Titel:
Asyl, Uganda: Erfolglose Klage eines in Deutschland geborenen Kindes
Normenkette:
AsylG § 3, § 4, § 14a Abs. 2
Leitsatz:
Für die Beurteilung der Frage, ob die Furcht vor Verfolgung begründet ist, gilt unabhängig davon, ob bereits eine Vorverfolgung stattgefunden hat, der einheitliche Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Asylrecht Uganda, In Deutschland geborenes Kind, Staatsangehörige Guinea-Bissaus, keine Vorverfolgung, Asylverfahren, keine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung, Abtrennung
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 27.09.2021 – 9 ZB 21.31379
Fundstelle:
BeckRS 2021, 31023
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Die am …2013 in Deutschland in P … geborene Klägerin wurde zunächst als ugandische Staatsangehörige (später im Verfahren dann als Staatsangehörige Guinea-Bissaus) geführt. Sie ist der Volksgruppe der Baganda zugehörig und katholische Christin.
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Mit Eingang des Schreibens der Ausländerbehörde vom 18.2.2014 wurde ein Asylantrag auf Grund der Antragsfiktion des § 14 a Abs. 2 AsylG als am 3.2.2014 als gestellt erachtet. Mit dem Asylantrag wird gemäß § 13 Abs. 2 AsylG sowohl die Zuerkennung internationalen Schutzes (Flüchtlingseigenschaft und subsidiärer Schutz) im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG, als auch die Anerkennung als Asylberechtigte gemäß Art. 16 a Abs. 1 GG beantragt, da der Antrag nicht auf die Zuerkennung internationalen Schutzes beschränkt wurde.
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Zur Begründung wurden für die Klägerin keine eigenen individuellen Gründe geltend gemacht. Von einer persönlichen Anhörung im Asylverfahren wurde gemäß § 24 Abs. 1 Satz 6 AsylG abgesehen, weil der Asylantrag für ein im Bundesgebiet geborenes Kind unter 6 Jahren als gestellt erachtet wurde und der Sachverhalt auf Grund der Verfahrensakten der Mutter mit dem Aktenzeichen 5493291-286, die beigezogen wurden, ausreichend geklärt ist. Die Mutter der Klägerin wurde am 22.8.2011 in München angehört. Zu den Gründen ihres Asylantrags gab die Mutter der Klägerin im Wesentlichen an, sie habe für die Zeitung New Vision gearbeitet. Diese Zeitung gehöre der Regierung. Journalistenkollegen, die für das Radio arbeiteten, hätten sie angerufen und von ihr Informationen haben wollen. Sie habe ihnen gesagt, wie die Regierung gegen die Opposition vorgehe. Am 28.4.2011 habe sie eine Nachricht auf ihren Anrufbeantworter erhalten. Der Anrufer habe gesagt, sie solle aufhören, für die Opposition Bericht zu erstatten. Am 2.5.2011 sei sie nachts von zwei Männern angegriffen worden. Diese hätten geäußert: „Was haben wir dir gesagt“. Dann hätten sie ihr die Kamera wegnehmen wollen. Sie habe sich gewehrt und zwei Mädchen, die hinter ihr hergegangen seien, hätten ihr geholfen. Die Männer seien dann weggelaufen. Sie habe schließlich Uganda verlassen, weil sie Angst um ihr Leben gehabt habe, denn sie habe die Opposition unterstützt.
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Mit Bescheid vom 27.12.2013 wurde der Mutter der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt (Ziffer 1), der Antrag auf Asylanerkennung abgelehnt (Ziffer 2), der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt (Ziffer 3) und festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen (Ziffer 4). Die Mutter der Klägerin wurde unter Androhung der Abschiebung nach Uganda aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung bzw. nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen (Ziffer 5). Auf die Begründung des Bescheids vom 27.12.2013 sowie die Bundesamtsakte mit dem Aktenzeichen 5493291-286 wird Bezug genommen.
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Mit Schreiben vom 18.4.2014 wurde die Mutter der Klägerin aufgefordert, schriftlich zu eigenen Asylgründen des Kindes Stellung zu nehmen. Eine Stellungnahme ging dem Bundesamt nicht zu. Der Vertreter der Klägerin hat auch nicht gemäß § 14 a Abs. 3 AsylG auf die Durchführung eines Asylverfahrens für das Kind verzichtet. Das rechtliche Gehör zum Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde dem gesetzlichen Vertreter mit Aufforderung zur Stellungnahme mit Schreiben vom 9.3.2017 gewährt. Hierzu erging keine Äußerung.
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Mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid vom 9.1.2018 wurde der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt (Ziffer 1), der Antrag auf Asylanerkennung abgelehnt (Ziffer 2), der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt (Ziffer 3) und festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) nicht vorliegen (Ziffer 4). Die Klägerin wurde unter Androhung der Abschiebung nach Uganda aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe dieser Entscheidung bzw. nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen (Ziffer 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 6).
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Zur Begründung wird ausgeführt, dass eine konkret drohende individuelle und begründete Furcht vor Verfolgung für die Klägerin nicht geltend gemacht worden sei. Eine erlittene Vorverfolgung könne angesichts der Tatsache, dass sie im Bundesgebiet geboren wurde und sich zu keiner Zeit im Herkunftsland der Mutter aufgehalten habe, auch nicht vorliegen. Die Voraussetzungen für die Asylanerkennung gemäß Artikel 16 a Abs. 1 GG und der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG unterschieden sich lediglich dadurch, dass der Schutzbereich des § 3 AsylG weiter gefasst sei. Die strengeren Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigte lägen somit nach Ablehnung des Flüchtlingsschutzes ebenfalls nicht vor. Auch die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus gemäß § 4 AsylG lägen nicht vor. Es gäbe keinerlei Hinweise darauf, dass der Klägerin im Heimatland seitens staatlicher Akteure die Todesstrafe drohe. Ebenfalls sei nicht erkennbar, dass ihr ein drohender ernsthafter Schaden durch Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohe. Somit sei die Erfüllung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG nicht gegeben. Eine Schutzfeststellung nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG scheide ebenfalls aus. Im Herkunftsland der Klägerin bestehe kein bewaffneter Konflikt, der eine generelle Schutzgewährung erfordern würde. Somit drohten der Klägerin bei einer Rückkehr nach Uganda keine erheblichen individuellen Gefahren auf Grund willkürlicher Gewalt.
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Auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG lägen nicht vor. Die Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse könne danach nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu bewerten sein und die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 3 EMRK erfüllen. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Uganda führten nicht zu der Annahme, dass bei Abschiebung der Klägerin eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Die hierfür vom EGMR geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt. Die allgemeine wirtschaftliche und soziale Lage sei für die Bevölkerung in Uganda problematisch, aber deutlich besser als in andren afrikanischen Staaten, wie z. B. Nigeria. Uganda werde nicht zuletzt durch Entwicklungshilfeprogramme der Vereinten Nationen bei der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung unterstützt, deren Erfolge messbar seien. Das Ziel, den Anteil der Gesamtbevölkerung unter der Armutsgrenze bis zum Jahr 2015 zu halbieren, habe Uganda bereits vorzeitig erreicht und die Armut habe landesweit deutlich verringert werden können.
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Der Klägerin drohe auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthG führen würde. Die Möglichkeit, den Lebensunterhalt selbst zu verdienen, bestehe in Uganda auch für weibliche, arbeitsfähige Klägerinnen. Die Klägerin sei vier Jahre alt, ihre Mutter sei jedoch eine junge, gesunde, arbeitsfähige Frau mit einer sehr guten Ausbildung, die in ihrer Anhörung am 22.8.2011 vorgetragen habe, dass sie einen Universitätsabschluss besitze und als Journalistin und Fotoreporterin gearbeitet habe. Allein dass sie eine alleinstehende Frau sei, könne in einem christlich geprägten Land nicht als gefahrerhöhend angesehen werden. Die Mutter der Klägerin könne sich auch bereits von Deutschland an den Uganda National Women´s Shelter wenden, den man über das Internet und auch per Telefon kontaktieren könne. Hinzu komme, dass die Mutter der Klägerin im Falle einer freiwilligen Rückkehr nach Uganda finanzielle Unterstützung durch das Bundesamt aus den Programmen REAG und GARP erhalten könne, die es der Klägerin erleichtern würden, die Übergangszeit bis zu einer Erwerbstätigkeit zu überbrücken.
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Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 17.1.2018, bei Gericht am gleichen Tag vorab per Fax eingegangen, hat die Klägerin Klage erheben lassen. Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Klägerin das in Deutschland geborene Kind ugandischer Eltern sei. Der Bescheid vom 9.1.2018 verletze die Klägerin in ihren Rechten. Die gesetzlichen Vertreter des Kindes, seine Eltern, seien in dem Bescheid nicht genannt. An ein Kleinkind könne nicht zugestellt werden, so dass der Bescheid aufzuheben sei. Eine weitere Klagebegründung erfolgte nicht mehr.
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Mit Schreiben vom 21.6.2021 trug die Prozessbevollmächtigte der Klägerin vor, dass sich diese auf das bisherige Vorbringen beziehe. Es sei nicht klar, ob die Klägerin ihre Teilnahme an der Verhandlung wünsche. Sollte dies der Fall sein, beantrage sie bereits jetzt eine Terminverschiebung, da sie am 28.7.2021 einen Termin beim Landgericht Landshut wahrzunehmen habe. Des Weiteren wird Akteneinsicht beantragt.
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Mit Schreiben vom 14.7.2021 teilte die Prozessbevollmächtigte mit, dass die neue Adresse der Klägerin wie folgt laute: … Die Prozessbevollmächtigte werde an dem Termin nicht teilnehmen. Im Übrigen werde die Klägerin unter der Nationalität Uganda geführt, sie habe jedoch laut dem Vater einen Pass bei der Ausländerbehörde abgegeben, wonach sie Staatsangehörige von Guinea sei.
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Die Klägerin beantragt,
- 1.
-
Der Bescheid der Beklagten vom 9.1.2018, zugestellt am 15.1.2018, wird aufgehoben.
- 2.
-
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids verpflichtet festzustellen, dass
a) die Klägerin asylberechtigt ist,
b) die Flüchtlingseigenschaft bei ihr vorliegt,
c) der subsidiäre Schutzstatus bei ihr vorliegt,
d) Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG bei ihr vorliegen.
14
Mit Schreiben vom 26.1.2018 beantragt die Beklagte unter Bezugnahme auf die angefochtene Entscheidung,
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Mit weiterem Schreiben vom 16.7.2021 nimmt die Beklagte auf die richterliche Verfügung vom 16.7.2021 zum anwaltlichen Schriftsatz vom 14.7.2021 dahingehend Stellung, dass zu der nunmehr vorgetragenen Nationalität der Klägerin dem Bundesamt bis heute keine näheren Informationen vorgelegen hätten. Eine telefonische Rücksprache mit der zuständigen Ausländerbehörde, dem Landratsamt P … und nach Übersendung beigefügter Unterlagen, ergebe sich folgender Sachverhalt: Der Vater der Klägerin sei nach Vorlage einer Vaterschaftserklärung bereits im Jahr 2014 in der Geburtsurkunde nachgetragen worden. Die Identität des Vaters sei nach Vorlage eines geprüften Reisepasses als Staatsangehöriger von Guinea-Bissau bestätigt. Für die Klägerin sei ein Reisepass, ausgestellt von der Botschaft Guinea-Bissau am 6.5.2019, vorgelegt und die Echtheit bestätigt worden. Das Kind trage nur den Namen des Vaters M … und sei zumindest auch Staatsbürgerin von Guinea-Bissau. Es werde daher ein Ergänzungsbescheid bezüglich Guinea-Bissau erstellt werden. Es werde daher vorgeschlagen, das gerichtliche Verfahren solange ruhend zu stellen und entsprechend die mündliche Verhandlung vorerst abzusetzen.
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Mit weiterem Schreiben vom 16.7.2021 wurden Berichtigungen von Personaldaten dem Gericht zur Kenntnisnahme und zum Verbleib übersandt (Blatt 45 bis 57 der Gerichtsakte: Berichtigung von Personaldaten, wonach die Staatsangehörigkeit der Klägerin nunmehr als Guinea-Bissau eingetragen ist, eine Kopie des Geburtenregisters nebst beglaubigtem Registerausdruck, eine Geburtsbescheinigung vom 8.1.2014 sowie eine Vaterschaftsanerkennung vom 6.12.2013 inklusive Sorgeerklärung).
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Mit weiterem Schreiben vom 21.7.2021 wurden weitere Berichtigungen von Personaldaten dem Gericht zur Kenntnisnahme und zum Verbleib übersandt.
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Eine telefonische Rückfrage bei dem zuständigen Sachbearbeiter der Beklagten ergab, dass derzeit ein Ergänzungsbescheid erstellt werde, wonach die Abschiebungsandrohung in Ziffer 5 des Bescheids vom 9.1.2018 auch auf das Land Guinea-Bissau erfolgen solle. Bis zum Termin am 28.7.2021 werde dieser Bescheid jedoch dem Gericht nicht zugestellt werden können.
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Mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 2.9.2020 wurde der Rechtsstreit auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte der Klägerin (Az. …-286) sowie die Behördenakte der Mutter der Klägerin (Az. …-286) sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 28.7.2021 verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
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Der streitgegenständliche Bescheid vom 9.1.2018 erweist sich hinsichtlich der Ziffern 1 - 3 als rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, die Anerkennung als Asylberechtigte und die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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Der Bescheid vom 9.1.2018 ist entgegen der Auffassung der Prozessbevollmächtigten nicht schon deswegen formell rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, weil die gesetzlichen Vertreter der Klägerin, ihre Eltern, in dem Bescheid nicht genannt sind. Der Bescheid wurde nämlich an die im Verwaltungsverfahren bereits von den gesetzlichen Vertretern der Klägerin beauftragte Prozessbevollmächtigte der Klägerin selbst zugestellt.
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1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§§ 60 Abs. 1 AufenthG, § 3 AsylG).
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Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, wenn er Flüchtling im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG ist. Danach ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28.7.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (Nr. 1) außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet (Nr. 2), dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will (Buchst. a) oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will (Buchst. b). Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf ein Ausländer in diesen Fällen nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem er in o.g. Sinne bedroht ist.
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Für die Beurteilung der Frage, ob die Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG begründet ist, gilt unabhängig davon, ob bereits eine Vorverfolgung stattgefunden hat, der einheitliche Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, U.v. 1.6.2011 - 10 C 25.10 - juris Rn. 22). Eine Privilegierung des Vorverfolgten erfolgt aber durch die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie (RL 2011/95/EU vom 13.12.2011, ABl. L 337 vom 20.12.2011 S. 9 ff.). Eine bereits erlittene Vorverfolgung, ein erlittener bzw. drohender sonstiger ernsthafter Schaden, sind danach ernsthafte Hinweise darauf, dass die Furcht vor Verfolgung begründet ist, bzw. dass ein Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden. Dies gilt nur dann nicht, wenn stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass der Ausländer erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. In der Vergangenheit liegenden Umständen ist damit Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft beizumessen (vgl. auch OVG NW, U.v. 21.2.2017 - 14 A 2316/16.A - juris Rn. 24).
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Es ist dabei Sache des Ausländers, die Gründe für seine Furcht vor politischer Verfolgung schlüssig vorzutragen (§ 25 Abs. 1 und 2 AsylG, Art. 4 Abs. 3 RL 2011/95/EU). Der Ausländer hat dazu unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich schlüssigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung politische Verfolgung droht. Hierzu gehört u.a., dass der Ausländer zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung abgibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen. Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Schutzsuchende sein Verfolgungsschicksal glaubhaft zur Überzeugung des Gerichts darlegen muss. Es obliegt dabei dem Schutz vor Verfolgung Suchenden, die Voraussetzungen hierfür glaubhaft zu machen. Er muss nachvollziehbar ma-chen, wieso und weshalb gerade er eine Verfolgung befürchtet. An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es regelmäßig, wenn er im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellungen nach der Lebenserfahrung oder auf Grund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheinen oder er sein Vorbringen im Laufe des Asylverfahrens steigert, insbesondere, wenn er Tatsachen, die er für sein Begehren als maß-gebend bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst spät in das Asylverfahren einführt. In der Regel kommt deshalb dem persönlichen Vorbringen des Asylbewerbers, seiner Persönlichkeit und Glaubwürdigkeit sowie der Art seiner Einlassung besondere Bedeutung zu (vgl. VG Augsburg, U.v. 13.12.2017 - Au 7 K 17.30060 unter Verweis auf BayVGH, U.v. 26.1.2012 - 20 B 11.30468 - jeweils zitiert nach juris).
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Die Klägerin ist kein Flüchtling im Sinne der obigen Definition. Dem Sachvortrag der Klägerin ist nicht zu entnehmen, dass sie sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung außerhalb Ugandas befindet.
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Auf der Grundlage ihres Vorbringens beim Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung am 28.7.2021 bzw. des Vorbringens ihrer gesetzlichen Vertreter konnte die Klägerin nicht darlegen, dass sie vor ihrer Ausreise aus Uganda eine flüchtlingsrelevante Verfolgung erlitten hat oder ihr eine solche mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit unmittelbar droht.
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Die am …2013 in P … in Deutschland geborene Klägerin kann sich offensichtlich nicht auf eine erlittene Vorverfolgung in Uganda, dem Herkunftsland ihrer Mutter berufen, nachdem sie hier in Deutschland geboren worden ist.
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2. Auch die Voraussetzungen der Asylanerkennung der Klägerin gemäß Art. 16a Abs. 1 Grundgesetz (GG) sind nicht gegeben, da sich die Asylanerkennung und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft lediglich dadurch unterscheiden, dass der Schutzbereich des § 3 AsylG weiter gefasst ist. Die strengeren Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigte liegen somit nach Ablehnung des Flüchtlingsschutzes ebenfalls nicht vor.
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3. Die Klägerin besitzt auch keinen Anspruch auf subsidiären Schutz nach § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 AsylG.
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Subsidiären Schutz erhält ein Ausländer, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vor-gebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthaf-ter Schaden gilt die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 AsylG), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG). Nach dem Vortrag der gesetzlichen Vertreter der Klägerin sind hierfür keine Anhaltspunkte gegeben und für das Gericht auch nicht ersichtlich.
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Im Übrigen folgt das Gericht zur Vermeidung von Wiederholungen den Feststellungen der Begründung des angefochtenen Bescheids vom 9.1.2018 (§ 77 Abs. 2 AsylG).
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Soweit sich die Klage gegen Ziffern 4 - 6 des Bescheids vom 9.1.2018 richtet, wurde das Verfahren von dem streitgegenständlichen Verfahren abgetrennt und unter dem neuen Aktenzeichen RN 7 K 21.31001 fortgeführt.
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Nach alledem war die Klage daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG; deshalb ist auch die Festsetzung eines Streitwertes nicht veranlasst.
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Die Entscheidung im Kostenpunkt war gemäß § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären.