Inhalt

VG Bayreuth, Gerichtsbescheid v. 03.03.2021 – B 8 K 20.1012
Titel:

Kein Corona-Bonus für hauswirtschaftliche Versorgung

Normenketten:
CoBoR Ziff. 2
GG Art. 3 Abs. 1
Leitsatz:
Nach Ziff. 2 CoBoR kommt es nicht darauf an, inwieweit der Anspruchsteller durch seine Tätigkeiten einem besonderen Infektionsrisiko ausgesetzt gewesen ist. Vielmehr wird nur auf die Art der Tätigkeit, "tatsächlich in der Pflege Tätige" abgestellt. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Hauswirtschaftliche Versorgung, Corona-Pandemie, Pflegebonus, Corona-Prämie, Tätigkeit in der Pflege, Assistenztätigkeit, hauswirtschaftliche Versorgung, Selbstbindung der Verwaltung
Fundstelle:
BeckRS 2021, 31148

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheits¬leistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des vollstreck¬baren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des zu voll¬streckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1
Die Klägerin begehrt die Gewährung eines Bonus nach der Richtlinie über die Gewährung eines Bonus für Pflege- und Rettungskräfte in Bayern (Corona-Pflegebonusrichtlinie - CoBoR vom 30.04.2020, in Kraft seit dem 07.04.2020).
2
Sie stellte am 30.10.2020 online beim Bayerischen Landesamt für Pflege einen Antrag auf Gewährung dieses Bonus. Dabei gab sie an, aktuell als Hauswirtschaftskraft in der stationären Alten- und Pflegeeinrichtung „Seniorenwohnpark … GmbH“ mehr als 25 Stunden zu arbeiten. Der Arbeitgeber bestätigte mit Formblatt vom 04.05.2020 eine Tätigkeit der Klägerin im stationären Pflegedienst in der o.g. genannten Einrichtung als hauswirtschaftliche Assistentin.
3
Mit Bescheid vom 09.09.2020, versandt als einfacher Brief, lehnte der Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung ist ausgeführt, dass die Klägerin als hauswirtschaftliche Assistentin im Seniorenwohnpark … GmbH tätig sei. Mit dieser Tätigkeit gehe sie weder einer der benannten Tätigkeiten nach, noch übe sie eine der in den Anlagen zur CoBoR benannten Qualifikationen aus.
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Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin mit Schriftsatz ihrer Betreuerin vom 08.10.2020, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am gleichen Tag, Klage. Sie beantragt,
1.
Der Bescheid des Bayerischen Landesamtes für Pflege vom 09.09.2020 wird aufgehoben.
2.
Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin entsprechend des Antrags vom 12.05.2020 den Corona-Pflegebonus zu bewilligen.
5
Mit Schriftsatz vom 10.12.2020 wurde eine Bestätigung des Arbeitgebers der Klägerin vom 03.11.2020 vorgelegt. Darin ist der Klägerin als hauswirtschaftliche Präsenzmitarbeiterin im Pflegebereich bestätigt, dass sie unmittelbaren Risikokontakt zu den Bewohnern gehabt habe. Sie sei in Ausübung ihrer Tätigkeit einer massiven direkten Infektionsgefahr ausgesetzt gewesen.
6
Das Gericht bat die Kläger mit Schriftsatz vom 03.12.2020, der Aufforderung des Beklagten, eine Bestätigung für die angegebene pflegerische Tätigkeit umgehend Folge zu leisten. Mit Schriftsatz vom 16.12.2020 wies das Gericht daraufhin, dass leider keine pflegerische Tätigkeit dargelegt sei, und regte zur Kostenreduzierung eine Klagerücknahme an.
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Die Betreuerin führte zur Begründung unter Bezugnahme auf die Bestätigung des Arbeitgebers vom 10.12.2020 im Wesentlichen aus (Schriftsatz vom 11.01.2021), dass der unmittelbare Kontakt zu Corona-Patienten, die sie mitversorgt habe, die Klägerin mit den pflegerischen Kräften gleichstelle, da auch Speisen verabreicht worden seien. Eine andere Sichtweise würde eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung darstellen. Die Klägerin sei - wie Pflegekräfte - in gleicher Weise Gefahren bei ihrer täglichen Arbeit ausgesetzt. Da der Covid-Virus am Arbeitsplatz der Klägerin bereits in der Anfangsphase massiv vorhanden gewesen sei, habe auch mit einem großen psychischen Druck umgegangen werden müssen. Da auch andere Hauswirtschaftskräfte den vollen Corona-Pflegebonus erhalten hätten, würde die Ablehnung eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung der Klägerin darstellen, was so nicht hingenommen werden könne.
8
Mit Schriftsatz vom 08.02.2021 klärte das Gericht über die Voraussetzungen über die Gewährung eines Pflegebonus nach der CoBoR auf und bat um Stellungnahme zu einer tatsächlichen Pflegetätigkeit der Klägerin bis zum 18.02.2021.
9
Der Beklagte beantragt mit Schriftsatz vom 02.02.2021,
die Klage abzuweisen.
10
Zur Begründung führt er aus, dass die Klägerin angesichts ihrer ausgeübten beruflichen Tätigkeit nicht die Anspruchsvoraussetzungen der Richtlinie (CoBoR) erfülle. Die Honorierung eines persönlichen Risikos der Klägerin vermöge ein Absehen von den ausdifferenzierten Anforderungen der Richtlinie nicht zu rechtfertigen, da diese andernfalls hinfällig wären. Eine Bescheinigung des Arbeitgebers über eine pflegerische Tätigkeit sei nicht erbracht worden.
11
Das Gericht hörte mit Schriftsatz vom 15.02.2021 die Beteiligten zur in Betracht gezogenen Entscheidung des Rechtsstreits durch Gerichtsbescheid an.
12
Hinsichtlich des weiteren Sachverhalts wird auf die Gerichts- und die beigezogenen Behördenakte verwiesen, § 117 Abs. 3 VwGO.

Entscheidungsgründe

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Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, der als Urteil wirkt, entschieden werden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Halbsatz 1 VwGO). Die Beteiligten wurden gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid gehört.
14
1. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
15
Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 09.09.2020 ist rechtmäßig und damit nicht aufzuheben (§ 113 Abs. 1 VwGO). Der Klägerin steht kein Anspruch auf Gewährung eines Pflegebonus nach der Richtlinie über die Gewährung eines Bonus für Pflege- und Rettungskräfte in Bayern (Corona-Pflegebonusrichtlinie - CoBoR) zu (§ 113 Abs. 5 VwGO).
16
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zur Begründung im Wesentlichen auf die zutreffenden Ausführungen im genannten Bescheid des Beklagten Bezug genommen, § 117 Abs. 5 VwGO. Ergänzend ist auszuführen:
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1.1 Ein Anspruch auf die Förderung besteht im Einzelfall über den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung und den Gleichheitssatz dann, wenn die in den Richtlinien dargelegten Fördervoraussetzungen vorliegen und vergleichbare Anträge in ständiger Förderpraxis des Beklagten auch positiv verbeschieden werden (vgl. z.B. BayVGH, U.v. 11.10.2019 - 22 B 19.840 - juris Rn. 23). Daran setzt der Maßstab der gerichtlichen Überprüfung an.
18
Nach Ziff. 2 der CoBoR sind Begünstigte der Richtlinie Personen, die in bestimmten Einrichtungen eine geförderte pflegerische Tätigkeit ausüben.
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(1) Gefördert wird nach Ziff. 2 Satz 1 CoBoR die Tätigkeit in folgenden Einrichtungen:
- Krankenhäuser
- Rehabilitationskliniken
- Stationäre Alten-, Pflege- und Behinderteneinrichtungen
- Ambulante Pflegedienste
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(2) Begünstigte Tätigkeiten sind nach Ziff. 2 Satz 1 und 2 insbesondere
- Pflegende
- tatsächlich in der Pflege Tätige, deren ausgeübte berufliche Tätigkeit der Pflege entspricht und mit dieser vergleichbar ist
- Rettungssanitäter, Rettungsassistenten, Notfallsanitäter, nichtärztliche Einsatzkräfte im Rettungsdienst
- Auszubildende in den in den Anlagen benannten staatlich anerkannten Berufsgruppen
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(3) Das Beschäftigungsverhältnis muss am 7 April 2020 bestanden haben und nach seiner vertraglichen Bestimmung überwiegend im Freistaat Bayern ausgeübt werden.
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Dabei müssen alle Voraussetzungen für die Förderfähigkeit erfüllt sein.
23
Die Klägerin erfüllt die persönlichen Voraussetzungen im Hinblick auf ihre Tätigkeit nicht:
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1.2 Eine Tätigkeit als „Pflegende“ nach Ziff. 2 Satz 1 der CoBoR kommt mangels Qualifikation nicht in Betracht. Die Bewilligungspraxis der Behörde ist gerade nicht darauf ausgerichtet, jede Person in den abschließend genannten Einrichtungen zu begünstigten, sondern „Pflegende“ (Ziff. 2 Satz 1 CoBoR) - und „tatsächlich in der Pflege Tätige“ (Ziff. 2 Satz 2 CoBoR) -. Eine „Auslegung“ im Sinne einer Generalklausel verbietet sich nach dem Maßstab der gerichtlichen Überprüfung. Die CoBoR darf nicht - wie Gesetze oder Rechtsverordnungen - gerichtlich ausgelegt werden, sondern dient nur dazu, eine dem Gleichheitsgrundsatz entsprechende Ermessensausübung der Behörde zu gewährleisten (vgl. BayVGH, a.a.O.). Anhaltspunkte für eine entgegenstehende Bewilligungspraxis sind nicht ersichtlich.
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1.3 Die Klägerin ist auch keine „tatsächlich in der Pflege Tätige“ nach Ziff. 2 Satz 2 der CoBoR. Sie hat weder im behördlichen Verfahren noch im Klageverfahren Tätigkeiten angegeben oder nachgewiesen, die einer Pflegetätigkeit entsprechen. Hinweise zur Pflegebedürftigkeit sind beispielsweise in § 14 SGB XI und § 61a SGB XII näher ausgeführt, wobei dort im Wesentlichen auf die Beeinträchtigung der Selbstständigkeit abgestellt ist. In § 14 Abs. 2 SGB XI bzw. § 61a Abs. 2 SGB XII hinsichtlich einzelner pflegefachlicher Kriterien, insbesondere hinsichtlich „Selbstversorgung“ in deren jeweiliger Nummer 4, näher erläutert. So ist z.B. nur zum Teilaspekt einer Pflege, der „Selbstversorgung“, Folgendes ausgeführt:
„Waschen des vorderen Oberkörpers, Körperpflege im Bereich des Kopfes, Waschen des Intimbereichs, Duschen und Baden einschließlich Waschen der Haare, An- und Auskleiden des Oberkörpers, An- und Auskleiden des Unterkörpers, mundgerechtes Zubereiten der Nahrung und Eingießen von Getränken, Essen, Trinken, Benutzen einer Toilette oder eines Toilettenstuhls, Bewältigen der Folgen einer Harninkontinenz und Umgang mit Dauerkatheter und Urostoma, Bewältigen der Folgen einer Stuhlinkontinenz und Umgang mit Stoma, Ernährung parenteral oder über Sonde, Bestehen gravierender Probleme bei der Nahrungsaufnahme bei Kindern bis zu 18 Monaten, die einen außergewöhnlich pflegeintensiven Hilfebedarf auslösen“
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Es kann vorliegend offenbleiben, ob jegliche Hilfestellungen durch ungelernte Kräfte bei den beispielweise genannten Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit (Pflegebedürftigkeit) bei einer zu pflegenden Person pflegerischen Tätigkeiten gleichkommen, oder ob bloße Assistenztätigkeiten nicht dazu zählen. Denn den von der Klägerin angegebenen Tätigkeiten können auch keine solchen Assistenztätigkeiten entnommen werden. Soweit im Schriftsatz vom 11.01.2021 erklärt worden ist, die Klägerin habe unmittelbaren Kontakt zu Corona-Patienten, die sie mitversorgt habe, gehabt, erfüllt dies nicht die Voraussetzungen, die an die nach der Richtlinie erforderlichen pflegerischen Tätigkeiten gestellt sind. Soweit im Schriftsatz vom 09.02.2021 ergänzt worden ist, sie habe auch andere Arbeitsbereiche unterstützt, so ist dazu entgegen der mehrfachen Aufforderung zur Darlegung von Pflegetätigkeiten nichts dargelegt, inwieweit dabei pflegerische Tätigkeiten wahrgenommen worden sind.
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Soweit auf die Gleichbehandlung mit Auszubildenden im Pflegeberuf abgestellt wird, so hat der Normgeber ausdrücklich lediglich die in den Anlagen benannten staatlich anerkannten Berufsgruppen Auszubildende als Begünstigte benannt (vgl. Ziff. 2 Satz 6 CoBoR). Die Klägerin zählt dazu jedoch nicht.
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Dabei wird der persönliche Einsatz der Klägerin für die Bewohner keinesfalls in Abrede gestellt, sondern sehr wohl gesehen und mit hoher Wertschätzung begegnet.
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1.4 Nach dem Wortlaut der bayerischen Richtlinie kommt es entgegen der eindringlichen Argumentation der Klägerin und entgegen bundesweit geltenden „Corona-Prämie“ (s.u.) insbesondere nicht darauf an, inwieweit diese durch ihre Tätigkeiten einem besonderen Infektionsrisiko ausgesetzt gewesen ist. Vielmehr ist nur auf die Art der Tätigkeit, „tatsächlich in der Pflege Tätige“ abgestellt. Auch hier gilt, dass Subventionstatbestände grundsätzlich eng auszulegen und deshalb einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich sind.
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1.5 Auch aus Gründen der Gleichbehandlung (Art. 3 GG) kommt kein Anspruch auf Bewilligung des Pflegebonus in Betracht.
31
Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Beklagte Beschäftigten im hauswirtschaftlichen Bereich in stationären Alten- und Pflegeheimen generell einen Bonus nach der genannten Richtlinie gewährt hat und die Klägerin unter Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz davon ausgenommen hätte. Eine etwaige fehlerhafte Bewilligung des Pflegebonus an Kolleginnen kann vor diesem Hintergrund keine ausreichende Rechtsgrundlage für die Gewährung der Klägerin unter Bezugnahme auf den Gleichbehandlungsgrundsatz darstellen. Sollten irrtümlicherweise in einigen Fällen ein Pflegebonus zugesprochen worden sein, so obliegt dem Beklagten, erkannte fehlerhafte Bescheide zurückzunehmen, um Gleichheit innerhalb der gesetzlichen Grenzen wiederherzustellen. Ein Anspruch der Klägerin auf Leistungsgewährung resultiert daraus nicht.
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1.6 Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass möglicherweise eine Verwechslung vorliegt und die Klägerin unter Umständen den vorliegend streitgegenständlichen nur innerhalb Bayerns geltenden „Pflegebonus“ nach dem CoBoR (s.o.) mit der bundesweit geltenden „Corona-Prämie“ nach den „Festlegungen des GKV-Spitzenverbandes nach § 150a Absatz 7 SGB XI über die Finanzierung von Sonderleistungen während der Coronavirus SARS-CoV-2-Pandemie für Beschäftigte in Pflegeeinrichtungen (Prämien-Festlegungen Teil 1)“ vom 29.05.2020 (https://www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/pflegeversicherung/richtlinien vereinbarungen formulare/2020_06_09_Praemien-Festlegungen_Teil1_150a_Abs7_SGBXI_PE.pdf9) verwechselt haben könnte, der über den jeweiligen Arbeitgeber ausgezahlt wird. In dieser Förderrichtlinie sind hauswirtschaftliche Verrichtung von einer Förderung erfasst: „Diese einmalige Sonderleistung dient der Anerkennung und Wertschätzung aller insbesondere in Pflege, Betreuung und Hauswirtschaft eingesetzten Beschäftigten in Zeiten der besonderen Belastungen und Herausforderungen angesichts der Corona-Pandemie.“ (vgl. Präampel der o.g. Festlegungen). Ein Anspruch auf zusätzliche Gewährung eines Corona-Pflegebonus nach der bayerischen Richtlinie über die Gewährung eines Bonus für Pflege- und Rettungskräfte in Bayern (Corona-Pflegebonusrichtlinie - CoBoR) erwächst daraus aber nicht.
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2. Als unterliegender Teil trägt die Klägerin gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V. m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung - ZPO -.