Titel:
Zur Einigungsgebühr nach § 13 RVG
Normenketten:
RVG § 13
StVG § 7 Abs. 1
VVG § 115
BGB § 249
Leitsätze:
1. Wird zwischen den Parteien vereinbart, dass der Beklagte den Klagebetrag zuzüglich Zinsen zahlt und ebenso die Kosten des Verfahrens übernimmt, der Kläger im Gegenzug die Klage zurücknimmt und der Beklagte darüber hinaus auf eine Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 3 ZPO verzichtet, so entsteht für den Anwalt des Klägers eine Einigungsgebühr, die der Beklagte zu ersetzen hat. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Einigungsgebühr für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags ist zu zahlen, wenn der Beklagte den Kläger um Klagerücknahme bittet (Angebot) und der Kläger dieses Angebot durch Klagerücknahme, dh durch konkludentes Verhalten annimmt. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Klagerücknahme, Einigungsgebühr, Rechtsanwaltsvergütung
Fundstellen:
DAR 2022, 55
LSK 2021, 33036
BeckRS 2021, 33036
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 233,16 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.10.2020 zu zahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Berufung wird zugelassen.
Der Streitwert wird auf 233,16 € festgesetzt, § 48 Abs. 1 GKG.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten um die Möglichkeit des Ansatzes einer Einigungsgebühr nach RVG.
2
Die Beklagte war für den klägerischen Schaden anlässlich eines Verkehrsunfalls vom 12.06.2020 eintrittspflichtig. Der Kläger erhob am 17.08.2020 gegen die Beklagte zum Amtsgericht Coburg unter dem Aktenzeichen 15 C 2263/20 Zahlungsklage über 2.500,71 €. Nach Verteidigungsanzeige der Beklagten teilte diese an den Klägervertreter im e-mail vom 03.09.2020 (vgl. Anlage K1), 2380,68 € überwiesen zu haben sowie „Wir bitten, die Klage auf Basis dieser Abrechnung zurückzunehmen“ sowie dem Gericht mit Schriftsatz vom 04.09.2020 zum obigen Aktenzeichen mit, dass sie den größten Teil der Klageforderung einschließlich Zinsen ausgeglichen habe und deswegen davon ausgehe, dass die Klage zurückgenommen wird. Für diesen Fall erklärte die Beklagte ausdrücklich den Verzicht auf Kostenantrag. Nach Zahlungseingang erklärte der Kläger am 14.09.2020 den Rechtsstreit über einen Großteil der Klageforderung für erledigt und reduzierte den Klageantrag hinsichtlich der nicht bezahlten Schadensersatzforderung auf 469,34 €. Nach der Anfrage des Gerichts zum weiteren Verfahrensfortgang und schlussendlich Anberaumung eines Haupttermins teilte die Beklagte ein weiteres Mal mit, nunmehr die komplette Klageforderung einschließlich Zinsen ausgeglichen zu haben und sie davon ausgehe, dass die Klage zurückgenommen wird. Für diesen Fall erklärte sie abermals ausdrücklich den Verzicht auf Kostenantrag. An den Klägervertreter schrieb die Beklagte im e-mail vom 02.10.2020 (vgl. Anlage K8), weitere 470,87 € überwiesen zu haben sowie „Wir bitten, die Klage zurückzunehmen“. Nach Zahlungseingang hat der Kläger seine Klage vollständig zurückgenommen.
3
Der Kläger meint, dass durch diese Vorgehensweise und Mitteilungen der Beklagten, nach entsprechender Teilzahlung schlussendlich um Klagerücknahme gebeten zu haben, eine Einigung liegen würde, welches eine Einigungsgebühr nach RVG auslöse. Demzufolge sei auch unter Berücksichtigung des Gegenstandswertes von 2.500,71 € die entsprechende Aufstellung im Zahlenwerk (auf welche auf Seite 3 unten/Seite 4 oben der Klageschrift vom 11.11.2020 Bezug genommen wird) nicht zu beanstanden.
Die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 233,16 € nebst Zinsen i.H.v. 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.10.2020 zu zahlen.
6
Die Beklagte meint, dass eine Einigungsgebühr nicht zu ersetzen sei. Diese setze unabdingbar den Abschluss eines Vertrages voraus, welches in einer einseitigen prozessualen Gestaltungserklärung nicht zu sehen sei. Es wäre dem Kläger unbenommen gewesen, die Klage nicht zurückzunehmen und stattdessen die Hauptsache insgesamt für erledigt zu erklären. Auch sei der Streitwert bei einer Einigungsgebühr auch nicht mehr als der reine Kostenwert, da die Hauptforderung schließlich - wenn auch in zwei Schritten - vollständig ausgeglichen worden sei.
7
Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Verfahrensakte 15 C 2263/20 des Amtsgerichts Coburg Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
8
Die zulässige Klage ist umfassend begründet.
9
Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten Anspruch auf Zahlung weiterer 233,16 € als Teil des Schadensersatzes nach dem Verkehrsunfall vom 12.06.2020 zu, §§ 7 Abs. 1 StVG, 115 VVG, 249 BGB in Verbindung mit RVG.
10
Es ist eine Einigungsgebühr nach § 13 RVG, Nummer 1003, 1000 VV RVG angefallen. Die Parteien hatten um den Ausgleich von Schadensersatz der Höhe nach gestritten. Nachdem die Beklagte nicht vollständig reguliert hatte, bedurfte es der Klageerhebung. Erst im Laufe des Zivilrechtsstreits hat die Beklagte in zwei Schritten die Klageforderung ausgeglichen. Sie hat dabei jeweils den Kläger gebeten, die Klage zurückzunehmen. Hierin ist eine Vereinbarung zu sehen. Insoweit verweist der Kläger auf den Kommentar von Mayer/Kroiß, Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 7. Auflage 2018 bzw. die Entscheidung des Amtsgerichts Frankfurt am Main 31 C 4638/19 vom 15.12.2019. Die Beklagte kann nicht mit der Argumentation durchdringen, dass es alternativ dem Kläger unbenommen gewesen wäre, nach Zahlungseingang den Rechtsstreit für erledigt zu erklären, wozu bereits dem Gericht gegenüber die Beklagte ihre Zustimmung erteilt und Kostenübernahme erklärt hatte. Mit der Bitte um Klagerücknahme hat die Beklagte den Antrag zum Abschluss eines Vertrags gestellt, welcher konkludent klägerseits angenommen wurde. Dies löst die Gebühr nach RVG aus. Es wäre der Beklagten unbenommen gewesen, auf die Bitte um Klagerücknahme zu verzichten und damit nicht den Antrag zum Abschluss einer Vereinbarung zu stellen, sondern ausschließlich zu bezahlen und einer bevorstehenden Erledigterklärung zuzustimmen.
11
Auch der Gegenstandswert ist nicht zu beanstanden. Demzufolge ist das Rechenwerk auf Seiten 3/4 der Klageschrift nachvollziehbar und richtig.
12
Zinsen ergeben sich aus dem Rechtsgrund des Verzugs, §§ 286 ff. BGB.
13
Da erkennbar eine höchstrichterliche Entscheidung zu dieser Problematik nicht vorliegt, lässt das Gericht die Berufung zu, § 511 Abs. 4 ZPO.