Titel:
Erfolglose Klage eines Auszubildenden auf Verdienstausfallentschädigung wegen Quarantäneanordnung
Normenketten:
IfSG § 56
BBiG § 19 Abs. 1 Nr. 2
BGB § 616 S. 1
Leitsätze:
1. Bei § 56 IfSG handelt es sich um eine „Billigkeitsregelung“, eine Maßnahme der sozialen Sicherung, die sich auf das vom Gesetzgeber für notwendig Erachtete beschränkt und keinen vollen Schadensausgleich gewährt; die Entschädigung soll auch nicht Arbeitgeber und Versicherungen entlasten, indem deren Verpflichtung zu Versicherungsleistungen oder zur Lohnfortzahlung auf die Allgemeinheit abgewälzt wird. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Auch eine pandemiebedingte Quarantäne, die für den Betroffenen als Ansteckungsverdächtigen angeordnet wurde, ist ein in der Person des Arbeitnehmers bzw. Auszubildenden liegender Grund im Sinne eines subjektiven Leistungshindernisses. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
3. § 19 Abs. 1 BBiG ist eine für Ausbildungsverhältnisse geltende Spezialvorschrift gegenüber § 616 S. 1 BGB. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verdienstausfallentschädigung, Auszubildender, Quarantäneanordnung, subjektives Leistungshindernis, Pandemie, Corona
Fundstelle:
BeckRS 2021, 31154
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Klägerin begehrt die Verpflichtung des Beklagten, ihr eine Entschädigung für den Verdienstausfall ihres Arbeitnehmers Herrn … infolge behördlich angeordneter Quarantäne zu gewähren.
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Im streitgegenständlichen Zeitraum absolvierte Herr … bei der Klägerin eine Ausbildung zum Fertigungsmechaniker. Herr … blieb vom 08.08.2020 bis einschließlich 22.08.2020 der Arbeit fern, weil das Landratsamt … mit Bescheid vom 17.08.2020 für den genannten Zeitraum auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) eine Quarantäne aufgrund eines vorangegangenen engen Kontakts mit einer Covid-19-positiven Person angeordnet hatte.
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Am 15.09.2020 beantragte die Klägerin bei der Regierung von Oberfranken eine Verdienstausfallentschädigung nach § 56 IfSG für den Zeitraum der quarantänebedingten Abwesenheit von Herrn … vom 08.08.2020 bis 22.08.2020. Unter Nr. 4 wurde angekreuzt, dass der Arbeitsnehmer Auszubildender im Sinne von § 10 des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) sei.
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Mit Bescheid vom 21.12.2020 lehnte die Regierung von Oberfranken den Antrag auf Verdienstausfallentschädigung ab.
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Zur Begründung führte die Behörde im Wesentlichen aus, ein nach § 56 Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 IfSG zu entschädigender Verdienstausfall liege vor, wenn für die Dauer der Quarantäne kein Anspruch auf Lohnfortzahlung aufgrund einer anderen gesetzlichen oder tarifvertraglichen Bestimmung bestanden habe. Daran fehle es hier: Bei Herrn … handele es sich um einen Auszubildenden. Gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 2 lit. b BBiG sei einem Auszubildenden die Vergütung bis zur Dauer von sechs Wochen zu zahlen, wenn er aus einem sonstigen, in seiner Person liegenden Grund unverschuldet verhindert sei, seine Pflichten aus dem Berufsausbildungsverhältnis zu erfüllen. Ein Verdienstausfall sei somit nicht gegeben und der Antrag daher abzulehnen.
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Am 25.01.2021 ließ die Klägerin durch ihre Bevollmächtigten Klage gegen den Bescheid vom 21.12.2020 erheben.
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Zur Begründung der Klage wurde ausgeführt, Herr … habe während der Absonderung seiner Arbeit nicht nachgehen können, eine Ersatztätigkeit sei weder gestattet gewesen noch wäre sie aufgrund seiner Tätigkeit möglich gewesen. Die Klägerin habe in der Zeit der Absonderung die übliche Lohnfortzahlung an Herrn … gezahlt. Ein nach § 56 Abs. 5 i.V.m. Abs. 1 IfSG zu erstattender Verdienstausfall liege vor. Behördliche Anordnungen, die im Zusammenhang mit der aktuellen Pandemie stünden, insbesondere ein Tätigkeitsverbot oder eine Quarantäneverfügung, beruhten auf einem objektiven Leistungshindernis. Hierzu gehörten nach allgemeiner Auffassung u.a. Unruhen, Krieg, Terror und auch Epidemien, die gerade keinen Fall des § 19 Abs. 1 Nr. 2 lit. b BBiG darstellten. Zu vergleichen hiermit seien auch sämtliche Ausführungen zu § 616 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), die diese Auffassung bestätigten. Ein persönliches Leistungshindernis liege schon deshalb nicht vor, da der Hinderungsgrund eine Vielzahl von Beschäftigten gleichzeitig betreffe und somit ein objektives, kein persönliches, Leistungshindernis des Arbeitnehmers bestanden habe. Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 lit. b BBiG sei entsprechend den Tatbestandsmerkmalen des § 616 BGB im vorliegenden Fall außerdem schon deshalb ausgeschlossen, da die Verhinderung eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit überschreite. Als verhältnismäßig nicht erheblich seien dabei im Regelfall nur wenige Tage anzusehen. Die zur Eindämmung des Virus übliche zweiwöchige Quarantäne stelle jedenfalls keine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit dar, so dass ein Anspruch aus § 19 Abs. 1 Nr. 2 lit. b BBiG entfalle. Selbst wenn man diesen Anspruch als gegeben ansehen würde, so handele es sich bei dem Merkmal der „verhältnismäßig nicht erheblichen Zeit“ um ein Tatbestandsmerkmal und nicht um eine Höchstfrist. Die Konsequenz daraus sei, dass bei einer Verhinderung für eine verhältnismäßig erhebliche Zeit der Anspruch aus § 19 Abs. 1 Nr. 2 lit. b BBiG insgesamt entfalle. Es erfolge somit keine Aufspaltung dergestalt, dass der Arbeitgeber für die ersten Tage zur Entgeltzahlung verpflichtet sei und nur für die den nicht erheblichen Zeitraum übersteigenden Tage keine Zahlung zu leisten habe. Dies sei vom Bundesarbeitsgericht bereits mit Beschluss vom 18.12.1959, Az. GS 8/58, festgestellt worden und sei seitdem wiederholt bestätigt worden.
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Mit Schriftsatz vom 07.05.2021 wurde auf einen vorläufigen Hinweis des Gerichts das Vorbringen weiter vertieft. Die Regierung von Oberfranken gehe fälschlicherweise davon aus, dass § 616 BGB vorliegend Anwendung finde. Bei der vorherrschenden Pandemie handele es sich um eine noch nie gehabte Situation, die sicherlich alle vor neue Herausforderungen gestellt habe. Nach Sinn und Zweck sei § 616 BGB geschaffen worden, um normalerweise Fälle wie Hochzeiten, Beerdigungen, Pflege naher Angehöriger oder Kinder zu umfassen. Er betreffe damit einzig Umstände, die in der persönlichen Sphäre des Arbeitnehmers lägen. Natürlich betreffe die jeweilige Absonderungsanordnung immer nur einen Arbeitnehmer, allerdings ändere die Pandemie sehr wohl etwas an der Einschätzung der Anwendbarkeit des § 616 BGB. So seien immer wieder zeitgleich mehrere Arbeitnehmer der Klägerin von ihrer jeweiligen Absonderungsanordnung betroffen und könnten ihrer Arbeit nicht nachgehen. Es sei ursprünglich auch nicht Sinn und Zweck gewesen, solche Quarantänefälle unter § 616 BGB zu subsumieren. Lediglich einzelne Schicksale sollten hierunter fallen und gerade keine allgemein vorherrschenden (objektiven) Hindernisse wie Epidemien. Solche allgemeinen Risiken gehörten nicht zu den vom Arbeitgeber einzukalkulierenden und auch nicht versicherbaren Risiken. Andere zuständigen Behörden nähmen keinen Abzug der beantragten Erstattung der Entschädigung des Verdienstausfalls vor und teilten auch nicht die Auffassung, dass der jeweilige Erstattungsanspruch durch die Anwendbarkeit des § 616 BGB ausgeschlossen sei.
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Vorgelegt wurden zwei anonymisierte Bescheide anderer Behörden, die die Rechtsauffassung der Klägerseite stützen sollen.
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Die Klägerin beantragt,
1. Der Bescheid der Regierung von Oberfranken vom 21.12.2020 (Az. .) wird aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin 597,28 EUR zu erstatten.
Der Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
3. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
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Die Regierung von Oberfranken beantragt für den Beklagten,
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Es fehle vorliegend an einem Verdienstausfall seitens des Arbeitnehmers Herrn … Er sei nach den Angaben der Klägerin zur Zeit der Absonderung Auszubildender zum Fertigungsmechaniker gewesen und unterfalle als solcher nach § 3 Abs. 1 BBiG den Vorschriften des Berufsbildungsgesetzes. Er erhalte nach § 17 Abs. 1 BBiG i.V.m. dem Ausbildungsvertrag eine Ausbildungsvergütung.
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§ 19 Abs. 1 Nr. 2 lit. b BBiG bestimme, dass Auszubildenden die Vergütung bis zur Dauer von sechs Wochen auch zu zahlen sei, wenn sie aus einem sonstigen, in ihrer Person liegenden Grund unverschuldet verhindert seien, ihre Pflichten aus dem Berufsausbildungsverhältnis zu erfüllen. Nach Auffassung des Beklagten handele es sich bei einer gegenüber einer bestimmten Person ausgesprochenen infektionsschutzrechtlich begründeten Absonderung gemäß § 28 Abs. 1 i.V.m. § 30 Abs. 1 IfSG um einen in der Person des Betroffenen liegenden Grund. Anders als die Klägerin meine, liege hier kein etwa mit Unruhen, Krieg oder Terror vergleichbares objektives Leistungshindernis vor. Zwar betreffe eine Epidemie in ihren Auswirkungen eine Vielzahl von Personen, ein unmittelbares Leistungshindernis resultiere aus einer pandemischen Lage indes nicht. Erst aufgrund der individuell-konkreten Absonderungsverfügung der Gesundheitsbehörde werde der Betroffene wegen der damit einhergehenden Pflicht zur häuslichen Isolation daran gehindert, seine Pflichten aus dem Berufsausbildungsverhältnis zu erbringen. Insofern liege hierin ein subjektives Leistungshindernis im Sinne eines in der Person des Betroffenen liegenden Grundes vor.
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Ein Verschulden eines von einer solchen infektionsschutzrechtlichen Maßnahme Betroffenen könne in einer pandemischen Lage, wie der aktuell aufgrund der Verbreitung des SARS-CoV-2-Virus bestehenden, nicht angenommen werden. Regelmäßig könnten Kontaktpersonen eines Infizierten nicht einmal wissen, dass dieser infiziert sei und Erreger einer ansteckenden Krankheit verbreite. Da mithin ein in der Person des Auszubildenden liegendes unverschuldetes Leistungshindernis in Bezug auf die Pflichten aus dem Berufsausbildungsverhältnis bestehe, sei die Klägerin zur Fortzahlung der Ausbildungsvergütung bis zu einer Dauer von sechs Wochen verpflichtet. Der Quarantäne-Zeitraum vom 08.08.2020 bis 22.08.2020 sei damit vollumfänglich von der Fortzahlungsverpflichtung erfasst, so dass ein Verdienstausfall seitens des Auszubildenden nicht bestehe.
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Auf die Frage, ob der Zeitraum der Quarantäne eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ darstelle, komme es entgegen den klägerischen Ausführungen anders als bei § 616 BGB vorliegend nicht an. § 19 Abs. 1 Nr. 2 BBiG enthalte eine solche Formulierung weder im Sinne eines Tatbestandsmerkmals noch einer Höchstfrist. Vielmehr regle die Norm, dass eine Fortzahlungsverpflichtung bis zu einer Dauer von sechs Wochen bestehen könne. Ein Erstattungsanspruch der Klägerin nach § 56 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 IfSG scheide somit aus.
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Zu den weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtssowie die elektronisch übersandte Behördenakte verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).
Entscheidungsgründe
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I. Über die Klage konnte nach vorheriger Anhörung der Beteiligten durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da sie keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 VwGO). Die Beteiligten wurden gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.
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II. Die Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Die Klägerin hat weder einen Anspruch auf Erstattung einer Verdienstausfallentschädigung nebst Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 597,28 EUR in Bezug auf ihren Mitarbeiter … noch auf Neuverbescheidung des entsprechenden Antrags vom 15.09.2020. Der ablehnende Bescheid der Regierung von Oberfranken vom 21.12.2020 ist vielmehr rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).
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In der Sache selbst schließt sich das Gericht zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen im Wesentlichen zunächst den Gründen des angefochtenen Bescheides an und sieht von einer gesonderten Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 84 Abs. 1 Satz 3, § 117 Abs. 5 VwGO). Ergänzend ist zur Sache sowie zum Klagevorbringen noch Folgendes auszuführen:
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1. Mit der behördlich gegenüber Herrn … angeordneten Quarantäne liegt ein sonstiger, in der Person des Auszubildenden liegender Grund im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 2 lit. b BBiG vor, der dazu geführt hat, dass der Auszubildende unverschuldet verhindert war, seine Pflichten aus dem Berufsausbildungsverhältnis zu erfüllen.
21
Die Quarantäne, die für den Auszubildenden als Ansteckungsverdächtigen angeordnet wurde, ist ein in der Person des Arbeitnehmers - hier: Auszubildenden - liegender Grund im Sinne eines subjektiven Leistungshindernisses (wohl h.M, vgl. schon BGH, U.v. 30.11.1978 - III ZR 43/77 - juris Rn. 20; so auch z.B. Henssler in: MüKo BGB, 8. Aufl. 2020, § 616 Rn. 25; Bieder in: BeckOK BGB, Stand 01.02.2020, § 616 Rn. 17; Meßling in: Schlegel/Meßling/Bockholdt, Covid-19-Gesetzgebung - Gesundheit und Soziales, 1. Aufl. 2020, § 19 Rn. 10; Hohenstatt/Krois, NZA 2020, 413, 414 f.; Preis/Mazurek/Schmid, NZA 2020, 1137, 1140; Noack, NZA 2021, 251, 253; a.A. z.B. Klein, NJ 2020, 377, 378; Sievers, jM 2020, 189, 190; Weller/Lieberknecht/Habrich, NJW 2020, 1017, 1018 f.). Denn auch wenn die Pandemie als solche ein globales und gesamtgesellschaftliches Ereignis ist, ist der Anlass der Quarantäneanordnung im Einzelfall in hohem Grade von der betroffenen Person und den jeweiligen Umständen abhängig. Erst eine konkrete, infektionsgefährliche Situation im Sinne eines „Kategorie-I-Kontakts“ oder ein positives Covid-19-Testergebnis kann zur Einordnung einer Person als „Ausscheider“, „Ansteckungsverdächtiger“ oder „Krankheitsverdächtiger“ führen und sie damit zum Adressaten einer Isolierungsanordnung i.S.d. § 56 Abs. 1 i.V.m. § 31 IfSG machen. Gerade die Beurteilung der jeweiligen Kontaktsituation auf der Tatbestandsseite im Hinblick darauf, in welchem Maße eine Übertragungsgefahr besteht, erfordert eine umfassende individuelle Beurteilung der Gegebenheiten anhand zahlreicher Kriterien, wie z.B. Dauer und räumliche Nähe des Kontakts, Lüftungsverhältnisse, das Tragen von Masken etc. (vgl. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Kontaktperson/ Management.html). Die bloße Möglichkeit, dass von einer gefährlichen Kontaktsituation im Einzelfall mehrere Personen betroffen sein können (z.B. durch eine Anreicherung infektiöser Aerosole im Raum) lässt das Erfordernis einer einzelfallbezogenen Beurteilung der Infektionsgefahr für jeden Betroffenen nicht entfallen, ändert demgemäß auch nichts am Charakter der Quarantäneanordnung als individualisiertem, einzelfallabhängigen Verwaltungsakt und führt - mit Blick auf die arbeitsrechtlichen Folgen - mithin auch ersichtlich nicht zu einem objektiven Charakter des daraus resultierenden Leistungshindernisses (nicht überzeugend daher Kraayvanger/Schrader, NZA-RR 2020, 623, 625 f.; siehe auch Wohlgemuth/Pepping, BBiG, 2. Auflage 2020, Rn. 17).
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2. Der hier einschlägige Vergütungsfortzahlungsanspruch nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 lit. b BBiG mag zwar in seinen Voraussetzungen § 616 Satz 1 BGB entsprechen. Er ist jedoch nach seinem klaren gesetzlichen Wortlaut tatbestandlich nicht auf eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit begrenzt, sondern er besteht auf der Rechtsfolgenseite für die Dauer von sechs Wochen und kann auch nicht abbedungen werden (vgl. hierzu übereinstimmend Feichtinger/Malkmus, Entgeltfortzahlungsrecht, § 19 BBiG, Rn. 12; BeckOK Arbeitsrecht, § 19 BBiG, Rn. 11; Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 19 BBiG, Rn. 5; Schubert/Schaumberg in PdK-Bund, § 19 Abs. 1 BBiG; Honig/Knörr/Thiel, Handwerksordnung, § 19 BBiG, Rn. 7).
23
Die Norm des § 19 Abs. 1 BBiG stellt eine für Ausbildungsverhältnisse geltende Spezialvorschrift dar (vgl. Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath, Arbeitsrecht, 4. Auflage, § 19 BBiG, Rn. 1), so dass es auf Problemstellungen bei der Anwendung des § 616 BGB in der vorliegenden Sache nicht ankommt.
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Hat damit aber der Auszubildende … im streitgegenständlichen Zeitraum keinen Verdienstausfall erlitten, weil die Klägerin nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 lit. b BBiG zur Fortzahlung der Vergütung verpflichtet war, so steht der Klägerin auch kein diesbezüglicher Erstattungsanspruch zu. Auch für einen Anspruch auf Neuverbescheidung ist aus ebendiesen Gründen kein Raum.
25
Bei der Konzeption des § 56 IfSG handelt es sich um eine „Billigkeitsregelung“, eine Maßnahme der sozialen Sicherung, die sich auf das vom Gesetzgeber für notwendig Erachtete beschränkt und keinen vollen Schadensausgleich gewährt. Die Entschädigung soll auch nicht Arbeitgeber und Versicherungen entlasten, indem deren Verpflichtung zu Versicherungsleistungen oder zur Lohnfortzahlung auf die Allgemeinheit abgewälzt wird (vgl. zur Zweck und Bedeutung der Norm ausführlich Kießling, IfSG, § 56 Rn. 1 ff. m.w.N.).
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III. Die Klage ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO).