Titel:
Anordnung der Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus bei sexueller Handlung von einiger Erheblichkeit
Normenkette:
StGB § 63, § 64, § 67b Abs. 1 S. 1, § 176 Abs. 1, § 177 Abs. 1, Abs. 5 Nr. 1, § 184h, § 240, § 241
Leitsätze:
1. Das Berühren der weiblichen Sexualorgane durch das über der Kleidung erfolgte Streichen über die Brüste und den Genitalbereich und wieder zurück stellt bereits nach dem äußeren Erscheinungsbild eine sexuelle Handlung von einiger Erheblichkeit iSd § 184h StGB dar. (Rn. 107) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die erforderliche Wertung für die Frage, ob die Handlung auch iSd § 184h StGB einige Erheblichkeit hatte, mithin eine sozial nicht mehr hinnehmbare Rechtsgutsbeeinträchtigung zu besorgen wäre (vgl. BGH BeckRS 9998, 103543), muss sich dabei an sozialethischen Maßstäben orientieren, welche auch eine Würdigung von Rechtsgut, Intensität der Beeinträchtigung, der Begleitumstände der Tat, der Persönlichkeit des Täters sowie der Beziehung der Beteiligten umfasst. (Rn. 117) (redaktioneller Leitsatz)
3. Liegt danach eine sozial nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigung vor, ist die Erheblichkeitsschwelle überschritten (vgl. BGH BeckRS 2011, 28278; BeckRS 2017, 116636; BeckRS 2017, 114725). Bestimmend ist auch der Grad der Gefährlichkeit der Handlung, weshalb eine sexuell getönte Handlung gegenüber einem Kind eher erheblich ist als gegenüber einem Erwachsenen (vgl. BGH BeckRS 2007, 14489; BeckRS 2016, 20610; BeckRS 2019, 4612). (Rn. 117) (redaktioneller Leitsatz)
4. Eine Aussetzung der Maßregel zur Bewährung gem. § 67b Abs. 1 S. 1 StGB kommt nicht in Betracht, wenn besondere Umstände fehlen, die die Erwartung rechtfertigen, dass der Zweck der Maßregel auch durch andere Maßnahmen erreicht werden kann. (Rn. 180) (redaktioneller Leitsatz)
5. Steht die Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis mit weiterhin unvollständiger Remission eindeutig im Vordergrund und wäre der Beschuldigte aufgrund der schweren psychischen Störung nicht in der Lage, eine spezifische Suchttherapie zu absolvieren, fehlen die Voraussetzungen für eine Unterbringung in der Entziehungsanstalt. (Rn. 184 – 185) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus, paranoide Schizophrenie, ICD 10: F20.04, Alkoholabhängigkeit, ICD 10: F10.2, Persönlichkeitsdepravation, sexuelle Handlung von einiger Erheblichkeit, Unterbringung in der Entziehungsanstalt
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 01.07.2021 – 1 StR 206/21
Fundstelle:
BeckRS 2021, 31222
Tenor
I. Die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus wird angeordnet.
II. Im Übrigen wird der Beschuldigte freigesprochen.
III. Der Beschuldigte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Entscheidungsgründe
A. Persönliche Verhältnisse
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Der Beschuldigte wurde am 1986 in geboren und wuchs als Einzelkind bei seiner Mutter in Schongau auf. Ab einem Lebensalter von ca. 9/10 Jahren lernte die Mutter ihren aktuellen Lebensgefährten kennen, welcher fortan bei der Familie lebte. Seinen leiblichen Vater lernte er erst im Alter von 17 Jahren kennen. Im selben Jahr brach der Kontakt wieder ab.
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Seit Abbruch der Langzeittherapie im Jahr 2017 besteht zur Mutter und deren Lebensgefährten kein Kontakt mehr.
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Der Beschuldigte besuchte in Altenstadt den Kindergarten und das erste Grundschuljahr. Sodann zog die Familie nach Dienhausen und er wurde dort eingeschult. Ab dem 3. Schuljahr besuchte er die Grundschule in Denklingen, ab dem 4. Schuljahr, nach erneutem Umzug, die Grundschule in Schongau. Sodann besuchte er erst die 5. Klasse der Mittelschule, wechselte nach einem Jahr jedoch in die 5. Klasse des dortigen Gymnasiums. Nach der 7. Klasse wechselte er aufgrund zu schlechter Leistungen im Fach Latein auf die Realschule, brach jedoch nach der 9. Klasse, ohne das Klassenziel erreicht zu haben, die Schule ab. Im Alter von 16 Jahren erwarb der Beschuldigte extern den qualifizierten Hauptschulabschluss und begann danach eine Lehre als Metzgereifachverkäufer.
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Aufgrund des zunehmenden Alkoholkonsums wurde die Lehre jedoch bereits in der Probezeit beendet. Die sich anschließende Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann ging ebenfalls nicht über die Probezeit hinaus.
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Danach begann der Beschuldigte eine Ausbildung als Kinderpfleger. Aufgrund von unentschuldigten Abwesenheitszeiten und schlechter schulischer Leistungen wurde ein Praktikum nicht fortgesetzt und der Beschuldigte beendete sodann die Ausbildung.
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Der Beschuldigte fand daraufhin Arbeit über eine Zeitarbeitsfirma und zog im Jahr 2005 mit seiner damaligen Freundin in eine gemeinsame Wohnung. Nach Trennung von der Freundin im Jahr 2008 verlor der Beschuldigte seine Arbeit und erhielt fortan Leistungen nach Hartz IV.
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Es folgten mehrere Wohnortwechsel und erste Klinikaufenthalte. 2012 lernte der Beschuldigte im BKH Landsberg eine neue Freundin kennen. Aus dieser Beziehung ging 2015 ein Sohn hervor. 2016 kam es dann aufgrund eines exzessiven Suchtmittelrückfalls des Beschuldigten zur Trennung.
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Nach Abbruch der Langzeittherapie lebte der Beschuldigte für kürzere Zeiträume in der Herberge der Herzogsägmühle, bei seiner Großmutter oder einer soziotherapeutischen Einrichtung. Nach einer Phase der Obdachlosigkeit erhielt er zuletzt Unterkunft in der Notschlafstelle der Stadt Landsberg. Mehrfach wurde der Beschuldigte aufgrund seines übermäßigen Alkoholkonsums der o.g. Wohnungen verwiesen.
II. Konsum von Suchtmitteln
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Der Beschuldigte begann im Alter von 15 Jahren mit dem Konsum von Alkohol, welcher sich nach und nach steigerte. Im Alter von 16 Jahren konsumierte der Beschuldigten erstmals Cannabis.
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Während der Zeit der Arbeitstätigkeit ab 2005 kam es an den Wochenenden vermehrt zu Alkoholkonsum. Nach 3 1/2 Jahren Beziehung mit seiner ersten Lebensgefährtin kam es 2008 zum Beziehungsende und der Beschuldigte konsumierte in Folge täglich Alkohol und konsumierte zudem Cannabis und Kräutermischungen.
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2011 konnte der Beschuldigte seinen Alkoholkonsum reduzieren - allerdings konsumierte der Beschuldigte in dieser Zeit stattdessen vermehrt Cannabis in Form von 2 Joints/Tag -, bereits 2012, nach Umzug in eine Sozialwohnung kam es jedoch wieder zu regelmäßigem Konsum von bis zu 8 Flaschen Bier und 1 Flasche Hugo täglich. Lediglich für die Dauer eines Jahres nach der Geburt seines Sohnes gelang es dem Beschuldigten erneut, seinen Alkoholkonsum zu reduzieren. Nach der Trennung kam es wiederum zu einem exzessiven Trinkverhalten, welches bis heute anhält und lediglich durch die dem Beschuldigten zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel reguliert wird. Trotz wiederholter Entgiftungen und soziotherapeutischer Behandlungen kam es immer wieder zu Alkoholrückfällen.
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Seinen Cannabiskonsum stellte der Beschuldigte 2017 weitgehend ein und konsumierte nur noch unregelmäßig, ca. alle 2 bis 3 Monate.
III. Psychische Gesundheit
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Im Jahr 2009 zeigten sich erstmals Symptome einer paranoiden Schizophrenie und es folgte eine Vielzahl an stationären Aufenthalten in psychiatrischen Einrichtungen.
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Im Jahr 2009 kam es dann auch erstmals zu einem Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik, hier der I. A1. Klinik in M. aufgrund zunehmendem Verfolgungswahn mit paranoiden Ängsten und Panikattacken.
2010 kam es zu einem stationären Aufenthalt im Klinikum Rechts der Isar bei V.a. Schizophrenie sowie drogeninduzierter Psychose. Es folgten kurzzeitige Aufenthalte im Klinikum L. und P.
2011 befand sich der Beschuldigte stationär aufgrund einer psychotischen Episode mit optischen Halluzinationen in der kbo L1. M1. Klinik. Nach Entlassung begann der Beschuldigte eine medikamentöse Therapie mit Risperidon, welche er nach 2 Jahren wegen einer stark ausgeprägten depressiven Symptomatik wieder beendete. Zwischenzeitlich befand sich der Beschuldigte nochmals vom 18.01. bis 20.03.2013 wegen V.a. schizoaffektive Störung mit Konsum psychotroper Substanzen dort in stationärer Behandlung. Nach dem Absetzten des Risperidon folgte von Dezember 2013 bis Januar 2014 ein weiterer stationärer Aufenthalt in dieser Klinik.
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Im Jahr 2015 befand sich der Beschuldigte aufgrund seines fortgesetzten Alkoholkonsums für mehrere Wochen im I.-A.-Klimikum zur Entwöhnungstherapie. Nach Entlassung erfolgte eine Depot-Medikation, welche der Beschuldigte 2016 selbständig absetzte.
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Vom 29.06. bis 06.09.2016 befand sich der Beschuldigte nach Alkoholrückfall und massiven Stimmen-Hörens in der psychiatrischen Klinik L.
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Im November 2016 begann der Beschuldigte eine Langzeittherapie in Pfaffenhofen, welche wegen fortgesetztem Alkoholkonsum im Februar 2017 vorzeitig beendet wurde.
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Vom 05. bis 27.02.2018 kam es nach BayUG zur Aufnahme im Klinikum I. Ein erneuter Aufenthalt dort erfolgte vom 08.05. bis 25.05.2018, nachdem der Beschuldigte von permanentem Stimmenhören berichtete und die Überzeugung äußerte, andere Personen könnten seine Gedanken lesen und manipulieren.
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Vom 19.02. bis 05.03.2019 befand sich der Beschuldigte wegen Stimmenhören, Kraftlosigkeit und Alkoholrückfall im kbo Lech-Mangfall-Klinikum, Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie. Bereits zuvor befand sich der Beschuldigte dort in stationärer Behandlung, so am 10./11.03.1017 im Rahmen einer Alkoholintoxikation sowie vom 15. bis 19.09.2016.
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Unter der Diagnose Exazerbation der paranoiden Schizophrenie bei bekannter Alkoholabhängigkeit befand sich der Beschuldigte vom 18.03. bis 02.04.2019 stationär im Klinikum F. G. Er litt in diesem Zeitraum unter akustischen Halluzinationen wie imperativen Stimmen, die ihn zum Suizid aufforderten und ihm suggerierten, er sei ein Protagonist in einem Videospiel. Daneben kam es u.a. auch zu optischen Halluzinationen sowie Angst- und Aggressionszuständen. Im Verlauf des Aufenthalts und unter der Gabe von Aripiprazol und Quetiapin kam es zu einer Reduktion in der Frequenz und Intensität der akustischen Halluzinationen und er konnte in das Haus Ammersee - soziotherapeutische Einrichtung - entlassen werden.
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Ein weiterer Aufenthalt im Klinikum G. erfolgte vom 06.05. bis 06.06.2019 im Rahmen einer öffentlichrechtlichen Unterbringung. Dem gingen ebenfalls akustische Halluzinationen im Sinnen von Stimmenhören voraus, die dem Beschuldigten befohlen hätten, „die Pferde zu ficken“. Im Verlauf der Unterbringung kam es zunächst zu vermehrten Beschimpfungen des Personals mit vulgären und obszönen Ausdrücken. Nach erneuter medikamentöser Einstellung und daraufhin erfolgter Besserung der Symptomatik konnte der Beschuldigte am 06.06.2019 in stabilem psychophysischem Zustand entlassen werden. Entlassdiagnose war hierbei: paranoide Schizophrenie, Alkoholabhängigkeit, Alkoholintoxikation, Alkoholentzugssyndrom sowie Störung der Sexualpräferenz.
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Vom 26.07. bis 12.08.2019 kam es erneut zu einem stationären Aufenthalt in o.g. Klinik, nachdem der Beschuldigte drei Tage unter extremem Stimmenhören litt und diese Tage herumstreunend und ohne Nahrungsaufnahme außerhalb des Hauses Ammersee verbracht hatte. Die antipsychotische Medikation nahm der Beschuldigte in diesem Zeitraum nicht ein.
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Am 18.03.2020 kam es erneut zu einer Unterbringung nach BayPsychKHG, nachdem er als extrem alkoholisiert und hilflos aufgefallen war und mehrfach im Freien genächtigt hatte.
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Zuletzt war der Beschuldigte vom 20. bis 25.03.2020 in stationärer Behandlung.
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Für den Beschuldigten wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Starnberg vom 09.05.2019 Betreuung angeordnet. Dem vorausgehend wurde vom BKH K., Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie ein psychiatrischfachärztliche Gutachten erholt, welches mit der Diagnose paranoide Schizophrenie, Alkoholabhängigkeit sowie Störung der Sexualpräferenz schloss.
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Der Beschuldigte hat eine heterosexuelle sowie eine paraphile sexuelle Orientierung, zeigte bereits seit der Pubertät eine Präferenz für Pferde und hat in psychotischem oder alkoholisiertem Zustand bereits sexuelle Handlungen an Pferden vorgenommen.
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Im Bundeszentralregister vom 19.05.2020 finden sich für den Beschuldigten 3 Eintragungen.
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1. Am 29.11.2018 wurde der Beschuldigte durch das LG München II wegen Diebstahl in 2 tatmehrheitlichen Fällen in Tatmehrheit mit Nötigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung in Tatmehrheit mit vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beleidigung zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.
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Im Rahmen dieses Verfahrens wurde ein Sachverständigengutachten zum Vorliegen der §§ 20, 21 StGB sowie der Voraussetzungen des § 63 StGB eingeholt. Soweit der Beschuldigten verurteilt wurde, wurde jedenfalls von einer erheblichen Verminderung der Steuerungsfähigkeit ausgegangen. Das Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen des § 63 StGB wurde damals aufgrund einer begonnenen Langzeittherapie verneint.
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2. Am 08.04.2020 wurde durch die Staatsanwaltschaft Augsburg ein Verfahren wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses wegen Schuldunfähigkeit eingestellt.
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3. Am 22.07.2020 wurde durch die Staatsanwaltschaft Augsburg ein Verfahren wegen Diebstahl in Tateinheit mit Hausfriedensbruch wegen Schuldunfähigkeit eingestellt.
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Der Beschuldigte befindet sich aufgrund Unterbringungsbefehl des Amtsgerichts Kempten (Allgäu) vom 19.05.2020 sowie des LG Kempten (Allgäu) vom 29.01.2021 seit 19.05.2020 in vorläufiger Unterbringung im Bezirkskrankenhaus Kaufbeuren.
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1. Am 22.04.2020 gegen 12:50 Uhr begab sich der Beschuldigte zum Apartment Nr.9 der Zeugin B in der Oblachlosenunterkunft in der J in 8. L2. Er trug dabei eine Wodkaflasche mit sich, welche er an der Treppe im Flur abstellte. Aufgrund seiner Alkoholisierung lallte der Beschuldigte bereits. Die Zeugin sah den Beschuldigten durch ein Fenster, wie er auf dem Weg zu ihrem Apartment war. Nachdem sie ihn nicht hereinlassen wollte, die Türe jedoch nicht verschlossen war, versuchte sie, diese zu schließen. Der Beschuldigte, der in die Wohnung gelassen werden wollte, drückte unter Überwindung der Gegenwehr der Zeugin, die sich mit aller Kraft von innen gegen die Tür stemmte, um diese zuzudrücken, diese gewaltsam auf. Dabei strich er der Zeugin bewusst und zielgerichtet gegen deren Willen zweimal über die Brüste und zwischen die Beine. Dies erfolgte in einer halbkreisförmigen Bewegung, welche von einer Brust zur anderen, sodann in den Genitalbereich der Zeugin und wieder zurück zu den Brüsten führte. Dabei schrie der Beschuldigte wiederholt: „Ich ficke und fessle dich! Du kommst hier nicht lebend raus!“ Die Zeugin nahm diese Drohung ernst.
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Für einen kurzen Zeitraum nach dem Vorfall hatte die Zeugin Angst, alleine nach draußen zu gehen. Mittlerweile geht es der Zeugin wieder gut.
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Am 18.05.2020 gegen 14:15 Uhr befand sich der Beschuldigte in der Fußgängerzone vor dem Eiscafe Roma, M. 3, 8. K2., saß an einem Tisch und trank Bier. Sodann erhob er sich von seinem Platz und umfasste das sechsjährige Kind M, welches dort ein Eis aß, unvermittelt von hinten auf Brusthöhe fest mit beiden Armen, um eine Gegenwehr des Kindes zu verhindern und dieses zu drücken und zu küssen. Bevor es zu weiteren Tathandlungen seitens des Beschuldigten kommen konnte, entriss die Großmutter des Kindes die Zeugin M, ihren Enkel den Armen des Beschuldigten und schrie diesen an. Der Beschuldigte äußerte daraufhin, er habe ja „nur knuddeln“ wollen, entfernte sich und setzte sich sodann wieder an seinen Tisch und trank weiter sein Bier. Aufgrund des Alkoholgenusses hatte der Beschuldigte eine verwaschene Aussprache.
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Die ungefragte Umarmung und das Ansichreißen des Kindes ist in erhöhtem Maße sittlich zu missbilligen.
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Bei dem Kind M kam es zu keinen psychischen Folgeerscheinungen.
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3. Am 18.05.2020 gegen 15:30 Uhr befand sich das zwölfjährige Kind S mit seinem Freund in der Fußgängerzone in der Sgasse 11, 8. K2. vor dem Drogeriemarkt Müller. Der Beschuldigte trat an die Beiden heran und umfasste das Kind S1. unvermittelt von hinten auf Brusthöhe fest mit beiden Armen, um eine Gegenwehr des Kindes zu verhindern, und küsste dieses mindestens zweimal auf die linke Halsseite. Hierbei flüsterte der Beschuldigte dem Kind zwischen den beiden Küssen „psst“ und „sei leise“ ins Ohr. Der Geschädigte S wehrte sich hierbei gegen den Griff des Beschuldigten und versuchte, sich aus diesem herauszuwinden, woraufhin der Beschuldigte ihn noch fester umarmte, damit der Geschädigte sich nicht aus dem Griff befreien konnte. Dem Geschädigten gelang es jedoch schließlich, sich aus dem Griff nach unten hin herauszuwinden. Sodann ging der Beschuldigte mit ausgebreiteten Armen auf das Kind zu, welcher jedoch zurückwich und den Beschuldigten fragte, was das solle. Zudem wies er den Beschuldigten auf die coronabedingten Abstandsregelungen hin. Daraufhin entfernte sich der Beschuldigte.
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Die ungefragte Umarmung, das Ansichreißen und das Küssen des Geschädigten ist in erhöhtem Maße sittlich zu missbilligen.
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Der Geschädigte S empfand bereits direkt nach der Tat einen großen Ekel und leidet seit dem Vorfall an Schlafstörungen, Panikattacken und aggressiven Durchbrüchen. Der Geschädigten hatte nach dem Vorfall Angst, allein nach draußen zu gehen und musste fortwährend von seiner Mutter begleitet werden. Zur Bewältigung seiner Aggressionen schlug der Geschädigte derart heftig und ausdauernd auf seinen Boxsack, dass er sich die Hände blutig schlug. Auch entwickelte der Geschädigte aufgrund des Vorfalls einen extremen Waschzwang, aufgrund dessen er 2 Wochen stationär im Josefinum Kempten behandelt werden musste. Die Schlafstörungen bestehen weiter fort, der Geschädigte hat noch immer den Drang, fortwährend über den Vorfall zu sprechen und leidet weiterhin unter einem extremen Ekelgefühl, welches sich in zwanghaftem Ausspucken äußert.
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Eine am 18.05.2020 um 17:49 Uhr beim Beschuldigten entnommenen Blutprobe ergab eine BAK von 2,62 Promille. Um 15:30 Uhr betrug die Blutalkoholkonzentration des Beschuldigten maximal 3,29 Promille.
II. Weiteres Geschehen am 18.05.2020
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Am 18.05.2020 gegen 15:00 Uhr und 15:20 Uhr begab sich der Beschuldigte in der Innenstadt von Kaufbeuren in den Bereich Müllergässchen, Ecke Schmidgasse. Dort befanden sich auch die Zeuginnen E und M mit ihren insgesamt 4 Kindern im Alter von 5 Monaten, 1 Jahr, 3 Jahren und 5 Jahren. Der Beschuldigte lief den Zeuginnen entgegen und betrachtete die Kinder der Zeuginnen. Sodann kehrte der Beschuldigte um und lief den Zeuginnen in kurzem Abstand hinterher. Auf die Zeugin E machte der Beschuldigte hierbei einen verlangsamten Eindruck, wie unter Medikamenten stehend. Der Beschuldigte nuschelte unverständlich vor sich hin. Plötzlich breitete er seine Arme aus, als würde er jemanden umarmen wollen und lief in Richtung des 3-jährigen E. Dabei sagte er sinngemäß „nur einmal“. Nachdem die Zeugin den Eindruck hatte, dass der Beschuldigte E umarmen wolle, sagte sie zu dem Beschuldigten: „du gehst jetzt weg und lässt unsere Kinder in Ruhe!“, worauf sich der Beschuldigte auch entfernte.
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Die Zeugin beobachtete den Beschuldigten eine kurze Zeit weiter. Nachdem er erneut auf 2 bis 3 weitere Passanten, die jeweils Kinder dabei hatten, zuging und dabei den Eindruck erweckte, er wolle die Kinder umarmen, rief die Zeugin die Polizei.
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Der Beschuldigte leidet an einer paranoidhalluzinatorischen Schizophrenie (ICD 10: F20.04), welche einer krankhaften seelischen Störung i.S.d. § 20 StGB zuzuordnen ist sowie einer Alkoholabhängigkeit (ICD 10: F10.2).
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Bei der Tat am 22.04.2020 war die Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten aufgrund der beim Beschuldigten vorliegenden krankhaften seelischen Störung, bei noch erhaltener Einsichtsfähigkeit, sicher erheblich vermindert. Darüber hinaus bestand eine Alkoholintoxikation i.S.e. leichten bis mittelschweren Rauschzustands, welcher ebenfalls als krankhafte seelischen Störung einzuordnen ist. Deshalb kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Steuerungsfähigkeit im Tatzeitpunkt vollständig aufgehoben war.
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Am 18.05.2020 bestand beim Beschuldigten neben eines akuten Schubes seiner psychischen Krankheit eine Alkoholintoxikation i.S.e. schweren Rauschzustands. Infolge dessen war der Beschuldigte bereits nicht in der Lage, das Unrecht seiner Taten einzusehen.
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Diese Störungen führten bereits zu einer stark ausgeprägten Persönlichkeitsdepravation.
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Aufgrund dessen ist der Beschuldigte nicht mehr in der Lage, Beziehungen in sozial adäquater Weise anzubahnen und aufrecht zu erhalten, was zur sozialen Isolierung und letztlich zur Begehung der gegenständlichen Taten führte. Es besteht eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür, dass der Beschuldigte infolge seiner Erkrankungen weitere gleichartige, erhebliche Taten auch in Zukunft begehen wird und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist.
I. Persönliche Verhältnisse
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Die Angaben zu den persönlichen Verhältnissen beruhen auf den insofern zeugenschaftlich erfolgten Ausführungen des Sachverständigen K. Der Sachverständige hatte, wie er im Rahmen der Erstellung seines Gutachtens gegenüber der Kammer angab, den Beschuldigten persönlich exploriert und hierbei auch zu dessen Lebenslauf befragt. Die vom Beschuldigten dabei gemachten Angaben führte der Sachverständige gegenüber der Kammer aus. Der Beschuldigte bestätigte auf Nachfrage die Richtigkeit der Angaben des Sachverständigen.
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Die Kammer hatte dabei keinen Anlass, die Glaubhaftigkeit der Angaben des Beschuldigten gegenüber dem Sachverständigen und der Kammer in Zweifel zu ziehen. Umstände, die geeignet gewesen wären, Zweifel bei der Kammer hervorzurufen, wurden auch durch keinen der Prozessbeteiligten geltend gemacht.
2. Psychische Gesundheit/Suchtmittelkonsum
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Die Feststellungen hierzu ergeben sich aus dem in sich schlüssigen, nachvollziehbaren, widerspruchsfreien und fundierten Gutachten des Sachverständigen K, dem sich die Kammer nach eigener kritischer Würdigung unter Berücksichtigung des persönlichen Eindrucks, den sie vom Beschuldigten während der Hauptverhandlung gewonnen hat, anschließt.
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a) Der Sachverständige führte zunächst aus, dass ihm für die Erstellung seines Gutachtens, in dem er sich zu den medizinischen Voraussetzungen der §§ 20, 21 StGB und §§ 63, 64 StGB äußern sollte, diverse Unterlagen vorgelegen hätten. Hierbei handelte es sich um:
- die Akten der Staatsanwaltschaft Kempten (Allgäu), Az.: 110 Js 9238/20 (samt fachpsychiatrischem Gutachten von Dr. med. K vom 28.02.2018 für das Verfahren der Staatsanwaltschaft München II, Az.: 42 Js 11535/17), 202 Js 112684/20, 110 Js 24183/19 und 110 Js 21615/19
- einen Auszug aus der Betreuungsakte des Amtsgerichts Starnberg XVII 254/19 samt psychiatrischfachärztlichem Gutachten vom 16.10.2019 des Bezirkskrankenhauses Kaufbeuren zu den medizinischen Voraussetzungen der Anordnung einer Betreuung sowie samt Arztberichten des Klinikums F. G., der kbo L1. M1. Klinik
- die Krankenakten der Klinik für forensische Psychiatrie und Psychotherapie am Bezirkskrankenhaus Kaufbeuren.
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Schließlich habe der Sachverständige den Beschuldigten während seines stationären Aufenthalts gemäß § 126a StPO seit 19.05.2020 im Bezirkskrankenhaus Kaufbeuren beobachtet und am 22.05.2020 sowie am 25.01.2021 exploriert. Hierbei habe der Beschuldigte nach entsprechender Belehrung Angaben zu seiner Biographie, zur somatischen, psychiatrischen und Suchtanamnese sowie zu den Anlasstaten gemacht.
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b) Der Sachverständige gab an, dass der Beschuldigte an einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis (ICD-10 F20.04) leide.
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Er erläuterte zunächst, dass die schizophrene Störung nach dem gültigen Klassifikationssystem der WHO, der ICD-10, durch grundlegende und charakteristische Störungen von Denken und Wahrnehmung sowie durch inadäquate oder verflachte Affekte gekennzeichnet sei. Die Bewusstseinsklarheit und die intellektuellen Fähigkeiten seien in der Regel nicht beeinträchtigt, obwohl sich im Laufe der Zeit gewisse kognitive Defizite entwickeln könnten. Die wichtigsten psychopathologischen Phänomene seien Gedankenlautwerden, Gedankeneingebung oder Gedankenentzug, Gedankenausbreitung, Wahnwahrnehmung, Kontrollwahn, Beeinflussungswahn oder das Gefühl des Gemachten, Stimmen, die in der dritten Person den Patienten kommentieren oder über ihn sprechen, Denkstörungen und Negativsymptome. Beim Beschuldigten seien Symptome aus verschiedenen Symptomgruppen festzustellen, welche bereits seit langer Zeit bestünden.
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So sei der Beschuldigte erstmals im Alter von 23/24 Jahren manifest durch psychotische Symptome auffällig geworden. Zwar fänden sich im Lebenslauf des Beschuldigten bereits ab etwa dem 16. Lebensjahr auffällige Brüche, jedoch könne retrospektiv nicht eindeutig unterschieden werden, ob das zunehmende Scheitern in der beruflichen und sozialen Integration nach anfänglich relativ unproblematischem schulischem Werdegang einer Kombination aus Adoleszenzkrise und zunehmendem Alkoholkonsum geschuldet gewesen war oder ob hier bereits sich die später manifestierende schizophrene Psychose ausgewirkt hatte.
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Bereits im Entlassbericht der psychiatrischen Klinik L. aus dem Jahr 2013 sei das Phänomen des Gedankenlautwerden fachärztlich beschrieben worden. Dieses Phänomen, dass andere Menschen die Gedanken des Beschuldigten kennen könnten, sei auch in den ärztlichen Berichten der psychiatrischen Klinik in I. aus dem Jahr 2018 und dem Entlassbericht des Klinikums G. aus dem Jahr 2019 beschrieben. Darüber hinaus ergeben sich aus dem Vorbefunde der Fachklinik G. aus dem Jahr 2019 das Vorliegen von kommentierenden Stimmen, ebenso aus dem fachärztlichen Gutachten aus dem Jahr 2019, erstattet vom Bezirkskrankenhaus Kaufbeuren. Weiter habe sich aus der Vielzahl der Vorbefunde ergeben, dass trotz medikamentöser Behandlung und der Vielzahl der stationären Aufenthalte es keine Phasen der stabilen Remission im Krankheitsverlauf des Beschuldigten gegeben habe.
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Dazu führte der Sachverständige aus, dass sich auch im Rahmen der aktuellen Exploration deutliche Hinweise auf ein fluktuierendes Wahnerleben, Gedankenlautwerden und Stimmenhören gezeigt hätten. So habe der Beschuldigte u.a. berichtet, dass er bereits in der Vergangenheit Stimmen gehört habe. Diese würden ihm jedoch keine Befehle erteilen, sondern freundlich sein. Er würde sich mit diesen Stimmen ganz normal unterhalten. Auch unter Medikation mit Antibiotika seien diese Stimmen nie ganz verschwunden gewesen.
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Darüber hinaus habe der Beschuldigte auch berichtet, dass er auch im Zeitraum der aktuellen Unterbringung akustische Halluzinationen in Form von Stimmen/Gedanken habe, welche er immer noch empfange. Zunächst habe er gedacht, dass er eine Schizophrenie habe, sei mittlerweile aber davon überzeugt, dass er ein Telepath sei, der Gedanken empfange und sende. Hierbei höre er Stimmen von Verwandten, Bekannten und zunehmend auch von fremden Personen. Hierzu erläuterte der Sachverständige, dass die Vorstellung des Beschuldigten, mit anderen Menschen telepathisch verbunden zu sein, als psychotische Ich-Störungen im Sinne von Gedankenausbreitung diagnostiziert werden könne.
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Zudem habe der Beschuldigte angegeben, Angst davor zu haben, dass seine Gedanken von anderen „abgehört“ werden können, sodass er diese bewusst modifiziere. So denke er beispielsweise nur kurz und auch mit falscher Haarfarbe an seine Mutter, damit dieses Gedankenbild von anderen nicht abgefangen werden könne. Während des Aufenthalts im BKH habe der Beschuldigte M2itte Juni 2020 geäußert, dass er befürchte, ein Mitpatient habe seinen Sohn getötet. Am 26.06.2020 habe der Beschuldigte mitgeteilt, dass seine Familie ins Zeugenschutzprogramm gebracht werden müsse. Er habe diese Botschaft telepathisch geschickt bekommen.
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Nach einer probeweisen Reduktion von Risperidon von 6 auf 5 mg habe der Beschuldigte am 16.10.2020 davon berichtet, dass er erpresst werde, es gehe um Leben und Tod und das Klinikpersonal solle die Polizei rufen. Dabei habe der Beschuldigte verängstigt und verzweifelt gewirkt, sodass die Dosierung wieder erhöht worden sei.
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Nachdem somit die von der ICD-10 verlangten psychopathologischen Merkmale zur Stellung der Diagnose einer Schizophrenie bereits im Rahmen der Vielzahl der Vorbefunde und im Rahmen der eigenen Untersuchung festgestellt worden seien, liege eine Störung aus dem schizophrenen Formenkreis i.S. einer paranoidhalluzinatorischen Schizophrenie nach den Ausführungen des Sachverständigen sicher vor. Trotz gewährleisteter antipsychotischer Medikation im Rahmen der vorläufigen Unterbringung sei keine Remission eingetreten. Darüber hinaus habe bei der Exploration festgestellt werden können, dass die Affektivität des Beschuldigten bei insgesamt deutlich reduzierter affektiver Schwingungsfähigkeit in auffälliger Weise verflacht gewesen sei. Nach der mehrjährigen Krankheit stützt dies, als Negativsymptom ebenfalls die Diagnose einer schizophrenen Psychose.
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Zwar sei beim Beschuldigten in der Vergangenheit auch vereinzelt das Vorliegen einer drogeninduzierten Psychose diagnostiziert worden. Diese Störung gehe bei Abstinenz typischerweise jedoch innerhalb eines Monats zumindest teilweise, innerhalb von 6 Monaten vollständig zurück. Nachdem der Beschuldigte am 19.05.2020 vorläufig untergebracht und seitdem durchgehend medikamentös behandelt worden sei und sich dennoch keine Revision der Störungsbilder eingestellt habe, könne eine drogeninduzierte Psychose ausgeschlossen werden. Ebenso spreche gegen eine drogeninduzierte Psychose die Beobachtung, dass es nach Reduktion der antipsychotischen Medikation Risperidon von 6 auf 5 mg zu einer psychopathologischen Verschlechterung gekommen sei (s.o.).
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c) Der Sachverständige führte weiter aus, dass beim Beschuldigten zudem eine Alkoholabhängigkeit (ICD-10 F10.2) vorliege.
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Der Sachverständige erläuterte hierzu, dass sich die schädlichen Auswirkungen des Alkohol- und Cannabiskonsums bereits früh im Leben des Beschuldigten gezeigt hätten. Vor allem Alkohol sei seit dem Jahr 2008 für den Beschuldigten lebensbestimmend gewesen. Bereits zuvor hätten sich die schädlichen Wirkungen bemerkbar gemacht, da die jeweils begonnenen Ausbildungen zum Metzgereifachverkäufer, Einzelhandelskaufmann und Kinderpfleger jedenfalls auch am übermäßigen Alkoholkonsum und der daraus resultierenden Unzuverlässigkeit gescheitert seien.
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Der Sachverständige führte zudem aus, dass der Beschuldigte im Rahmen der Exploration die Kriterien einer Toleranzentwicklung, eines körperlichen Entzugssyndroms mit Schwitzen und Unruhe, eine signifikant verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich der Beendigung und der Menge des Konsums sowie den starken Wunsch, Alkohol zu konsumieren geschildert habe.
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Aus den Schilderungen des Beschuldigten ging zu dem hervor, dass es dem Beschuldigten bewusst war, dass seine Trinkgewohnheiten für ihn schädliche Konsequenzen, sowohl in beruflicher als auch sozialer Hinsicht hätten. Aus den vorliegenden Arzt- und Entlassberichten, in welchen wiederholt eine Alkoholabhängigkeit diagnostiziert worden sei, habe sich zudem ergeben, dass mehrfach, auch stationär versucht worden sei, die Alkoholabhängigkeit des Beschuldigten zu behandeln. Darüber hinaus habe der Beschuldigte wiederholt das psychiatrische Hilfesystem in Anspruch genommen. Somit sei auch das Merkmal des anhaltenden Substanzkonsums trotz Kenntnis von schädlichen Trinkfolgen und erfolgter ärztlicher Beratung gegeben.
68
Darüber hinaus sei zu den Tatzeitpunkten von einer Alkoholintoxikation (ICD-10 F 10.0) auszugehen.
69
Hinsichtlich des Vorfalls vom 18.05.2020 wurde eine Blutentnahme beim Beschuldigten durchgeführt, welche um 17:49 Uhr ein Ergebnis von 2,62 Promille erbrachte. Nach Rückrechnung auf den Tatzeitpunkt gegen 15:30 Uhr und angenommenem Trinkende zu diesem Zeitpunkt sei bei einer angenommenen maximalen Eliminationsrate von 0,2 Promille pro Stunde und einem Sicherheitszuschlag von 0,2 Promille von einer rückberechneten Blutalkoholkonzentration von 3,29 Promille auszugehen.
70
Angesichts des hohen Promillewerts sowie der von der Zeugin M3. geschilderten sprachlichen Ausfallerscheinungen bereits gegen 14:15 Uhr, müsse, so der Sachverständige, trotz der vorhandenen Alkoholtoleranzentwicklung des Beschuldigten, von einem schweren Rausch im Sinne einer Alkoholintoxikation ausgegangen werden. Nachdem der Beschuldigte bereits gegen 14:15 Uhr Ausfallerscheinungen gezeigt habe und zwischen den Tatzeitpunkten lediglich 1 Stunde 15 Minuten gelegen hätten, sei auch bereits gegen 14:15 Uhr von einem schweren Rauschzustand auszugehen, auch wenn das Trinkende noch nicht erreicht war. So habe zudem auch die Zeugin E. für den Zeitraum zwischen 15:00 Uhr und 15:20 Uhr geschildert, der Beschuldigte habe einen „verballerten“ Eindruck gemacht.
71
Hinsichtlich des Vorfalls vom 22.04.2020 liege keine gesicherte Blutalkoholkonzentration vor. Aufgrund der Schilderungen des Beschuldigten selbst gehe der Sachverständige jedoch davon aus, dass der Beschuldigte bereits zum Tatzeitpunkt in erheblichem Umfang Alkohol konsumiert habe. Bereits aufgrund der sich aus den Vorbefunden ergebenden Abstinenzunfähigkeit des Beschuldigten außerhalb eines geschützten Rahmens, müsse davon ausgegangen werden, dass der Beschuldigte mit bei hoher Wahrscheinlichkeit bereits morgens/vormittags Alkohol konsumiert habe. Der Beschuldigte habe ihm gegenüber darüber hinaus angegeben, dass er am 20.04.2020 von den Behörden eine Nachzahlung in Höhe von mehr als 1000 € erhalten habe und es ihm deshalb möglich gewesen sei, ab diesem Zeitpunkt bereits vormittags Alkohol zu besorgen und zu konsumieren. Zudem hätten sich aus den Angaben der Zeugin B1. alkoholbedingte Ausfallerscheinungen im Sinne einer verwaschenen Aussprache ergeben. Damit sei jedenfalls von einer leichten bis mittelschweren Alkoholintoxikation auszugehen.
72
Weiter bestehe ein Missbrauch von Cannabinoiden und Stimulanzien (ICD-10 F 12.1 und 15.1).
73
Der Sachverständige führte zudem aus, dass beim Beschuldigten weiter eine sonstige Störung der Sexualpräferenz (ICD-10 F 65.8) bestehe, nachdem dieser eine sexuelle Erregung durch die Imagination von weiblichen Pferden, bereits seit der Pubertät, beschrieben habe. Der Beschuldigte habe angegeben, dieses Verlangen, jedenfalls in nüchternem Zustand, nicht in die Tat umzusetzen. Aus den, dem Sachverständigen vorliegenden Unterlagen habe sich jedoch ergeben, dass der Beschuldigte in alkoholisiertem Zustand im Jahr 2019 seine Hand in die Scheide eines Pferdes eingeführt habe und zudem versucht habe seinen Kopf einzuführen. Sonstige paraphile sexuelle Neigungen hätten jedoch nicht festgestellt werden können. So fühle sich der Beschuldigte auch nicht sexuell von (männlichen) Kindern angezogen. 1 KLs 110 Js 9238/20 - Seite 14 - d) Die Kammer hatte keinen Anlass, die Ausführungen des Sachverständigen zum beim Angeklagten vorliegenden Krankheitsbild anzuzweifeln. Umstände, dies zu tun, haben sich aus der gesamten Hauptverhandlung nicht ergeben.
74
Die Ausführungen des Sachverständigen stehen überdies im Einklang mit dem vom Sachverständigen als Quelle für Anknüpfungstatsachen herangezogenen Gutachten von Frau Dr. med. K3. vom 28.02.2018 sowie dem Gutachten vom 16.10.2019 des Bezirkskrankenhauses Kaufbeuren, aus denen sich ebenfalls ergab, dass beim Angeklagten, bereits zu den damaligen Zeitpunkten eine schizophrene Psychose/paranoiden Schizophrenie, eine Störung der Sexualpräferenz, ein Cannabismissbrauch sowie eine Alkoholabhängigkeit vorlag. Auch in den übrigen Berichten der verschiedenen Kliniken wurde diese Diagnosen insbesondere im Hinblick auf die schizophrene Störung und die Alkoholabhängigkeit bestätigt. So wurde der Beschuldigte erstmals im Jahr 2010 im Rahmen einer psychotischen Symptomatik in einer psychiatrischen Klinik aufgenommen. Zudem führten wiederholt Suchtmittel-, insbesondere Alkoholintoxikationen zu stationären Klinikaufenthalten. Damit wurden die Diagnosen in den letzten 10 bis 12 Jahren durch mehrere Psychiater unabhängig voneinander gestellt, was die Ausführungen des Sachverständigen weiter stützt.
75
Die Kammer hat nach all dem sowie unter Berücksichtigung des persönlichen Eindrucks, den sie vom Angeklagten während der Hauptverhandlung gewonnen hat, keinen Zweifel daran, dass der Angeklagte u.a. an einer Alkoholabhängigkeit und einer paranoiden Schizophrenie leidet und dass das Krankheitsbild des Beschuldigten bereits seit mehr als 10 Jahren besteht, die Alkoholabhängigkeit bereits seit 2008.
76
Darüber hinaus folgt die Kammer auch den Ausführungen des Sachverständigen zur Alkoholintoxikation zu den Tatzeitpunkten. Angesichts der für den 18.05.2020 festgestellten BAK sowie den von der Zeugin M3. geschilderten Ausfallerscheinungen, ist auch die Kammer von einer schweren Alkoholintoxikation überzeugt. Hinsichtlich der Tat vom 22.04.2020 ist die Kammer aufgrund der Schilderungen des Beschuldigten selbst, der angegeben habe, bei vorhandenen finanziellen Mitteln sich stets Alkohol besorgt und auch konsumiert zu haben sowie aufgrund der Schilderungen der Zeugin B, die angab, der Beschuldigte habe eine Wodkaflasche in der Hand gehalten, auf sie alkoholisiert gewirkt und bereits eine verwaschene Aussprache gehabt, ebenfalls davon überzeugt, dass beim Beschuldigten zumindest eine leichte bis mittelschwere Alkoholintoxikation vorlag.
77
Die Feststellungen zu den Voreintragungen beruhen auf der Verlesung der Auskunft aus dem Bundeszentralregister für den Beschuldigten vom 19.05.2020.
II. Einlassung des Beschuldigten
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Der Beschuldigte gab an, dass er in dem Zeitraum, in welchem er in der Obdachlosenunterkunft in Landsberg gewohnt habe, gebettelt und bei vielen Personen Zigaretten und Lebensmittel geschnorrt habe. Dies habe er auch bei der Zeugin B1. getan, welche ihn auch einmal eingeladen habe. Auch habe er im Frühjahr 2020 in erheblichem Ausmaß Alkohol konsumiert und dazu noch Speed und THC. Zu Konsumpausen oder einer Reduzierung des Konsums sei es in diesem Zeitraum lediglich dann gekommen, wenn er keine Geldmittel für den Erwerb gehabt habe.
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Am fraglichen Tag, den 22.04.2020, habe er bei der Zeugin B an der Apartmenttür geklopft. Sie habe aufgemacht, ihn gesehen und einen Besuch von ihm nicht gewollt, sodass sie die Tür gleich wieder zugemacht habe. Um dies zu verhindern, habe er mit der rechten Hand dagegen gedrückt, dabei sei er am Türblatt abgerutscht und kurz an ihre Brust gekommen. Er habe die Hand gleich wieder entfernt und sich entschuldigt.
80
Hinsichtlich der Vorfälle vom 18.05.2020 schilderte der Beschuldigte, dass er eigentlich nach Buchloe habe fahren wollen, um seinen Sohn zu besuchen, welchen er sehr vermisst habe. Stattdessen sei er nach Marktoberdorf gefahren und habe dort Alkohol konsumiert. Danach sei er irgendwie in Kaufbeuren gelandet. An diesem Tag habe er viel Alkohol getrunken und sei emotional überschwänglich geworden. Insbesondere hätten seine väterlichen Gefühle überhand gewonnen. Mit den Kindern, die er in den Arm genommen habe, habe er nichts Sexuelles anstellen wollen.
81
Gegenüber dem Sachverständigen schilderte der Beschuldigte darüber hinaus, dass er am 18.05.2020 Stroh-Rum und Jägermeister getrunken habe. Der Geschädigte S habe ihn an seinen eigenen Sohn erinnert. Diesen habe er vermisst und deshalb habe er den Jungen knuddeln wollen. Der Junge habe bei der Umarmung gefragt, was hier passiere und sich aus seinem Griff gelöst. Dann sei der Angeklagt weggegangen.
a) Tat zum Nachteil der Zeugin B
82
Die Feststellungen zur Tat vom 22.04.2020 beruhen auf den Angaben der Zeugin B gegenüber der Kammer. Diese schilderte den Sachverhalt aufgrund eigenen Erlebens so, wie er durch die Kammer festgestellt wurde.
83
Die Angaben der Geschädigten B waren glaubhaft; die Geschädigte selbst war glaubwürdig. Die Kammer hatte aufgrund der gesamten Hauptverhandlung keinen Anlass, die Glaubwürdigkeit der Geschädigten oder die Glaubhaftigkeit ihrer Angaben in Zweifel zu ziehen.
84
Auch auf mehrfache Nachfragen durch Staatsanwaltschaft und Verteidigung blieb die Zeugin konstant bei ihren, bereits im Rahmen des Ermittlungsverfahrens getätigten Angaben. Die Zeugin verdeutlichte diese zudem durch gestische Beschreibung der Berührung durch den Beschuldigten und konnte auch das Randgeschehen und ihre Empfindungen hierzu glaubhaft schildern. So gab sie an, auf die Polizei sauer gewesen zu sein, da diese trotz ihrer Verängstigung nicht zu ihr gefahren seien, da alle Streifen im Einsatz gewesen wären. So habe sie letztlich selbst zur PI laufen müssen.
85
Insbesondere gab die Geschädigte auch Erinnerungslücken zu. So gab sie an, nunmehr nicht mehr sagen zu können, dass sie keinen BH angehabt habe, da sie normalerweise sofort nach dem Aufstehen einen BH anziehe. Aufgrund der Alltagsroutine und der mittlerweile verstrichenen Zeit, tut dies der Glaubwürdigkeit der Zeugin jedoch keinen Abbruch. Auch zeigte die Zeugin keinerlei Dramatisierungstendenzen. So gab sie vielmehr an, dass sie nicht mehr viel über den Vorfall nachdenken müsse. Auch berichtete die Zeugin ohne Zurückhaltung von ihrer eigenen Erkrankung, einer Borderline-Störung und machte keinen Hehl daraus, selbst in stationärer psychiatrischen Behandlung gewesen zu sein. So schilderte sie, dass sie den Beschuldigten kurze Zeit zuvor in der ... Klinik in Landsberg kennen gelernt habe und mit ihm gemeinsam auf Station gewesen zu sein. Ihre Schilderungen decken sich mit dem festgestellten Aufenthalt des Beschuldigten in der genannten Klinik. Anhaltspunkte dafür, dass ihre Erkrankung Einfluss auf den Wahrheitsgehalt ihrer Aussage haben könnte, waren im Rahmen der Beweisaufnahme nicht festzustellen.
86
Die Kammer ist angesichts der detaillierten und nachvollziehbaren Sachverhaltsschilderung der Zeugin davon überzeugt, dass sich dieser ebenso zugetragen hat. Die Einlassung des Beschuldigten stellt zur Überzeugung der Kammer eine bloße Schutzbehauptung dar. Ein Abrutschen mit der Hand ist völlig lebensfremd und abwegig.
87
Über den Vorfall vom 22.04.2020 hinaus schilderte die Zeugin zudem, dass der Beschuldigte sie im März 2020 während eines gleichzeitigen Aufenthalts in der kbo Landsberg mit demselben Wortlaut, jedoch ohne Berührungen, bedacht habe.
b) Tat zum Nachteil des ...
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Die Feststellungen zur Tat beruhen auf den Angaben der Zeugin M, der Großmutter des Kindes, die die Tat aufgrund eigenen Erlebens so schilderte, wie durch die Kammer festgestellt.
89
Die Zeugin berichtete darüber hinausgehend, dass der Beschuldigte das Kind gepackt und ca. 2 m weggezogen habe und das Kind während der folgenden Umarmung regelrecht an sich gekuschelt habe. Zudem habe der Beschuldigte, abgesehen von seiner verwaschenen Aussprache, insgesamt einen alkoholisierten Eindruck auf die Zeugin gemacht.
90
Zum Zustand ihres Enkels gab die Zeugin an, dass sich dieser zwar erschrocken, aber abgesehen von seiner Aussage bei der Polizei auch im Nachhinein kein Wort über den Vorfall verloren habe. Negative Folgeerscheinungen hätten nicht beobachtet werden können. 1 KLs 110 Js 9238/20 - Seite 17 - Die Angaben der Zeugin waren glaubhaft; die Zeugin selbst war glaubwürdig. Die Kammer hatte aufgrund der gesamten Hauptverhandlung keinen Anlass, die Glaubwürdigkeit der Zeugin oder die Glaubhaftigkeit ihrer Angaben in Zweifel zu ziehen.
c) Tat zum Nachteil des S
91
Die Feststellungen beruhen auf den Angaben des Geschädigten S, der die Tat aufgrund eigenen Erlebens so schilderte, wie sie durch die Kammer festgestellt wurde.
92
Die Angaben des Geschädigten waren glaubhaft; der Geschädigte selbst glaubwürdig. Die Kammer hatte aufgrund der gesamten Hauptverhandlung keinen Anlass, die Glaubwürdigkeit des Geschädigten oder die Glaubhaftigkeit seiner Angaben in Zweifel zu ziehen.
93
Die Feststellungen zum Tatablauf werden zudem gestützt durch die Einlassung des Angeklagten selbst, der sich jedenfalls daran erinnern konnte, den Geschädigten S2. umarmt zu haben, und dass sich dieser aus der Umarmung gelöst habe.
94
Die Feststellungen zu den psychischen Folgeerscheinungen beruhen ebenfalls auf den Angaben des Geschädigten sowie den ebenfalls glaubhaften Angaben der Mutter des Geschädigten, der Zeugin S an deren Glaubwürdigkeit für die Kammer ebenfalls keinerlei Zweifel bestehen. Diese gab zudem an, dass der Geschädigte nach dem Vorfall zunächst auch nicht in die Schule habe gehen können, da er unter dem Zwang gelitten habe, sich ständig die Stelle am Hals zu waschen, an welcher der Beschuldigte ihn geküsst habe. Auch sämtliche bei dem Vorfall getragene Kleidungsstücke und nach dem erstmaligen Waschen verwendete Handtücher habe sie wegwerfen sollen. Trotz seines schon jugendlichen Alters habe sie mehrere Tage nach dem Vorfall bei ihrem Sohn schlafen müssen und mehrere Wochen lang habe sie ihn nicht mehr anfassen können, ohne dass er aggressiv geworden sei. Zwar seien die psychischen Folgeerscheinungen zurückgegangen, aber dennoch weiterhin vorhanden.
95
Die Feststellungen zur Blutalkoholkonzentration des Beschuldigten am 18.05.2020, 17:49 Uhr, beruht auf dem Ergebnis der Blutalkoholuntersuchung des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit vom 26.05.2020, welche in der Hauptverhandlung verlesen wurde.
2. Weiteres Verhalten des Beschuldigten am 18.05.2020
96
Die Feststellungen zum weiteren Verhalten des Beschuldigten beruhen auf den Angaben der Zeugin E., die sowohl den Versuch, das 3-jährige Kind E zu umarmen, als auch weitere ähnliche Versuche des Beschuldigten schilderte, wie durch die Kammer festgestellt. Die Kammer hatte aufgrund der gesamten Hauptverhandlung auch bezüglich dieser Zeugin keinen Anlass, die Glaubwürdigkeit der Zeugin oder die Glaubhaftigkeit ihrer Angaben in Zweifel zu ziehen.
97
Die Feststellungen zur Schuldfähigkeit beruhen auf den auch diesbezüglich nachvollziehbaren, in sich schlüssigen, widerspruchsfreien und fundierten Gutachten des Sachverständigen K4., dem sich die Kammer auch in dieser Hinsicht nach eigener kritischer Würdigung unter Berücksichtigung des persönlichen Eindrucks, den die Kammer während der Hauptverhandlung vom Angeklagten gewonnen hat, anschließt.
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Der Sachverständige führte zunächst aus, dass sowohl die Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis als auch die Alkoholintoxikation der krankhaften seelischen Störung i.S.d. § 20 StGB zuzuordnen seien.
99
Er erläuterte, dass er im Hinblick auf das Zustandsbild des Beschuldigten an diesem Tag davon ausgehe, dass die schizophrene Psychose das Denken, Fühlen und Handeln des Beschuldigten determiniert habe. Direkt nach der Aufnahme in die Maßregelvollzugsklinik habe er bereits über seine Überzeugungen, ein Telepath zu sein und von seinen Befürchtungen dahingehend berichtet, dass seine Gedanken telepathisch abgehört würden. So sei auch davon auszugehen, dass dieser psychotische Grundzustand bereits zu den Tatzeitpunkten vorgelegen habe. Auch während des Explorationsgesprächs am 22.05.2020 habe der Beschuldigte das Gefühl gehabt, dass das Gespräch mitgehört würde.
100
In dieser Darstellung werde ein hochdynamisches psychotisches Erleben mit unrealistischen Wahnvorstellungen und verloren gegangenen Ich-Grenzen deutlich. Nach psychiatrischmedizinischen Erkenntnissen seien jedoch Menschen, die unter einem Wahn leiden und ihren Wahnideen zumindest teilweise ausgeliefert seien, nicht in der Lage, über Recht und Unrecht zu reflektieren. Sie seien unfähig, ihr Handeln von allgemeinverbindlichen Rechtsgedanken leiten zu lassen, selbst wenn sie nicht immer ihren Wahngedanken oder dem Befehl imperativer Stimme folgen würden.
101
Dazu komme, dass der Beschuldigte zu den Tatzeitpunkten erheblich alkoholisiert war, und jedenfalls um 15:30 Uhr von einer BAK von 3,29 Promille auszugehen sei. Zwar hätten die hierzu vernommenen Zeugen konkret lediglich von einer verwaschenen Aussprache berichten können. Jedoch hätten sie den Beschuldigten als alkoholisiert bzw. als unter Medikamenten stehend subjektiv wahrgenommen. Wenngleich entsprechend der Suchtanamnese von einer Alkoholtoleranz des Beschuldigten ausgegangen werden müsse, sei doch davon auszugehen, dass der schwere Rauschzustand im Zusammenwirken mit den Symptomen der akuten schizophrenen Psychose die Wahrnehmung und Denkprozesse des Beschuldigten in derart schwerer Weise beeinträchtigt hatten, dass er nicht mehr in der Lage gewesen sei, das Unrecht seiner Tat zu erkennen.
102
Der Zustand des Beschuldigten einen Monat zuvor könne jedoch nicht komplett gleich laufend beurteilt werden. Der Beschuldigte habe sich zuvor zuletzt 25. März bis 25.03.2020 in der kbo L1. M1. Klinik in L. stationär befunden. Die Aufnahme dort sei wegen Suizidgedanken und wahnhaften Vorstellungen in alkoholisiertem Zustand erfolgt und es sei eine Alkoholentgiftung durchgeführt worden. Bei Entlassung sei eine Medikation mit Quetiapin retard 150 mg und Mirtazapin 15 mg angesetzt und aufgrund fortbestehenden Stimmenhörens mit unretardiertem Quetiapin in einer Tagesdosis von 25 mg ergänzt worden. Der Beschuldigte habe dem Sachverständigen gegenüber erklärt, dass er in dem Zeitraum nach Entlassung und jedenfalls noch zum Tatzeitpunkt die verordnete Medikation eingenommen habe. Es sei ihm zwar psychisch nicht gut gegangen. Im Vordergrund hätten jedoch schwere Schlafstörungen gestanden. Zwar habe er auch immer wieder Stimmen gehört, jedoch nicht imperative Stimmen oder Stimmen sexuellen Inhaltes. Zwar könne für den vorliegenden Tatzeitraum nicht von einer stabilen Remission im Krankheitsverlauf gesprochen werden, jedoch bestünden, im Gegensatz zum Zeitraum um den 18.05.2020, keine Anhaltspunkte für weitergehende psychopathologische Symptome. So könne, auch im Hinblick darauf, dass der Beschuldigte ihm gegenüber behauptet habe, er habe sich sofort bei der Geschädigten für die kurze Berührung der Brust entschuldigt, grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass dem Beschuldigten bewusst gewesen sei, dass eine solche Handlung nicht erlaubt, bzw. jedenfalls nicht „in Ordnung“ sei.
103
Da jedoch, so der Sachverständige weiter, vom langjährigen Bestehen einer qualifizierten schizophrenen Psychose ausgegangen werden müsse, die fortwährend auch von produktivpsychotischen Symptomen wie Stimmenhören geprägt gewesen sei und auch bereits zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Persönlichkeitsgefüges des Beschuldigten geführt habe, sei auch für den 22.04.2020 sicher von einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB auszugehen.
104
Der Sachverständige führte weiter aus, dass zusätzlich zur bestehenden schizophrenen Erkrankung, auch am 22.04.2020 eine leichte bis mittelschwere Alkoholintoxikation vorgelegen habe. Angesichts der Wirkungen des Alkohols im Zusammenspiel mit der psychiatrischen Grunderkrankung könne daher nicht ausgeschlossen werden, dass die Steuerungsfähigkeit des Angeklagten vollständig aufgehoben gewesen sei.
105
Angesichts der geringeren Intensität der psychotischen Symptomatik sowie der geringeren Alkoholintoxikation könne im Gegensatz zum 18.05.2020 eine Aufhebung der Einsichtsfähigkeit nicht angenommen werden.
106
c) Die Kammer schließt sich auch diesen Ausführungen der Sachverständigen, die in ihrer Gänze überzeugend waren, unter Berücksichtigung des persönlichen Eindrucks, den die Kammer vom Angeklagten in der Hauptverhandlung gewonnen hat, in vollem Umfang an. Hinsichtlich der Tat vom 18.05.2020 zu Lasten des S hat die Kammer dabei nicht außer Acht gelassen, dass der Beschuldigte dem Geschädigten während der Tat „Pst, sei leise“ zugeflüstert hat. Grundsätzlich könnte dies ein Hinweis darauf sein, dass der Beschuldigte die Entdeckung der „Ungesetzlichkeit“ befürchtet habe, was wiederum für eine noch vorhandene Unrechtseinsicht sprechen könnte. Andererseits könnte die Äußerung zwanglos auch von dem alleinigen Wunsch getragen gewesen sein, dem Kind ungestört nahe zu sein, so dass dies der Bewertung des Sachverständigen nicht widerspricht. Angesichts des zusätzlich vorliegenden schweren Rauschzustandes folgt die Kammer daher auch diesbezüglich der Einschätzung des Sachverständigen.
1. Tat zum Nachteil der Geschädigten B
107
Der Beschuldigte hat der Geschädigten, über der Kleidung, über die Brüste und den Genitalbereich und wieder zurück gestrichen. Das Berühren der weiblichen Sexualorgane stellt bereits nach dem äußeren Erscheinungsbild eine sexuelle Handlung von einiger Erheblichkeit i.S.d. § 184h StGB dar. Entgegen der Darstellung des Beschuldigten ist er nicht versehentlich mit der Hand abgerutscht und nur für einen kurzen Moment an die Brust der Geschädigten gekommen, sondern hat mit der Hand in einer halbkreisförmigen Bewegung sowohl beide Brüste als auch den Genitalbereich berührt. Auch hat der Beschuldigte mit „ich ficke und fessle dich“ eine eindeutig sexualbezogene Äußerung von sich gegeben. Im Rahmen einer Würdigung der gesamten Situation hat die Kammer an der Erheblichkeit der sexuellen Handlung keinerlei Zweifel.
108
Nachdem die Geschädigte mit ganzer Kraft versuchte, die Tür zuzudrücken, war zur Überzeugung der Kammer auch der entgegenstehende Wille der Geschädigten eindeutig objektiv zu erkennen.
109
Der Beschuldigte hat auch gegenüber der Geschädigten Gewalt angewendet. Er versuchte, die Wohnungstür aufzudrücken, während die Geschädigte dagegen hielt. Dies stellt eine gegen den Körper der Geschädigten gerichtete Kraftentfaltung dar, die von ihr auch als körperliche Zwangswirkung empfunden wurde. Sie hätte sich dem, in diesem Moment, nur durch Zurücktreten und Öffnen der Tür entziehen können, was zwangsläufig das Eindringen des Beschuldigten in ihre Wohnung zur Folge gehabt hätte. Somit gelang es dem Beschuldigten 1 KLs 110 Js 9238/20 - Seite 21 - gerade aufgrund seiner körperlichen Bemühungen, die Tür aufzudrücken und der Gegenwehr der Geschädigten, diese zu berühren.
110
Der Beschuldigte hat daher zur Überzeugung der Kammer den Tatbestand der sexuelle Nötigung i.S.d. § 177 Abs. 1, Abs. 5 Nr.1 StGB verwirklicht.
111
Mit der Äußerung: „ich ficke und fessle dich, du kommst hier nicht mehr lebend raus“, welche die Geschädigte auch ernst nahm, hat der Beschuldigte zudem den Tatbestand der Bedrohung gem. § 241 StGB verwirklicht.
2. Taten zum Nachteil von M und S
a) sexueller Missbrauch von Kindern mit sexueller Nötigung
112
Hinsichtlich der Taten zu Lasten von M und S war zu überprüfen, ob der Beschuldigte mit seinen Handlungen den Tatbestand des sexuellen Missbrauchs, jeweils mit sexueller Nötigung verwirklicht hat. Dafür müsste der Beschuldigte an den Geschädigten eine sexuelle Handlung von einiger Erheblichkeit vorgenommen haben.
113
Der Beschuldigte hat beide Geschädigte ungefragt und ohne Vorwarnung von hinten fest umfasst und an sich gezogen. Dem Geschädigten S hat der Beschuldigte zudem zweimal auf den Hals geküsst und dabei „pst, sei leise“ gemurmelt.
114
aa) Eine sexuelle Handlung ist eine solche, die das Geschlechtliche im Menschen zum unmittelbaren Gegenstand hat. Dabei muss das äußere Erscheinungsbild nach allgemeinem Verständnis eine Sexualbezogenheit erkennen lassen. Dies kann sowohl im Falle der Küsse als auch der Umarmung und des festen Ansichziehens bejaht werden, da es sich grundsätzlich um körperliche Zuneigungsbezeugungen handelt.
115
Subjektiv ist dabei eine sexuelle Motivation oder Erregung des Täters nicht vorausgesetzt, fließt jedoch in die Gesamtbetrachtung mit ein. Der Sachverständige führte zum Krankheitsbild des Beschuldigten aus, dass bei diesem auch eine sonstige Störung der Sexualpräferenz gegeben gewesen sei. Aus der Sexualanamnese sowie den Vordiagnosen handele es sich dabei jedoch um eine sodomitische Störung, bezogen auf Pferde. Hinweise für eine Pädophilie oder homosexuelle Neigungen hätten beim Beschuldigten nicht festgestellt werden können. Daher sei die Einlassung des Beschuldigten, er habe seinen Sohn so sehr vermisst und deshalb die anderen Kinder umarmen wollen, nicht von der Hand zu weisen.
116
Auch nach Auffassung der Kammer konnte eine sexuelle Motivation des Beschuldigten nicht festgestellt werden, zumal die einzelnen Handlungen an sich, jedenfalls bei eigenen Kindern, in der Regel keiner sexuellen Motivation unterliegen. Angesichts der psychischen Störung des Beschuldigten geht auch die Kammer davon aus, dass er mit seinem Verhalten die Sehnsucht nach seinem eigenen Sohn kompensieren wollte und darin keine sexuelle Motivation zum Ausdruck kam.
117
Entscheidend war vorliegend jedoch die Frage, ob die Handlung auch i.S.d. § 184h StGB einige Erheblichkeit hatte. Dies bedeutet, dass eine sozial nicht mehr hinnehmbare Rechtsgutsbeeinträchtigung zu besorgen wäre (s.auch BGH 29, 338). Die erforderliche Wertung muss sich dabei an sozialethischen Maßstäben orientieren, welche auch eine Würdigung von Rechtsgut, Intensität der Beeinträchtigung, der Begleitumstände der Tat, der Persönlichkeit des Täters sowie der Beziehung der Beteiligten umfasst. Liegt danach eine sozial nicht mehr hinnehmbare Beeinträchtigung vor, ist die Erheblichkeitsschwelle überschritten (BGH NStZ 2012, 269 (270); 2017, 527; NStZ-RR 2017, 277). Bestimmend ist auch der Grad der Gefährlichkeit der Handlung, weshalb eine sexuell getönte Handlung gegenüber einem Kind eher erheblich ist als gegenüber einem Erwachsenen (BGH NStZ 2007, 700; 2017, 527; NStZ-RR 2017, 43; 2017, 277; 2019, 143).
118
bb) Bei der Tat zu Lasten des Kindes M handelt es nach Überzeugung der Kammer noch um eine Handlung geringer Intensität. Er hatte das Kind an sich herangezogen und fest an sich gedrückt. Zwar ist diese Handlung bei einem völlig fremden Kind grundsätzlich als nicht sozial hinnehmbar anzusehen, jedoch überschreitet sie zur Überzeugung der Kammer noch nicht die Grenze der Erheblichkeit, zumal es der Zeugin M auch gelang, ihren Enkel sofort aus den Armen des Beschuldigten zu reissen. Es handelte sich somit um eine sehr kurz andauernde Handlung ohne sexuelle Motivation, die das betroffene Kind nicht nachhaltig beeindruckt hat. Der Tatbestand des sexuellen Missbrauchs von Kindern ist hier, zur Überzeugung der Kammer, nicht erfüllt.
119
cc) Bei der Tat zu Lasten des Geschädigten S handelt es sich nach Auffassung der Kammer jedoch um Handlungen, die in ihrer Gesamtheit den Grenzbereich der Erheblichkeit erreichen und überschreiten.
120
Zum einen hielt der Beschuldigte den Geschädigten trotz Gegenwehr an sich gedrückt, zum anderen küsste er den Geschädigten zweimal auf den Hals und flüsterte ihm zu. Auch unter Berücksichtigung des Alters des Geschädigten, der mit 12 Jahren als bald „Jugendlicher“ zu erkennen war, muss hier ein anderer Wertungsmaßstab angelegt werden. Mit steigendem Alter und steigender sexueller Entwicklung eines Kindes verändert sich auch der Maßstab des Erheblichkeit einer an diesem Kind vorgenommenen sexuellen Handlung.
121
Während das Küssen eines Babys oder Kleinkindes allgemein, jedenfalls auch von Freunden und Bekannten allgemein üblich, bzw. zumindest sozial hinnehmbar ist, ist dies bei 12-jährigen Jungen nicht mehr der Fall. In diesem Alter kommt es vielmehr aufgrund der bereits begonnenen oder herannahenden Pubertät zu einer körperlichen Veränderung und Abgrenzung. Körperliche Zuneigungsbekundungen werden regelmäßig auf enge Verwandte oder enge Freunde, bzw. eine Freundin begrenzt. Zudem sind der Mund, und wie hier, der Hals besonders sensitive Körperpartien und ein Kuss auf diese Stellen kann nicht mit einem „Bussi“ auf die Wange verglichen werden.
122
Vorliegend handelte es sich um Zuneigungsbekundungen einer völlig fremden Person, die den Geschädigten nicht nur fest an sich zog und drückte, sondern auch trotz objektiv erkennbarem Unwillen - der Geschädigten versuchte sich fortwährend aus dem Griff zu lösen - nicht losließ, und ihm darüber hinaus noch zweimal, nicht nur auf die Wange, sondern, begleitet von einem Flüstern, auf den Hals küsste.
123
Der Geschädigte reagierte entsprechend angeekelt, hatte und hat noch heute unter schwerwiegenden psychischen Folgeerscheinungen zu leiden und entwickelte aufgrund des Ekelgefühls eine Zwangsstörung, die stationärpsychiatrisch behandelt werden musste.
124
Nach der Gesamtbetrachtung sämtlicher vorliegender Umstände, einschließlich des Fehlens einer subjektiven sexuellen Motivation des Beschuldigten, ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass die Grenze der Erheblichkeit i.S.d. § 184h StGB bei der Tat zu Lasten des Geschädigten S überschritten wurde.
125
Insoweit hat der Beschuldigte somit die Tatbestände des sexuellen Missbrauchs von Kindern mit sexueller Nötigung gem. §§ 176 Abs. 1, 177 Abs. 1 StGB verwirklicht.
126
Die Handlung des Beschuldigten gegenüber dem Kind M stellt jedoch eine Nötigung i.S.d. § 240 StGB dar.
127
Die Umarmung durch den völlig fremden Beschuldigten erfolgte gegen den Willen des Kindes. Aufgrund des Umstandes, dass der Beschuldigte sowohl S als auch L von hinten - somit ohne Vorwarnung - umfasste, war ihm unter Berücksichtigung der ihm allein möglichen natürlichen Willensbildung bewusst, dass fremde Kinder, und damit auch L eine solche Umarmung nicht wollen und er umfasste sie fest, um eine Gegenwehr und ein sofortiges Herauswinden zu verhindern.
128
Wie bereits ausgeführt stellt es sich vorliegend auch bei L um ein sozial nicht mehr hinnehmbares Verhalten des Beschuldigten dar.
II. Rechtliche Würdigung i.e.S.
129
Der Beschuldigte hat somit im Zustand der Schuldunfähigkeit vorsätzlich die Tatbestände der sexuellen Nötigung mit Bedrohung und des sexuellen Missbrauchs von Kindern mit sexueller Nötigung sowie der Nötigung gemäß §§ 176 Abs. 1, 177 Abs. 1, Abs. 5 Nr.1, 241 Abs. 1, 240 Abs. 1 und 2, 52, 53 StGB verwirklicht.
130
Nachdem die vollständige Aufhebung der Steuerungsfähigkeit auch für die Tat vom 22.04.2020 nicht ausgeschlossen werden konnte, war der Angeklagte im Übrigen aus rechtlichen Gründen freizusprechen.
E. Maßregel der Besserung und Sicherung
131
Der Beschuldigte war in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen, § 63 StGB.
132
Der Beschuldigte hat zum Nachteil der Geschädigten B eine sexuellen Nötigung mit Bedrohung und zum Nachteil des Geschädigten S einen sexuellen Missbrauch von Kindern mit sexueller Nötigung begangen.
133
Nachdem die Tat zu Lasten der Geschädigten B als Verbrechen zu werten ist, und die Tat zu Lasten des Geschädigten S im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von bis zu 10 Jahren bedroht ist, handelt es sich insoweit um erhebliche Anlasstaten, die eine schwere Störung des Rechtsfriedens zur Folge haben.
134
Angesichts dessen hat die Kammer die Nötigung zu Lasten des Kindes L, welche im Höchstmaß mit „nur“ 3 Jahren bedroht ist, als Anlasstat außer Betracht gelassen.
135
Beim Beschuldigten lag zu den Tatzeitpunkten eine Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis(ICD-10 F20.04) sowie eine schwere (Tat vom 22.04.2020) bzw. eine leichte bis mittelschwere (Tat vom 18.05.2020) Alkoholintoxikation (ICD-10 F10.0) i.S.einer krankhaften seelischen Störung i.S.d. § 20 StGB vor.
136
Deswegen befand sich der Beschuldigte bei Begehung der Tat vom 22.04.2020 in einem Zustand der sicher verminderten Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB. Darüber hinaus kann eine vollständig aufgehobene Steuerungsfähigkeit nicht ausgeschlossen werden.
137
Bei Begehung der Tat vom 18.05.2020 war bereits die Einsichtsfähigkeit des Beschuldigten aufgehoben.
138
Psychotische Symptome sind erstmals 2010 aufgetreten und sodann im weiteren Verlauf vielfach diagnostiziert worden. Darüber hinaus leidet der Beschuldigte seit seiner Jugend an einer Alkoholabhängigkeit, die immer wieder zu Rauschzuständen i.S.e. Alkoholintoxikation führt. Der Beschuldigte leidet somit seit mehr als 10 Jahren an den diagnostizierten Erkrankungen. Diesbezüglich wird auf die obigen Ausführungen zur psychischen Gesundheit des Angeklagten und zur Schuldfähigkeit im Zeitpunkt der Taten (vgl. Ziffer C.I.2.b, c und e) und III.3.) verwiesen.
139
Die vom Beschuldigten ausgeführten Taten waren auch symptomatisch für die bei ihm vorliegende Erkrankung der schizophrenen Störung, wobei die Kammer, in Übereinstimmung mit der Einschätzung des Sachverständigen von einem mittelbaren Zusammenhang ausgeht.
140
Der Sachverständige führt dazu aus, dass der Beschuldigte im Rahmen der Symptomschilderung davon berichtet habe, Stimmen zu hören, mit denen er sich auch unterhalten könne. Diese würden ihm Trost spenden, ihn jedoch nicht zu bestimmten Handlungen auffordern. Kommentierende und auch imperative Stimmen hätten nicht in eindeutiger Weise exploriert werden können. Auch das wahnhafte Erleben des Beschuldigten, sprich seine Befürchtung, abgehört zu werden, welches zum Tatzeitpunkt 18.05.2020 imponiert habe, habe zwar keinen direkten, unmittelbaren Einfluss auf das Tatgeschehen gehabt.
141
Jedoch sei das Denken und Fühlen des Beschuldigten im Laufe der Dauer seiner Erkrankungen immer mehr beeinträchtigt worden, so dass von einem mittelbaren Einfluss ausgegangen werden müsse.
142
Im Rahmen des Verlaufs des bisherigen Lebens des Beschuldigten, der durch die schizophrene Störung zusammentreffend mit seinem frühzeitigen Alkoholmissbrauch weder beruflich Fuß fassen konnte noch es geschafft habe, Beziehungen langfristig zu führen, sei es mit der Zeit zu einem immer weiter fortschreitenden sozialen Abstieg gekommen, wobei im Jahr 2017 selbst der Kontakt zu seiner Mutter abgebrochen sei, später auch zu seiner Großmutter. Der letzte Kontakt zu seinem Sohn habe im Jahr 2019 stattgefunden. Angesichts dessen und des krankheitsbedingten Zustandes des Beschuldigten, der auch angegeben habe, sich mit „seinen Stimmen“ zu unterhalten, sei es mehr und mehr zu einer sozialen Isolation und damit auch zu einer fehlenden Regulierung seines Verhaltens durch andere gekommen. Interaktion habe lediglich noch im Sucht- und Obdachlosenmilieu stattgefunden, welches nicht als ausreichendes soziales Korrektiv habe dienen können. Dies habe, angesichts der Erkrankung des Beschuldigten zu veränderten Denkmustern geführt. Eine vernünftige Handlungsplanung sei ihm nicht mehr möglich gewesen.
143
Nichtsdestotrotz bestünden - so der Sachverständige weiter - auch beim Beschuldigten natürliche Bedürfnisse, wie die nach zwischenmenschlicher Nähe oder einer sexuellen Beziehung.
144
Angesichts der krankheitsbedingt erheblich reduzierten sozialen Kompetenz, die es dem Beschuldigten bereits in der Vergangenheit unmöglich gemacht habe, soziale Beziehungen in adäquater Weise aufzunehmen und zu halten, war der Beschuldigte nicht mehr in der Lage, mit seiner Sehnsucht nach zwischenmenschlicher Nähe und Sex einerseits und mit der Sehnsucht nach seinem Sohn andererseits, umzugehen.
145
Die zu den Tatzeitpunkten vorhandene Alkoholintoxikation sei zusätzlich als enthemmender Faktor mit noch weitergehendem Einfluss auf das Denken und Fühlen des Beschuldigten hinzugetreten.
146
Die weiter bestehenden Störungen wie der Missbrauch von Cannabis und Stimulanzien sowie die Störung der Sexualpräferenz hätten jedoch keinen Einfluss auf die Tatbegehung gehabt (s.auch Ziff. C.I.2.d)). Ein pädosexuelles Handlungsmotiv habe sich im Rahmen der Gutachtenserstellung nicht herauskristallisiert. Hinweise auf eine homosexuelle Orientierung mit Präferenz für Kinder und Jugendliche hätten sich nicht ergeben.
147
Die Kammer schließt sich den Ausführungen des Sachverständigen vollumfänglich an. Auch im Rahmen der Hauptverhandlung haben sich keine gegenteiligen Hinweise ergeben. Auch die Kammer ist der Überzeugung, dass der Beschuldigte in Bezug auf den Wunsch, seinen Sohn zu sehen, keine Handlungsplanung, wie für einen gesunden Menschen üblich - Planung der Fahrt, Ankündigung des Besuchs, Beschaffung evtl. nötiger finanzieller Mittel dafür etc. - durchführen konnte, und seine Sehnsucht dahingehend umsetzte, ihm völlig fremde Kinder zu umarmen und zu küssen oder dies zumindest zu versuchen. Ebenso ist der Beschuldigte, nach Auffassung der Kammer, krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage, „normalen“ sexuellen Kontakt zu einer Frau aufzunehmen, und dass sich dies in dem Verhalten äußerte, der Geschädigten B1. auf gewaltsame Weise nahezukommen.
4. Gefährlichkeitsprognose
148
Aufgrund einer Gesamtwürdigung des Beschuldigten und seiner Taten besteht eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades, dass der Beschuldigte in Folge seiner Erkrankungen weitere, erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Die Ausführungen des Sachverständigen waren auch diesbezüglich eindeutig, schlüssig, nachvollziehbar, widerspruchsfrei und fundiert. Die Kammer folgt diesen, nach eigener kritischer Würdigung unter Berücksichtigung des persönlichen Eindrucks, den sie vom Angeklagten während der Hauptverhandlung gewonnen hat, in vollem Umfang.
a) Positive Prognosefaktoren
149
Hierbei muss berücksichtigt werden, dass der Beschuldigte, trotz der seit über 10 Jahren bestehenden Erkrankungen bislang nicht mit Sexualdelikten auffällig geworden ist. Hieran ändert auch nichts, dass die Geschädigten B1. davon berichtete, der Beschuldigte habe sie bereits während des gemeinsamen Klinikaufenthaltes mit demselben Wortlaut bedacht habe, nachdem es dort zu keinen tätlichen Handlungen gekommen sei.
150
Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass grundsätzlich keine (homosexuellen) pädophilen Neigungen vorliegen. Der Sachverständige gab zudem an, dass im Rahmen der Gutachtenserstellung auch keine Hinweise auf einen sexuellen Sadismus hätten eruiert werden können.
b) Negative Prognosefaktoren
aa) Fehlende Krankheitseinsicht/Behandlungseinsicht
151
Beim Beschuldigten ist hinsichtlich seiner Erkrankung aus dem schizophrenen Formenkreis keine hinreichende Krankheitseinsicht vorhanden.
152
So schilderte der Sachverständige, dass dem Beschuldigten die Vordiagnosen durchaus bewusst seien, er aber nur ein diffuses Krankheitsgefühl entwickelt habe. Er habe ein großes theoretisches Wissen über seine schizophrene Erkrankung erlangt, bringe diese Kenntnisse jedoch nicht in Bezug auf sich selbst. Er sei bei der Konfrontation mit Krankheitssymptomen kaum willens oder in der Lage gewesen, sein Erleben zu beschreiben und stattdessen auf vermeintliche Erklärungsmodelle ausgewichen. So habe er beispielsweise erkannt, dass er die Fähigkeit besitze, als Medium zu fungieren bzw. dass das Hören von Stimmen ein „metaphysisches Phänomen“ sei. Nachdem bisherige Medikamentengaben auch keine wesentlichen Veränderungen gebracht hätten, akzeptiere er diese „telepathischen“ Wahrnehmungen nicht als krankhaft. Zudem leide er nicht unter diesen Phänomenen, sondern fühle sich wohl damit. Er suche Trost und Rat bei den Sprechenden.
153
Der Sachverständige führte weiter aus, dass deswegen der Beschuldigte die aufgrund seiner Erkrankung erforderliche Medikation nicht akzeptiere und keine Eigeninteresse an der Medikamenteneinnahme bestehe. So habe sich bereits aus den Vorbefunden ergeben, dass der Beschuldigte die verordnete Medikation immer wieder eigenmächtig abgesetzt habe. So habe er beispielsweise kurz vor seinem stationären Aufenthalt im Klinikum G. im Juli 2019 seine antipsychotische Medikation eigenmächtig abgesetzt, was letztendlich aufgrund Steigerung der psychotischen Symptomatik zum Klinikaufenthalt geführt habe, obwohl er in diesem Zeitraum in der soziotherapeutischen Einrichtung Haus Ammersee gewohnt und entsprechende Unterstützung gehabt habe.
154
Auch aus dem Arztbericht des Lech-Mangfall-Klinikums über den stationären Aufenthalt ab 19.02.2019 ergebe sich, dass der Beschuldigte zuvor die Medikation mit Olanzapin eigenmächtig beendet habe. Auch bereits zuvor sei es nach anfänglicher Compliance zu einem eigenmächtigen Absetzen der Medikation gekommen. Nach Umstellung auf eine Depotmedikation im Jahr 2016 habe er auch diese Behandlung abgebrochen, als er kurzzeitig obdachlos geworden sei.
155
Lediglich im stationären Setting der forensischen Unterbringung akzeptiere der Beschuldigte die verordnete antipsychotische Medikation, auch wenn eine eigenverantwortliche Tabletteneinnahme selbst im stationären Setting nicht zuverlässig gegeben gewesen sei. So habe der Beschuldigte einmal beobachtet werden können, wie er Medikamente mit einer Tasse Wasser weggeschüttet habe.
156
Allein hinsichtlich der Alkoholabhängigkeit sei beim Beschuldigten eine Krankheitseinsicht vorhanden. Dem entsprechend hätten auch bereits mehrfach stationäre Behandlungen stattgefunden. Doch dies habe trotz der Therapieversuche und der sonstigen vielfältigen Hilfsangebote zu keinem Zeitpunkt zu einer langfristigen Abstinenz geführt.
157
Nachdem der Beschuldigte sich durch das Stimmenhören nicht beeinträchtigt fühlt, vielmehr Trost und Rat bei den Sprechenden findet, und seine psychotischen Wahrnehmungen als telepathische Fähigkeit einschätzt, liegt, auch zur Überzeugung der Kammer, eine hinreichende Krankheitseinsicht, jedenfalls die schizophrene Psychose betreffend, nicht vor. Aus demselben Grund wird auch zukünftig eine Krankheits- und vor allem eine Behandlungseinsicht mangels Krankheitsdruck bzw. Belastung durch die Krankheit, nur schwer geweckt werden können, zumal der Beschuldigte bereits in der Vergangenheit seine Medikamente wiederholt eigenmächtig abgesetzt hat.
158
Obwohl eine Krankheitseinsicht hinsichtlich der Alkoholabhängigkeit grundsätzlich vorhanden ist, folgt die Kammer auch insoweit der Einschätzung des Sachverständigen, dass eine isolierte Behandlung unter Außerachtlassung der psychotischen Symptomatik nicht zielführend ist.
bb) Keine vollständige Remission
159
Wie bereits ausgeführt, sind hinsichtlich der Alkoholabhängigkeit sämtliche bisherige Behandlungen gescheitert. Trotz der Vielzahl stationärer Aufenthalte, durchgeführter Interventionen wie Entgiftungsbehandlungen und mehrmalige Versuche, über eine Adaptionseinrichtung und Soziotherapien eine Suchtmittelabstinenz und eine psychopathologische Stabilität zu erzielen, sind ohne mittel- oder langfristigen Erfolg geblieben. Wie sich aus den vom Sachverständigen geschilderten Vorbefunden ergeben habe, ist es jeweils nach kurzer Zeit wieder zu Alkoholrückfällen gekommen. Sowohl seine Großmutter als auch beispielsweise die Einrichtung der Herzogsägmühle haben den Angeklagten wegen seines exzessiven Alkoholkonsums wiederholt der Wohnung verwiesen.
160
Die Kammer folgt der Einschätzung des Sachverständigen auch insoweit, dass die psychotischen Symptome sich unter der Medikation zwar gebessert haben, jedoch nie vollständig remittierten. Dementsprechend hat der Beschuldigte auch nie an einem Wohnort feste Wurzeln schlagen oder sich ein geregeltes Leben aufbauen können.
161
Ergänzend führte der Sachverständige aus, dass auch aktuell, trotz gesicherter halbjähriger Alkohol- und Drogenfreiheit sowie gewährleisteter Medikamenteneinnahme keine vollständige Remission der produktivpsychotischen Symptome zu beobachten sei.
cc) Kein sozialer Empfangsraum
162
Für den Beschuldigten steht bei einer Entlassung aus dem Maßregelvollzug derzeit kein sozialer Empfangsraum zur Verfügung. Der Kontakt zur Familie ist abgebrochen. Einen festen Wohnsitz hat der Beschuldigte nicht und in der Vergangenheit ist die Unterbringung in einer soziotherapeutischen Einrichtung ebenfalls gescheitert, so dass der Beschuldigte nur in die Obdachlosigkeit entlassen werden könnte, wo sich die Vereinsamung des Beschuldigten und die Depravation weiter fortsetzen würde.
163
Angesichts des Umstandes, dass es dem Beschuldigten nie gelungen ist, eine Berufsausbildung abzuschließen oder für einen längeren Zeitraum einer Arbeitstätigkeit nachzugehen und er bereits seit mehreren Jahren von Unterstützungsleistungen lebt, wird auch keine Strukturierung des Alltags und eine Festigung des Lebensrhythmus in Freiheit erfolgen. Der Beschuldigte hat in der Vergangenheit gezeigt, dass er nach Entlassung aus den stationären Behandlungen alsbald in sein altes Verhaltensmuster zurückfällt, seine Medikation eigenmächtig absetzt und den Alkoholkonsum wieder aufnimmt.
dd) Progredienz/Art und Weise der Tatausführung
164
Die Kammer verkennt nicht, dass der Beschuldigte bislang noch nicht wegen Sexualdelikten aufgefallen ist. Somit kann im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose nicht von einer klassischen Progrendienz gesprochen werden. Der Beschuldigte musste sich lediglich im Jahr 2018 u.a. wegen Körperverletzungsdelikten strafrechtlich verantworten. Im Übrigen wurden, wie sich aus dem Bundeszentralregister ergibt, weitere strafrechtlich relevante Taten, wegen Schuldunfähigkeit eingestellt.
165
Nachdem aber das Leben, bzw. die Lebensgestaltung des Beschuldigten jegliches soziales Korrektiv vermissen lässt, wäre bei einer Entlassung aus dem Maßregelvollzug zum einen damit zu rechnen, dass der Beschuldigte seine Medikation absetzt und wieder mit dem Konsum von Alkohol beginnt. Des Weiteren ist damit zu rechnen, dass sich die psychotischen Symptome daraufhin wieder verstärken.
166
Somit ist auch zu erwarten, dass sich das deliktische Verhalten wie bisher fortsetzt, so dass auch weiterhin mit der Begehung von Hausfriedensbrüchen, Eigentumsdelikten und geringgradigen Körperverletzungen gerechnet werden muss.
167
Dies allein begründet zwar noch nicht die Erwartung, dass der Beschuldigte erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Taten eines psychisch Kranken wie Erregung öffentlichen Ärgernisses, Ladendiebstahl oder Hausfriedensbruch, haben Bagatellcharakter und sind sozial hinnehmbar.
168
Der Sachverständige führte hierzu ergänzend aus, dass sich aus der forensischen Anamnese kein unmittelbares Wahnerleben und kein von imperative Stimmen determiniertes Handlungsgefüge ableiten ließe, welches nachvollziehbar die Wahrscheinlichkeit der Begehung schwerer Körperverletzungsdelikte begründen könnte. Ebenso wenig für sexuell motivierte pädosexuelle Straftaten.
169
Allerdings, so der Sachverständige weiter, gehe aus der Tat vom 22.04.2020 klar hervor, dass der Beschuldigte ein großes Bedürfnis nach sozialen Beziehungen und zwischenmenschlicher Nähe habe, welches er aufgrund seiner krankheitsbedingt erheblich reduzierten sozialen Kompetenz, nicht in adäquater Weise befriedigen könne. Die soziale Randständigkeit des Beschuldigten sei im Laufe der Jahre immer größer geworden. Mangels sozialem Korrektiv im Falle einer Entlassung sei daher zukünftig zu erwarten, dass der Beschuldigte seinem Verlangen in dieser Hinsicht in vergleichbarer Weise nachkomme. So seien auch in Zukunft vergleichbare handson Delikte zu erwarten.
170
Die Kammer schließt sich den Ausführungen des Sachverständigen an. Dabei wird nicht verkannt, dass sich die Intensität der sexuellen Handlung sowie die Intensität der Gewaltausübung i.S.d. § 177 Abs. 5 im unteren Bereich bewegte und die Zeugin B keine dauerhaften psychischen Folgeerscheinungen davon getragen hat.
171
Auch wenn - so der Sachverständige weiter - die Taten vom 18.05.2020 aus Sicht des Beschuldigten nicht von einer pädosexuellen Motivation getragen gewesen seien, so zeige sich auch hier die krankheitsbedingt erheblich reduzierte Kompetenz des Beschuldigten, soziale Beziehungen in adäquater Weise zu halten und zu pflegen. Da die Sehnsucht nach seinem Sohn ein zentrales Thema in der Gefühlswelt des Beschuldigten ist, ist es auch zu erwarten, dass der Beschuldigte künftig gleichgelagerte Delikte begehe, die den Tatbestand des sexuellen Missbrauchs von Kindern erfüllen.
172
Zur Überzeugung der Kammer ist somit im Hinblick auf die vorliegend verwirklichten Delikte von einer sehr hohen Wiederholungsgefahr auszugehen.
173
Hier ist zwar zu berücksichtigen, dass sich die sexuelle Handlung des Beschuldigten am unteren Grenzbereich bewegte und im Fall des L M die Grenze der Erheblichkeit i.S.d. § 184h StGB gar nicht überschritten wurde. Allerdings hängt es nach Auffassung der Kammer lediglich vom Zufall ab, ob diese Grenze überschritten wird. So ist bereits im Fall des L M ersichtlich, dass das Eingreifen der Großmutter die Tathandlung jäh beendet hat. Je nach Gefühlsüberschwang muss somit damit gerechnet werden, dass die Tat ohne das Eingreifen ebenso durchgeführt worden wäre, wie bei S oder dass weitere, ebenfalls die Erheblichkeitsschwelle überschreitenden sexuelle Handlungen vorgenommen worden wären.
174
Zu berücksichtigen ist hier auch, dass der Beschuldigte am fraglichen Tag versucht hat, noch weitere Kinder, u.a. den 3-jährigen E , zu umarmen, wie sich aus der Angaben der Zeugin E ergeben hat. Hieraus ist auch deutlich geworden, dass das Alter der Kinder beliebig ist und somit auch nicht von einer gewissen altersbedingten Wehrfähigkeit der jeweiligen Opfer ausgegangen werden kann.
175
Wie bereits angesprochen, lag die sexuelle Handlung bei S am unteren Grenzbereich, was in die Beurteilung der Erheblichkeit einzustellen ist. Allerdings sind die psychischen Folgen, die der Vorfall beim Geschädigten ausgelöst hat, mehr als erheblich gewesen. Der Geschädigte leidet noch immer unter dem Erlebten.
176
Somit sind zukünftig sowohl Taten zu erwarten, die die Erheblichkeitsschwelle des § 63 StGB nicht erreichen, da die Taten sich in einer Nötigung, ähnlich der Tat zu Lasten des L M, erschöpfen, insbesondere dann, wenn er bei der Ausführung gestört wird (§ 63 S.2 StGB), als auch Taten, wie den sexuellen Missbrauch von Kindern sowie sexuelle Nötigung, die als erhebliche Anlasstaten (§ 63 S.1 StGB) zu werten sind.
177
Derartige Übergriffe sind dadurch gekennzeichnet, dass sie mit der erheblichen Gefahr für schwerwiegende psychische Folgen für die Geschädigten einhergehen. Je nach Vorbelastung oder psychischer Stabilität werden die Taten die jeweils Geschädigten mehr oder minder gefährden. Ob tatsächlich relevante psychische Folgen eintreten, hängt lediglich vom durch den Beschuldigten nicht zu beeinflussenden Zufall ab.
178
Nach der Gesamtwürdigung des Beschuldigten und seiner Tat besteht eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades dafür, dass der Beschuldigte infolge seiner Erkrankung erhebliche rechtswidrige Taten auch in Zukunft begehen wird und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Es besteht eine erhöhte Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Beschuldigte bei Entlassung in sein altes Verhaltensmuster zurückfallen und sich die vom Sachverständigen nachvollziehbar erläuterte Persönlichkeitsdepravation weiter fortsetzen wird, welche für die Begehung der gegenständlichen Straftaten ausschlaggebend war.
179
Die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus war nach all dem anzuordnen.
5. Keine Aussetzung der Maßregel zur Bewährung
180
Eine Aussetzung der Maßregel zur Bewährung gemäß § 67 b Abs. 1 S. 1 StGB kam nicht in Betracht. Besondere Umstände, die die Erwartung rechtfertigen, dass der Zweck der Maßregel auch durch andere Maßnahmen erreicht werden kann, sind nicht gegeben.
181
Der Sachverständige führte hierzu aus, dass Alternativen insbesondere aufgrund der mangelnden Krankheits- und Behandlungseinsicht sowie der bislang nicht erfolgten Remission der Krankheitssymptomatik des Beschuldigten, derzeit nicht bestehen.
182
Dem schließt sich die Kammer an. Eine irgendwie geartete Heimunterbringung, bei welcher eine Behandlung sowohl der Alkoholabhängigkeit als auch der psychotischen Symptomatik, einschließlich der Medikamenteneinnahme gewährleistet wäre, ist für den Beschuldigten nicht vorhanden. Vielmehr würde dieser bei Entlassung aus dem Maßregelvollzug erneut in die Obdachlosigkeit entlassen.
183
Angesichts der sozialen Randständigkeit des Beschuldigten und seiner fehlenden sozialen Kompetenzen würde dies letztendlich in gleichgelagerte Straftaten, wie hier begangen, münden.
184
Zu einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt führte der Sachverständige aus, dass die Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis mit weiterhin unvollständiger Remission eindeutig im Vordergrund stehe und der zukünftige Behandlungsverlauf und die Prognose von dieser Erkrankung determiniert seien. Aufgrund der schweren psychischen Störung wäre der Beschuldigte nicht in der Lage, eine spezifische Suchttherapie zu absolvieren.
185
Die Kammer ist daher in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Sachverständigen, davon überzeugt, dass trotz vorhandener Suchterkrankung die Voraussetzungen zur Anwendung des § 64 StGB nicht gegeben sind.
186
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 465 Abs. 1 StPO.