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LG Amberg, Endurteil v. 06.09.2021 – 22 O 828/20
Titel:

Kein Anspruch des Energieversorgers gegen den Eigentümer eines vermieteten Grundstückes

Normenketten:
BGB § 433 Abs. 2
GasGVV § 17 Abs. 1 S. 1
Leitsatz:
Der Energieversorgungsvertrag kommt regelmäßig mit dem zustande, der die tatsächliche Verfügungsgewalt am Übergabepunkt ausübt. Dies ist regelmäßig der Mieter oder Pächter, dem die tatsächliche Verfügungsgewalt vertraglich eingeräumt ist, unabhängig davon, ob dies dem Energieversorger bekannt ist oder nicht. (Rn. 20 – 22) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Energieversorger, Versorgungsvertrag, Eigentümer, Mieter, Pächter, Zahlung
Fundstelle:
BeckRS 2021, 33012

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden.
Betrags vorläufig vollstreckbar.Beschluss.
Der Streitwert wird auf 20.667,75 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die Inanspruchnahme aus einem Energieversorgungsvertrag bezüglich der Lieferung von Gas, welches die Klägerin als entsprechendes Unternehmen dem Beklagten zur Verfügung gestellt haben will.
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Der Beklagte ist Eigentümer des Anwesens in der W. straße 5 in 9… M3..
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Ab 1973 vermietete der Beklagte das Erdgeschoss des aus 2 Etagen bestehenden Anwesens an Frau I. J., ehemals Ra.
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Das Obergeschoss stand zunächst leer. Weitere Mietparteien und Bewohner des Anwesens gab es vorerst nicht.
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Seit den achtziger Jahren wird das Haus über einen Anschluss mit einem Zähler mit Gas versorgt.
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Ab ca. 2007 zog der mittlerweile geborene Sohn der Mieterin J. in das Obergeschoss ein.
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Das Gas bezogen Frau J. und ihr Sohn zunächst über den Beklagten, bis dieser den entsprechenden Energieversorgungsvertrag 2010 kündigte.
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Jedenfalls ab Mai 16 versorgte die Klägerin das streitgegenständliche Anwesen mit Gas.
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Diese machte gegenüber dem Beklagten Zahlungsansprüche wegen Gaslieferung für den Bezugszeitraum vom 01.05.2016 bis 19.08.2018 in Höhe von insgesamt 20.667,75 € geltend.
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Die Klägerin ist der Ansicht, der der Gaslieferungen zugrunde liegende Energieversorgungsvertrag sei mit dem Beklagten als Eigentümer des Anwesens in der W. straße 5 zustande gekommen, sodass dieser hierfür auch in Anspruch genommen werden könne.
11
Die Klägerin beantragt,
Die beklagte Partei wird verurteilt, an die Klagepartei 20.667,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 03.05.2017 aus 2.164,93 €, aus weiteren 18.230,07 € seit dem 24.07.2018 und aus weiteren 272,75 € seit dem 13.10.2018 sowie 1.185,85 € vorgerichtliche Mahnauslagen zu bezahlen.
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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
13
Wegen des übrigen Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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Die Parteien haben mit Schriftsatz vom 23.07.2021 bzw. 26.07.2021 ihre Zustimmung zum Übergang in das schriftliche Verfahren erteilt.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet.
A.
16
Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Anspruch auf Zahlung eines Geldbetrages in Höhe von 20.600,75 € zu.
17
Zwischen den Parteien ist ein Energieversorgungsvertrag bezüglich der Lieferung von Gas für das streitgegenständliche Anwesen im verfahrensgegenständlichen Bezugszeitraum nicht zustande gekommen.
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Die Klägerin vermag den Beklagten daher nicht in Anspruch zu nehmen. Der Beklagte ist nicht passiv legitimiert.
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1. Der Beklagte ist bereits nicht Adressat der der streitgegenständlichen Gaslieferung zugrunde liegenden Realofferte gewesen.
20
Empfänger der im Leistungsangebot des Versorgungsunternehmens liegenden Realofferte zum Abschluss eines Versorgungsvertrags ist dabei typischerweise derjenige, der die tatsächliche Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss am Übergabepunkt ausübt, was auch ein Mieter oder Pächter sein kann, dem aufgrund des Miet- oder Pachtvertrags die tatsächliche Verfügungsgewalt über die ihm überlassene Miet- oder Pachtsache eingeräumt ist (vgl. BGH NJW 2006, 1667 Rn. 20; NJW 2009, 913 Rn. 6; NJW 2011, 3509 = WM 2012, 618 Rn. 16; NJW 2014, 1951 Rn. 13; BGHZ 202, 17 = NJW 2014, 3148 Rn. 12, 14; BGHZ 202, 158 = NJW 2014, 3150 Rn. 14, 16; BGH NJW 2016, 2260 Rn. 14; NZKart 2017, 245 = IR 2017, 127 = RdE 2018, 27 Rn. 18; NJW-RR 2018, 1105 Rn. 6; jew. mwN).
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Dabei ist es unerheblich, ob dem Energieversorger die Identität des Inhabers der tatsächlichen Verfügungsgewalt bekannt ist, er also etwa weiß, dass das zu versorgende Objekt sich im Besitz eines Mieters oder Pächters befindet und dieser die tatsächliche Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss ausübt (vgl. Senat BGHZ 202, 158 = NJW 2014, 3150 Rn. 16).
22
Bei der Bestimmung des Angebotsadressaten kommt es durchaus maßgebend darauf an, wer den Strom verbraucht, da der Vertrag regelmäßig gerade mit der Person begründet werden soll, die aufgrund ihrer tatsächlichen Verfügungsgewalt in der Lage ist, die offerierte Energie auch zu entnehmen, mithin hierdurch das Angebot (konkludent) anzunehmen (vgl. Senat BGHZ 202, 17 = NJW 2014, 3148 Rn. 14, 17; BGHZ 202, 158 = NJW 2014, 3150 Rn. 27; LG Köln NJOZ 2019, 377 Rn. 41; Busche in Berliner EnergieR, 4. Aufl., Vorb. § 36 EnWG Rn. 27; Brändle ZfIR 2016, 714, [715]). Ist eine Wohnung vermietet, hat diese Möglichkeit typischerweise der Mieter, da ihm infolge der eingeräumten Nutzungsbefugnis auch die tatsächliche Sachherrschaft über die gemieteten Räume und die darin befindlichen Versorgungsanschlüsse zukommt (vgl. Senat BGHZ 202, 158 = NJW 2014, 3150 Rn. 21; NJW-RR 2018, 1105 Rn. 4, 6).
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Nach diesen Maßstäben hat sich vorliegend die Realofferte an die beiden Mieter der Wohnungen des streitgegenständlichen Anwesens, Frau I. J. und deren Sohn, gerichtet.
24
Nur diesen stand aufgrund des Mietvertrags die tatsächliche Verfügungsgewalt über die sich jeweils in der Wohnung befindlichen Versorgungseinrichtungen zu. Damit befanden allein sie über den jeweiligen Gasverbrauch in der Wohnung.
25
Demzufolge musste der Beklagte, dem ohnehin bei ordnungsgemäßem Verlauf der Dinge nicht die Möglichkeit offen stand, über diesen Zähler Strom zu verbrauchen, die Zurverfügungstellung der Energie nicht als eine an ihn gerichtete Realofferte verstehen (vgl. auch BGH aaO).
26
2. Jedenfalls aber hätte der Beklagte eine an ihn gerichtete Realofferte nicht (konkludent) angenommen.
27
Das Gericht verkennt nicht, dass es sich für die Klägerin als Energielieferanten aufgrund der Tatsache, dass im streitgegenständlichen Anwesen nur ein Gaszähler für zwei Abnehmer existiert, als schwierig erweisen dürfte, den konkreten Gasverbrauch einer Wohnung zuzuordnen.
28
Hierzu Abhilfe zu schaffen, wäre nur der Eigentümer berufen.
29
Selbst wenn aber vorliegend aufgrund dieses Umstands der örtlichen Gegebenheiten davon auszugehen wäre, dass sich die Realofferte an den Beklagten als Eigentümer des Anwesens gerichtet hat, kann allerdings nicht konstatiert werden, dass dieser sie auch angenommen hat.
30
Eine ausdrücklich erklärte Annahme des Beklagten liegt nicht vor.
31
Einem Schweigen des Beklagten auf oder einem wie auch immer gearteten Unterlassen von Maßnahmen gegen die klägerseits veranlasste Bereitstellung von Gas wohnt vorliegend kein Erklärungsgehalt inne, weswegen eine aus einem solchen Verhalten des Beklagten resultierende konkludente Annahme der Realofferte ausscheidet.
32
Selbst eine vom Beklagten geschaffene Weichenstellung, also die Verteilung bzw. Weiterleitung eines Gasanschlusses auf zwei Wohnungen stellte keine konkludente Annahme durch diesen dar, weil er hierdurch noch kein Gas entnommen hat bzw. Gas auf diese Weise auch generell nicht entnommen wird. Nur eine entsprechende Entnahme kann jedoch nach dem objektiven Empfängerhorizont als (unmissverständliche) Annahme der Realofferte angesehen werden.
33
Eine solche Entnahme ist indes ausschließlich durch die Mieter der Wohnungen des Anwesens erfolgt.
34
Dieser Befund ist schließlich auch mit dem Grundsatz der Leistung nach Treu und Glauben vereinbar.
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Die Klägerin als Energieversorgerin ist hierdurch nicht schutzlos gestellt.
36
Eine nach dem objektiven Empfängerhorizont vorgenommene Gesamtbetrachtung ergibt nämlich, dass der der Gasversorgung zugrunde liegende Energieversorgungsvertrag (weiter) mit der Mieterin Ingeborg Jakob laufen und sich diese dann mit ihrem Sohn über dessen Gasverbrauch ins Benehmen setzen soll.
II.
37
Quais-vertragliche oder gesetzliche Ansprüche, die der Klägerin zum Erfolg verhelfen könnten, sind ebenfalls nicht ersichtlich.
III.
38
Die geltend gemachte Nebenforderung teilt das Schicksal der Hauptforderung.
B.
39
Die prozessualen Entscheidungen ergehen aufgrund der §§ 91 Abs. 1 S. 1, 709 S. 1, 2 ZPO, 63 Abs. 2 GKG.