Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 22.09.2021 – AN 14 K 19.01274
Titel:

Leistungsklage auf  Ergreifen aufsichtlicher Maßnahmen - Datenschutzverstoß vor Geltung der DS-GVO

Normenketten:
DS-GVO Art. 58, Art. 77, Art. 78, Art. 99
RL 95/46/EG Art. 28 Abs. 4
Leitsätze:
1. Ein rechtsverbindlicher Beschluss iSv Art. 78 Abs. 1 DS-GVO liegt nicht nur dann vor, wenn ein Verwaltungsakt iSv § 35 VwVfG erlassen wird. Vielmehr reicht jede rechtliche Auswirkung auf Rechte des Adressaten, auch unterhalb einer Regelung iSv § 35 VwVfG, aus. So ist die Mitteilung, dass auf die Eingabe keine aufsichtlichen Maßnahmen ergriffen werden, tauglicher Gegenstand einer Klage nach Art. 78 Abs. 1 DS-GVO. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Entscheidung der Aufsichtsbehörde, in irgendeiner Weise aufsichtliche Maßnahmen nach Art. 58 DS-GVO zu ergreifen, ergeht nicht in der Form eines Verwaltungsaktes. Daher ist auch eine hierauf gerichtete Klage nicht auf den Erlass eines Verwaltungsaktes gerichtet, mithin also keine Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1, Alt. 2 VwGO. Statthaft ist vielmehr die allgemeine Leistungsklage. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
3. Für die Frage, welche Maßnahmen bei Vorliegen der Voraussetzungen für ein Tätigwerden der Aufsichtsbehörde nach Art. 58 DS-GVO in Frage kommen, ist die Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich. Jedoch kann damit nicht der von der DS-GVO selbst materiell-rechtlich vorgegebene zeitliche Anwendungsbereich der DS-GVO verändert werden. Ob die DS-GVO anwendbar ist, ergibt sich allein aus Art. 99 DS-GVO. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die DS-GVO enthält keine Regelung zu Sachverhalten, die sich vor Geltung der DS-GVO ereignet haben. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
5. Nach dem vor dem Inkrafttreten der DS-GVO geltenden Recht war die Eingabe petitionsähnlich, so dass sich die gerichtliche Prüfung daher darauf beschränkte, ob die Eingabe entgegengenommen, sachlich und rechtlich geprüft und das Ergebnis mitgeteilt worden war. Ein Anspruch auf aufsichtliches Einschreiten bestand nicht. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
6. Das Inkrafttreten der DS-GVO stellt nach Art. 99 DS-GVO eine klare Zäsur zwischen dem alten und dem neuen Recht dar. Da der deutsche Gesetzgeber keine Übergangsvorschrift erlassen hat, die unter bestimmten Umständen eine Anwendung des neuen Rechts auch auf vor deren Geltung begangene Verstöße gegen datenschutzrechtliche Vorschriften angeordnet hat, unterliegen vor diesem Datum erfolgte Verstöße vollständig dem alten Recht. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Datenschutzverstoß vor Geltung der DS-GVO, Prüfungsmaßstab einer Eingabe bei der Aufsichtsbehörde, keine Beschwerde i.S.v. Art. 77 DS-GVO
Fundstelle:
BeckRS 2021, 32150

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
4. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

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Mit einem am 3. Januar 2019 beim Beklagten eingegangenem Schreiben vom 28. Dezember 2018 erhob die Klägerin beim Beklagten „Beschwerde nach Art. 77 DS-GVO“ gegen Rechtsanwalt K., G. Dieser habe sie wegen eines Verkehrsunfalls vertreten und das Mandat dann gekündigt. In einem anschließenden Gerichtsverfahren sei es um seine Honorarforderung gegangen. Dem Amtsgericht habe er ein Anlagenkonvolut vorgelegt, in dem auszugsweise sämtlicher Schriftverkehr mit der gegnerischen Versicherung enthalten gewesen sei, worin persönliche Daten und Betriebsgeheimnisse nicht geschwärzt gewesen seien. Sie habe ihn vom Datenschutz und der Verschwiegenheit nicht entbunden. Ihr Autokennzeichen, der Name ihres Sohnes, ihre Verletzungen, ihr behandelnder Arzt, ihre beruflichen Umsätze und ihr Stundensatz hätten neutralisiert werden müssen. Mit Schreiben vom 30. März 2016 habe sie sich an den Rechtsanwalt wegen Verletzung der Schweigepflicht gewandt. Auch gegenüber dem Gericht habe sie sein Verhalten gerügt. Dieses habe nichts unternommen. Falls das Landesamt der Auffassung sei, dass das Verhalten des Rechtsanwalts in Ordnung sei, würde das weitreichende Folgen für das Berufsrecht haben. Mit Schreiben vom 13. Februar 2019 reichte die Klägerin noch in Kopie ein Schreiben der Wirtschaftsprüferkammer vom 13. Februar 2019 ein, in dem diese Ausführungen zu der Durchbrechung der Verschwiegenheitspflicht in Honorarstreitigkeiten machte. Auf den Inhalt wird Bezug genommen. Daneben war dem Schreiben auch ein Schreiben des Bayerischen Landesamts für Steuern vom 28. März 2020 (Az.: ...) über das Auskunftsverweigerungsrecht von Berufsgeheimnisträgern beigefügt.
2
Der Beklagte bestätigte den Eingang der „Beschwerde“ mit Schreiben vom 7. Januar 2019.
3
Mit Schreiben vom 31. Mai 2019 teilte der Beklagte auf die Beschwerde der Klägerin hin mit, dass er in dem monierten Verhalten keinen datenschutzrechtlichen Verstoß sehe, es bestehe daher kein Anlass für weitere aufsichtliche Maßnahmen nach Art. 58 DS-GVO. Eine Pflicht des Anwalts, im Rahmen der Zuleitung an das Gericht die klägerseits angesprochenen Daten unkenntlich zu machen habe nicht bestanden. In der Zuleitung sei eine Übermittlung personenbezogener Daten, die nach Art. 4 Nr. 2 DS-GVO eine Form der Verarbeitung personenbezogener Daten darstelle, zu sehen. Diese Verarbeitung sei nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO datenschutzrechtlich legitimiert. Diese Bestimmung erlaube Verarbeitungen personenbezogener Daten, die zur Wahrnehmung berechtigter Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich seien, sofern nicht die Rechte und Freiheiten der betroffenen Person überwiegen würden. Die Verfolgung von Honorarforderungen stelle zweifellos ein berechtigtes Interesse des Anwalts dar. Soweit es sich bei den übermittelten personenbezogenen Daten um Daten gehandelt habe, die zu den besonderen Datenkategorien i.S.v. Art. 9 Abs. 1 DS-GVO gehörten (etwa Angaben über Unfallfolgen/Verletzungen, die die Klägerin beim Unfall erlitten habe) seien auch die zusätzlichen Anforderungen des Art. 9 Abs. 2 DS-GVO erfüllt, da die Übermittlung zur Geltendmachung von Rechtsansprüchen erforderlich gewesen sei. „Erforderlich“ i.S.v. Art. 6 Abs. 1 Buchst. f und Art. 9 Abs. 2 Buchst. f DS-GVO sei die Übermittlung gewesen, weil es als legitim angesehen werden könne, wenn ein Anwalt im Rahmen eines Honorarrechtsstreits die Unterlagen, die er nach seiner Auffassung als Beweismittel zur Untermauerung seiner Forderung einreiche, in unveränderter Form bei Gericht einreiche. Rein technisch wäre es zwar möglich, einzelne Daten zu schwärzen oder sonst unkenntlich zu machen. Es bestehe aber ein legitimes Interesse einer Partei des Rechtsstreits daran, unveränderte Unterlagen einzureichen, um die Authentizität der Unterlagen nicht in Frage zu stellen. Müsste dies in jedem Fall abgewogen werden, so wäre die Einreichung von Beweismitteln mit kaum kalkulierbaren Unwägbarkeiten im Hinblick auf potentielle Datenschutzverstöße belastet. Auch für den Berufsgeheimnisträger müsse es grundsätzlich zulässig sein, dem Gericht die vollständigen Unterlagen aus seinem Mandat zur Untermauerung seiner behaupteten Ansprüche vorzulegen. Der Schutz der personenbezogenen Daten werde dadurch sichergestellt, dass auch das Gericht und gegebenenfalls der gegnerische Anwalt, also der Anwalt des ehemaligen Mandanten, Verschwiegenheitspflichten unterliege. Daher könne die Übermittlung der in den Unterlagen enthaltenen personenbezogenen Daten an das Gericht als erforderlich i.S.v. Art. 6 Abs. 1 Buchst. f und Art. 9 Abs. 2 Buchst. f DS-GVO angesehen werden. Ihr stünden auch keine überwiegenden schutzwürdigen Interessen oder Rechte und Freiheiten (der Klägerin) entgegen. Auch insoweit sei aufgrund der Verschwiegenheitspflicht des Gerichtes ein Schutz der Daten hinreichend gewährleistet. Dies werde dadurch bestätigt, dass in der Rechtsprechung zu § 203 StGB anerkannt sei, dass die Offenbarung von Angaben, die unter die strafrechtliche Verschwiegenheitspflicht fielen, zum Zwecke der gerichtlichen Geltendmachung einer Honorarforderung erlaubt sei.
4
Das Schreiben schloss ab mit einem Hinweis, dass sich die Bewertung gemäß der Zuständigkeit des Beklagten allein auf die datenschutzrechtliche Rechtslage beziehe und keine Bewertung anhand von Maßstäben des Strafrechts (etwa von § 203 StGB) oder des anwaltlichen Berufsrechts (etwa § 43a BRAO) enthalte. Es stehe der Klägerin frei, die Prüfung bei den dafür zuständigen Behörden und Stellen anzuregen. Beigefügt war eine Rechtsbehelfsbelehrung:, nach der gegen die Entscheidung Klage zum Verwaltungsgericht Ansbach erhoben werden könne.
5
Mit am 1. Juli 2019 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach eingegangenem Telefax erhob die Klägerin die vorliegende Klage. Der Wert des Interesses liege bei ca. 1.000,00 EUR. Sie stelle den Antrag auf Annahme ihrer Beschwerde gemäß Art. 77 DS-GVO. Nach ihrer Auffassung hätte Herr Rechtsanwalt K. das Kfz-Kennzeichen der Klägerin, den Namen ihres Sohnes, ihre Verletzungen, ihre behandelnden Ärzte und Heilpraktiker, ihre Umsätze und ihren Stundensatz, welche wiederum dem Datenschutz und der Verschwiegenheit unterlägen, unkenntlich machen müssen. Zwar könnten nach Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO und Art. 9 Abs. 2 Buchst. f DS-GVO zur Wahrung eigener Interessen zwingend erforderliche persönliche Daten weitergegeben werden, dies sei aber nur in engen Grenzen zulässig und habe sich auf das Notwendigste zu beschränken. Es sei zu differenzieren, ob es Daten seien, die die Honorarforderung direkt beträfen oder nicht. Bei den genannten Daten handle es sich um den zweiten Fall. Die Ausführungen des Beklagten stünden im Gegensatz zu den Ausführungen der Wirtschaftsprüferkammer vom 13. Februar 2019. Die Wahrnehmung berechtigter Interessen berechtige den Rechtsanwalt auch bezüglich des Datenschutzes nicht, alle persönlichen Daten offenzulegen. Hier hätten die betreffenden Unterlagen entweder beim Gericht nicht eingereicht werden dürfen oder entsprechend geschwärzt werden müssen. Die Klägerin verweise auf das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 28. Oktober 2009 (VIII R 78/05) sowie die Verfügung des Bayerischen Landesamtes für Steuern vom 28. März 2020 bezüglich Auskunftsverweigerungsrechten. Es sei einen Berufsgeheimnisträger zuzumuten, Unterlagen in neutralisierter Form bei Gericht einzureichen. Bei den mündlichen Verhandlungen beim Amtsgericht handle es sich um öffentliche Verhandlungen. Der Publikumsverkehr unterliege nicht den Datenschutz und der Verschwiegenheit. Daher könnten im Hinblick auf den Publikumsverkehr in Gerichtsgebäuden Akten und sonstige Unterlagen mit personenbezogenen Daten vor unbefugter Kenntnisnahme nicht vollständig geschützt werden. Der Datenschutz und die Verschwiegenheit von Berufsgeheimnisträgern gingen so weit, dass ohne Einwilligung nicht einmal die Identität eines Mandanten offengelegt werden dürfe. Entgegen den Ausführungen des Beklagten sei der Schriftverkehr nicht nur beschränkt auf Richter, Rechtsanwalt und Klägerin, sondern werde bei der Verarbeitung von weiteren Personen eingesehen (Poststelle, Sekretariat, IT-Dienstleister etc.). Die Nennung des Namens ihres damals minderjährigen Sohnes habe zudem nichts mit der Honorarforderung des Anwaltes zu tun.
6
Der Beklagte beantragt
Klageabweisung.
7
Zur Vermeidung von Wiederholungen werde auf die Beschwerdeabweisung verwiesen. Kern der Argumentation des Beklagten sei, dass die in Rede stehenden personenbezogenen Daten ausreichend durch die Verschwiegenheitspflicht geschützt seien, der das Gericht und ggf. der gegnerische Anwalt strafrechtlich und nach berufsrechtlichen Verschwiegenheitspflichten unterlägen. Dass die Verhandlungen beim Amtsgericht öffentlich seien, führe zu keinem anderen Ergebnis, denn es sei nicht ersichtlich, dass die hier relevanten personenbezogenen Informationen in der mündlichen Erörterung in der Verhandlung eine Rolle spielen würden. Soweit ausgeführt werde, dass der Schriftverkehr auch von weiteren Funktionsstellen innerhalb des Gerichts zur Kenntnis genommen werden könne, so unterfielen auch diese strafbewehrten Verschwiegenheitspflichten nach § 203 Abs. 2 Nr. 1 StGB, jedenfalls in Verbindung mit dessen Absatz 3. Auch soweit die Klägerin besonders die Nichtschwärzung des Namens ihres Sohnes moniere ergebe sich kein anderes Ergebnis.
8
Die Klägerin hat mit weiteren Schriftsätzen vom 4. November 2020 und vom 30. Januar 2021, auf die Bezug genommen wird, ihren Standpunkt vertieft und ausgeführt, dass ein datenschutzrechtlicher Verstoß vorliege. Diesen habe die zuständige Aufsichtsbehörde zu ahnden.
9
Mit Schreiben vom 8. Juni 2021 hat das Gericht darauf hingewiesen, dass sich der hier geltend gemachte Datenschutzverstoß noch nicht unter der Geltung der DS-GVO ereignet habe. Die Beschwerde der Klägerin an den Beklagten stelle daher keine Beschwerde im Sinne von Art. 77 DS-GVO dar, da eine Verletzung der DS-GVO nicht habe geltend gemacht werden können. Vor Inkrafttreten der DS-GVO habe nach der überwiegenden Meinung in Literatur und Rechtsprechung nur ein Anspruch darauf bestanden, dass die „Eingabe“ entgegengenommen, sachlich und rechtlich geprüft und dem Betroffenen mitgeteilt wird, wie seine Eingabe erledigt wurde (ähnlich einer Petition). Ein Anspruch auf aufsichtliches Einschreiten sei dagegen abgelehnt worden. Daneben sei der Beklagte allein für die Einhaltung datenschutzrechtlicher Vorgaben zuständig.
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Die Beteiligten äußerten sich hierzu mit Schreiben vom 11. Juni 2021 (Beklagter) und vom 29. Juli 2021 (Klägerin). Die Klägerin führte aus, dass das Berufungsverfahren beim Landgericht … erst mit U.v. 6. Juli 2018 geendet habe. Der Datenschutzverstoß sei den Gerichten jeweils angezeigt worden. Falls die DS-GVO hier nicht gelte gälten jedenfalls die RL 95/46/EG und das BDSG sowie die Landesdatenschutzgesetze. § 38 BDSG a.F. sehe die Möglichkeit der Ahndung von Verstößen durch die Aufsichtsbehörden vor, diese seien Bußgeldbehörden und Aufsichtsbehörden.
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Die Beteiligten haben gegenüber dem Gericht auf mündliche Verhandlung verzichtet.
12
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Behördenakten, die dem Gericht vorgelegen haben, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten konnte über die Klage ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, § 101 Abs. 2 VwGO.
14
Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage statthaft und auch im Übrigen zulässig (hierzu 1.). Sie ist jedoch nicht begründet (hierzu 2.).
15
1. Die Klage ist zulässig.
16
a) Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage mit dem Ziel einer Verurteilung des Beklagten zum Ergreifen aufsichtlicher Maßnahmen nach Art. 58 DS-GVO bzw. § 38 Abs. 1 Satz 6, Abs. 5 BDSG a.F. statthaft.
17
aa) Nach Art. 78 DS-GVO hat jede natürliche oder juristische Person unbeschadet eines anderweitigen verwaltungsrechtlichen oder außergerichtlichen Rechtsbehelfs das Recht auf einen wirksamen gerichtlichen Rechtsbehelf gegen einen sie betreffenden rechtsverbindlichen Beschluss einer Aufsichtsbehörde. Gegenstand der Klage, für die nach § 20 Abs. 1 BDSG der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist, muss also ein „rechtsverbindlicher Beschluss einer Aufsichtsbehörde“ sein.
18
(1) Nach dem Erwägungsgrund 143 (Satz 5) zur DS-GVO ist darunter insbesondere auch die Ablehnung oder Abweisung von Beschwerden durch die Aufsichtsbehörde zu verstehen (ebenso Mundil in BeckOK Datenschutzrecht, Stand 1.2.2020, Art. 78 DS-GVO, Rn. 5, 7).
19
Der Beklagte hat vorliegend mit dem Schreiben an die Klägerin vom 31. Mai 2019 ein aufsichtliches Tätigwerden aufgrund von Art. 58 DS-GVO abgelehnt, ausweislich der Überschrift des Schreibens unter Bezugnahme auf Art. 77 DS-GVO. Tatsächlich stellt die „Beschwerde“ der Klägerin vom 29. Dezember 2018 aber keine Beschwerde nach Art. 77 DS-GVO dar. Denn nach Art. 77 Abs. 1 DS-GVO ist die Beschwerde „unbeschadet eines anderweitigen verwaltungsrechtlichen oder gerichtlichen Rechtsbehelfs“, also neben bereits bestehenden Rechtsbehelfen, eröffnet, wenn die betreffende Person der Ansicht ist, dass die Datenverarbeitung „gegen diese Verordnung“ verstößt. Die Klägerin machte und macht vorliegend aber einen Datenschutzverstoß im März 2016 geltend. Nach Art. 99 Abs. 2 DS-GVO gilt die Datenschutz-Grundverordnung (Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der RL 95/46/EG (ABl. L 119/1 v. 4.5.2016) aber erst seit dem 25. Mai 2018. Durch das Verhalten des Rechtsanwalts K. konnte dieser also schon deshalb nicht gegen die DS-GVO verstoßen, da diese zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht galt.
20
Eine Übergangsvorschrift, die die Geltung der DS-GVO auch für Sachverhalte vor diesem Datum anordnet, existiert im deutschen Recht nicht. Eine entsprechende Regelung wäre durchaus möglich gewesen, wie sie beispielsweise das österreichische Recht vorgenommen hat: Dort wurde die Anwendung des neuen Rechts, der DS-GVO, explizit auch für Sachverhalte vor dem Inkrafttreten der DS-GVO angeordnet, wenn die Fälle noch bei den Aufsichtsbehörden liegen (vgl. VGH der Republik Österreich, Beschluss vom 5.6.2020 - VwGO RO 2018/04/0023 - recherchiert über https://rdb.manz.at, zuletzt gefunden am 6.10.2021).
21
Soweit die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 29. Juli 2020 hiergegen einwendet, dass das Berufungsurteil in dem Honorarrechtsstreit erst am 6. Juli 2018, und damit zu einem Zeitpunkt, als die DS-GVO schon galt, erging, ändert dies nichts daran, dass eine Verletzung der DS-GVO durch den Rechtsanwalt K. nicht geltend gemacht werden kann: Denn der in der Beschwerde gegenüber der dem Beklagten geltend gemachte Verstoß war die Offenlegung als Unterfall einer Verarbeitung der personenbezogenen Daten (vgl. Art. 4 Nr. 2 DS-GVO bzw. § 3 Abs. 4 BDSG i.d.F. der Bekanntmachung v. 14. Januar 2003 - BGBl I S. 66) durch diesen Rechtsanwalt. Dies erfolgte aber bereits 2016. Dass sich der 2016 nach Auffassung der Klägerin begangene Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen noch länger auswirkte, ist insoweit unbeachtlich.
22
(2) Da eine Beschwerde i.S.v. Art. 77 Abs. 1 DS-GVO von der Klägerin also nicht erhoben worden war, handelte es sich um eine „Eingabe“ i.S.v. Art. 28 Abs. 4 der RL 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr (ABl. L 281/31 v. 23.11.1995 - RL 95/46/EG), der vor Inkrafttreten der DS-GVO geltenden europäischen Datenschutzrichtlinie.
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Die Entscheidung über die Eingabe stellt aber gleichwohl einen „rechtsverbindlichen Beschluss“ im Sinne von Art. 78 Abs. 1 DS-GVO dar, so dass dagegen gerichtlicher Rechtsschutz nach der genannten Bestimmung der DS-GVO eröffnet ist.
24
Was unter einem „rechtsverbindlichen Beschluss“ im Sinne von Art. 78 Abs. 1 DS-GVO zu verstehen ist, konkretisiert der 143. Erwägungsgrund. Nach dessen Satz 4 ist maßgeblich, dass der Beschluss gegenüber der Betroffenen Person Rechtswirkungen entfaltet. Abgegrenzt wird dies in Satz 6 von rechtlich nicht bindenden Maßnahmen der Aufsichtsbehörden wie von ihr abgegebenen Stellungnahmen und Empfehlungen. Aus der Erwähnung der Ablehnung oder Abweisung von Beschwerden nach Art. 77 DS-GVO im Satz 5 des 143. Erwägungsgrundes lässt sich ableiten, dass ein „verbindlicher Beschluss“ einer Aufsichtsbehörde nicht nur dann vorliegt, wenn ein Verwaltungsakt im Sinne von § 35 VwVfG erlassen wird, sondern vielmehr jede rechtliche Auswirkung auf Rechte des Adressaten, auch unterhalb einer Regelung i.S.v. § 35 VwVfG, ausreicht (Mundil in Beck-OK Datenschutzrecht, Stand 1.2.2020, Art. 78 DSGVO, Rn. 5; vgl. auch VG Ansbach, U.v. 8.8.2019 - AN 14 K 19.00272 - BeckRS 2019, 30069, Rn. 24).
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Mit dem Schreiben 31. Mai 2019 hat der Beklagte zu erkennen gegeben, dass er auf die Eingabe der Klägerin keine aufsichtlichen Maßnahmen ergreifen wird. Dies wirkte sich auf die Rechte der Klägerin aus, so dass ein „rechtsverbindlicher Beschluss“ im Sinne von Art. 78 Abs. DS-GVO vorliegt. Damit ist das Schreiben tauglicher Gegenstand einer Klage nach Art. 78 Abs. 1 DS-GVO i.V.m. § 20 Abs. 1 BDSG.
26
bb) Die Klägerin hat vorliegend keinen förmlichen Klageantrag gestellt, sondern vielmehr nur ausgeführt, dass sie die „Annahme ihrer Beschwerde“ beantrage.
27
Nach ihren Ausführungen im gesamten gerichtlichen Verfahren, insbesondere in ihrem Schreiben vom 4. November 2020, in dem sie ausgeführt hat, dass ein datenschutzrechtlicher Verstoß durch den Rechtsanwalt K. vorliege und die zuständige Aufsichtsbehörde diesen zu ahnden habe, lässt sich ihr Klagebegehren sachgerecht (§ 88 VwGO) dahingehend auslegen, dass es ihr um die Aufhebung der „Abschlussmitteilung“ der Beklagten und die Verurteilung der Beklagten zum Ergreifen von Aufsichtsmaßnahmen nach Art. 58 DS-GVO bzw. § 38 Abs. 1 Satz 6, Abs. 5 BDSG a.F. geht.
28
Eine konkrete aufsichtliche Maßnahme nach Art. 58 DS-GVO wird von der Klägerin dagegen nicht klageweise geltend gemacht (vgl. hierzu VG Ansbach, U.v. 16.3.2020 - AN 14 K 19.00464 - BeckRS 2020, 10429, Rn. 20). Ebenso wenig macht sie geltend, dass ihre Beschwerde bzw. nicht im angemessenen Umfang geprüft und beantwortet wurde i.S.v. Art. 78 Abs. 2 DS-GVO (vgl. hierzu VG Ansbach, U.v. 7.12.2020 - AN 14 K 18.02503 - BeckRS 2020, 41160, Rn. 33 bis 37).
29
Bei den in Art. 58 DS-GVO genannten Maßnahmen, insbesondere bei den Abhilfebefugnissen nach Abs. 2, handelt es sich zum Teil um Maßnahmen, die den Charakter eines Verwaltungsaktes nach § 35 VwVfG aufweisen (z.B. die Anweisung nach Art. 58 Abs. 2 Buchst. c DS-GVO), daneben aber auch um schlichthoheitliches Handeln (z.B. die Warnung nach Art. 58 Abs. 2 Buchst. a DS-GVO) oder um Maßnahmen, für die der Verwaltungsrechtsweg nicht eröffnet ist (Verhängung einer Geldbuße, Art. 58 Abs. 2 Buchst. i i.V.m. Art. 83 DS-GVO). Die Entscheidung der Aufsichtsbehörde, in irgendeiner Weise aufsichtliche Maßnahmen nach Art. 58 DS-GVO zu ergreifen, ergeht daher nicht in der Form eines Verwaltungsaktes. Daher ist auch eine hierauf gerichtete Klage nicht auf den Erlass eines Verwaltungsaktes gerichtet, mithin also keine Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1, 2. Alt. VwGO (i.V.m. § 20 Abs. 2 BDSG). Statthaft ist daher für das von der Klägerin verfolgte Klageziel die allgemeine Leistungsklage (vgl. die ständige Rechtsprechung der Kammer: U.v. 8.8.2019 - AN 14 K 19.00272 - BeckRS 2019, 30069, Rn. 24; U.v. 7.12.2020 - AN 14 K 18.02503 - BeckRS 2020, 41160, Rn. 22).
30
Die Klägerin ist auch klagebefugt, da ein Anspruch auf aufsichtliches Einschreiten jedenfalls möglich ist (VG Ansbach, U.v. 7.12.2020 - AN 14 K 18.02503 - BeckRS 2020, 41160, Rn. 25 und 26).
31
Da es sich um eine allgemeine Leistungsklage handelt war eine Klagefrist auch nicht einzuhalten.
32
2. Die Klage ist jedoch nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen den Beklagten auf ein aufsichtliches Tätigwerden gegen den Rechtsanwalt K.
33
Richtiger Beklagter (passivlegitimiert) ist nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer (U.v. 7.12.2020 - AN 14 K 18.02503 - BeckRS 2020, 41160, Rn. 18; U.v. 8.8.2019 - AN 14 K 19.00272 - BeckRS 2019, 30069, Rn. 28 m.w.N.) wegen § 20 Abs. 5 Nr. 2 BDSG das Landesamt für Datenschutzaufsicht selbst und nicht sein Rechtsträger, der Freistaat Bayern.
34
Vorweg ist festzuhalten, dass die vorliegende Klage ebenso wenig wie die Beschwerde/Eingabe auf die Verletzung von Berufsrecht oder des § 203 StGB gestützt werden kann, da der Beklagte insoweit keine Zuständigkeit besitzt (vgl. Polenz in Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann, Datenschutzrecht, 1. Auflage 2019, DS-GVO Art. 57 Rn. 28). Die diesbezüglichen Ausführungen der Klägerin gehen daher, wie die Beklagte zutreffend ausgeführt hat, an der Sache vorbei und müssen hier nicht weiter gewürdigt werden.
35
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist für die Frage, welcher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage heranzuziehen ist, grundsätzlich das materielle Recht entscheidend (vgl. nur Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 113 Rn. 55 m.w.N.). Die Kammer ging in ihrer bisherigen Rechtsprechung bei allgemeinen Leistungsklagen auf aufsichtliches Tätigwerden der datenschutzrechtlichen Aufsichtsbehörde generell davon aus, dass der maßgebliche Zeitpunkt zur Beurteilung der Sach- und Rechtslage der der gerichtlichen Entscheidung ist (VG Ansbach, U.v. 7.12.2020 - AN 14 K 18.02503 - BeckRS 2020, 41160 Rn. 38), da ein in die Zukunft gerichtetes Handeln begehrt wird (ebenso OVG HH, U.v. 7.10.2019 - 5 Bf 279/17 - juris LS 1 und Rn. 40). Daran hält die Kammer grundsätzlich fest, konkretisiert dies jedoch für die hier streitgegenständliche Fallgestaltung dahingehend, dass zwar für die Frage, welche Maßnahmen bei Vorliegen der Voraussetzungen für ein Tätigwerden der Aufsichtsbehörde nach Art. 58 DS-GVO in Frage kommen, die Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich ist. Dies ändert aber nichts daran, dass damit nicht der von der der DS-GVO selbst materiell-rechtlich vorgegebene zeitliche Anwendungsbereich der DS-GVO verändert werden kann: Ob die DS-GVO anwendbar ist ergibt sich allein aus deren Art. 99 und damit aus den insoweit maßgeblichen materiellen Recht. Im vorliegenden Fall bedeutet dies, dass der vorliegend von der Klägerin geltend gemachte Datenschutzverstoß nicht nach der DS-GVO zu beurteilen ist.
36
Denn nach Art. 99 Abs. 2 DS-GVO gilt die Datenschutzgrundverordnung erst seit dem 25. Mai 2018. Das mit der Beschwerde/Eingabe beanstandete Verhalten des Rechtsanwalts … erfolgte aber noch im Jahr 2016. Wie bereits oben dargestellt wurde, enthält die DS-GVO keine explizite Regelung zu Sachverhalten, die sich vor Geltung der DS-GVO ereignet haben.
37
b) Wie ebenfalls bereits dargestellt wurde, stellt die von der Klägerin erhobene „Beschwerde“ tatsächlich keine solche nach Art. 77 DS-GVO, sondern eine „Eingabe“ i.S.v. Art. 28 Abs. 4 der RL 95/46/EG dar. Denn für vor dem 25. Mai 2018 liegende Verstöße gegen die Datenschutzrichtlinie werden Aufsichtsbehörden und Gerichte grundsätzlich nach dem bisherigen Rechtsregime tätig (Hornung/Spiecker in Simitis/Hornung/Spiecker gen. Döhmann, Datenschutzrecht, 1. Auflage 2019, Art. 99 DS-GVO, Rn. 4).
38
Daneben wird der Begriff „Beschwerde“ allgemein als weitgehender angesehen, als der der „Eingabe“ (so Mundil in BeckOK Datenschutzrecht, Art. 77 Rn. 15). Dies deutet darauf hin, dass der Verordnungsgeber mit der Einführung der „Beschwerde“ in der DS-GVO eine Verstärkung des Rechtsschutzes gegenüber dem bisherigen Recht beabsichtigt hat.
39
Zur Eingabe nach dem vor dem Inkrafttreten der DS-GVO geltenden Recht ging die überwiegende Meinung in Rechtsprechung und Literatur davon aus, dass die Eingabe petitionsähnlich war und die gerichtliche Prüfung sich daher darauf beschränkte, ob die Eingabe entgegengenommen, sachlich und rechtlich geprüft und das Ergebnis mitgeteilt worden war (BayVGH, B.v. 23.3.2015 - 10 C 15.165 - BeckRS 2016, 44250; Döhmann in Simitis, BDSG a.F., 8. Auflage 2014, § 21 Rn. 18; Gola/Schomerus, BDSG, Kommentar, 11. Auflage 2012, § 21 Rn. 6; Körffer in Paal/Pauly, Datenschutz-Grundverordnung, 2. Auflage 2018, Art. 77 Rn. 5; Will, ZD 2020, 97). Ein Anspruch auf aufsichtliches Einschreiten bestehe dagegen nicht (Brink in BeckOK Datenschutzrecht, 22. Edition Stand 1.11.2017, § 38 BDSG, Rn. 51).
40
Aber auch zum neuen Recht vertritt ein nennenswerter Teil der Rechtsprechung und Literatur hinsichtlich der Frage des Prüfungsumfangs des Gerichts bei einer Klage gegen eine negative Beschwerdeentscheidung nach Art. 77 DS-GVO die Auffassung, dass die DS-GVO insoweit keine Änderung der Rechtslage herbeigeführt hat (OVG Rh-Pf, U.v. 26.10.2020 - 10 A 10613/20.OVG - BeckRS 2020, 32257, Rn. 28; VGH BW, U.v. 22.1.2020 - 1 S 3001/19, juris Rn. 51; Schaffland/Holthaus in Schaffland/Wiltfang, DS-GVO/BDSG, Loseblattsammlung, Lfg. 10/20, § 40 BDSG, Rn. 5 - ähnlich, eine gerichtliche Pflicht zur Prüfung der Anwendung der datenschutzrechtlichen Vorgaben durch die Aufsichtsbehörde verneinend Engelbrecht/ZD 2020, 217, 219 f.; im Ergebnis wohl auch Will, ZD 2020, 97, 99).
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Soweit in Rechtsprechung und Literatur zum Prüfungsumfang des Gerichts bei einer Klage gegen eine negative Beschwerdeentscheidung nach Art. 77 DS-GVO vertreten wird, dass jedenfalls unter Umständen ein Anspruch des Beschwerdeführers auf aufsichtliches Tätigwerden gegenüber der Aufsichtsbehörde bestehen kann, wird neben dem bereits erwähnten Wortlautargument mit den Erwägungsgründen 11, 142 und 143 der DS-GVO und Art. 57 Abs. 1 Buchst. f) DS-GVO, der den Aufsichtsbehörden für das Beschwerdeverfahren konkrete Aufgaben zuweist, argumentiert (vgl. OVG HH, U.v. 7.10.2019 - 5 Bf 279/17 - juris Rn. 63 ff.; VG Ansbach, U.v. 7.12.2020 - BeckRS 2020, 41160, Rn. 39; Will ZD 2020, 97, 98; Halder jurisPR-ITR 14/2021, Anm. 6 zu OVG Rh-Pf, U.v. 26.10.2020 - 10 A 10613/20). Der Erwägungsgrund 142 stellt aber wiederum nur auf die „Rechte nach dieser Verordnung“ ab. Für die vorliegende Fallgestaltung, in der aus den genannten zeitlichen Gründen keine Verletzung der DS-GVO möglich ist, es also gerade nicht um eine Verletzung von „Rechten nach dieser Verordnung“ geht, lässt sich aus diesem Erwägungsgrund daher nichts für die Rechtsauffassung der Klägerin ableiten. Die Sätze 4 und 5 des Erwägungsgrundes 143 nennen zwar nicht ausdrücklich „diese Verordnung“, nach ihrem Sinn und Zweck stellen sie jedoch auf die durch die DS-GVO ab ihrem Geltungsbeginn geschaffene Rechtslage ab und sprechen damit ebenfalls gegen einen Gleichlauf des gerichtlichen Prüfungsumfangs vor und nach dem Geltungsbeginn der DS-GVO. Nach dem Erwägungsgrund 11 erfordert ein wirksamer Schutz von personenbezogenen Daten die Stärkung der Rechte der Betroffenen. Diese Stärkung der Rechte der Betroffenen soll aber, wie sich aus dem Gesamtzusammenhang ergibt, gerade durch die DS-GVO erfolgen. Anhaltspunkte dafür, dass diese Stärkung der Rechte der Betroffenen auch für Verstöße vor dem Inkrafttreten der DS-GVO gegen das zu diesem Zeitpunkt maßgebliche materielle Datenschutzrecht gelten soll, lassen sich daraus aber wiederum nicht ableiten.
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Ebenso wenig kann Art. 57 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO für die Begründung eines über das alte Recht hinausgehenden Prüfungsumfangs herangezogen werden. Denn auch diese Bestimmung gilt nur für Beschwerden wegen einer Verletzung der DS-GVO i.S.v. Art. 77 DS-GVO. Dies ist aber wie bereits mehrfach erwähnt hier nicht der Fall.
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Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass das Inkrafttreten der DS-GVO nach deren Art. 99 eine klare Zäsur zwischen dem alten und dem neuen Recht darstellt. Da der deutsche Gesetzgeber - anders als zum Beispiel der österreichische - keine Übergangsvorschrift erlassen hat, die unter bestimmten Umständen eine Anwendung des neuen Rechts auch auf vor deren Geltung begangene Verstöße gegen datenschutzrechtliche Vorschriften angeordnet hat, unterliegen vor diesem Datum erfolgte Verstöße vollständig dem alten Recht.
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Dies bedeutet im vorliegenden Fall, dass sich die gerichtliche Prüfung darauf beschränkt, ob die Eingabe der Klägerin vom Beklagten entgegengenommen, sachlich und rechtlich geprüft und das der Klägerin das Ergebnis der Prüfung mitgeteilt wurde.
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c) Im vorliegenden Fall hat der Beklagte die Eingabe der Klägerin entgegengenommen, wie sich aus der Eingangsmitteilung vom 7. Januar 2019 ergibt.
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Daneben war die Eingabe sachlich und rechtlich zu prüfen.
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Aus den vorgelegten Akten ist zwar nicht erkennbar, dass der Beklagte weitergehende Ermittlungen vorgenommen hat. Angesichts des von der Klägerin vorgelegten, umfangreichen Materials ist aber auch nicht erkennbar, welche Ermittlungen der Beklagte in tatsächlicher Hinsicht noch zur Bearbeitung der Eingabe hätte anstellen müssen. Dass der Beklagte den Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt hätte, wird von der Klägerin im Übrigen auch nicht geltend gemacht.
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Eine umfangreiche rechtliche Prüfung durch den Beklagten ist erfolgt, wie sich aus dem Schreiben an die Klägerin vom 31. Mai 2019 ergibt.
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Schließlich wurde mit diesem Schreiben der Klägerin auch das Ergebnis der Prüfung der Aufsichtsbehörde mitgeteilt.
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Damit wurde die datenschutzrechtliche Eingabe vom Beklagten ausreichend behandelt. Ein weitergehendes Recht auf eine bestimmte aufsichtliche Maßnahme steht der Klägerin nicht zu.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.