Inhalt

LG München I, Teilurteil v. 05.10.2021 – 31 O 16817/19 (2)
Titel:

Leistungen aus einem Vertrag über die Vermittlung von Versicherungen

Normenketten:
HGB § 87c
ZPO § 33, § 254, § 301, § 318, § 331a, § 337
Leitsätze:
1. Eine schuldhafte Säumnis (§ 337 ZPO) liegt auch dann vor, wenn der Prozessbevollmächtigte nicht das ihm Mögliche und Zumutbare getan hat, um dem Gericht rechtzeitig seine Verhinderung mitzuteilen. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Buchauszug muss alles enthalten, was sich aus allen dem Unternehmer verfügbaren schriftlichen Unterlagen im Zeitpunkt der Ausstellung des Buchauszugs über die fraglichen Geschäfte ergibt und nach der getroffenen Provisionsvereinbarung für die Berechnung der Provision von Bedeutung sein kann. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Vermittlung, Versicherung, Vermittlervertrag, Säumnis, Buchauszug, Provision, Stufenklage, Wider-Stufenklage, Auskunftsanspruch, Bindung
Rechtsmittelinstanzen:
OLG München, Hinweisbeschluss vom 27.02.2024 – 23 U 8369/21
OLG München, Beschluss vom 26.04.2024 – 23 U 8369/21
OLG München, Beschluss vom 14.05.2024 – 23 U 8369/21
OLG München, Beschluss vom 19.06.2024 – 23 U 8369/21
Fundstelle:
BeckRS 2021, 31785

Tenor

1. Die Wiederklage auf Bucheinsicht wird abgewiesen. 
2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar 

Tatbestand

1
Die Parteien schlossen am 4./11. Mai 2016 einen Vertrag über die Vermittlung von Versicherungen für die Klägerin und deren Kooperationspartner Aachener Bausparkasse, Barmenia Krankenversicherung auf Gegenseitigkeit, ARAG Rechtsschutz, Württembergische Versicherung sowie Fondsanlagen (Anlage K 1). Der Beklagte und Widerkläger vermittelte Lebensversicherungen und Rentenversicherungen, Sachversicherungen und andere Versicherungen an die Kooperationspartner. Der Vermittlervertrag wurde zum 31.12.2017 beendet.
2
Die Provision für Lebensversicherungen errechnet sich als 3% der Bewertungssumme des jeweiligen Vertrags. Die Bewertungssumme ist der zwölffache Monatsbeitrag mal die Beitragszahlungsdauer in Jahren mal Faktor Beitragszahlungsdauer (bis zu einer Laufzeit von 35 Jahren 0,88, bei einer längeren Laufzeit sinkt der Faktor Beitragszahlungsdauer entsprechend der Provisionstabelle Leben Anlage K 3). Der Vergütungsanspruch ist fällig am Ende des Monats, in dem die vertraglich erforderliche Anzahl von Beiträgen entrichtet wurde (gesonderte Provisionsvereinbarung). Er entfällt, wenn feststeht, dass der Versicherungsnehmer nicht leistet und reduziert sich, wenn dieser nur anteilig leistet.
3
Die Klägerin hat den als Anlage K 15 vorgelegten Buchauszug am 17.12.2019, einen Tag nach Zustellung der Widerklage, erstellt. Dieser wurde in Papier mit Lochung den Gerichtsakten und dem Beklagten Vertreter vorgelegt. Am 28. 7. 2020 erstellte sie einen neuen Buchauszug betreffend den Zeitraum 5 2012-6 2020 bezogen auf Eintrittsdatum 01.05.2016 und Austrittsdatum 31.12.2017 und legte diesen als Anlage K 16 vor.
4
Die Klägerin trägt vor, bei Erstellung des als Anlage K 15 vorgelegten Buchauszugs hätten naturgemäß die Daten bis einschließlich November 2019 aufgenommen werden können, da etwaige Daten erst im Folgemonat in den Buchauszug aufgenommen werden können. Dies mache den als Anlage K 15 erstellten Buchauszug selbstverständlich nicht unbrauchbar. Nachdem der Beklagte dies beanstandet habe, sei der als Anlage K 16 vorgelegte Buchauszug erstellt worden. Dieser sei geordnet. In den Buchauszug seien lediglich die provisionsrelevanten Daten aufzunehmen. Der Buchauszug benenne - sofern es nicht Kooperationspartner anbelangt - den vollständigen Namen des Versicherungsnehmers, das Geburtsdatum und den Wohnort in der ersten, grau hinterlegten Spalte, die mit Versicherungsnummer beginnt. In der Rubrik Tarif/Sparte wird beschrieben, um welche Sparte es sich handelt, wenn „LKW“ als Tarif/Sparte benannt sei, handele es sich offensichtlich um einen KfZ-Vertrag. Wenn dort „Tier“ angegeben sei, handele es sich um einen Tierhaftpflichtversicherungsvertrag bei „RNT“ handele es sich um einen Rentenversicherungsvertrag mit Normaltarifierung. Die Versicherungsscheinnummern seien im Buchauszug in absteigender Reihenfolge - demgemäß chronologisch absteigend - aufgeführt. Es treffe nicht zu, dass Vertragsdaten aus den Jahren 2016 oder 2017 fehlen. Die Klägerin meint, der von ihr erstellte Buchauszug umfasse sämtliche provisionsrelevante Daten. Dies seien Vertragsnummer, Name des Versicherungsnehmers, dessen Geburtsdatum und dessen Wohnsitz, Tarif beziehungsweise Versicherungssparte, Datum der Bearbeitung, das sei im Rahmen eines Neugeschäfts das Datum der Policierung des Vertrags. Die Angabe, ob es sich um Neugeschäft oder Bestandsgeschäft handelt unter Vorgangsart, Vertragsänderungen mit jeweiligen Daten und Grund der Änderung, Prämienbeitrag, Laufzeit des Versicherungsvertrags, gegebenenfalls eine vereinbarte Dynamik; Versicherungsvermittler, der den Vertrags vermittelt hat; Vermittler, der den Vertrag bearbeitet hat, ersichtlich aus der Vermittlernummer; bei Provisionsbuchungen zu welchem Abrechnungsdatum relevante Abrechnungen vorgenommen wurden, Produktionsmonat einer provisionsrelevanten Buchung, Tarif, Sparte und Versicherungsart, Stornohaftungszeit in Monaten, bezahlte Monate, Provisionsbasis, Produktionssumme, Berechnungsgrundlage der Provisionsberechnung, Provisionsssatz, sich ergebende Gut- oder Lastschrift, Provisionsart, gegebenenfalls zu provisionsrelevanten Buchungen Nachbearbeitungsmaßnahmen und aufgrund welcher Umstände der Vertrag abgeändert oder beendet wurde. Für Abkürzungen lägen erklärende Anhänge bezogen auf Vertragsdaten und Provisionsdaten bei.
5
In der Anlage K 16 seien die 13 Kooperationsverträge farblich markiert. Die Klagepartei sei betreffend dieser Verträge nicht Unternehmer im Sinne des § 87c HGB, sondern trete als Vertreter gegenüber dem jeweiligen Kooperationspartner auf. Die Vermittlung erfolge für die Klägerin, § 1 Ziffer 2 Satz 3 des Vertretervertrags. Die Klagepartei erfasse die Anträge, die der Beklagte für Kooperationspartner vermittelt, nicht. Im Fall der Annahme des eingereichten Antrags werde vom Kooperationspartner an die Klagepartei bezahlt und dieser leite die Provisionen an den Beklagten weiter beziehungsweise stelle die Provision in das Kontokorrent ein. Zur Befriedung habe die Klägerin gleichwohl versucht, Auskünfte von den Kooperationspartnern einzuholen, was aber nur bedingt erfolgreich gewesen sei. Stornogründe seien im Buchauszug angegeben, soweit sie provisionsrelevant seien. Der Beklagte sei hier informiert worden, dass sich der Überschussssatz des Vertrags reduziert hat, beziehungswiese dieser angepasst wurde. Provisionsrelevant sei dies vorliegend nicht gewesen. Die Angaben zum Wagnis seien richtig. Die in der Anlage K 13 mit STO markierten Versicherungsverträge seien im Sinne der Provisionsvereinbarungen nicht bestandskräftig geworden.
6
Die Anlage K 16 weise keine Lochung auf. Sofern diese beim Beklagten vorhanden sei, müssten die Unterlagen in der Kanzlei des Beklagtenvertreters gelocht worden sein. Der Zahlungseingang sei nicht provisionsrelevant. Die Entstehung des Provisionsanspruchs setze die Annahme des vermittelten Vertrags, mithin dessen Policierung, durch den Versicherer voraus. Das Policierungsdatum sei dem Buchauszug unter der Rubrik Vorgangsdaten, dort Bearbeitungsdatum, zu entnehmen.
7
Die Klägerin beantragt:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 23.645,98 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
8
Der Beklagte beantragt: Klageabweisung.
9
Der Beklagte erhob zunächst Widerklage auf Erteilung eines Buchauszugs. Zuletzt nahm er Abstand vom Widerklageantrag auf Bucheinsicht und beantragt zuletzt:
Die Widerbeklagte wird verurteilt, nach ihrer Wahl entweder dem Widerkläger oder einem vom Widerkläger zu bestimmenden Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchsachverständigen Einsicht in die Geschäftsbücher, Urkunden, sonstigen Unterlagen bzw. Computer- und EDV-Systeme zu gewähren, welche die seitens des Widerklägers vermittelten und im Sinne des § 87 Abs. 3 Nr. 1 HGB angebahnten Geschäfts betreffen und zwar für den Abrechnungszeitraum vom 01.05.2016 bis zur Rechtshängigkeit, soweit dies zur Feststellung der Richtigkeit und/oder Vollständigkeit der widerbeklagtenseitigen Datenlisten bzw. Buchauszüge (Anlagen K 15 und K 16) erforderlich ist.
sowie
Die Klägerin wird widerklagend verurteilt, an den Beklagten sie sich ergebenden Provisionen nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit Fälligkeit bzw. 9 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Hilfsweise, soweit das Gericht eine Erledigungserklärung für erforderlich hält, beantragt er, die Widerklage für erledigt zu erklären.
10
Die Klägerin und Widerbeklagte beantragt,
die Widerklage abzuweisen.
11
Der Beklagte und Widerkläger erhebt die Einrede des Zurückbehaltungsrechts. Dieses stehe ihm zu, da er eventuell ungeklärte Provisionsrückforderungsansprüche erst nach Erteilung des Buchauszugs klären könne. Die Anlage K 15 enthalte keine Angaben zu betreuten und angebahnten Geschäften. Er sei insoweit unvollständig. Weiter habe der erste Buchauszug vom 17.12.2019 nur den Zeitraum bis November 2019 umfasst. Es fehlten also 16 Tage.
12
Die Klägerin verwende die Sparte „sonstige“. Darunter könne man sich keine bestimmte Versicherungssparte vorstellen. Zudem tauchten dort Änderungen zum 01.01.2018 auf. Diese hätten mit den Vertragsjahren 2016 und 2017 nichts zu tun. Beim ARAG Kunden Lothar wisse man nicht, wie dieser mit Nachnamen heißt ebenso wenig bei der Haftpflichtkundin Anne-Rose. Der Eingang der Versicherungsbeiträge sei für deren Fälligkeit relevant.
13
Zudem sei keine Ordnung erkennbar. Die Beklagte beauskunfte auch Unnötiges wie Provisionssätze, Provisionsbasis, Gut- und Lastschrift und Status.
14
Zur Versicherungsscheinnummer 50141227 mache die Klägerin Angaben zur Vertragsart/Wagnis, die unverständlich seien. SB werde in den Anlagen nicht erläutert. Vereinzelt fehle also der vollständige Kundenname, die Anschrift des Kunden, vereinzelt das Geburtsdatum des Kunden und das der versicherten Person, soweit dies e vom Kunden abweiche, das Antragsdatum, das Policierungsdatum, der Vertragsbeginn sei unklar, ebenso die Art des Vertrags insbesondere der Versicherer/die zeichnende Gesellschaft, vereinzelt das versicherte Risiko/Wagnisart, die Risikoanschrift, die Produktbezeichnung/Sparte, häufig die Tarifbezeichnung, Nettobeiträge je Tarif unter Angabe der Zahlweise und der Angabe des Zahlungseingangs bei SUH und Rechtsschutz.
15
Mit ihren sogenannten Buchauszügen sei die Widerbeklagte ihrer Pflicht zur Überlassung eines Buchauszugs nur unzureichend nachgekommen. Ein ordnungsgemäßer Buchauszug liege bis heute nicht vor. Begründete Zweifel im Sinne des § 87 c Abs. 4 HGB lägen bereits dann vor, wenn auch nur in einem Punkt begründete Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit des Buchauszugs bestünden. Der Beklagte müsse daher nur Unsicherheit in Bezug auf Vertrauen, Tatsachen, Entscheidungen oder Behauptungen beziehungsweise Vermutung von Tatsachen durch schlüssige Darlegung begründen. Bereits der Umstand, dass ein 2. Buchauszug geliefert werde, belege dass der Schuldner bei der Erstellung des ersten Buchauszugs nicht mit der erforderlichen Sorgfalt vorgegangen sei. Vorliegend sei der Buchauszug um 16 Tage ergänzt worden, was belege, dass der Buchauszug ergänzungsbedürftig gewesen sei.
16
In der mündlichen Verhandlung vom 17.08.2021 wurden die Zeugen L. und K. entsprechend dem Beweisbeschluss vom 04.05.2021 vernommen.
17
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, die Protokolle der mündlichen Verhandlungen und sonstige Aktenbestandteile.

Entscheidungsgründe

A.
18
Die Wider-Stufenklage ist nach §§ 33, 254 ZPO zulässig.
19
Einer Entscheidung nach Aktenlage gemäß § 331a ZPO war nach entsprechendem Antrag des Klägervertreters in der mündlichen Verhandlung vom 17.08.2021 nachzukommen. Der Sachverhalt der Stufenklage war für eine derartige Entscheidung hinreichend geklärt und es wurde vorab bereits mehrfach mündlich verhandelt. Im Weiteren war der Beklagtenvertreter schuldhaft säumig im Sinne von § 337 ZPO. Eine schuldhafte Säumnis liegt auch dann vor, wenn der Prozessbevollmächtigten nicht das ihm Mögliche und Zumutbare getan hat, um dem Gericht rechtzeitig seine Verhinderung mitzuteilen (BGH, Urteil vom 03.11.2005, I ZR 53/05). Der Beklagtenvertreter hat ein Attest vom 16.08.2021 vorgelegt, aufgrund dessen er vom 12.08.2021 bis 18.08.2021 arbeitsunfähig sei. Bei der Unterstellung des aus Sicht des Gerichts bereits inhaltlich fragwürdigen Attestes, in dem der bescheinigende Arzt lediglich eine Einschränkung der Konzentrationsfähigkeit als nachvollziehbar bescheinigt, war der Beklagtenvertreter jedoch bereits seit dem 12.08.2021 arbeitsunfähig. Er hätte vom 12.08.2021 bis 17.08.2021 ausreichend Zeit gehabt dem Gericht rechtzeitig seine Verhinderung mitzuteilen. Die Richterin war insbesondere am 16. August durchgängig telefonisch erreichbar, ebenso die Geschäftsstelle, die der Richterin andere Telefonate durchstellte. Bereits in diesem Zuwarten der Information des Gerichts liegt ein schuldhaftes Versäumnis im Sinne der oben genannten Rechtsprechung (vergleiche zu einem parallelen Fall OLG Jena, Urteil vom 22. Dezember 2009, 5 U 122/09, Beck RS 2010,8870 zur Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eine Woche vor dem Termin und Arbeitunfähigkeit bis nach dem Terminstage).
20
Ein Teilurteil nach § 301 ZPO darf nur ergehen, wenn die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen ausgeschlossen ist. Im Falle einer Stufenklage darf das Gericht zunächst nur über den Auskunftsanspruch (hier: Ansprüche auf Buchauszug und Abrechnung verhandeln und durch Teilurteil hierüber entscheiden) eine Entscheidung über den auf der letzten Stufe der Klage verfolgten Anspruch ist grundsätzlich nicht zulässig (BGH NJW 1989, 2821). Die auf die Stufenklage ergangene Entscheidung über den Auskunftsanspruch erwächst im Hinblick auf den auf der letzten Stufe verfolgten Anspruch (Zahlungsanspruch) nicht in Rechtskraft und entfaltet insoweit auch keine Bindung i. S. von § 318 ZPO. Eine einheitliche Entscheidung über die mehreren in einer Stufenklage verbundenen Anträge kommt nur dann in Betracht, wenn schon die Prüfung des Auskunftsanspruchs ergibt, dass dem Hauptanspruch die materiellrechtliche Grundlage fehlt (BGH NJW 2002, 1042 m. w. N.). Das ist hier jedoch nicht der Fall. Auch die Möglichkeit, mit dem Teilurteil zur ersten Stufe der Stufenklage ein Grundurteil über den Zahlungsanspruch der weiteren Stufe zu verbinden, kommt nicht in Betracht, weil im Streitfall nicht feststeht, ob überhaupt ein Zahlungsanspruch der Beklagten gegeben ist (vgl hierzu BGH NJW-RR 2011, 189).
21
Da die Gefahr einander widersprechender Teilurteile über die auf den einzelnen Stufen einer Stufenklage geltend gemachten Ansprüche hingenommen wird, kann grundsätzlich nichts anderes gelten, wenn der Stufenklage ein im Wege der Widerklage oder - wie hier - im Wege der vor der Stufenwiderklage erhobenen Klage erhobener Anspruch gegenüber steht, der mit den durch die Stufenklage verfolgten Ansprüchen materiellrechtlich verknüpft ist. In einem solchen Fall gilt das Teilurteilsverbot bei Gefahr einander widersprechender Entscheidungen, das auch sonst nicht uneingeschränkt besteht nicht. Anderenfalls könnte im Ergebnis weder über die Klage noch über die Widerklage entschieden werden. Denn einerseits dürfte über den Auskunftsanspruch (isoliert) wegen der Gefahr eines Widerspruchs zu der später zu treffenden Entscheidung über den vom Gegner des Auskunftsanspruchs erhobenen Anspruch nicht entschieden werden. Andererseits darf auch nicht über die beiden zuvor genannten Ansprüche zusammen entschieden werden, weil dann ein Widerspruch zu der im weiteren Verfahren zu treffenden Entscheidung über den auf der letzten Stufe geltend gemachten Zahlungsanspruch nicht auszuschließen wäre (so ausdrücklich BGH Urteil vom 16. 6. 2010 - VIII ZR 62/09, NJW-RR 2011, 189 m.w.N.).
B.
22
Die Widerklage war jedoch im 1. Stufe als unbegründet abzuweisen, da dem Beklagten kein Recht auf Einsicht nach § 87c Abs. 4 HGB mehr zusteht. Der Beklagtenvertreter hat in der mündlichen Verhandlung vom 09.02.2021 (Blatt 202 ff.) von dem bisher bislang geltend gemachten Widerklageantrag Abstand genommen und nur mehr Bucheinsicht beantragt. Voraussetzung für einen solchen Bucheinsichtsanspruch sind, dass ein Buchauszug verweigert wird oder begründete Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Abrechnung oder des Buchauszugs bestehen. Die Klägerin hat einen Buchauszug vorgelegt vom 28.07.2020 (K 16).
23
Nach Überzeugung des Gerichts bestehen keine begründeten Zweifel an der Richtigkeit bzw. Vollständigkeit dieses Buchauszugs im Sinne von § 87c Abs. 4 HGB.
24
Ein Buchauszug muss nach ständiger Rechtsprechung alles enthalten, was sich aus allen dem Unternehmer verfügbaren schriftlichen Unterlagen im Zeitpunkt der Ausstellung des Buchauszugs über die fraglichen Geschäfte ergibt und nach der getroffenen Provisionsvereinbarung für die Berechnung der Provision von Bedeutung sein kann (BGH NJW 2001,2333; OLG München ZVertriebsR 2019,372). Nach § 87c Abs. 2 HGB muss der Auszug die zum Zeitpunkt seiner Aufstellung für die Berechnung, Höhe und Fälligkeit der Provision des Handelsvertreters relevanten geschäftlichen Verhältnisse in klarer und übersichtlicher Weise vollständig widerspiegeln, soweit sie sich aus den Büchern des Unternehmers entnehmen lassen. Nur dann kann sein Zweck erfüllt werden, dem Handelsvertreter über seine Provisionsansprüche Klarheit zu verschaffen und ihm eine Nachprüfung der vom Unternehmen erteilten oder noch zu erteilenden Provisionsabrechnung zu ermöglichen (BGH NJW 1996,588). Der Buchauszug muss alle aus den Büchern des Unternehmers ersichtlichen Angaben enthalten, die für die Berechnung der Provision von Bedeutung sein können (BGH NJW 1981,457). Daraus folgt nach allgemeiner Meinung, dass der Buchauszug alle zur Ausführung gelangten provisionspflichtigeren Geschäfte enthalten muss. Er muss für den Zeitpunkt seiner Aufstellung eine bis ins Einzelne gehende Bestandsaufnahme der Kundenbeziehungen des Unternehmers, soweit sie die Provisionsansprüche des Handelsvertreters berühren, darstellen (OLG Saarbrücken NJW-RR 2002,391).
25
Nach der Beweisaufnahme konnte das Gericht die Überzeugung bilden, dass der Buchauszug in Anlage K 15 alle wesentlichen Informationen wie Name, Geburtsdatum, Anschrift der Versicherungsnehmer, Tarif, Beginn, Ende, Beitrag, Zahlungsweise, Status sowie Provisionsbuchungen für die eigenen Verträge der Klägerin umfangreich enthalten. Es handelt sich um geordnete und ausreichende Informationen, um die Höhe die Fälligkeit der Provisionen hieraus ermitteln zu können. Auch sind Stornierungen, Provisionssätze angegeben. Wenn der Widerbeklagte aus seiner Sicht einzelne Angaben als unnötig betrachtet, so erschweren sie jedenfalls die Übersicht und das Verständnis des Auszugs nach Überzeugung der Richterin nicht, so dass die Frage offen blieben kann, ob unnötige Angaben enthalten sind.
26
Bei einzelnen Kooperationsverträgen fehlen in der Tat Angaben. Erforderlich ist jedoch nach der zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass alle Informationen aufgenommen werden, die dem Unternehmen zur Verfügung stehen. Der vorgelegte Buchauszug enthält nach der Überzeugung des Gerichts alle Informationen, die der Klägerin zum maßgeblichen Zeitpunkt verfügbar waren. Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 17.08.2021 die Zeugen L. und K. vernommen. Nach den für das Gericht nachvollziehbaren und überzeugenden Aussagen der Zeugen steht für die entscheidende Richterin fest, dass die Klägerin nicht Informationen weggelassen hat, die der Beklagte für die Provisionsberechnet benötigt. Der Zeugen L. hat in der mündlichen Verhandlung am 17.08.2021 verständlich und umfassend erläutert, dass die Klägerin bei Verträgen mit Kooperationspartnern andere und häufig deutlich weniger Daten als über eigene Verträgen hat; dass die Klägerin rudimentäre Daten von Kooperationspartnern erhält, was auf verschiedenen IT-Systemen beruht. Auch dass man die jeweils übermittelten Daten nicht vergleichen kann, selbst bei Daten aus einem Konzern, aufgrund von Aufkäufen von Versicherungen. Dies könne auch zu Doppelung führen wie bei dem Vertrag DA01257018B bzw. 80/0570/0018294. Der Zeuge L. hat nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, dass die Klägerin ursprünglich nicht die Information hatte, dass es sich dabei um denselben Vertrag handelt. Die Klägerin hat in Buchauszug nur das aufgenommen und weitergegeben, was ihr gemeldet wurde. Anlässlich dieses Verfahrens und der Zeugeneinvernahme habe der Zeuge jedoch dann bei der Allianz nachgefragt und im Nachgang die Information halten, dass es sich um denselben Vertrag handelt. Die doppelte Nennung ist auf die den Wechsel des Bestandssystems der Allianz zurückzuführen. Die Klägerin hat bei Kooperationspartnern im vorliegenden Buchauszug nach der nachvollziehbaren Aussage des Zeugen das weitergegeben, was sie von Kooperationspartner Informationen erhalten hat und wie diese zum eigenen System passen. Es besteht an sich keine Pflicht für die Klägerin weitere Informationen zu erfragen, sondern nur die bekannten und in den Büchern/Systemen befindlichen Informationen mitzuteilen.
27
Das Gericht hat sich weiter die Überzeugung gebildet, dass bei Not leidend gewordenen Versicherung grundsätzlich und systematisch eine Bestandserhaltung in Gang gesetzt wird und dass dies im konkreten Fall auch so verfahren wurde. Dass die konkreten Schritte der Bestandserhaltung nicht im Buchauszug angegeben wurden, sondern nur ob der Kunde aktiv ist oder eine Stornierung erfolgte, ist unbeachtlich solange die Erhaltungsmaßnahmen nach entsprechenden Systemen durchgeführt wurden. Der Zeuge K. hat dem Gericht in seiner Einvernahme überzeugend dargelegt, dass und wie eine Bestandserhaltung bei der Klägerin durchgeführt wurde.
28
Dass der erste Buchauszug wegen Lochung und zu kurzen Zeitraums nämlich nur bis 11/2019, obwohl Rechtsfähigkeit am 16.12.2019 eingetreten ist, erneuert bzw. ergänzt wurde, begründet aus Sicht des Gerichts keinen Grund an der Vollständigkeit des Buchauszugs zu zweifeln. Diese Anlage K16 ist bei Gericht nicht gelocht, es besteht durchaus die Möglichkeit, dass die Lochung im Bereich des Beklagtenvertreters erfolgt ist. Aus der Vorlage des zweiten Buchauszugs aufgrund des geringfügig verlängerten Zeitraumes sowie der als Papiervorlage erfolgten Lochung kann nicht geschlossen werden, dass fehlerhaft gearbeitet wurde, hieraus sind keine Zweifel hinsichtlich der Richtigkeit und Vollständigkeit zu ziehen.
C.
29
Über die Kosten ist im Schlussurteil zu entscheiden. Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 713 ZPO.