Titel:
zum Äquivalenzprinzip in der Straßenreinigungsgebühr
Normenkette:
BayKAG Art. 2 Abs. 1 S. 1, Art. 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 4
Leitsatz:
Bei Benutzungsgebühren kann nicht jede behördliche Minder- oder Schlechtleistung einen Anspruch auf Gebührenermäßigung oder den Wegfall der Gebühr nach sich ziehen; um für die Höhe des Gebührenanspruchs erheblich zu sein, muss eine Leistungsstörung von (nach Art, Dauer und/oder Umfang) gewissem Gewicht vorliegen. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Straßenreinigungsgebühr, Äquivalenzprinzip, Nichterbringung der Reinigungsleistung, kommunale Satzung über die Straßenreinigung (Straßenreinigungssatzung - SRS)
Fundstelle:
BeckRS 2021, 31096
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Klägerin wendet sich gegen die Erhebung von Straßenreinigungsgebühren mit Bescheid der Beklagten vom 22.03.2019.
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Die Klägerin ist Eigentümerin des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks Fl.-Nr. … der Gemarkung … Die südliche Grundstücksgrenze dieses Grundstücks ist 29,23 m lang und grenzt an den Gehweg der …, der auf dem als öffentliche Straße gewidmeten Grundstück Fl.-Nr. … der Gemarkung … liegt. Südlich des Grundstücks der Klägerin zwischen dem Gehweg und der … befinden sich senkrecht zur Fahrtrichtung Pkw-Stellplätze, die jeweils ein eigenes Flurstück bilden.
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Mit der Satzung über die Straßenreinigung in der Stadt … vom 12.11.2014, die am 01.01.2015 in Kraft trat, wurde die … ohne Stichwege neu in den Katalog der von der Straßenreinigungsanstalt der Beklagten zu reinigenden Straßen mit dem Verschmutzungsgrad 1 aufgenommen. Die Straßenreinigung durch den Entsorgungs- und Baubetrieb der Beklagten begann am 01.03.2015. Die Straße wird in der Regel bis zu einmal wöchentlich von Hand oder maschinell gereinigt. Darüber hinaus wird der Reinigungszustand durch regelmäßige Kontrollfahrten überprüft. Die Fläche zwischen dem Anwesen der Klägerin und den Pkw-Stellplätzen wurde bis zum 31.03.2019 nicht gereinigt.
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Mit Bescheid vom 22.03.2019 setzte die Beklagte gegenüber der Klägerin eine Gebühr in Höhe von 561,25 EUR für die Straßenreinigung im Zeitraum vom 01.03.2015 bis zum 31.12.2019 für das Grundstück der Klägerin fest. Bei der Gebührenberechnung wurden 29 m Straßenfrontlänge und der Gebührensatz für die Reinigungsklasse 1 für die Jahre 2015 bis 2018 von 3,88 EUR/m und für das Jahr 2019 von 4,48 EUR/m zugrunde gelegt.
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Am 25.03.2019 erhob die Klägerin zur Niederschrift bei der Beklagten Widerspruch gegen diesen Bescheid.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 29.04.2019 wies die Regierung von Oberfranken den Widerspruch gegen den Bescheid vom 22.03.2019 zurück. Der Widerspruchsbescheid wurde der Klägerin mit Postzustellungsurkunde am 02.05.2019 zugestellt.
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Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 13.05.2019 Klage zum Verwaltungsgericht Bayreuth. Zur Begründung trägt die Klägerin vor, die … werde maschinell gereinigt. Hierzu fahre ein Straßenreinigungsfahrzeug die Gehwege ab. Die auf den Pkw-Stellplätzen abgestellten Fahrzeuge stünden regelmäßig so, dass der Frontbereich der Fahrzeuge in den Gehweg hineinrage. Eine maschinelle Reinigung des Gehwegs sei damit nicht möglich, da der Gehwegbereich dann zu schmal für das verwendete Straßenreinigungsfahrzeug sei. Auf Nachfrage der Klägerin hätten Fahrer des Straßenreinigungsfahrzeugs angegeben, der Bereich werde manuell nicht gereinigt.
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Die Klägerin ist der Ansicht, die Gebührenpflicht für die Straßenreinigung sei wegen Nichterfüllung der Straßenreinigungsleistung entfallen, soweit diese den Gehwegbereich zwischen dem Anwesen der Klägerin und den davorliegenden Pkw-Stellplätzen betreffe. Insoweit sei eine Störung des Austauschverhältnisses gegeben, da der vollständige an die öffentliche Straße angrenzende Bereich des Grundstücks der Klägerin nicht gereinigt worden sei.
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Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 22.03.2019, Az. …, in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Regierung von Oberfranken vom 29.04.2019, Az. …, aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
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Die Beklagte ist der Ansicht, nach der Straßenreinigungsgebührensatzung komme es zur Begründung der Gebührenpflicht allein auf die gemeinsame Grenze mit dem Straßengrundstück an. Die Straßenreinigungsgebühr sei keine Gegenleistung für die Reinigung eines bestimmten Straßenabschnittes oder für eine feste Fläche, sondern dafür, dass sich die gesamte das gegenständliche Grundstück erschließende … in einem sauberen und gereinigten Zustand befinde.
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Mit Schreiben vom 22.02.2021 und 24.02.2021 haben die Beteiligten jeweils ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den Inhalt der vorgelegten Behördenakten Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 S. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).
Entscheidungsgründe
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I. Das Gericht kann über die Klage nach § 101 Abs. 2 VwGO ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt haben.
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II. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
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Der Bescheid der Beklagten vom 22.03.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Regierung von Oberfranken vom 29.04.2019 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
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1. Die Festsetzung von Straßenreinigungsgebühren mit Bescheid der Beklagten vom 22.03.2019 für den Zeitraum vom 01.03.2015 bis zum 31.12.2019 ist rechtmäßig.
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a) Rechtsgrundlage für die Erhebung der Straßenreinigungsgebühren ist die aufgrund von Art. 2 Abs. 1 S. 1, Art. 8 Abs. 1 S. 1 des Kommunalabgabengesetzes - KAG - erlassene Satzung für die Erhebung einer Straßenreinigungsgebühr in der Stadt … vom 13.11.2006 (Straßenreinigungsgebührensatzung - SRGS) in der jeweils gültigen Fassung.
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Nach Art. 2 Abs. 1 S. 1, Art. 8 Abs. 1 S. 1 KAG kann die Beklagte aufgrund einer besonderen Abgabensatzung für die Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen Benutzungsgebühren erheben. Bei der von der Beklagten betriebenen Straßenreinigungsanstalt handelt es nach § 1 Abs. 1 S. 1 der aufgrund von Art. 23, 24 Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 der Gemeindeordnung - GO - erlassenen Satzung über die Straßenreinigung in der Stadt … vom 12.11.2014 (Straßenreinigungssatzung - SRS) um eine öffentliche Einrichtung. Für deren Benutzung erhebt die Beklagte nach § 1 SRGS Gebühren.
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b) Die Klägerin bestreitet nicht, dass ihr Grundstück dem Grunde nach der Gebührenpflicht unterliegt.
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Sie beruft sich ausschließlich darauf, dass die Gebühr ausnahmsweise nicht erhoben werden darf, weil wesentliche Bestandteile der …, insbesondere der Gehwegbereich vor ihrem Grundstück, nicht gereinigt wurden, weshalb das Austauschverhältnis zwischen Gebühr und Wert der Leistung gröblich verletzt sei. Diese Ansicht teilt die Kammer nicht.
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Die Festsetzung der Straßenreinigungsgebühr verstößt nicht gegen Art. 8 Abs. 4 KAG. Danach sind Gebühren nach dem Ausmaß zu bemessen, in dem die Gebührenschuldner die öffentliche Einrichtung benutzen; sonstige Merkmale können zusätzlich berücksichtigt werden, wenn öffentliche Belange dies rechtfertigen.
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Nach diesem in Art. 8 Abs. 4 Halsb. 1 KAG enthaltenen Äquivalenzprinzip muss wesentlichen Leistungsunterschienden der öffentlichen Einrichtung durch eine differenzierte Gebührenstruktur Rechnung getragen werden (BayVGH, U.v. 31.1.2008 - 4 N 05.1854 - juris Rn. 24).
24
Die Gebührenerhebung verstößt nicht deshalb gegen das Äquivalenzprinzip, weil die Fläche zwischen dem Anwesen der Klägerin und den Pkw-Stellplätzen bis zum 31.03.2019 nicht gereinigt wurde.
25
Nach dem Äquivalenzprinzip, das der auf die Gebühr bezogene Ausdruck des allgemeinen, auf Verfassungsrecht beruhenden Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ist, darf die Gebühr nicht in einem Missverhältnis zu der vom Träger öffentlicher Verwaltung erbrachten Leistung stehen. Das Äquivalenzprinzip ist nur bei einer gröblichen Störung des Ausgleichsverhältnisses zwischen der Gebühr und dem Wert der Leistung für den Empfänger verletzt (BVerwG, U.v. 9.11.1984 - 8 C 37/82 - juris Rn. 17; NdsOVG, U.v. 13.1.2010 - 9 LA 205/08 - juris Rn. 5). Da bei einer Gebührenerhebung mittels eines Wahrscheinlichkeitsmaßstabs - hier nach Frontmetern - lediglich eine generalisierende und pauschalierende Bemessung der Abgabe nach der Leistung stattfindet, kann bei Benutzungsgebühren nicht jede behördliche Minder- oder Schlechtleistung einen Anspruch auf Gebührenermäßigung oder den Wegfall der Gebühr nach sich ziehen. Vielmehr muss, um für die Höhe des Gebührenanspruchs erheblich zu sein, eine Leistungsstörung von (nach Art, Dauer und/oder Umfang) gewissem Gewicht vorliegen (NdsOVG, U.v. 13.1.2010 - 9 LA 205/08 - juris Rn. 5; SächsOVG, U.v. 17.6.1998 - 2 S 646/96 - LKV 1998, 457, 458; OVG RhPf, U.v. 9.2.2006 - 7 A 11037/05 - juris Rn. 35; OVG NW, B.v. 27.5.1994 - 9 A 199/94 - juris Rn. 3).
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Bei der Beurteilung, ob eine solche Leistungsstörung vorliegt, ist zunächst zu berücksichtigen, dass sich die durch die Straßenreinigungsgebühr abgegoltene Leistung auf die Straße als Ganzes, also nicht auf alle einzelnen Teilbereiche der Straße bezieht (NdsOVG, U.v. 13.1.2010 - 9 LA 205/08 - juris Rn. 6). Denn mit der Straßenreinigungsgebühr wird nicht die auf ein bestimmtes Straßengrundstück bezogene Reinigungsleistung abgegolten, sondern der Vorteil, der mit der Sauberhaltung der Straße insgesamt verbunden ist (BayVGH, U.v. 14.8.2008 - 4 B 08.916 - juris Rn. 14; vgl. BVerwG, B.v. 15.3.2002 - 9 B 16/02 - NVwZ-RR 2002, 599, juris Rn. 6). Zur Wahrung des vollen Gebührenanspruchs reicht es daher aus, dass die Straße in ihrer Gesamtheit, also nicht notwendig an jeder Stelle, in einen sauberen Zustand versetzt wird (NdsOVG, U.v. 13.1.2010 - 9 LA 205/08 - juris Rn. 6). Eine Nicht- oder Schlechterfüllung führt also erst dann zu einem Wegfall oder einer Minderung der Straßenreinigungsgebühr, wenn nach Art, Dauer und/oder Umfang erhebliche Reinigungsmängel festzustellen sind, so dass die Straße als Ganzes nicht mehr als gereinigt angesehen werden kann. Dies ist beispielsweise dann gegeben, wenn die unzureichende Straßenreinigung die Verkehrssicherheit beeinträchtigt oder mit den allgemeinen Hygienebedürfnissen unvereinbar ist (NdsOVG, U.v. 13.1.2010 - 9 LA 205/08 - juris Rn. 7).
27
Gemessen hieran führt die Nichtreinigung der Fläche zwischen dem Anwesen der Klägerin und den Pkw-Stellplätzen bis zum 31.03.2019 nicht zu einem das Äquivalenzprinzip verletzenden Missverhältnis zwischen der festgesetzten Gebühr und der erbrachten Straßenreinigungsleistung. Dass es aufgrund der Nichtreinigung dieser Fläche zu erheblichen Reinigungsmängeln gekommen ist, die dazu geführt haben, dass die … ohne Stichwege als Ganzes nicht mehr als gereinigt angesehen werden konnte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Klägerin bezieht sich insoweit lediglich auf die Nichtvornahme von Reinigungsarbeiten vor ihrem Grundstück. Eine Leistungsstörung von für die Gebührenhöhe erheblichem Gewicht ist schon deshalb nicht gegeben, weil die bis zum 31.03.2019 nicht gereinigte Fläche von ca. 95 m² lediglich einen sehr geringen Teil (2,57%) der zu reinigenden Fläche der … ohne Stichwege von ca. 3700 m² ausmacht.
28
Gegen die Höhe der Gebühr wurden keine Einwände erhoben. Die Gebührenberechnung hält einer Überprüfung auch stand.
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Damit war die Klage abzuweisen.
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III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V. m. § 708 Nr. 11 der Zivilprozessordnung - ZPO.