bestanden, dies durch Rückfragen zu klären. Hierauf sei er im Vorgespräch hingewiesen worden. Unzutreffend sei, dass Rückfragen unmöglich gewesen seien. Dies behaupte der Kläger auch lediglich pauschal, sodass es hier bereits an einem hinreichend erwiderungsfähigen Vortrag fehle. Dahinstehen könne, ob und ggf. aus welchen Gründen der Kläger viel im Gesetz geblättert habe. Denn dies sei von dem Vorsitzenden … schon nicht wahrgenommen worden. Entsprechend habe der Umstand keinen Einfluss auf die Prüfungsbewertung gehabt.
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Ebenso wenig entspreche es den Tatsachen, dass die Prüfung im öffentlichen Recht am schlechtesten verlaufen sei, während die Leistungen im Straf- und Zivilrecht deutlich besser gewesen seien. So seien die Leistungen des Klägers im Öffentlichen Recht und Strafrecht jeweils mit 6 Punkten bewertet worden. Im Zivilrecht habe er mit 7 Punkten eine geringfügig bessere Note erzielt. Soweit er pauschal rüge, die Benotung im Öffentlichen Recht sei sowohl im Vergleich der einzelnen Prüfungsteile zueinander als auch hinsichtlich der vergebenen Punkte nicht nachvollziehbar, fehle es bereits an der konkreten Geltendmachung eines Bewertungsfehlers. Ein solcher ergebe sich auch nicht daraus, dass die Bewertung der mündlichen Prüfungsleistungen im Öffentlichen Recht von der im schriftlichen Teil abweiche. Die schriftlich erzielten Noten des Klägers spielten für die Bewertung der mündlichen Prüfung keine Rolle. Die Prüfer seien gehalten gewesen, die Fähigkeiten und Kenntnisse des Klägers allein aufgrund der mündlichen Prüfung zu bewerten.
25
Hierauf lässt der Kläger über sein bisheriges Vorbringen hinaus sinngemäß und im Kern erwidern, der Prüfungsvorsitzende habe völlig unabhängig von der Richtigkeit seiner Antworten nur bei ihm ständig nachgefragt, ob er sich seiner Antwort sicher sei. Dies habe ihn stark verunsichert, was noch dadurch verstärkt worden sei, dass keine Aussagen über die Richtigkeit seiner Antworten getroffen worden seien. Nachdem er erläutert habe, …, habe der Prüfer … ebenfalls nachgefragt, ob er sich sicher sei. Als er dies, inzwischen entnervt von ständigen Verunsicherungsversuchen, bejaht habe, habe der Prüfer … nochmals nachgehakt, ob sich … etwas ändere, wenn eine … als Verwaltungsakt erlassen werde. Dies Frage sei in dem Kontext nicht nachvollziehbar gewesen und auch nicht klargestellt worden. Sie habe ebenfalls lediglich der weiteren Verwirrung gedient. Außerdem sei er deutlich öfter als seine Mitprüflinge als letzter zu einer Frage herangezogen worden, so dass es für ihn deutlich schwerer gewesen sei, noch geeignete Antworten zu finden. Des Weiteren seien die Prüfungskandidaten aufgefordert worden, … lediglich zu benennen und sich noch keine Gedanken zu deren Einschlägigkeit zu machen. Er habe sich deswegen darauf eingestellt, dass eine Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen jedenfalls nicht als unmittelbare Folgefrage in Betracht kommen werde. Dennoch sei nur er unmittelbar nach seiner Antwort nach einer Tatbestandsprüfung gefragt worden. Hierdurch sei er „überrumpelt“ worden.
26
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte, insbesondere auf die Sitzungsniederschrift vom 21. Januar 2021, und auf die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

27
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
28
1. Die Verpflichtungsklage ist zulässig, insbesondere ist mangels Rechtsbehelfsbelehrung:im Rahmen der Notenbekanntgabe die Jahresfrist zur Klageerhebung nach §§ 74 Abs. 1, 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO gewahrt. Die Klage ist aber unbegründet, da die Bewertung des Ersten Juristischen Staatsexamens des Klägers mit insgesamt 8,76 Punkten einschließlich der Bewertung der mündlichen Prüfung mit insgesamt 6,33 Punkten rechtmäßig ist und den Kläger nicht in eigenen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Vorliegend besteht kein Anspruch des Klägers, die mündliche Prüfung - wie zuletzt beantragt - zu wiederholen.
29
a) In Prüfungsangelegenheiten sind die Kontrollmöglichkeiten der Verwaltungsgerichte eingeschränkt. Aufgabe der Verwaltungsgerichte ist es nicht, ggf. zu strenge oder ungerechte bzw. so empfundene Beurteilungen zu korrigieren, indem das Gericht seine eigenen Bewertungsmaßstäbe an die Stelle der Beurteilungen der Prüfer setzt. Im Wesentlichen betreffen die verwaltungsgerichtlichen Kontrollmöglichkeiten die Einhaltung der Regelungen des einschlägigen Prüfungsverfahrens sowie der Grenzen des prüfungsrechtlichen Beurteilungsspielraums (vgl. zum Ganzen Fischer in Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 804).
30
b) Soweit der Kläger Einwendungen gegen das Prüfungsverfahren erhebt, bleibt seine Klage ohne Erfolg.
31
aa) Im Grundsatz ist anerkannt, dass Prüfungsergebnisse keinen Bestand haben können, sofern sie verfahrensfehlerhaft erhoben wurden (vgl. Jeremias in Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 127). Allerdings begründet das Prüfungsrechtsverhältnis nicht nur Pflichten der Prüfungsbehörde, sondern auch solche bzw. Obliegenheiten des Prüflings. Diese folgen aus dem auch im Prüfungsrechtsverhältnis geltenden Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Insbesondere obliegt es dem Prüfling bereits im eigenen Interesse, auf ein fehlerfreies Verfahren hinzuwirken. Zwar hat die Prüfungsbehörde bereits von Amts wegen offensichtliche Mängel des Prüfungsverfahrens zu vermeiden, jedenfalls aber sogleich zu beheben (vgl. zum Ganzen Jeremias in Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 213 ff.). Dies betrifft oftmals Fallgestaltungen im äußeren Prüfungsablauf, in denen die Chancengleichheit der Prüflinge aufgrund Art und Ausmaß äußerer Beeinträchtigungen ohne jeden Zweifel verletzt ist, beispielsweise bei besonderem Lärm oder besonderer Kälte im Prüfungsraum (vgl. Birnbaum, Die Rügepflicht des Prüflings, NVwZ 2006, 286, 292 und die dortigen Nachweise aus der Rechtsprechung). Erscheint eine Verletzung der Chancengleichheit aber auch nur zweifelhaft, obliegt dem Prüfling eine entsprechende Rüge (vgl. BVerwG, B.v. 10.8.1994 - 6 B 60.93 - BeckRS 1994, 31223806). Dies ist etwa bei nicht ohne weiteres erkennbarer persönlicher Betroffenheit des Prüflings der Fall, insbesondere wegen Krankheit oder im Fall von Prüfungsstörungen etwa durch Lärm. Da den Prüfling insoweit lediglich Obliegenheiten und keine Verpflichtungen treffen, steht es ihm frei, Prüfungsbeeinträchtigungen hinzunehmen, etwa um eine (vermeintlich) leichte Aufgabenstellung erfolgreich bearbeiten zu können. In diesem Fall ist es dem Prüfling jedoch nach Treu und Glauben grundsätzlich verwehrt, die fragliche Beeinträchtigung später geltend zu machen. Denn es entspräche grundsätzlich widersprüchlichen Verhaltens, zunächst Mängel des Prüfungsverfahrens bewusst in Kauf zu nehmen, um sich die Chance einer vorteilhaften Bewertung etwa aufgrund (vermeintlich) leichter Aufgabenstellung zu erhalten, im Fall des Misserfolgs diese Entscheidung aber wieder revidieren zu wollen, um nunmehr doch etwaige Verfahrensmängel geltend zu machen. Entscheidet sich der Prüfling zur Rüge, hat er diese unverzüglich - also ohne schuldhaftes Zögern (§ 121 Abs. 1 BGB) - zu erheben, wobei insoweit regelmäßig ein strenger Maßstab angelegt wird (vgl. zum Ganzen Jeremias in Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 213 ff.).
32
Im Fall des Verfahrensmangels der Befangenheit eines Prüfers ist dem Prüfling allerdings eine Rüge während der laufenden Prüfung regelmäßig unzumutbar. Denn der Prüfling muss sich auf den Inhalt der Prüfung konzentrieren, während es für die Entscheidung, die Befangenheit von Prüfern gelten zu machen, angemessener Zeit und Ruhe bedarf, auch um die Konsequenzen einer entsprechenden Rüge zu bedenken. Zudem ist es dem Prüfling regelmäßig nicht zumutbar, den weiteren Ablauf der mündlichen Prüfung und das weitere Prüfungsgespräch mit einer Befangenheitsrüge zu belasten (vgl. zum Ganzen Jeremias a.a.O. Rn. 349).
33
Schließlich ist die Amtsermittlungspflicht des Verwaltungsgerichts gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO durch die Mitwirkungspflicht der Beteiligten begrenzt (Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 86 Rn. 45). Dies gilt besonders für die Mitwirkungspflichten eines klagenden Prüflings. Denn die dargelegten prüfungsrechtlichen Mitwirkungspflichten bzw. - obliegenheiten strahlen auf das Gerichtsverfahren aus. Dies gilt umso mehr, als die Mitwirkungspflicht des Prüflings im Prüfungsrecht besonders wesentlich ist, weil das Gericht den entscheidungserheblichen Sachverhalt oftmals nicht mit hinreichender Gewissheit aus den Akten oder sonst ersehen kann. Vielmehr ist das Gericht regelmäßig darauf angewiesen, dass der Prüfling dem Gericht den Prüfungsablauf und seine sich daraus ergebenden Einwendungen hinreichend genau mitteilt (vgl. zum Ganzen Fischer in Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 853).
34
bb) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze haben die klägerischen Einwendungen zum Prüfungsverfahren keinen Erfolg.
35
(1) Soweit der Kläger jedenfalls der Sache nach die Befangenheit des Vorsitzenden der Prüfungskommission … sowie ggf. auch der übrigen Prüfer rügt, fehlt es jedenfalls an einer unverzüglich erhobenen Rüge. Denn Befangenheitsrügen wurden erst einen Monat nach der mündlichen Prüfung erhoben, obwohl dem Kläger entsprechende Rügen jedenfalls in den Tagen nach der mündlichen Prüfung zumutbar waren.
36
(a) Hier kann allenfalls davon ausgegangen werden, dass Befangenheitsrügen erstmals im Nachprüfungsverfahren mit Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 14. Februar 2020 - also einen Monat nach der streitgegenständlichen Prüfung - erhoben wurden.
37
Anerkannt ist, dass die prüfungsrechtliche Rüge der Befangenheit inhaltlich darauf gerichtet sein muss, dass die Prüfung oder ein Teil hiervon nicht mit dem betroffenen Prüfer fortgesetzt bzw. die Prüfung wiederholt wird. Zudem bedarf die Rüge einer Begründung, aus der zumindest erkennbar sein muss, welcher Prüfer und welcher Vorgang im Prüfungsgeschehen gemeint ist. Auch insoweit soll die Prüfungsbehörde in die Lage versetzt werden - soweit noch möglich - Abhilfe zu schaffen (vgl. zum Ganzen Jeremias in Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 348).
38
Danach kommt hier die Rüge der Befangenheit erstmals mit Schriftsatz vom 14. Februar 2020 in Betracht. Zwar besteht nach dem Schriftsatz vom 14. Februar 2020 keine eindeutige Klarheit, welchen bzw. welche Prüfer der Kläger genau wegen der Besorgnis der Befangenheit ablehnt. Seine inhaltlichen Rügen des Prüfungsgeschehens betreffen im Wesentlichen den Prüfer … Dies spricht dafür, dass lediglich dieser wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden soll. Allerdings führt der Kläger auch aus, es scheine, dass es den Prüfern - vornehmlich dem Prüfungsvorsitzenden - im Wesentlichen nur darum gegangen sei, ihm das im schriftlichen Prüfungsteil erlangte Prädikat wieder zu entziehen. Dies legt nahe, dass der Kläger auch die Befangenheit der übrigen Prüfer geltend macht. Des Weiteren verwendet der anwaltlich vertretene Kläger an keiner Stelle des Schriftsatzes wörtlich den Begriff der Befangenheit. Allerdings ergibt sich hinreichend deutlich aus dem wiedergegebenen Vortrag, man habe ihm das schriftlich erzielte Prädikat wieder nehmen wollen sowie aus dem Vorbringen, der Prüfer möge seine voreingenommene Bewertung überdenken, dass der Kläger in der Sache jedenfalls die Befangenheit des Prüfers … geltend macht.
39
Vor dem 14. Februar 2020 ist keine prüfungsrechtliche Rüge der Befangenheit erfolgt. Zwar hat der Kläger bereits eine Woche nach der mündlichen Prüfung mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 21. Januar 2020, eingegangen bei dem Beklagten am selben Tag, die Durchführung des Nachprüfungsverfahrens beantragt. Jedoch werden mit diesem Schriftsatz (noch) keine inhaltlichen Rügen erhoben. Vielmehr ist darin sinngemäß ausgeführt, die Begründung des Antrags bleibe einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten. Darüber hinaus wird lediglich angekündigt, nach erfolgter Vorprüfung würden auch Einwendungen gegen die Bewertung der mündlichen Prüfungsleistung erhoben. Weiter wird die Übersendung der Prüfungsakte zur Begründung der Rügen beantragt. Damit sind dem Schriftsatz keine inhaltlichen Rügen zu entnehmen, insbesondere können dem Vorbringen keine Befangenheitsrügen entnommen werden. In der Folge hat der Kläger seine Prüfungsanfechtung - wie ausgeführt -erstmals im Nachprüfungsverfahren mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigte vom 14. Februar 2020 inhaltlich begründet. Erst danach folgten die Klageerhebung mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 17. Februar 2020, eingegangen bei Gericht am selben Tag, sowie die Klagebegründung vom 23. April 2020 mit Eingang bei Gericht am 27. April 2020.
40
(b) Die erstmalige Rüge der Befangenheit eines oder mehrerer Prüfer mit Schriftsatz vom 14. Februar 2020 - einen Monat nach der mündlichen Prüfung - ist hier nicht mehr unverzüglich erfolgt. Vielmehr liegt insoweit ein schuldhaftes Zögern des Klägers vor. Von einem Prüfling in der Situation des Klägers kann zumutbar erwartet werden, dass dieser nach der Prüfung in angemessener Zeit und in Ruhe darüber nachdenkt, was in der mündlichen Prüfung vorgefallen ist. So hat etwa der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die Rüge prüfungsrechtlicher Befangenheit fünf Tage nach der mündlichen Prüfung für unverzüglich gehalten, ohne diesen Zeitraum als solchen zu problematisieren (vgl. BayVGH, U.v. 20.1.1999 - 7 B 98.2357 - BeckRS 1999, 23725). Bereits danach erscheint die Rüge der Befangenheit jedenfalls nach Tagen - und nicht erst nach einem Monat - zumutbar. Dies gilt vorliegend umso mehr, da der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung erklärt hat, er sei von der mündlichen Prüfungsnote zunächst schockiert gewesen. Da er diese unstreitig unmittelbar nach Beendigung der mündlichen Prüfung erfahren hatte, muss davon ausgegangen werden, dass der Kläger das Ergebnis der Prüfung bereits unmittelbar nach deren Ende nicht hat nachvollziehen können. Auf dieser Grundlage kann umso mehr erwartet werden, dass sich ein Prüfling in den kommenden Tagen darüber klar wird, ggf. welche Vorfälle im Rahmen der Prüfung zu der als schockierend empfundenen Bewertung geführt haben könnten. Zudem lagen auch auf Grundlage des klägerischen Vortrags im Wesentlichen alle geltend gemachten Umstände mit Blick auf die Frage der Befangenheit unmittelbar nach der mündlichen Prüfung offen zu Tage. Soweit ergänzend Nachfragen bei Mitprüflingen erforderlich gewesen sein sollten, was nicht substantiiert vorgetragen ist, wäre auch dies in den Tagen nach der mündlichen Prüfung zumutbar gewesen, schon um dem Verblassen von Erinnerungen vorzubeugen. Jedenfalls nach einer Reflexion des Prüfungsgeschehens über mehrere Tage nach der Prüfung hätte der Kläger die Umstände, auf die er seine unfaire Behandlung stützt, zumutbar benennen können. Hierfür spricht auch, dass der Kläger wohl vergleichsweise zeitnah für sich die Erkenntnis gewonnen haben dürfte, er könnte in der mündlichen Prüfung unfair behandelt worden sein. So hat der Kläger eine Woche nach der Prüfung die Durchführung des Nachprüfungsverfahrens mit der Ankündigung beantragt, Einwendungen gegen die Bewertung seiner mündlichen Prüfungsleistungen zu erheben. Zudem war er hierbei anwaltlich vertreten, wobei auch die Suche nach und Kontaktaufnahme mit einem Rechtsanwalt eines gewissen zeitlichen Vorlaufs bedarf. Auf Grundlage seiner ernsthaften Überlegung, die Prüfung anfechten zu wollen, wäre es dem Kläger aber zumutbar gewesen, auch die der Anfechtung zugrunde liegenden Umstände zu reflektieren und für sich zu ergründen. Entsprechend wäre ihm zeitnah die prüfungsrechtliche Rüge der Befangenheit zumutbar gewesen. Dem steht auch nicht entgegen, dass die Erhebung bzw. Formulierung der Rügen mit besonderem Aufwand verbunden gewesen wäre. Vielmehr ist bereits ausgeführt, dass ein Vorbringen ausreichend gewesen wäre, aus dem hervorgeht, welcher Prüfer und welcher Vorgang im Prüfungsgeschehen gemeint ist. Rechtlicher Wertungen, Begründungen oder sonstiger Argumente, die ggf. mehr Zeit in Anspruch nehmen können, hätte es nicht bedurft. Schließlich sieht auch § 12 Abs. 2 Satz 1 JAPO (Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen vom 13. Oktober 2003, GVBl. S. 758, BayRS 2038-3-3-11-J) vor, dass insbesondere Anträge auf Prüfungswiederholung wegen Mängeln des Prüfungsverfahrens unverzüglich nach Kenntnis des Mangels zu stellen sind. Durch die Ausschlussfrist von einem Monat nach § 12 Abs. 2 Satz 3 JAPO wird die Obliegenheit zur unverzüglichen Rüge weder beseitigt noch konkretisiert. Vielmehr wird lediglich die äußerste zeitliche Begrenzung der Rügeobliegenheit bestimmt.
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(c) Eine unverzügliche Rüge ist in Fällen der vorliegenden Art auch nicht deswegen entbehrlich, weil die Prüfungsbehörde die geltend gemachte unfaire Behandlung durch einen bzw. mehrere befangene Prüfer in der Prüfung vom 14. Januar 2020 ohnehin nicht mehr hätte rückgängig machen können. Zwar verlieren bei mündlichen Prüfungen Sinn und Zweck der Unverzüglichkeit der Rüge betreffend Abhilfemöglichkeit der Prüfungsbehörde regelmäßig an Gewicht. Denn oftmals wird dem Prüfling die Befangenheitsrüge - wie ausgeführt - erst nach Abschluss der mündlichen Prüfung zumutbar sein, sodass oftmals keine Abhilfemöglichkeit mehr besteht, was die konkrete Prüfung angeht. Deswegen ist das Erfordernis der Unverzüglichkeit aber nicht entbehrlich. Denn oftmals wird die Prüfungsbehörde aufgrund einer unverzüglich erhobenen Rüge - sofern erforderlich - dahingehend Abhilfe schaffen können, dass der Prüfling die mündliche Prüfung erneut, noch im Rahmen derselben Prüfungskampagne bei anderen Prüfern - ggf. auch unter Vorbehalt - ablegen kann. Darüber hinaus verlagern sich Sinn und Zweck einer unverzüglichen Rüge bei mündlichen Prüfungen dahin, die Prüfungsbehörde möglichst zeitnah in die Lage zu versetzen, etwaige die Befangenheit begründende Umstände aufzuklären. Denn für die Beurteilung etwaiger Befangenheit von Prüfern ist die frische und tragfähige Erinnerung sowohl des Prüflings als auch der Prüfer entscheidend. So wird es für die Beurteilung, ob nach den Umständen des Einzelfalls ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen (vgl. Jeremias in Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 338), oftmals auf den (möglichst) genauen Wortlaut gefallener Äußerungen ankommen. Insoweit können bereits Nuancen auschlaggebend sein, um tragfähig beurteilen zu können, ob eine Prüferbemerkung auf Befangenheit hindeutet oder (noch) sachlich begründet ist. Danach wird oftmals eine lediglich sinngemäße Erinnerung an das Prüfungsgeschehen nicht ausreichen, so dass es oftmals besonders darauf ankommen wird, die Erinnerungen der Beteiligten zeitnah abzurufen und zu dokumentieren. Hierzu wird die Prüfungsbehörde aber nur mit Hilfe einer unverzüglich erhobenen Rüge in die Lage versetzt.
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(d) Schließlich liegt hier auch kein Fall vor, in dem eine Rüge überhaupt entbehrlich wäre. Denn der Prüfungsbehörde sind Umstände im Rahmen des Ablaufs der mündlichen Prüfung, die die Befangenheit von Prüfern begründen können, regelmäßig nicht bekannt. Die Prüfungsbehörde hat regelmäßig keine (genaue) Kenntnis von Inhalt, individuellem Ablauf und Umständen der mündlichen Prüfung. Etwas anderes ist hier weder vorgetragen noch ersichtlich.
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(2) Soweit der Kläger geltend gemacht hat, er sei in dem Vorgespräch zur mündlichen Prüfung nicht darauf hingewiesen worden, dass er in der Prüfung Rückfragen stellen könne, stellt auch dies keinen durchgreifenden Verfahrensmangel dar. Auch insoweit fehlt es aus den oben genannten Gründen an einer unverzüglichen Rüge, zumal dem Kläger der Umstand des ggf. fehlenden Hinweises seit der Beendigung des Vorgesprächs bekannt gewesen ist. Überdies würde es sich hierbei auch nicht um einen erheblichen Verfahrensfehler handeln, der zur Aufhebung der Prüfungsentscheidung führen könnte. So ist anerkannt, dass sich etwaige Verfahrensfehler rechtlich nur dann auswirken, wenn sie für die angegriffene Entscheidung überhaupt erheblich waren. Ein Verfahrensfehler führt grundsätzlich nur dann zur Aufhebung der Prüfungsentscheidung, wenn sein Einfluss auf das Prüfungsergebnis nicht ausgeschlossen werden kann. Unerheblich ist ein Verfahrensfehler insbesondere dann, wenn feststeht, dass das Ergebnis der Prüfung auch ohne den fraglichen Fehler nicht anders ausgefallen wäre (Jeremias in Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 488). So liegt der Fall hier mit Blick auf nach klägerischem Vortrag unterbliebenen Hinweis. Denn auch für den Fall, dass ein solcher Hinweis tatsächlich nicht ergangen ist, hätte sich dies zur Überzeugung der Kammer nicht auf das Prüfungsergebnis ausgewirkt. So ist bei lebensnaher Betrachtung davon auszugehen, dass dem Kläger auch ohne entsprechenden Hinweis bewusst war, dass er etwaige Unsicherheiten betreffend die Fragestellung der Prüfer durch Rückfragen hätte klären können. Denn solche Rückfragen sind schon bei Alltagsgesprächen nicht nur möglich, sondern auch gänzlich sozialadäquat, was dem Kläger zur Überzeugung der Kammer nicht entgangen sein kann. Zur Überzeugung der Kammer hat der Kläger als Student der Rechtswissenschaften sowie als Rechtsreferendar, der Vorlesungen und andere Lehrveranstaltungen besucht hat, zudem erfahren, dass für Fachgespräche bzw. Fachfragen dasselbe gilt.
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(3) Soweit der Kläger schließlich vorgebracht hat, der Prüfungsverlauf habe keine Nachfragen erlaubt, ist dieser Vortrag zum einen gänzlich unsubstantiiert. Zum anderen erscheint der Vortrag zur Überzeugung der Kammer nicht hinreichend tragfähig, da nicht ersichtlich ist, warum der Kläger auf Fragen der Prüfer - sofern erforderlich - nicht etwa höflich hätte erwidern können, er habe die Frage noch nicht richtig verstanden, ggf. ergänzt dadurch, was ihm unklar sei. Aus den genannten Gründen fehlt es im Übrigen auch insoweit an einer unverzüglichen Rüge.
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c) Vorliegend ist auch nicht von Bewertungsfehlern auszugehen.
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aa) Etwaige Bewertungsfehler sind auch mit Blick auf den zuletzt gestellten Antrag des Klägers relevant, mit dem er die Wiederholung der mündlichen Prüfung begehrt. Zwar führt die Feststellung durchgreifender Bewertungsfehler im gerichtlichen Verfahren grundsätzlich zur Verpflichtung der Prüfungsbehörde, eine Neubewertung der bereits erbrachten Prüfungsleistungen vorzunehmen, ggf. unter Beachtung der Auffassung des Gerichts. Auch darf der Prüfling in diesen Fällen mit Blick auf den Grundsatz der Chancengleichheit aus Art. 3 Abs. 1 GG und das Verbot der Überkompensation grundsätzlich keine neue Prüfungschance erhalten (vgl. zum Ganzen Jeremias in Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 509). Ausnahmsweise führen jedoch auch Bewertungsfehler zu einem auf die Prüfungswiederholung gerichteten Folgenbeseitigungsanspruch. Dies ist der Fall, sofern wegen vorangegangener Verfahrensfehler schon keine bewertungsfähige Leistung vorliegt (vgl. Jeremias a.a.O.). Ein solcher Fall ist hier zumindest geltend gemacht, da im Fall der Befangenheit eines oder mehrerer Prüfer schon keine fehlerfreie Ermittlung der Leistungen und Fähigkeiten des Prüflings vorliegen würde, die sodann isoliert neu bewertet werden könnte. Dasselbe gilt, sofern aufgrund Zeitablaufs die Erinnerung der Prüfer an die Prüfungsleistung derart verblasst, dass eine hinreichende Neubewertungsgrundlage nicht mehr vorliegt (Jeremias a.a.O.). Ein solcher Fall ist hier - etwa ein Jahr nach der streitgegenständlichen mündlichen Prüfung - zu erwarten, zumal auch das stichpunktartig geführte Prüfungsprotokoll nicht als Grundlage einer Neubewertung geeignet ist.
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bb) Anerkannt ist, dass den Prüfern hinsichtlich prüfungsspezifischer Wertungen ein Beurteilungs- bzw. Bewertungsspielraum zusteht. Hierunter fällt die Zuordnung der festgestellten Leistungen zu einem standardisierten Leistungsbild etwa in Gestalt einer Punkte- oder Notenskala aufgrund Kriterien, die der Prüfer durch persönliche Erfahrungen gewonnen hat (vgl. Fischer in Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 635, 875). Dies betrifft etwa den Schwierigkeitsgrad einer Prüfungsaufgabe, die Geschwindigkeit und Genauigkeit des Erfassens der Prüfungsprobleme durch den Prüfling, die Geordnetheit seiner Darlegungen und die Qualität der Darstellung, genauso wie die Bedeutung einzelner Teile für die Gesamtarbeit sowie der Gesamteindruck. Hier spielen die persönlichen Einschätzungen und Erfahrungen der jeweiligen Prüfer eine ausschlaggebende Rolle, deren Steuerung rechtlich weder möglich noch sinnvoll erscheint, da die Prüfung als Leistungskontrolle sonst ihr wesentliches Merkmal verlieren würde (so zum Ganzen Fischer a.a.O. Rn. 635). Begrenzt wird der Beurteilungsspielraum durch das Willkürverbot, durch das Verbot sachfremder Erwägungen, durch das Verbot, im Rahmen der Bewertung von falschen Tatsachen auszugehen sowie durch die Gebote, allgemein gültige Bewertungsgrundsätze zu beachten und Gleiches gleich zu bewerten (Fischer a.a.O. Rn. 636, 882). Genauso wenig erfasst der prüfungsrechtliche Beurteilungsspielraum fachliche Meinungsverschiedenheiten. Insbesondere darf eine fachlich vertretbare Lösung nicht als falsch bewertet werden. Der Antwortspielraum des Prüflings kann eine Bandbreite fachlich vertretbarer Antworten umfassen, die jeweils weder fachlich falsch sind noch so beurteilt werden dürfen (vgl. Fischer a.a.O. Rn. 875, 879).
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Allerdings untersucht das Verwaltungsgericht die Bewertungen der Prüfer nicht ohne konkreten Anlass. Hierfür bedarf es vielmehr konkreter und substantiierter Einwendungen des Prüflings, die sich nicht auf den Vortrag beschränken dürfen, die Bewertungen seien falsch oder ungerecht. Vielmehr obliegt es dem Prüfling klarzustellen, in welchen konkreten Einzelpunkten die Korrektur bzw. Bewertung fehlerhaft ist. Hier reicht eine Wiederholung des eigenen Standpunkts auch auf verbreiteter subjektiver Argumentationsbasis nicht aus. Die Darlegungslast des Prüflings ist noch nicht erfüllt, sofern er dem Gericht die Vorzüge der von ihm vertretenen Auffassung darlegt. Stattdessen obliegt es dem Prüfling, die fachliche Vertretbarkeit oder gar Richtigkeit seiner Leistung aufgrund objektiver Kriterien darzulegen. Dieser Obliegenheit kommt er grundsätzlich durch Bezugnahme auf qualifizierte, fachwissenschaftliche Äußerungen im Schrifttum nach (vgl. so zum Ganzen Fischer a.a.O. Rn. 856).
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cc) Danach erweisen sich die Einwendungen des Klägers gegen die Bewertung seiner Leistungen als unsubstantiiert. Dies gilt für den Vortrag, die Benotung im öffentlichen Recht sei nicht nachvollziehbar, sowohl was die Note als solche angehe, als auch das Verhältnis der Note zu den Bewertungen der übrigen Prüfungsteile. Dieser Vortrag lässt nicht hinreichend erkennen, zu welchem Bewertungsfehler es gekommen sein soll. Vielmehr versucht der Kläger im Kern lediglich, die Bewertungen der Prüfer durch seine eigene prüfungsrechtliche Bewertung zu ersetzen. Ähnlich unsubstantiiert ist das Vorbringen, soweit der Kläger allein - ohne weiteren Vortrag - die Kritik der Prüfer in Abrede stellt, wonach er nicht klar und präzise argumentiert, nicht strukturiert und nicht verständlich geantwortet habe, geschwommen sei und keine eigenen Beiträge und Lösungsansätze geliefert habe. Auch greift das Vorbringen des Klägers nicht durch, aufgrund seiner im schriftlichen Examen im Öffentlichen Recht mit 8 und 15 Punkten bewerteten Klausuren sei die Benotung des öffentlich-rechtlichen Prüfungsteils der mündlichen Prüfung nicht verständlich. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass mündliche und schriftliche Prüfungen letztlich unterschiedliche Anforderungen an die Prüflinge stellen. Dies mag auch ein Grund sein, warum Prüfungsordnungen überhaupt mündliche und schriftliche Prüfungen vorsehen. So kommt es bei mündlichen Prüfung besonders auf die augenblickliche Verfassung des Prüflings sowie insbesondere auf die sprachliche Ausdrucksfähigkeit im Prüfungsgespräch an (vgl. BayVGH, B.v. 20 1.1999 - 7 B 98.2357 - BeckRS 1999, 23725). Entsprechend kann es dazu kommen, dass Prüflinge Stärken bzw. Schwächen im schriftlichen bzw. mündlichen Prüfungsteil zeigen. Ein tragfähiger Hinweis auf etwaige, zumal nicht substantiiert ausgeführte Bewertungsfehler lässt sich dem nicht entnehmen.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.