Titel:
Vormerkung für eine öffentlich geförderte Wohnung, Dringlichkeitsfestsetzung, Wohnungslosigkeit, minderjähriger Sohn, getrennt von Klägerin lebend
Normenkette:
BayWoBindG Art. 5
Schlagworte:
Vormerkung für eine öffentlich geförderte Wohnung, Dringlichkeitsfestsetzung, Wohnungslosigkeit, minderjähriger Sohn, getrennt von Klägerin lebend
Fundstelle:
BeckRS 2021, 31637
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die … geborene Klägerin wendet sich gegen die im Bescheid der Beklagten vom 4. Februar 2021 vorgenommene Dringlichkeitsbewertung ihres Antrags auf Vormerkung für eine öffentlich geförderte Wohnung.
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Die Klägerin wohnt derzeit in einer therapeutischen Wohngemeinschaft für Frauen mit einer seelischen Behinderung in München, getrennt von ihrem 20** geborenen Sohn, welcher derzeit in S* … bei seiner Großmutter, der Mutter der Klägerin, lebt. Seitens des zuständigen Jugendamtes wurde der Klägerin die Rückführung des Sohnes in Aussicht gestellt, wenn die Klägerin eine feste Wohnung für sich und ihren Sohn gefunden hat.
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Am ... Februar 2021 beantragte die Klägerin bei der Beklagten unter Nutzung des Antragsformulars der Beklagten die Vormerkung für eine öffentlich geförderte Wohnung. Dabei beantwortete die Klägerin unter dem Punkt „weitere Haushaltsangehörige“ die Frage, ob noch weitere Personen zum Haushalt der Klägerin gehören würden, die mit in die neue Wohnung einziehen sollen, mit Nein. Unter dem Punkt „Weitere Mitteilungen“ gab die Klägerin u.a. an, dass ihr Sohn derzeit getrennt von ihr lebe und sie dringend auf der Suche nach einer Wohnung sei, um wieder mit ihrem Sohn zusammenleben zu können. Des Weiteren legte die Klägerin eine an zwei Ecken abgeschnittene Ablichtung einer Vereinbarung mit dem Jugendamt vor, worauf sich ein Vermerk mit Datum 25. Oktober 2020 mit folgendem Inhalt abgedruckt war: „Rückführung, wenn Frau R. eine feste Wohnung für sich und ihren Sohn gefunden hat“
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Mit streitgegenständlichen Bescheid der Beklagten vom 4. Februar 2021 wurde die Klägerin als Einzelperson für eine öffentlich geförderte Wohnung vorgemerkt (Nr. 1). Als angemessene Wohnungsgröße wurden 2 Wohnräume festgesetzt (Nr. 2), damit die Klägerin ihr Umgangsrecht hinsichtlich ihres Sohnes wahrnehmen könne. Die Dringlichkeit des Antrags wurde unter Verweis auf die derzeitige Wohnungslosigkeit der Klägerin mit insgesamt 120 Punkten festgesetzt (Nr. 4).
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Mit bei Gericht am 10. Februar 2021 eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin dagegen Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erhoben, ohne einen bestimmten Antrag zu stellen.
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Zur Begründung trug die Klägerin im Wesentlichen vor, sie lebe seit 2015 als Obdachlose in München, derzeit in einem Obdachlosenheim. Ihr Kind sei ihr vom Jugendamt weggenommen worden, bis sie eine feste Wohnung gefunden habe. Ferner trug sie vor, die Dringlichkeit ihrer Anträge sei bereits in den Jahren 2016 bis 2019 mit 118 bis 120 Gesamtpunkten bewertet worden, ohne dass die Punktzahl mit zunehmender Dauer ihrer Bemühungen angestiegen wäre.
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Die Beklagte hat beantragt,
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Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus, der Klägerin seien wegen Wohnungslosigkeit entsprechend der einschlägigen Dienstanweisung der Beklagten bereits die Maximalzahl von 120 Grundpunkte zuerkannt worden. Zusätzliche Vorrangpunkte hätten nicht zuerkannt werden können, da der Sohn der Klägerin derzeit nicht im Haushalt der Klägerin lebe und auch eine Rückführung des Sohnes in den Haushalt der Klägerin derzeit nicht absehbar sei. Davon ausgehend, dass der Klägerin ein Umgangs- bzw. Besuchsrecht obliege, sei der Sohn der Klägerin jedoch bei der Festsetzung der angemessenen Wohnungsgröße berücksichtigt worden.
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Mit Beschluss vom 13. April 2021 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
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In der mündlichen Verhandlung ist die Klägerin nicht erschienen.
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Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Über den Rechtsstreit konnte auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 6. Mai 2021 entschieden werden, obwohl die Klägerin nicht erschienen ist. Denn in der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO). Die Klägerin wurde auch unter Wahrung einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen geladen (§ 102 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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I. Das Gericht legt die Klage gemäß §§ 86 Abs. 3, 88 VwGO dahingehend aus, dass die Klägern lediglich unter Aufhebung von Nr. 4 des Bescheids vom 4. Februar 2021 die Verpflichtung der Beklagten begehrt, die Dringlichkeit ihrer Wohnungssuche mit mehr als 120 Gesamtpunkten festzusetzen.
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Dass sich die Klägerin über die Dringlichkeitsfestsetzung hinaus auch gegen die in Nr. 1 des Bescheides enthaltende Entscheidung der Beklagten wendet, die Klägerin lediglich als Einzelperson und nicht als 2-Personen-Haushalt zusammen mit ihrem minderjährigen Sohn für eine öffentlich geförderte Wohnung zu registrieren, kann dem Vortrag der Klägerin mit den Mitteln der Auslegung hingegen nicht entnommen werden. Zwar hätte eine Mitregistrierung des Sohnes in Nr. 1 des Bescheids - anders als der in Nr. 2 im Rahmen der Festsetzung der angemessenen Wohnungsgröße zuerkannte zweite Wohnraum für die Ausübung des Umgangsrechtes - indirekt Einfluss auf die in Nr. 4 ausgesprochene Dringlichkeitsfestsetzung, da nur erfasste Haushaltsmitglieder Vorrangpunkte generieren können. Auch hat die Klägerin die Unrechtmäßigkeit der derzeitigen Dringlichkeitsfestsetzung u.a. damit begründet, dass sie eine eigene Wohnung benötige, um wieder mit ihrem Sohn zusammenleben zu können, so dass es rein objektiv betrachtet sicherlich im Interesse der Klägerin wäre, in Nr. 1 des Bescheids zusammen mit ihrem Sohn als 2-Personen-Haushalt registriert zu werden, als lediglich als Einzelperson mit weiterem Wohnraum zwecks Ausübung des Umgangs- bzw. Besuchsrechts. Jedoch hat die Klägerin weder im Verwaltungsverfahren, insbesondere im Antragsformular, noch in den Schriftsätzen an das Gericht explizit oder konkludent zum Ausdruck gebracht, dass sie als 2-Personen-Haushalt registriert werden möchte. Vielmehr hat sie im Antragsformular der Beklagten die explizite Frage, ob noch weitere Personen als Mitglieder des zukünftigen Haushaltes erfasst werden sollen, mit Nein beantwortet.
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II. Die so ausgelegte Klage ist zwar zulässig, jedoch unbegründet.
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Die in Nr. 4 des streitgegenständlichen Bescheids vorgenommene Dringlichkeitsfestsetzung ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Insbesondere hat die Klägerin keinen Anspruch auf Festsetzung einer höheren Dringlichkeit.
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Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist Art. 5 BayWoBindG. Die Landeshauptstadt München gehört zu den Gebieten mit erhöhtem Wohnungsbedarf. Die Beklagte hat als zuständige Stelle in Bezug auf Sozialwohnungen nach Art. 5 Satz 2 BayWoBindG gegenüber den Verfügungsberechtigten ein Benennungsrecht. Dieses Benennungsrecht ermächtigt die zuständige Behörde aus Gründen der Praktikabilität auch, vor der eigentlichen Benennung eine rechtlich verbindliche Vorentscheidung über die Voraussetzungen der Wohnberechtigung und über den Grad der sozialen Dringlichkeit zu treffen. Diese Vorentscheidung erfolgt durch Aufnahme in eine nach Dringlichkeitsstufen und Punkten differenzierende Vormerkkartei, wobei es sich um einen im Ermessen der Behörde stehenden Verwaltungsakt handelt (BayVGH vom 23.9.1987, DWW 1988, 55).
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1. Zur gleichmäßigen Ermessensausübung hat die Beklagte eine Punktetabelle erstellt. Es handelt sich dabei um eine ermessensbindende interne Richtlinie, deren konsequente Anwendung dem Gleichbehandlungsgrundsatz entspricht und die regelmäßig zu einer Selbstbindung der Verwaltung führt. Diese Punktetabelle ist ein geeignetes Mittel, um die Bewertung der sozialen Dringlichkeit transparent zu machen und dem Grundsatz der Gleichbehandlung Rechnung zu tragen (BayVGH vom 14.4.1999 - 24 S 99.110).
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1. Die vorliegend seitens der Beklagten vorgenommene Zuerkennung von 120 Grundpunkten wegen Wohnungslosigkeit begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Laut aktueller Punktetabelle werden maximal 120 Grundpunkte vergeben. Die Klägerin hat somit bereits die höchstmögliche Zahl an Grundpunkten erhalten.
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2. Auch die Entscheidung der Beklagten, der Klägerin - zusätzlich zu den zuerkannten 120 Grundpunkten - keine Vorrangpunkte zuzuerkennen, begegnet keinerlei rechtlichen Bedenken. Gemäß Ziff. 3 der Punktetabelle sind Haushalten mit Kind 20 Vorrangpunkte zuzuerkennen. Dies setzt jedoch voraus, dass das Kind ein Mitglied des zu registrierenden Haushaltes ist. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Wie bereits unter Ziffer I. der Entscheidungsgründe ausgeführt, hat die Klägerin bislang lediglich die Registrierung als Einzelperson beantragt, die Beklagte sie hieraufhin nur als solche in Nr. 4 des Bescheids registriert und die Klägerin diese Entscheidung wiederum nicht im Wege dieser Klage angefochten und eine Registrierung als 2-Personen-Haushalt zusammen mit ihrem Sohn gefordert.
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3. Ein Erhöhung der Punktezahl allein aufgrund zunehmender Wartezeit bzw. anwachsender Dauer der Bemühungen, wie seitens der Klägerin angeführt, ist in der aktuellen Punktetabelle nicht vorgesehen. Auch werden sog. Anwesenheitspunkte seit einem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes vom 16. April 2018 (Az. 12 C 18.446 M 12 K 17.4726) nicht mehr vergeben.
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III. Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 188 Satz 2 VwGO).
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IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.