Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 20.09.2021 – AN 3 K 20.00932
Titel:

Klage auf Erteilung eines Vorbescheides für ein Doppelhaus

Normenketten:
BauGB § 34 Abs. 1, § 35 Abs. 2
BayBO Art. 68 Abs. 1 S. 1
Leitsätze:
1. Zur Abgrenzung zwischen Innenbereich und Außenbereich. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für das Vorliegen einer unbilligen Härte im Sinne einer Wasserschutzgebietsverordnung ist ein atypischer Fall erforderlich. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Abgrenzung Innenbereich/Außenbereich, Sachbescheidungsinteresse, unbillige Härte, Wasserschutzgebietsverordnung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 27.04.2022 – 9 ZB 21.2885
Fundstelle:
BeckRS 2021, 32158

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Beteiligten streiten im Wege eines Verpflichtungsprozesses über die Erteilung eines Vorbescheids zur Errichtung eines Doppelhauses auf dem Grundstück FlNr. … der Gemarkung … in … (… …).
2
Der Kläger ist Eigentümer des eingangs genannten Grundstücks, welches sich unmittelbar an der … … befindet. Im Norden grenzt das streitgegenständliche Grundstück an die FlNr. … (… …), welches mit einem Einfamilienhaus bebaut ist. An der westlichen Grenze des Grundstücks befindet sich die … … und dem Grundstück gegenüberliegend mehrere Einfamilien- bzw. Mehrfamilienhäuser. An der östlichen Grundstücksgrenze befindet sich das Grundstück FlNr. …, welches ebenfalls mit einem Einfamilienhaus bebaut ist. Das Grundstück … befindet sich mehr als 120 m Luftlinie entfernt von der … … Weiter östlich und südöstlich des streitgegenständlichen Grundstücks befinden sich vereinzelt mit Gartenhütten oder Einfamilienhäusern bebaute Grundstücke. Im Bereich des streitgegenständlichen Grundstücks existiert kein Bebauungsplan. Der Flächennutzungsplan der Beklagten stellt für das Grundstück eine Grünfläche dar.
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Mit Schreiben vom 19. September 2019 beantragte der Kläger die Erteilung eines baurechtlichen Vorbescheids für die Errichtung eines Doppelhauses auf dem streitgegenständlichen Grundstück. Im Antrag auf Erteilung des Vorbescheids wurden folgende Fragen zum Gegenstand des Vorbescheides gemacht:
„Kann im gekennzeichneten Bereich, …, ein Doppelhaus errichtet werden?
1. Ist der Neubau in der dargestellten Form (E + I mit 30°DN) und Lage zulässig?
2. Ist die Bebauung städtebaulich zulässig (Vergleichsobjekt in der Nachbarschaft)?
Die beiliegende Schnittdarstellungen ist momentan ein Vorschlag der sich bei der Baueingabe noch ändern könnten.
3. Wie dargestellt liegen die GRZ neu bei 0,26/0,25 und die GFZ bei 0,52/0,50. Ist dies zulässig?“
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Im Rahmen des sich anschließenden Verwaltungsverfahrens wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass sich auch die erkennende Kammer mit Urteil vom 15. Mai 2006 (Az.: AN 3 K 05.01419) mit der baurechtlichen Situation auseinandergesetzt habe und von einer Lage des streitgegenständlichen Grundstücks im Außenbereich ausgegangen sei.
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Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 17. April 2020, dem Kläger zugestellt am 21. April 2020, wurde der Antrag auf Erteilung des Vorbescheides abgelehnt. Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, dass aufgrund der Lage des Grundstücks im Außenbereich die Zulässigkeit des Vorhabens gemäß § 35 Abs. 3 BauGB zu beurteilen sei. Ein sonstiges Vorhaben könne nicht genehmigt werden, weil gemäß § 35 Abs. 2 i.V.m. § 35 Abs. 3 BauGB eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange vorliege. Dazu zähle, dass das geplante Vorhaben den Darstellungen des Flächennutzungsplanes widerspreche. Außerdem bestehe die Gefahr, dass es durch das Bauvorhaben zu einer sogenannten „Ausuferung“ von Bauflächen im fraglichen Bereich komme. Weitergehend befinde sich das Grundstück in der engeren Schutzzone des Wasserschutzgebietes … (Zone II), in der bauliche Anlagen konsequent ausgeschlossen seien. Auch im Rahmen des Bescheides wurde auf die Entscheidung der erkennenden Kammer vom 15. Mai 2006 Bezug genommen. Da sowohl die wasserrechtlichen Restriktionen als auch die planungsrechtliche Situation weiterhin unverändert seien, könne von Seiten der Beklagten dem geplanten Bauvorhaben aus planungsrechtlicher und städtebaulicher Sicht nicht zugestimmt werden. Daher sei der Antrag abzulehnen gewesen.
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Mit Schriftsatz vom 15. Mai 2020 ließ der Kläger gegen diesen Ablehnungsbescheid Klage erheben.
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Zur Begründung ist ausgeführt, dass sich das Grundstück des Klägers im unbeplanten Innenbereich befinde. Es sei Teil eines bestehenden Bebauungszusammenhangs und an drei Seiten von Bebauung umgeben. Es sei sowohl auf der Westseite (jenseits der …), auf der Nordseite (FlNr. …) als auch auf der Ostseite (FlNr. …, …) von Wohnbebauung umgeben. Den Festsetzungen zur Wasserversorgung der Beklagten in der engeren Schutzzone (Zone II) sei zu widersprechen. Nach Kenntnis des Klägers gebe es ein Gutachten des Wasserwirtschaftsamtes …, in dem festgestellt werde, dass die Schutzgebiete zu weit gefasst seien. Rein materiell dürfe das Grundstück des Klägers damit nicht von der Schutzzone umfasst sein.
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In rechtlicher Hinsicht ist ausgeführt, dass der Kläger im streitgegenständlichen Antrag die Beantwortung der Frage begehre, ob sein Vorhaben nach Art und Maß der baulichen Nutzung zulässig sei. Die Annahme der Beklagten, dass sich das Vorhaben im Außenbereich befinde, sei fehlerhaft. Das streitgegenständliche Grundstück sei dem Innenbereich zuzurechnen, da es an mindestens drei Seiten von Bebauung umgeben sei (unter Verweis auf Rechtsprechung). Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung solle für das Bestehen eines Bebauungszusammenhangs ausschlaggebend sein, inwieweit die aufeinanderfolgende Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittle und die zur Bebauung vorgesehen Fläche selbst diesem Zusammenhang angehöre (BVerwG NVwZ-RR 1998, 157). Lege man diese höchstrichterlichen Anknüpfungspunkte dem vorliegenden Fall zugrunde, so werde ersichtlich, dass das Baugrundstück als Baulücke innerhalb eines geschlossenen Bebauungszusammenhangs dem Innenbereich zuzuordnen sei. Die nördlich des Baugrundstücks, westlich der … sowie entlang des … liegenden Baugrundstücke seien mit Wohnhäusern bebaut. Auch wenn das klägerische Grundstück derzeit eine Baulücke darstelle, so bestehe doch bei Betrachten der näheren Umgebung samt des streitgegenständlichen Grundstücks der Eindruck der Geschlossenheit und der Zusammengehörigkeit der aufeinanderfolgenden Bebauung. Auf die Darstellungen des Flächennutzungsplans komme es daher nicht an. Im Übrigen könnten bei der Grenzziehung zwischen Innen- und Außenbereich auch topographische Verhältnisse eine Rolle spielen. Geländehindernisse, wie Verkehrswege oder Anhebungen bildeten oftmals eine natürliche Grenze der im Zusammenhang bestehenden Bebauung und könnten den Eindruck ihres Abschlusses vermitteln. Dies führe dazu, dass unbebaute, hinter dem letzten Grundstück des Bebauungszusammenhang liegende und durch Geländehindernisse begrenzte Flächen noch zum Innenbereich zu zählen sein (unter Verweis auf Rechtsprechung). Selbst wenn man also dementsprechend annehmen wollen würde, dass das klägerische Grundstück eine unbebaute, hinter dem letzten Grundstück des Bebauungszusammenhangs liegende Fläche sei, so wäre diese auch nach diesem Grundsatz dem Innenbereich zuzurechnen. Die topographischen Verhältnisse im Hinblick auf den Verlauf des … … ließen den Entschluss zu, dass der Außenbereich erst jenseits des … … beginne und nicht bereits durch das eine, mit Altbestand bebaute Grundstück des Klägers. Darüber hinaus dürfe auch nicht außer Betracht bleiben, dass das klägerische Grundstück derzeit mit einem unterkellerten Wochenendhaus bebaut sei. Ein aufgelassener Swimmingpool mit einer Fläche von ca. 45 m² existiere ebenfalls. Dieser Altbestand sei bei der Feststellung des Innen- und Außenbereichs ebenfalls zu würdigen.
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Eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange sei demnach nicht gegeben. Die Bebauung sei nach dem Antrag des Klägers zulässig und hätte demnach auch so verbeschieden werden müssen. Sollte das Gericht wider Erwarten zu einer anderen Auffassung gelangen, so sei dem Kläger aber zumindest insoweit zuzusprechen, dass das streitgegenständliche Grundstück nicht in Gänze dem Außenbereich zuzurechnen sei, sondern, wenn überhaupt, nur der „hintere“, also straßenabgewandte Teil. Somit sei es für den Kläger immer noch möglich, die Bebauung im „vorderen“, der … … zugewandten Teil zu bebauen.
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Es könne dahinstehen, als welche Gebietsart die nähere Umgebung zum Bauort vorliegend zu qualifizieren sei (wird weiter ausgeführt).
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Das geplante Vorhaben verstoße auch nicht gegen die Wasserschutzgebietsverordnung … Das darin enthaltene Bauverbot sei in der Vergangenheit sehr unterschiedlich gehandhabt worden. So habe es im fraglichen Bereich von … zahlreiche Ausnahmen gegeben (wird weiter ausgeführt). Darüber hinaus seien nach den amtlichen Feststellungen des Wasserwirtschaftsamts … die Schutzgebiete im Stadtgebiet der Beklagten offenbar zu weit gefasst. Das klägerische Vorhaben verstoße damit nicht im materiellen Sinne gegen die Vorschriften der Wasserschutzgebietsverordnung.
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Lediglich für den Fall, dass das Gericht den Vorbescheidsantrag aus anderen Gründen noch nicht für entscheidungsreif erachten sollte, werde hilfsweise beantragt, den Beklagten zu verpflichten, den Vorbescheidsantrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verbescheiden.
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Mit Schriftsatz vom 13. August 2020 beantragt der Kläger:
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 17. April 2020, Az.: …, verpflichtet, dem Kläger den beantragten Vorbescheid für das Vorhaben „Errichtung eines Doppelhauses“ auf dem Grundstück …, Gemarkung …, FlNr. … zu erteilen.
Hilfsweise: Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 17. April 2020, Az.: …, verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Erteilung eines Vorbescheids für das Vorhaben „Errichtung eines Doppelhauses“ auf dem Grundstück …, Gemarkung …, FlNr. … unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu entscheiden.
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Mit Schriftsatz vom 1. Oktober 2020 beantragt die Beklagte,
die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, dass der Auffassung der Klägerseite, dass sich die Zulässigkeit des Bauvorhabens nach § 34 BauGB richte, nicht gefolgt werden könne. Das Vorliegen eines Bebauungszusammenhangs setze voraus, dass die tatsächlich aufeinanderfolgende Bebauung den Eindruck der Geschlossenheit und damit ein einheitliches Gesamtbild vermittle. Es müsse eine Bebauungssituation gegeben sein, die auch über unbebaute Flächen hinweg miteinander in Beziehung stehe. Dies sei im vorliegenden Fall nicht gegeben. Die Beklagte komme vielmehr zu der Auffassung, dass die aus freistehenden Einfamilienhäusern bestehende Bebauung östlich der … nach Süden hin mit dem Wohngebäude (gemeint wohl FlNr. …) ende, welches nördlich an das streitgegenständliche Grundstück angrenze. Soweit der Kläger auf die mit Wohnhäusern bebauten Grundstücke FlNrn. …, …, …, …, …, … und … verweise, führten diese Grundstücke den oben genannten Bebauungszusammenhang nicht weiter, sondern stellten sich als Splittersiedlung dar. Zu der gleichen Auffassung sei die erkennende Kammer bereits in ihrem Urteil aus dem Jahre 2006 gekommen. Es handle sich somit nicht um einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil, der lediglich durch Baulücken unterbrochen sei.
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Das Vorhaben sei folglich aufgrund seiner Lage im Außenbereich gemäß § 35 BauGB zu beurteilen. Da es sich jedoch nicht um ein privilegiertes Vorhaben i.S.v. § 35 Abs. 1 BauGB handle, sei § 35 Abs. 2 BauGB anzuwenden. Dem Vorhaben stünden jedoch die öffentlichen Belange der Darstellungen des Flächennutzungsplans sowie die bereits benannte Gefahr einer Ausuferung von Bauflächen im fraglichen Bereich entgegen.
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Im Übrigen seien die Verbotsvorschriften einer Wasserschutzverordnung als eigenständige normative Zulassungsschranke zu bewerten. Das Vorhaben verstoße wegen seiner Lage in einer engeren Wasserschutzzone des Wasserschutzgebietes … nicht nur gegen die schützenswerten öffentliche Belange i.S.d. § 35 Abs. 3 BauGB, sondern auch gegen die Bestimmungen der Wasserschutzgebietsverordnung … Diese Verordnung, die dem Interesse der Allgemeinheit am Schutz der Trinkwasserversorgung diene, genieße absolute Priorität. Zum Hinweis auf vorhandene Bestandsbauten sei anzumerken, dass diese Bauten entweder vor dem Zweiten Weltkrieg errichtet oder in den letzten Jahrzehnten ungenehmigt und in Verstoß zu den o.g. Vorschriften erstellt worden seien. Daraus könne wiederum kein Bestandsschutz für eine Ausnahmegenehmigung nach § 4 der Wasserschutzverordnung abgeleitet werden, zumal es sich auf dem fraglichen Grundstück um ein Gartenhaus handle und jetzt auf dem fraglichen Grundstück erstmals eine Wohnbebauung errichtet werden solle. Auch die Anmerkung auf vermeintliche Bezugsfälle gehe fehl (wird weiter ausgeführt).
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Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakte sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung und des durchgeführten Augenscheins am 20. September 2021 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die erhobene Klage ist als Verpflichtungsklage sowohl in ihrem Haupt- (I.) als auch Hilfsantrag (II.) zulässig, aber unbegründet, da der Ablehnungsbescheid vom 17. April 2020 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung des begehrten Vorbescheids nach Art. 71 Satz 4 i.V.m. Art. 68 Abs. 1 BayBO.
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I. Die Klage ist im Hauptantrag unbegründet, da nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 BayBO der Realisierung des Vorhabens am beantragten Standort öffentlich-rechtliche Vorschriften, die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind, entgegenstehen (1.). und im Übrigen auch außerhalb des Prüfprogramms liegende Vorschriften gegen die Erteilung sprechen (2.).
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Gegenstand des Vorbescheids war unbestritten auch die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens nach §§ 29 ff. BauGB, wie sich schon aus Frage 2 des Vorbescheidsantrags vom 19. September 2019 ergibt.
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1. Das Vorhaben liegt im Außenbereich, weshalb sich seine Zulässigkeit - mangels ersichtlicher Privilegierung - als sonstiges Vorhaben nach § 35 Abs. 2 BauGB richtet.
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Mangels qualifiziertem Bebauungsplan für das streitgegenständliche Grundstück ist vorliegend eine Abgrenzung zwischen Innen- und Außenbereich vorzunehmen.
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Nach § 34 Abs. 1 BauGB ist der Innenbereich durch einen im Zusammenhang bebauten Ortsteil gekennzeichnet. Dabei sind die Begriffe „Ortsteil“ und „Bebauung im Zusammenhang“ kumulative Begriffe (BVerwG, B. v. 7.6.2016 - 4 B 47/14 - juris Rn. 10 = ZfBR 2016, 799). Für die Abgrenzung zwischen Innenbereich und Außenbereich ist festzuhalten, dass ein Bebauungszusammenhang regelmäßig am letzten Baukörper endet (BVerwG, U. v. 16.9.2010 - 4 C 7/10 - juris Rn. 12 = NVwZ 2011, 436). Etwas Anderes kann im Einzelfall nur dann gelten, wenn besondere topographische Gegebenheiten (z.B. Damm, Böschung, Fluss oder Waldrand) den Bebauungszusammenhang verschieben. Im Hinblick auf die Abgrenzung von Baulücken innerhalb eines Innenbereichs und einer Fläche des Außenbereichs ist maßgeblich, ob nach einer Bewertung des Gesamteindrucks der Umgebung der „Eindruck der Geschlossenheit“ noch vorhanden, das Grundstück also noch durch die Umgebung geprägt ist (BVerwG, B. v. 18.6.1997 - 4 B 238/96 - juris Rn. 4 = NVwZ-RR 1998,157). Maßgeblich ist mithin eine gewisse „Verklammerung“ der baulichen Anlagen. Hierbei muss berücksichtigt werden, dass gerade der optischen Wahrnehmbarkeit der Umgebung eine entscheidende Rolle zukommt, denn für die Realisierung eines Vorhabens im Innenbereich gibt diese Umgebung den planersetzenden Maßstab im Sinne eines „Einfügens“ vor.
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Eine nach diesen Grundsätzen zu bewertende Prägung des Vorhabenstandorts durch die Umgebung kann aufgrund des im Augenscheintermin gewonnenen Gesamteindrucks nicht bestätigt werden. Das Vorhabengrundstück ist in West-Ost-Ausdehnung bereits über 120 m lang und - wie auch die nähere Umgebung - stark durchgrünt, was die vorrangige optische Wahrnehmbarkeit der Umgebung nach Osten und Süden stark prägt. Nach Süden und Osten hin kann jedenfalls keine Verklammerung im Sinne eines „übersprungenen“ Bebauungszusammenhangs festgestellt werden. Der Bebauungszusammenhang endet spätestens am Grundstück Fl.Nr. …, dem nördlichen Nachbargrundstück zum Klägergrundstück.
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Im Süden schließen sich an den Vorhabenstandort die unbebauten Grundstücke Fl. Nr. … und dann … an, welche in dieser Richtung eine schon weit über 50 m lange, kaum einsehbare „Grünfläche“ markieren. Die noch weiter südlich entlang des … vorgefundene Bebauung (beginnend auf Fl.Nr. … und Fl.Nr. …) teilt das Schicksal der östlich des streitgegenständlichen Grundstücks liegenden Bebauung als sog. Splittersiedlung (dazu weiter unten) und könnte einen entsprechenden Bebauungszusammenhang gar nicht vermitteln.
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Eine Verklammerung scheidet auch unter dem Aspekt der steil ansteigenden Böschung zur sog. Südwesttangente bzw. südlichen … aus. Ein solch steiler Anstieg ist überhaupt erst auf Höhe der Fl.Nr. … und … und damit weit außerhalb eines Bebauungszusammenhangs feststellbar, da der … zunächst relativ höhengleich zum Klägergrundstück in die … einmündet und nur über die Länge des Weges (nach Süden hin) schließlich eine steile Böschung entwickelt. Ein insofern vorgebrachtes topographisches Hindernis, welche das Klägergrundstück mit der nördlich gelegenen Bebauung verklammert, vermag die Kammer nicht zu erkennen. Dass sich - wie die Klägerseite meint - eine eventuelle Bauleitplanung an der Böschung als Grenze orientieren würde, mag nicht ausgeschlossen sein, ändert aber nichts an der rechtlichen Bewertung der tatsächlichen Verhältnisse.
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Nach Osten bzw. Nordosten schließen sich an das Klägergrundstück die Grundstücke Fl.Nr. … und … an. Deren Bebauung befindet sich vom geplanten Vorhabenstandort auf dem Klägergrundstück mindestens 60 Meter entfernt. Vom geplanten Vorhabenstandort ist die auf diesen Nachbargrundstücken befindliche Bebauung nicht wahrnehmbar. Erst wenn man sich auf dem östlichen Grundstücksteil des Klägergrundstücks (auf Höhe des dortigen Wochenendhäuschens) befindet, kann man diese Nachbarbebauung überhaupt erkennen. Die dort wahrnehmbare Bebauung, ein Gartenhaus (Fl. Nr. …) sowie ein Wohngebäude mit Nebengebäude (Fl.Nr. …), stellt sich selbst gemeinsam mit der vom Klägergrundstück nicht mehr erkennbaren Bebauung jedoch als Splittersiedlung dar, die keinen Bebauungszusammenhang vermittelt, da sie keinen Maßstab nach § 34 Abs. 1 BauGB bilden kann. Insofern teilt die erkennende Kammer die Wertung, die auch die damalige Kammer im Verfahren AN 3 K 05.01419 dem Urteil vom 25. April 2006 zugrunde gelegt hat. Insofern ist für die Kammer keine Veränderung der Sachlage erkennbar.
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Der Charakter als Splittersiedlung folgt in erster Linie aus dem als üppig zu bezeichnenden Verhältnis von Grundstücksgrößen zur eigentlichen Bebauung und dem daraus folgenden Eindruck der „Leere“ zwischen den einzelnen baulichen Anlagen. Die Kammer gewann fast durchweg den Eindruck vor Einzelobjekten, die ohne Beziehung zueinander zu stehen, was durch die regelmäßig nicht vorhandenen Sichtbeziehungen verstärkt wurde. Auch ist erkennbar gewesen, dass sich die östlich des Klägergrundstücks befindliche Bebauung zum … hin - nicht nur den Straßennamen nach - auch baulich anders situiert. Das Gericht vermag nicht zu erkennen, wie ein baulicher Zusammenhang für das Klägervorhaben aus der östlich gelegenen Bebauung abgeleitet werden sollte. Der Vorhabenstandort steht vielmehr in keiner baulichen Beziehung zu der östlich gelegenen Bebauung und wird von dieser mithin auch nicht „verklammert“.
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Diese Verklammerung wird schließlich auch nicht durch das auf dem Klägergrundstück errichtete Wochenendhäuschen erzeugt. Eine mangelnde Verklammerung ergibt sich schon im Hinblick auf die stark unterschiedlichen Dimensionen der zu verklammernden Bauobjekte. So sind westlich und nördlich (entlang der …) zumindest noch vom Vorhabenstandort optisch wahrnehmbare Ein- oder Mehrfamilienhäuser vorhanden. Die Bebauung östlich ist, wenn auch teilweise noch größer und höher ausgeführt, ähnlich zu bezeichnen. Im Vergleich hierzu wirkt das hier vorgebrachte Wochenendhäuschen eher bedeutungslos und verschwindet in der Umgebung, was auch dadurch deutlich wird, dass man dieses auf dem Klägergrundstück eigentlich erst bei dessen Durchquerung überhaupt wahrnehmen kann.
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Inwiefern eine darüber hinaus von der Klägerseite angedachte „Verklammerung“ des westlichen Teils des Klägergrundstücks noch möglich sein soll, erschließt sich dem Gericht nicht.
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Das Vorhaben beeinträchtigt mehrere der beispielhaft in § 35 Abs. 3 BauGB angesprochenen öffentlichen Belange i.S.v. § 35 Abs. 2. Die Errichtung des Doppelhauses widerspricht den Darstellungen des Flächennutzungsplans nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB und lässt darüber hinaus auch die Entstehung einer Splittersiedlung nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB befürchten.
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Vorliegend stellt der Flächennutzungsplan für das fragliche Gebiet „Grünfläche“ dar. Ein Verstoß hiergegen ist offensichtlich.
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Die Errichtung des Doppelhaues lässt nach Meinung des Gerichts anschaulich die Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten. Hier ist anzuführen, dass die Kammer nun bereits zum zweiten Mal (nach 2005) über das Klägergrundstück zu entscheiden hatte, was den Baudruck vor Ort darlegt. Eine weitere Ausdehnung der Bebauung nach Süden birgt die Gefahr des Lückenschlusses mit der bereits vorhandenen Splittersiedlung.
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Auch wenn die Klägerseite im Zuge der aktuellen Debatten um „Nachverdichtung“ den Lückenschluss als vernünftig erachtet, so bleibt festzuhalten, dass dies Aufgabe der gemeindlichen Bauleitplanung, nicht jedoch ein Auslegungsaspekt von § 35 BauGB wäre. Von dem darauf abzielenden Instrument der Außenbereichssatzung hat die Beklagte jedenfalls keinen Gebrauch gemacht. Das sich der „Lückenschluss“ in dieser Konstellation auch als unerwünschter Zersiedlungsvorgang darstellt, bedarf keiner weiteren Erörterung.
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2. Daneben kann die Versagung des Vorbescheids auch auf Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 BayBO gestützt werden. Es kann hier dahingestellt bleiben, ob die Anforderungen der „Wasserschutzgebietsverordnung … infra“ (VWSR) - wie die Beklagte meint - Teil des baurechtlichen Prüfprogramms im vereinfachten Genehmigungsverfahren nach Art. 59 BayBO sind. Denn jedenfalls könnte eine Versagung auch auf Gründe außerhalb dieses Prüfprogramms wegen mangelndem Sachbescheidungsinteresse gestützt werden (BayVGH, U. v. 28.6.2018 - 9 B 13.2616 - juris Rn. 41 = BayVBl 2019, 772; U. v. 30.5.2018 - 2 B 18.681 - juris Rn. 16 f. = BayVBl 2019, 416).
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Das Vorhaben verstößt gegen § 3 Abs. 1 Ziffer 6.1 VWSR, da es sich unbestritten um die Realisierung eines Bauvorhabens in der engeren Schutzzone (II) handelt.
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Der Tatbestand für eine Ausnahme nach § 4 Abs. 1 VWSR ist nicht erfüllt. Offensichtlich handelt es sich bei der Realisierung eines Doppelhauses nicht um eine Ausnahme, die durch das Wohl der Allgemeinheit erforderlich ist (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 VWSR). Es liegt vielmehr ein rein privatnütziges Bauvorhaben vor.
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Auch handelt es sich beim Verbot eines Neubaus nicht um eine unbillige Härte im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 2 VWSR. Zwar ist der Term „unbillige Härte“ nicht weiter definiert, jedoch muss er sich vom Begriff der „billigen Härte“ unterscheiden. Eine billige Härte muss immer dann angenommen werden, wenn der Leitgedanke der Regelung greifen soll. Es erscheint geradezu aufdringend, dass im Rahmen einer Wasserschutzgebietsverordnung nach §§ 51, 52 WHG der Bau neuer baulicher Anlagen der Leitgedanke und auch Hauptschutzzweck sein soll. Mithin kann unter einer unbilligen Härte nur gefasst werden, was von diesem Leitgedanken abweicht, sich also als ein atypischer Fall gegenüber diesem darstellt. Dafür, dass sich dieser Fall untypisch von anderen Fällen unterscheidet, ist nichts ersichtlich. Es handelt sich um den Regelfall der Realisierung neuer baulicher Anlagen in einem Wasserschutzgebiet.
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Die dagegen vorgebrachten Argumente der Klägerseite bewirken keine gegenteilige Beurteilung. Soweit auf einzelne oder mehrere angeblich abweichende „Bezugsfälle“ in der Umgebung hingewiesen wurde, ist zum einen festzustellen, dass diese schon von ihrer Zahl nicht ausreichen, eine Unwirksamkeit im Sinne einer Funktionslosigkeit der VWSR zu begründen. Selbst wenn die Beklagte rechtswidrige Ausnahmen erteilt hätte, kann der Kläger - solange die Verordnung selbst nicht durch diese Praxis unwirksam geworden ist - keine Gleichbehandlung einfordern. Zum anderen hat die Beklagte dargelegt, dass sich etwaige „Ausnahmen“ entweder als Bestandsgebäude vor Erlass der VWSR darstellen oder dass es sich um Umnutzungen/Umbauten von Bestandsgebäuden handelt. Beide Voraussetzungen greifen für den Kläger nicht.
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Schließlich konnte auch keine Substantiierung für den Einwand vorgebracht werden, dass das Wasserwirtschaftsamt … den Umgriff der Verordnung als falsch eingestuft habe.
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Nach alledem ist die Klage im Hauptantrag abzulehnen.
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II. Auch im Hilfsantrag ist die Klage unbegründet, da für das Gericht keine im Ermessen der Beklagten stehenden Ausnahmen oder Befreiungen erkennbar sind, die obige Ablehnungsgründe beheben könnten.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Regelung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.