Inhalt

VGH München, Beschluss v. 28.09.2021 – 22 ZB 20.1732, 22 ZB 20.1980
Titel:

Erfolgloser Antrag auf Zulassung der Berufung – erweiterte Gewerbeuntersagung

Normenketten:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 5, § 173
ZPO § 227
GewO § 35 Abs. 1
Leitsätze:
1. Mit einer ärztlichen Bescheinigung, in der Angaben zur Schwere der Krankheit fehlen und nicht plausibel begründet wird, warum der Partei ein Aufenthalt unter Menschen derzeit nicht möglich sei, kann ein Verlegungsgrund nicht glaubhaft gemacht werden. Vielmehr muss das Attest Angaben dazu enthalten, dass Art und Schwere der Krankheit der Verhandlungsfähigkeit für die begrenzte Zeit entgegenstehen. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Maßgeblich für die Beurteilung der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit sind die Umstände im Zeitpunkt des Bescheiderlasses. Nachträgliche Veränderungen, auch zugunsten des Gewerbetreibenden, bleiben außer Betracht; sie können in einem Wiedergestattungsverfahren nach § 35 Abs. 6 GewO berücksichtigt werden. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die erweiterte Gewerbeuntersagung ist schon dann zulässig, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, die es ausschließen, dass der Gewerbetreibende ein anderes Gewerbe in Zukunft ausüben wird. (Rn. 53) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Antrag auf Zulassung der Berufung, Terminverlegungsgrund, Glaubhaftmachung, gewerberechtliche Zuverlässigkeit, Beurteilungszeitpunkt, nachträgliche Veränderungen, erweiterte Gewerbeuntersagung, Insolvenzverfahren, Krankenkassenrückstände
Vorinstanzen:
VG München, Urteil vom 05.06.2020 – M 16 K 19.2899
VG München, Urteil vom 05.06.2020 – M 16 K 19.3923
Fundstelle:
BeckRS 2021, 30895

Tenor

I. Die Verfahren 22 ZB 20.1732 und 22 ZB 20.1980 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II. Die Anträge auf Zulassung der Berufung werden abgelehnt.
III. Die Kosten des Zulassungsverfahrens tragen die Klägerin im Verfahren 22 ZB 20.1732 und der Kläger im Verfahren 22 ZB 20.1980 je zur Hälfte.
IV. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 40.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Kläger im Verfahren 22 ZB 20.1980 ist Geschäftsführer der Klägerin im Verfahren 22 ZB 20.1732, einer GmbH. Die Kläger wenden sich jeweils gegen eine erweiterte Gewerbeuntersagung.
2
Mit Bescheid vom 8. Mai 2019 untersagte die Beklagte der Klägerin im Verfahren 22 ZB 20.1732 (M 16 K 19.2899) die ausgeübte gewerbliche Tätigkeit sowie die Ausübung jeglicher selbständigen Tätigkeit. Mit Bescheid vom 1. Juli 2019 untersagte die Beklagte dem Kläger im Verfahren 22 ZB 20.1980 (M 16 K 19.3923) die ausgeübte selbständige gewerbliche Betätigung im stehenden Gewerbe sowie die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden und als mit der Leitung eines Gewerbebetriebs beauftragte Person sowie die Ausübung jeglicher selbständigen Tätigkeit.
3
Die Kläger erhoben Klage jeweils gegen den sie betreffenden Bescheid zum Verwaltungsgericht München, das eine mündliche Verhandlung in beiden Verfahren für den 5. Juni 2020 ansetzte.
4
Mit Schreiben vom 18. Mai 2020 beantragte die Klägerin im Verfahren M 16 K 19.2899 (22 ZB 20.1732) die Verlegung des Termins. Wegen einer internen unternehmerischen Angelegenheit seien die Beteiligten derzeit sehr beschäftigt; zudem befinde sich der Geschäftsführer Herr T. derzeit im Krankenstand. Der beauftragte Rechtsanwalt werde es in der kommenden Woche nicht schaffen, sich auf die Angelegenheit vorzubereiten. Das Verwaltungsgericht teilte mit Schreiben vom 22. Mai 2020 mit, eine Verlegung komme nur aus erheblichen Gründen in Betracht, die hier nicht vorgetragen seien. Bezüglich der geltend gemachten Erkrankung werde um Glaubhaftmachung durch Vorlage eines ärztlichen Attestes gebeten. Mit Schreiben ebenfalls vom 22. Mai 2020 führte die Klägerin im Verfahren M 16 K 19.2899 aus, das Unternehmen sei von der Corona-Pandemie wirtschaftlich sehr betroffen gewesen und habe erst vor kurzem die Leistungen wieder aufnehmen können. Die derzeitige Lage beanspruche sehr viel Arbeit, so dass man sich mit dem Gerichtsverfahren nicht beschäftigen könne. Der letzte Schriftverkehr an die Klägerin sei am 25. Juli 2019 erfolgt. Mit Schriftsatz vom 30. Juli 2019 habe die Klägerin angekündigt, sich zu dem Schriftsatz der Beklagten vom 17. Juli 2019 äußern zu wollen. Seither sei nichts mehr passiert. Die Klägerin beabsichtige nach wie vor, zu dem Schriftsatz Stellung zu nehmen und aktuelle Unterlagen vorzulegen. Dies sei in der kurzen Zeit jedoch nicht möglich. Des Weiteren wurden die im Schreiben vom 18. Mai 2020 genannten Gründe wiederholt. Das Verwaltungsgericht lehnte mit Schreiben vom 27. Mai 2020 den Antrag auf Terminsverlegung ab. Mit Schreiben vom 27. Mai 2020 wandte sich die Klägerin im Verfahren M 16 K 19.2899 erneut an das Verwaltungsgericht, wiederholte die genannten Argumente und legte eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ohne Angabe einer Diagnose für ihren Geschäftsführer Herrn T. vom gleichen Tag vor, wonach dieser voraussichtlich bis zum 10. Juni 2020 arbeitsunfähig sei. Mit Schreiben vom 29. Mai 2020 teilte das Verwaltungsgericht mit, dass die pauschale Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht ausreiche, um eine Verhandlungsunfähigkeit glaubhaft zu machen. Mit Schreiben vom 29. Mai 2020 wandte sich die Klägerin im Verfahren M 16 K 19.2899 an den Vorsitzenden der 16. Kammer des Verwaltungsgerichts München und bat um Verlegung des Termins. Es solle dem Gericht eine Nachricht über die Einstellung eines Ermittlungsverfahrens gegen Herrn T. übermittelt werden; im Übrigen wurden die in den vorherigen Schreiben genannten Argumente wiederholt. Der Vorsitzende 16. Kammer verwies unter dem 2. Juni 2020 darauf, dass es dem Einzelrichter obliege zu entscheiden, ob er einem Terminsverlegungsgesuch stattgebe. Mit Telefax vom 3. Juni 2020 teilte die Beklagte dem Verwaltungsgericht mit, dass am 2. Juni 2020 zwei Mitarbeiter der Abteilung Gewerbeüberwachung den Friseursalon von Herrn T. überprüft hätten. Dabei sei Herr T. selbst vor Ort gewesen. Mit Schreiben vom 4. Juni 2020 führte die Klägerin im Verfahren M 16 K 19.2899 dazu aus, Herr T. sei tagsüber nicht im Friseursalon gewesen, weil er ärztliche Untersuchungstermine gehabt habe. Er sei auf dem Rückweg nach Hause um 18:00 Uhr im Salon erschienen, nur um mit den Mitarbeitern vom Gewerbeamt sprechen zu können. Nach dem zehnminütigen Gespräch sei er wieder nach Hause gefahren. Mit weiterem Schreiben vom 4. Juni 2020 trug die Klägerin im Verfahren M 16 K 19.2899 vor, die gesundheitliche Lage von Herrn T. habe sich drastisch verschlechtert, und es sei ihm nicht möglich, am morgigen Gerichtstermin teilzunehmen. Beigefügt war eine ärztliche Bescheinigung vom gleichen Tag, wonach Herr T. an Allergie-Hustenanfällen, Fieber und einer akuten Infektion der Atemwege leide. Aus diesen Gründen sei ihm ein Aufenthalt im Freien oder unter Menschen derzeit nicht möglich. Mit Schreiben vom 4. Juni 2020 teilte das Verwaltungsgericht mit, dem Terminsverlegungsantrag könne nicht stattgegeben werden, da die vorgelegte ärztliche Bescheinigung kein aussagekräftiges ärztliches Attest darstelle.
5
Bei der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 5. Juni 2020 in beiden Verfahren erschien für die Klageparteien niemand. Die Klagen wurden durch Urteile des Verwaltungsgerichts jeweils vom 5. Juni 2020 abgewiesen. Das Urteil im Verfahren M 16 K 19.2899 (22 ZB 20.1732) wurde der Klägerin mit Postzustellungsurkunde am 18. Juni 2020 zugestellt; das Urteil im Verfahren M 16 K 19.3923 (22 ZB 20.1980) wurde dem Kläger mit Postzustellungsurkunde am 22. Juni 2020 zugestellt.
6
Mit Schriftsatz vom 20. Juli 2020, beim Verwaltungsgericht am gleichen Tag, einem Montag, eingegangen, beantragte die Klägerin im Verfahren M 16 K 19.2899 (22 ZB 20.1732) die Zulassung der Berufung. Mit Schriftsatz vom 18. August 2020, beim Verwaltungsgerichtshof am gleichen Tag eingegangen, begründete sie den Antrag. Im Verfahren M 16 K 19.3923 (22 ZB 20.1980) wurde mit Schriftsatz vom 22. Juli 2020, beim Verwaltungsgericht am gleichen Tag eingegangen, die Zulassung der Berufung beantragt und mit Schriftsatz vom 24. August 2020, beim Verwaltungsgerichtshof am gleichen Tag, einem Montag, eingegangen, der Antrag begründet. Da der Antrag auf Zulassung der Berufung im Verfahren M 16 K 19.3923 zunächst nicht an den Verwaltungsgerichtshof weitergeleitet worden war, beantragte der Kläger insoweit vorsorglich Wiedereinsetzung in die Frist zur Einlegung des Rechtsmittels.
7
Die Beklagte ist den Anträgen entgegengetreten.
8
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die beigezogenen Behördenakten verwiesen.
II.
9
Die zulässigen Anträge auf Zulassung der Berufung bleiben ohne Erfolg. Auf den vorsorglich gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung im Verfahren 22 ZB 20.1980 kommt es nicht an, da die Rechtsmittelfrist nicht versäumt wurde. Aus den Darlegungen in den Antragsbegründungen vom 18. August und vom 24. August 2020 (vgl. zu deren Maßgeblichkeit § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) ergibt sich jedoch nicht, dass die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung vorliegen.
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1. Die Kläger beider Verfahren machen Verfahrensfehler geltend, auf denen die angegriffenen Entscheidungen beruhen könnten (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Ihre Einwände greifen jedoch nicht durch.
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1.1 Das Verwaltungsgericht weist in seinem Urteil im Verfahren M 16 K 19.2899 (22 ZB 20.1732) darauf hin, dass es dem Verlegungsgesuch der Klägerin nicht entsprochen habe, weil diese keinen erheblichen Verlegungsgrund glaubhaft gemacht habe (§ 173 VwGO, § 227 ZPO). Soweit die Klägerin geltend mache, sie wolle in der Sache noch weiter vortragen und einen Bevollmächtigten beauftragen, gehe es um eine nicht entschuldigte mangelnde Vorbereitung, die keinen erheblichen Grund darstelle. Eine Erkrankung des Geschäftsführers Herrn T. sei entgegen dem Verlangen des Gerichts nicht glaubhaft gemacht worden. Eine Verlegung wegen Krankheit komme nur in Betracht, wenn der Beteiligte darlege und durch ein aussagekräftiges ärztliches Attest, das nähere Angaben zu Art und Schwere der Krankheit enthalte, glaubhaft mache, dass Art und Schwere der Krankheit der Verhandlungs- und/oder Reisefähigkeit für die begrenzte Zeit der Anreise und Dauer der mündlichen Verhandlung entgegenstünden. Die vorgelegte pauschale Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 27. Juni 2020 genüge dem nicht. Ebenfalls ungenügend sei die Bescheinigung vom 4. Juni 2020. Diese benenne allein Symptome, ohne diese einem Krankheitsbild zuzuordnen und sich zur Schwere der Krankheit zu verhalten. Die Bescheinigung enthalte damit keine Diagnose und sei nicht schlüssig, so dass die Angabe, ein Aufenthalt im Freien oder unter Menschen sei nicht möglich, nicht nachvollzogen werden könne. Auch sei nicht plausibel dargelegt, wie sich die Bescheinigung damit vereinbaren lasse, dass Mitarbeiter der Beklagten Herrn T. am 2. Juni 2020 anlässlich einer Betriebskontrolle in seinem Friseursalon angetroffen hätten. Die Mitarbeiter der Beklagten hätten dem Gericht glaubhaft versichert, die Mitarbeiter des Herrn T. hätten beim erstmaligen Aufsuchen des Salons am 2. Juni 2020 gegen 14.00 Uhr angegeben, Herr T. sei jeden Abend von 18.00 bis 20.00 Uhr selbst dort und so auch an jenem Abend. Weiterhin sei nachvollziehbar dargelegt worden, dass Herr T. keine Erkrankung thematisiert, keine Anzeichen dafür habe erkennen lassen und einen Mund-Nasen-Schutz getragen habe, obwohl im Schriftsatz vom 27. Mai 2020 geltend gemacht worden sei, Herr T. leide an starken Hustenanfällen und Allergieausbruch und könne keine Maske tragen. Abgesehen davon zwängen die Gesamtumstände und das Prozessverhalten der Klagepartei zu dem Schluss, dass die Verlegung allein zur Prozessverschleppung begehrt werde und der Antrag daher rechtsmissbräuchlich sei.
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Im Urteil im Verfahren M 16 K 19.3923 (22 ZB 20.1980) führt das Verwaltungsgericht aus, ein Antrag auf Terminsverlegung sei in diesem Verfahren nicht formuliert worden. Abgesehen davon sei auch kein Verlegungsgrund ersichtlich bzw. glaubhaft gemacht worden; insoweit werde auf die Gerichtsakte und das Urteil vom 5. Juni 2020 im Verfahren M 16 K 19.2899 verwiesen.
13
1.2 Nach Auffassung der Klägerin im Verfahren 22 ZB 20.1732 wurde ihr Recht auf rechtliches Gehör dadurch verletzt, dass das Verwaltungsgericht ihrem Verlegungsgesuch nicht entsprochen habe. In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass bei anwaltlicher Vertretung einer Klagepartei eine kurzfristige Erkrankung des Prozessbevollmächtigten einen erheblichen Grund für eine Terminsänderung darstelle. Dies müsse erst recht dann gelten, wenn die Klagepartei nicht anwaltlich vertreten sei. Die Erkrankung des Geschäftsführers der Klägerin, Herrn T., sei durch die am 4. Juni 2020 übersandte ärztliche Bescheinigung des Herrn Dr. K. vom gleichen Tag glaubhaft gemacht worden. Herr T. habe unter den „Diagnosen“ Allergie-Hustenanfälle, Fieber, akute Infektion der Atemwege gelitten. Daher sei ihm ein Aufenthalt im Freien oder unter Menschen im damaligen Zeitpunkt nicht möglich und er nicht in der Lage gewesen, an dem Verhandlungstermin teilzunehmen. In diesem Zusammenhang werde auch auf das der Klägerin mit der Ladung übersandte Merkblatt zu Vorsichtsmaßnahmen bei mündlichen Verhandlungen im Zusammenhang mit SARS-CoV-2 verwiesen, wonach ein Betreten des Gerichtsgebäudes im Falle des Auftretens coronatypischer Krankheitssymptome, insbesondere von Husten oder Fieber, untersagt sei. Für diesen Fall werde den geladenen Personen anheimgestellt, Vertagung zu beantragen oder auf mündliche Verhandlung zu verzichten. Jedenfalls deswegen sei dem Geschäftsführer der Klägerin das Betreten des Gerichtsgebäudes untersagt gewesen. Anderes ergebe sich nicht aus dem Vermerk der Mitarbeiter der Beklagten bezüglich der Kontrolle des Friseursalons des Herrn T. am 2. Juni 2020. Das Gespräch am 2. Juni 2020 habe nur ca. 10 Minuten gedauert. Dass Herr T. dabei einen Mund-Nasen-Schutz getragen habe, stehe der Annahme seiner Verhandlungsunfähigkeit nicht entgegen. Die Mitarbeiter der Beklagten verfügten nicht über spezifische medizinische Fachkenntnisse und seien nicht in der Lage, den Gesundheitszustand des Herrn T. zu beurteilen. Zudem seien zwischen dem Gespräch am 2. Juni 2020 und der Untersuchung des Herrn T. durch Herrn Dr. K. am 4. Juni 2020 zwei Tage verstrichen, innerhalb derer sich der Gesundheitszustand des Herrn T. noch erheblich verschlechtert habe. Selbst wenn die Mitarbeiter des Herrn T. sich dahin geäußert hätten, dass er den Friseursalon jeden Abend von 18.00 bis 20.00 Uhr aufsuche - was bestritten werde - hätten sie nur eine Aussage für den Zeitraum bis zum 2. Juni 2020 treffen können. Jedenfalls ab dem 4. Juni 2020 bis Ende Juni/Anfang Juli 2020 habe Herr T. den Friseursalon aufgrund seiner Erkrankung nicht aufgesucht. Weiter werde der Annahme des Gerichts entgegengetreten, die Gesamtumstände und das Prozessverhalten der Klagepartei zwängen zu dem Schluss, dass die Verlegung allein zur Prozessverschleppung begehrt worden und der Antrag daher rechtsmissbräuchlich sei. Da das Verwaltungsgericht auf den Schriftsatz der Klägerin vom 30. Juli 2019, in dem diese um Einräumung einer Stellungnahmefrist zur Klageerwiderung der Beklagten vom 17. Juli 2019 gebeten habe, nicht reagiert habe, habe die Klägerin davon ausgehen können, dass eine kurzfristige Stellungnahme nicht abzugeben sei. Der Verfahrensfehler sei kausal für die Klageabweisung. Hätte das Gericht dem Terminsverlegungsantrag stattgegeben, hätte der Geschäftsführer der Klägerin Gelegenheit gehabt, sich in der mündlichen Verhandlung zur Klageerwiderung zu äußern.
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Im Verfahren 22 ZB 20.1980 rügt der Kläger, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass in diesem Verfahren kein Antrag auf Terminsverlegung gestellt worden sei. Der Kläger, der gleichzeitig Geschäftsführer der Klägerin im Verfahren 22 ZB 20.1732 sei, habe die diesbezügliche Korrespondenz mit dem Verwaltungsgericht für beide Verfahren geführt. Dies ergebe sich neben der Personenidentität daraus, dass beide Verfahren jeweils für Freitag, den 5. Juni 2020, um 12.00 Uhr terminiert worden seien. Das Gericht habe den wahren Willen der nicht anwaltlich vertretenen Klagepartei erforschen müssen. Es habe zudem das streitgegenständliche Verfahren gemäß § 93 VwGO mit dem Verfahren M 16 K 19.2899 verbunden und angenommen, dass beide Verfahren den gleichen Gegenstand betreffen. Das Verwaltungsgericht sei auch verpflichtet gewesen, dem Antrag stattzugeben. Die Begründung entspricht im Wesentlichen derjenigen im Verfahren 22 ZB 20.1732. Zusätzlich wird ausgeführt, die Mitarbeiter des Klägers könnten dessen Erkrankung bestätigen. Sie hätten Kenntnis davon gehabt, dass er wegen seiner Erkrankung in der Regel nicht im Friseursalon gewesen sei und sie ihn nur in wichtigen Fällen telefonisch hätten informieren sollen. Dementsprechend hätten sie am 2. Juni 2020 um 14.00 Uhr den Kläger verständigt, als die Beamten des Kreisverwaltungsreferats im Geschäft nach ihm verlangt hätten. Es sei dann ein Termin für den 2. Juni 2020 um 19.00 Uhr vereinbart worden. Bei dem Termin sei auch die Mitarbeiterin Frau D. anwesend gewesen, die den Kläger zuvor abgeholt und zum Friseursalon gefahren habe, da er wegen der Einnahme einer Vielzahl von Medikamenten nicht eigenständig hätte kommen können.
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1.3 Ein Verfahrensfehler gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO liegt nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass ein erheblicher Verlegungsgrund nicht glaubhaft gemacht war.
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1.3.1 Gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann eine Verhandlung aus erheblichen Gründen vertagt werden. Die Vorschrift dient unter anderem dazu, den Beteiligten die sachgerechte Wahrnehmung ihrer Rechte im Prozess durch schriftsätzlichen und mündlichen Vortrag zu ermöglichen, so dass ihre Verletzung den Anspruch auf rechtliches Gehör berührt (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.1985 - 9 C 84.84 - juris Rn. 15; U.v. 26.1.1989 - 6 C 66.86 - juris Rn. 17, 21). Daraus dass bei einer kurzfristigen Erkrankung des Prozessbevollmächtigten und dadurch begründeter Unzumutbarkeit des Erscheinens oder Verhandelns in der Regel ein erheblicher Grund für eine Terminsänderung angenommen wird, folgt jedoch nicht, dass dies hier für die Klägerin im Verfahren 22 ZB 20.1732 auch gelten würde. Unabhängig von der erstinstanzlich nicht vorhandenen anwaltlichen Vertretung hatte der Geschäftsführer der Klägerin die erheblichen Gründe für eine Vertagung nicht glaubhaft gemacht, was auch bei anwaltlicher Vertretung Voraussetzung für eine Terminsverlegung wäre.
17
Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass mit der ärztlichen Bescheinigung des Dr. K. vom 4. Juni 2020 ein Verlegungsgrund nicht glaubhaft gemacht worden war. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass Angaben zur Schwere der Krankheit fehlen und nicht plausibel begründet wird, warum Herrn T. ein Aufenthalt unter Menschen derzeit nicht möglich sei. Die Angabe, der Geschäftsführer der Klägerin leide unter Allergie-Hustenanfällen, Fieber und einer akuten Infektion der Atemwege, genügt dafür nicht. Vielmehr muss das Attest - worauf das Verwaltungsgericht hingewiesen hat - Angaben dazu enthalten, dass Art und Schwere der Krankheit der Verhandlungsfähigkeit für die begrenzte Zeit der mündlichen Verhandlung entgegenstehen. Nach den in dem Attest enthaltenen Angaben könnte es sich aber auch lediglich um eine leichte Erkrankung, etwa mit leichtem Fieber, gehandelt haben, die nicht ohne Weiteres zur Verhandlungsunfähigkeit geführt hätte.
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Soweit die Klägerin im Verfahren 22 ZB 20.1732 sich zur Begründung eines Verlegungsgrundes auch darauf beruft, das Betreten des Gerichtsgebäudes sei im Fall coronatypischer Krankheitssymptome untersagt gewesen, greift dies nicht durch. Bei Auftreten coronatypischer Krankheitssymptome wurde zwar nach dem Vortrag der Klägerin im Verfahren 22 ZB 20.1732 laut dem Merkblatt den geladenen Personen anheimgestellt, Vertagung zu beantragen oder auf mündliche Verhandlung zu verzichten. Die Klägerin hatte sich jedoch erstinstanzlich auf den Verdacht einer Corona-Infektion ihres Geschäftsführers und das Verbot, das Gerichtsgebäude zu betreten, gar nicht ausdrücklich berufen; insoweit erscheint fraglich, ob ihr Vortrag, der Geschäftsführer leide an Fieber und einer Infektion der Atemwege, ausreicht. Denn ein Verfahrensfehler bzw. die ihn begründenden Tatsachen müssen bereits in erster Instanz gerügt worden sein, damit ein Antrag auf Zulassung der Berufung Erfolg haben kann (vgl. hierzu Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124 Rn. 217). Anderenfalls wäre auch fraglich, wie die Entscheidung des Erstgerichts auf einem Verfahrensfehler beruhen könnte.
19
Unabhängig davon bestehen jedenfalls Zweifel daran, dass Herr T. zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung überhaupt erkrankt war, so dass ein Verlegungsgrund auch unter Berücksichtigung der Regelung zum Betreten des Gerichtsgebäudes nicht glaubhaft gemacht war. Zwar litt Herr T. nach den Angaben in der ärztlichen Bescheinigung vom 4. Juni 2020 an diesem Tag unter Hustenanfällen, Fieber und einer akuten Infektion der Atemwege. Bereits in den Schriftsätzen der Klägerin vom 18. Mai, 22. Mai, 27. Mai, 29. Mai und 4. Juni 2020 wurde aber jeweils - bis auf den Schriftsatz vom 4. Juni 2020 ohne nähere Angaben - vorgetragen, dass sich Herr T. im Krankenstand befinde. Nach der Aufforderung des Gerichts wurde mit Schreiben vom 27. Mai 2020 eine nicht weiter aussagekräftige Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt. Nach nochmaliger Aufforderung durch das Gericht wurde schließlich die Bescheinigung vom 4. Juni 2020 vorgelegt. Aus den weiteren in den Verlegungsanträgen genannten Gründen geht zudem hervor, dass die Klägerin letztlich wegen mangelnder Vorbereitung des Termins eine Verlegung erreichen wollte. Auch dies lässt daran zweifeln, ob ihr Geschäftsführer tatsächlich erkrankt war. Hinzu tritt die Schilderung der Mitarbeiter der Beklagten von der Begegnung mit Herr T. am 2. Juni 2020, wonach dieser eine Erkrankung nicht thematisiert, „topfit“ gewirkt habe und der Mitarbeiterin der Beklagten scherzhaft angeboten habe, ihr die Haare zu schneiden (s. Telefonvermerk des Verwaltungsgerichts vom 4.6.2020, VG-Akte Bl. 162). Zwar trifft es zu, dass zwischen dem 2. Juni und dem 4. Juni 2020 noch zwei Tage verstrichen sind, doch erscheint es auch mit Blick auf die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Dr. K. vom 27. Mai 2020, wonach der Geschäftsführer der Klägerin voraussichtlich bis zum 10. Juni 2020 krank sei, nicht plausibel, dass dieser sich am 2. Juni 2020 offenbar ohne spürbare gesundheitliche Einschränkungen in seinem Friseursalon aufhalten konnte, sich sein Gesundheitszustand dann aber innerhalb von zwei Tagen so stark verschlechtert hätte wie behauptet. Auf die Beweisanregung der Klägerin zum Beweis der Tatsache, dass Herr T. den Friseursalon aufgrund seiner Erkrankung ab dem 4. Juni 2020 bis Ende Juni/Anfang Juli 2020 nicht aufgesucht habe, kommt es schon deshalb nicht an, weil erst im Berufungszulassungsverfahren vorgetragene tatsächliche Umstände, mit denen das erstinstanzliche Gericht sich mangels Kenntnis nicht befassen konnte, einen Verfahrensfehler des Erstgerichts nicht begründen können.
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Auch der Vortrag der Klägerin, die Verlegung sei nicht zur Prozessverschleppung begehrt worden und der Antrag daher nicht rechtsmissbräuchlich, weil sie davon ausgehen habe können, dass nach dem 30. Juli 2019 eine Stellungnahme kurzfristig nicht abzugeben sei, führt zu keinem anderen Ergebnis. Zwischen der Ankündigung der Klägerin vom 30. Juli 2019, zu der Klageerwiderung der Beklagten Stellung nehmen zu wollen, und der Ladung zur mündlichen Verhandlung, die der Klägerin mit Postzustellungsurkunde am 16. Mai 2020 zugestellt wurde, vergingen fast zehn Monate, innerhalb derer sich die Klägerin um einen sachgemäßen Vortrag im Verfahren und eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt hätte kümmern können. Soweit sie dies nicht tat, geht dies angesichts der fristgemäßen Ladung (§ 102 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VwGO) zu ihren Lasten, zumal keine Gründe dafür vorgetragen wurden, warum die Klägerin sich in der langen Zeit nicht mit der Förderung des Gerichtsverfahrens beschäftigen konnte. Soweit sie auf die Corona-Pandemie verweist, begann diese erst im Februar/März 2020 und kann so pauschal auch nicht eine mangelnde Vorbereitung rechtfertigen. Angesichts dessen, dass die Klageerwiderung der Beklagten vom 17. Juli 2019 datiert, war die Klägerin auch nicht kurzfristig vor der mündlichen Verhandlung mit einem neuen Sachvortrag konfrontiert, für dessen Prüfung sie zusätzliche Zeit benötigt hätte (vgl. hierzu etwa BVerwG, U.v. 14.7.1987 - 6 C 60.86 - juris Rn. 13 f.).
21
Da ein Verfahrensfehler somit jedenfalls nicht vorliegt, kann offen bleiben, ob die Klägerin mit ihrem Vortrag den Anforderungen an die Darlegung des Beruhens des Urteils auf einem Verfahrensfehler erfüllt hat.
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1.3.2 Für den Kläger im Verfahren 22 ZB 20.1980 ergibt sich nichts Anderes.
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Dabei kann dahinstehen, ob das Verwaltungsgericht die Terminsverlegungsanträge, die jeweils unter dem Briefkopf der Klägerin im Verfahren M 16 K 19.2899 (22 ZB 20.1732) und nur unter diesem Aktenzeichen gestellt, wenngleich teilweise vom Kläger im Verfahren M 16 K 19.3923 (22 ZB 20.1980) unterzeichnet wurden, so auszulegen gewesen wären, dass sie sich auch auf das Verfahren M 16 K 19.3923 bezogen.
24
Jedenfalls waren auch für dieses Verfahren erhebliche Gründe, die das Gericht zu einer Terminsverlegung hätten veranlassen müssen, erstinstanzlich nicht glaubhaft gemacht worden. Dies ergibt sich aus den Ausführungen unter Ziffer 1.3.1 zu den Terminsverlegungsanträgen der Klägerin im Verfahren M 16 K 19.2899. Soweit der Kläger im Berufungszulassungsverfahren verbunden mit einem Beweisangebot vorträgt, er sei jedenfalls ab dem 2. Juni 2020 wegen seiner Erkrankung in der Regel nicht im Friseursalon gewesen, für den 2. Juni 2020 um 19.00 Uhr sei ein eigener Termin mit den Mitarbeitern des Kreisverwaltungsreferats vereinbart worden, die Mitarbeiterin Frau D. habe ihn an dem Abend zum Friseursalon gefahren, da er selbst nicht fahrfähig gewesen sei, und er habe ab dem 4. Juni 2020 bis Ende Juni/Anfang Juli 2020 aufgrund seiner Erkrankung den Friseursalon nicht aufgesucht, sind dies Umstände, die erstinstanzlich nicht vorgetragen wurden. Sie können daher einen Verfahrensfehler des Erstgerichts bei der Entscheidung über den Terminsverlegungsantrag nicht begründen.
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2. Die Kläger beider Verfahren machen weiter ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Urteile geltend (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), die jedoch nicht vorliegen.
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Solche ernstlichen Zweifel bestehen dann, wenn nach dem Vortrag des Rechtsmittelführers gegen die Richtigkeit des Urteils gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist immer dann auszugehen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (BVerfG, B.v. 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 - juris Rn. 15; BVerwG, B.v. 10.3.2004 - 7 AV 4/03 - juris Rn. 9). Der Rechtsmittelführer muss konkret darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis falsch ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (Happ in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 124a Rn. 62 f.).
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2.1 Nach dem verwaltungsgerichtlichen Urteil im Verfahren M 16 K 19.2899 (22 ZB 20.1732) ist die Beklagte zu Recht von der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit der Klägerin ausgegangen. Die negative Prognose rechtfertige sich bereits im Hinblick auf den bei Wirksamwerden des Bescheids am 16. Mai 2019 vorliegenden Eintrag im Vollstreckungsportal mit dem Vermerk „Nichtabgabe der Vermögensauskunft“. Dies spreche für eine mangelnde wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Klägerin und dafür, dass ihr Geschäftsführer nicht bereit sei, den Gläubigern der Klägerin den notwendigen Überblick über deren Vermögensverhältnisse zu verschaffen; dies sei der Klägerin zurechenbar. Soweit die Klägerin in der Klagebegründung ausgeführt habe, der Eintrag habe sich mit der Vereinbarung einer Ratenzahlung mit der AOK überschnitten, treffe dies nach der Stellungnahme der AOK vom 13. Juni 2019 nicht zu; es habe keine Zahlungsvereinbarung vorgelegen. Im Übrigen machten Zahlungsvereinbarungen, wie in der Klagebegründung vorgetragen, die erfolgten Eintragungen im Schuldnerverzeichnis nicht nachträglich obsolet (vgl. die engen Löschungsvoraussetzungen nach § 882e Abs. 1 und 3 ZPO). Vielmehr belegten die Eintragungen weiterhin, dass die Klägerin vollstreckbare Forderungen nicht sofort zahlen könne oder wolle.
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Die Klägerin im Verfahren 22 ZB 20.1732 trägt nunmehr vor, sie habe mit Schriftsatz vom 13. Juni 2019 beim Amtsgericht Hof die schnellstmögliche Löschung aus dem Schuldnerverzeichnis und dem Vollstreckungsportal beantragt; das Amtsgericht habe durch Beschluss vom 25. Juni 2019 die Löschung der Eintragung der Klägerin im zentralen Schuldnerverzeichnis aufgrund der Eintragungsanordnung des Gerichtsvollziehers H. vom 8. März 2019 mit dem Grund „Nichtabgabe der Vermögensauskunft“ angeordnet.
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Auch wenn die Klägerin die vorzeitige Löschung ihrer Eintragung im Schuldnerverzeichnis durch Vorlage des amtsgerichtlichen Beschlusses vom 25. Juni 2019 belegt hat, hat dennoch das Verwaltungsgericht bei der Überprüfung der Prognose der Unzuverlässigkeit die Eintragung zu Recht zugrunde gelegt. Nach ständiger Rechtsprechung sind maßgeblich für die Beurteilung der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit die Umstände im Zeitpunkt des Bescheiderlasses (vgl. nur BVerwG, U.v. 2.2.1982 - 1 C 146.80 - juris Rn. 14), hier mithin die Umstände vom 16. Mai 2019. Nachträgliche Veränderungen, auch zugunsten des Gewerbetreibenden, bleiben außer Betracht; sie können in einem Wiedergestattungsverfahren nach § 35 Abs. 6 GewO berücksichtigt werden (BVerwG, U.v. 2.2.1982 - 1 C 146.80 - juris Rn. 14).
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2.2 Das Verwaltungsgericht hat sich bei der Überprüfung der Prognose der Unzuverlässigkeit im Urteil zum Verfahren M 16 K 19.2899 weiterhin darauf gestützt, dass die Klägerin ihren Zahlungspflichten gegenüber Sozialversicherungsträgern nicht nachgekommen sei. Bei Bescheiderlass hätten sich insbesondere Rückstände von mehr als 150.000 € bei der AOK Bayern und der BIG direkt gesund gebildet. Ein sinnvolles und erfolgversprechendes Sanierungskonzept sei nicht vorgelegt worden, insbesondere seien keine Ratenzahlungsvereinbarungen abgeschlossen worden. Dies rechtfertige den Schluss, dass die Klägerin wirtschaftlich nicht leistungsfähig oder leistungsunwillig sei.
31
Im Berufungszulassungsverfahren rügt die Klägerin, sie habe ihre Zahlungsverpflichtungen gegenüber den Sozialversicherungsträgern zeitweise vollständig ausgeglichen und damit den Anforderungen an ein sinnvolles und erfolgversprechendes Sanierungskonzept Genüge getan. Zwar seien zwischenzeitlich erneute Zahlungsrückstände aufgetreten, nachdem der Steuerberater der Klägerin die steuerliche Situation umfassend aufgearbeitet habe. Die Klägerin (Firma … … GmbH) sei im August 2018 gegründet worden, nachdem gegen ihre Vorgängerin (Firma … GmbH) nach einer Steuerschätzung das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei. Die Klägerin habe die Aufträge sowie alle Mitarbeiter der Firma … GmbH übernommen. Im Nachhinein sei eine Auseinandersetzung darüber entstanden, welche Vergütungen für Leistungen, die bereits die Klägerin zwischen August und Oktober 2018 erbracht habe, der Klägerin oder der Firma … GmbH zustünden. Hier gehe es um ca. 300.000 €. Die Klägerin habe daraufhin hohe Darlehen in Anspruch nehmen müssen; sie befinde sich aufgrund der gerichtlich noch nicht geklärten Frage in einer extremen Ausnahmesituation. Ihrer gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit stehe jedoch entgegen, dass sie alle Mitarbeiter der Firma … GmbH übernommen habe und keiner davon Insolvenzgeld habe beantragen müssen. Gegenüber den Sozialversicherungsträgern seien Zahlungsrückstände vollständig zurückgeführt oder Ratenzahlungsvereinbarungen getroffen worden. Es bestünden keine Zahlungsrückstände gegenüber der BG Bau und der Hanseatischen Krankenkasse sowie der Novitas BKK. Gegenüber der AOK Bayern bestünden noch Rückstände, hier sei jedoch am 3. Juni 2020 eine Stundungsvereinbarung getroffen worden, die verlängert worden sei.
32
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils bestehen insoweit nicht. Zunächst hat das Gericht sein Urteil nicht auf etwaige Rückstände bei der BG Bau und der Hanseatischen Krankenkasse gestützt. Rückstände bei der Novitas BKK lagen zwar dem Bescheid und auch dem Urteil zugrunde, doch genügt die insoweit vorgelegte Unbedenklichkeitsbescheinigung vom 14. Juni 2019 nicht, um dem entgegenzutreten, da diese den Zeitraum nach Bescheiderlass betrifft (vgl. zur Maßgeblichkeit der Umstände bei Bescheiderlass oben Ziffer 2.1). Gleiches gilt für die vorgelegte Stundungsvereinbarung mit der AOK vom 3. Juni 2020, die sich auf den Zeitraum vom 1. Januar 2020 bis 31. Mai 2020 bezieht und mit der Corona-Pandemie begründet wurde. Maßgeblich für die Prognose der Unzuverlässigkeit sind wiederum die Umstände im Zeitpunkt des Bescheiderlasses, für den die Stundungsvereinbarung keine Wirkung entfaltet; die Corona-Pandemie war zu diesem Zeitpunkt auch noch nicht ausgebrochen.
33
2.3 Das Verwaltungsgericht hat sein Urteil im Verfahren M 16 K 19.2899 weiterhin auf Mitteilungen des Finanzamts München gestützt, wonach die Klägerin steuerliche Zahlungsverpflichtungen gleich nach der Aufnahme ihrer gewerblichen Tätigkeit verletzt habe und Steuern durch Vollstreckung hätten beigetrieben werden müssen. Es entspreche nicht einer ordnungsgemäßen Gewerbeausübung, fällige Schulden bei öffentlichen Kassen nicht von sich aus zu erfüllen. Die Äußerung des Geschäftsführers vom 28. März 2019 gegenüber dem Finanzamt, wonach eine „angenehme Zusammenarbeit auch in einer manchmal nicht vermeidbaren Pfändungsphase“ angemahnt worden sei, lasse nicht erkennen, dass der Geschäftsführer sich der Verbindlichkeit öffentlich-rechtlicher Forderungen bewusst sei. Auch habe die Klägerin zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses steuerliche Erklärungspflichten verletzt. So seien Umsatzsteuervoranmeldungen seit Betriebsbeginn bis Anfang Juni 2020 allein für den Monat August 2018 abgegeben worden; im Übrigen sei geschätzt worden.
34
Die Klägerin trägt insoweit vor, ein zwischenzeitlich entstandener Steuerrückstand sei zeitweise vollständig ausgeglichen worden und sei bedingt durch die Situation im Zusammenhang mit der Insolvenz der Firma … GmbH. Die Klägerin befinde sich mithilfe ihres Steuerberaters im Prozess abschließender Klärung. Ein aktueller Steuerrückstand gegenüber dem Finanzamt München sei beglichen worden. Die Klägerin legt dazu zwei Bescheinigungen des Finanzamts München vom 14. Juni 2019 und vom 15. Juni 2020 vor, wonach bei der Firma … … GmbH im jeweiligen Zeitpunkt keine Steuerrückstände bestünden.
35
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils sind insoweit weder dargelegt noch liegen sie vor. Die von der Klägerin genannten nach Bescheiderlass eingetretenen Umstände sind für die Rechtmäßigkeit des Bescheids nicht maßgeblich. Das Verwaltungsgericht hat sein Urteil im Übrigen nicht auf im Zeitpunkt des Bescheiderlasses etwaig bestehende Steuerrückstände gestützt, sondern auf die Tatsache, dass Steuern durch Vollstreckung hätten beigetrieben werden müssen, Erklärungspflichten verletzt worden seien und der Geschäftsführer der Klägerin Zweifel daran habe aufkommen lassen, dass er öffentlich-rechtliche Forderungen für verbindlich halte. Damit setzt sich die Zulassungsbegründung nicht auseinander.
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2.4 Das Verwaltungsgericht hat weiterhin im Urteil im Verfahren M 16 K 19.2899 angenommen, die Beklagte habe zu Recht darauf abgestellt, dass die Klägerin sich einen unlauteren Wettbewerbsvorteil gegenüber konkurrierenden Betrieben verschafft habe, die Steuern und Sozialversicherungsbeiträge pünktlich entrichteten.
37
Die Klägerin tritt dem mit dem Argument entgegen, sie habe alle Mitarbeiter der Firma … GmbH übernommen; hätte sie dies nicht getan, so hätte sie sich in beträchtlichem Umfang Personalkosten sparen können. Sie habe sämtliche Zahlungsverpflichtungen gegenüber Sozialversicherungsträgern mit Ausnahme der AOK Bayern vollständig beglichen.
38
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils sind damit nicht dargelegt, da die Klägerin erneut mit Umständen argumentiert, die erst nach Bescheiderlass eingetreten sind. Die Übernahme von Mitarbeitern der Firma … GmbH steht den vom Verwaltungsgericht getroffenen Annahmen nicht entgegen.
39
2.5 Das Verwaltungsgericht hat es dahinstehen lassen, ob die Klägerin im Verfahren M 16 K 19.2899 auch wegen der im Bescheid genannten Steuerschulden ihres Geschäftsführers unzuverlässig sei.
40
Die Klägerin trägt dazu vor, dass das gegen Herrn T. eingeleitete Strafverfahren im Zeitpunkt der Klagebegründung noch nicht abgeschlossen gewesen sei. Mit Schriftsatz vom 29. Mai 2020 habe die Klägerin die Einstellungsmitteilung der Staatsanwaltschaft München I vom 23. Mai 2020 vorgelegt, wonach das Ermittlungsverfahren mangels hinreichenden Tatverdachts gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sei. Aufgrund dessen sei auch mit einer baldigen Klärung der Steuerrückstände des Herrn T. zu rechnen. Einkommen- und Gewerbesteuer des Herrn T. seien geschätzt worden, wogegen er Rechtsmittel eingelegt und die Aussetzung der Vollziehung erreicht habe. Zudem seien die Einkommensteuerbescheide für die Veranlagungszeiträume 2014, 2015 und 2016 beklagt worden. Auch werde der Behauptung der Beklagten, wonach ein Strohmannverhältnis vorliege und die faktische Betriebsleitung von Frau V. ausgeübt werde, entgegengetreten.
41
Da das Gericht sein Urteil nicht auf Steuerrückstände des Geschäftsführers der Klägerin gestützt hat, bleiben ihre Ausführungen insoweit ohne Erfolg.
42
2.6 Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts im Urteil im Verfahren M 16 K 19.3923 ist die Beklagte im Zeitpunkt des Bescheiderlasses zu Recht von der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit des Klägers ausgegangen, weil dieser mit Blick auf im Bescheid genannte Rückstände beim Finanzamt sowie beim Kassen- und Steueramt der Beklagten wirtschaftlich nicht leistungsfähig bzw. nicht willig gewesen sei, seinen steuerlichen Zahlungspflichten nachzukommen. Er habe auch nicht nach einem sinnvollen und erfolgversprechenden Sanierungskonzept gearbeitet. Der in der Klageschrift genannte Einspruch bzw. Antrag auf Aussetzung der Vollziehung habe der Annahme der Unzuverlässigkeit im maßgeblichen Zeitpunkt nicht entgegengestanden, denn gemäß § 220 Abs. 2 Satz 2 AO trete die Fälligkeit von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis bereits mit der Bekanntgabe eines Bescheids ein, durch den ein solcher Anspruch festgesetzt werde. Ein Einspruch gegen einen Steuerbescheid gebe keine Befugnis zu einer auch nur temporären Verweigerung der Entrichtung der Steuerschuld, da er gemäß § 361 Abs. 1 Satz 1 AO keine aufschiebende Wirkung entfalte. Die Beklagte habe entsprechende Anträge des Klägers bei den Steuerbehörden auch nicht als Teil eines tragfähigen Sanierungskonzepts betrachten müssen, weil das Kassen- und Steueramt am 24. Juni und 1. Juli 2019 mitgeteilt habe, die Aussetzung der Vollziehung abgelehnt zu haben.
43
Der Kläger rügt insoweit, zwar seien bei ihm zeitweise Rückstände aufgelaufen. Diese Rückstände stünden jedoch nicht in Zusammenhang mit seiner gewerblichen Tätigkeit. Der Kläger sei von der Staatsanwaltschaft München I verdächtigt worden, in den Jahren 2014 - 2016 Gewerbe ohne entsprechende Erlaubnis betrieben zu haben. Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren sei mit Verfügung vom 15. Mai 2020 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Der Kläger übe seit dem 1. Januar 2017 das Gewerbe für das Friseurhandwerk und seit dem 1. August 2018 auch das Gewerbe im Gebäudereinigungshandwerk aus. Davor habe er kein Gewerbe ausgeübt. Aufgrund der entkräfteten Beschuldigungen seien Beiträge beim Finanzamt und beim Kassen- und Steueramt geschätzt worden. Gegen die Bescheide habe der Kläger Einspruch eingelegt und die Aussetzung der Vollziehung beantragt, die auch bewilligt worden sei. Der Kläger habe die Aufarbeitung bereits vor Erlass des Bescheids vom 1. Juli 2019 eingeleitet; seine Bemühungen hätten zwingend berücksichtigt werden müssen. Der Umstand, dass das Finanzamt München keine Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn eingeleitet habe, veranschauliche, dass auch aus Sicht des Finanzamts die Aufarbeitung nicht abgeschlossen sei. Zwar hätten das Kassen- und Steueramt und das Finanzamt im Juni 2019 und Juli 2019 die Aussetzung der Vollziehung wegen mangelnder Begründung zunächst abgelehnt. Der Kläger habe aber seine Begründungen nachträglich präzisiert. Seine Aktivitäten zur Aufklärung des Sachverhalts und zur Rückführung seiner Steuerverbindlichkeiten stellten ein sinnvolles und erfolgversprechendes Sanierungskonzept dar. Die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2014, 2015 und 2016 seien beklagt worden. Die Steuerrückstände des Klägers seien auch nicht gestiegen.
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Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils sind damit weder dargelegt noch liegen sie vor, weil der Kläger sich nicht mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt und zur Fälligkeit der Steuern trotz des Antrags auf Aussetzung der Vollziehung sowie zur fehlenden aufschiebenden Wirkung des Einspruchs auseinandergesetzt hat. Auch mit der Bezugnahme auf die Einstellung des Strafverfahrens wegen verbotener Geschäfte, Handelns ohne Erlaubnis gemäß § 170 Abs. 2 StPO (vgl. VG-Akte M 16 K 19.2899, Blatt 121) kann der Kläger weder belegen, dass die vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegten Rückstände nicht bestanden noch dass diese nicht im Zusammenhang mit seiner gewerblichen Tätigkeit gestanden hätten. Soweit der Kläger behauptet, die Rückstände resultierten aus Steuerschätzungen im Zusammenhang mit den Beschuldigungen durch die Staatsanwaltschaft, ist weder vorgetragen noch belegt, dass das Finanzamt und das Kassen- und Steueramt der Beklagten insoweit von Beträgen ausgegangen wären, für die es an jeglicher Grundlage gefehlt hätte. Aus der Einstellung des Strafverfahrens kann lediglich geschlossen werden, dass der Kläger sich in Bezug auf die dem Verfahren zugrundeliegenden tatsächlichen Umstände nicht wegen verbotener Geschäfte und Handelns ohne Erlaubnis strafbar gemacht hat. Dass er jedoch nicht im Zusammenhang mit einer erlaubnisfreien oder erlaubten gewerblichen Tätigkeit steuerliche Rückstände hatte, lässt sich daraus nicht schließen. Dass er vor dem 1. Januar 2017 keine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt habe, ist eine nicht weiter belegte Behauptung. Nach Angaben des Finanzamts München resultierten die Steuerrückstände in Höhe von ca. 87.000 € fast ausschließlich aus der gewerblichen Tätigkeit des Klägers (Behördenakte Bl. 35). Dem ist der Kläger nicht substantiiert entgegengetreten. Im Übrigen hat der Kläger nicht dargelegt, dass seine Steuerschulden - unabhängig davon, ob sie aus gewerblicher Tätigkeit resultierten - keinen Gewerbebezug aufgewiesen hätten (vgl. zum erforderlichen Gewerbebezug Marcks in Landmann/Rohmer, GewO, Stand: Februar 2021, § 35 Rn. 34). Auch soweit sich aus den vom Kläger erst im Zulassungsverfahren vorgelegten Unterlagen ein Vollstreckungsaufschub durch das Finanzamt und die Aussetzung der Vollziehung durch das Finanzamt und das Kassen- und Steueramt der Beklagten in Bezug auf bestimmte Steuerschulden ergeben, berührt dies schon deshalb nicht die Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils, weil die fraglichen Schreiben des Finanzamtes und der Beklagten erst ab September 2019 und damit nach Bescheiderlass ergingen; sie können daher keine Auswirkung auf die Rechtmäßigkeit des Bescheids haben.
45
2.7 Weiter hat das Verwaltungsgericht sein Urteil im Verfahren M 16 K 19.3923 darauf gestützt, dass der Kläger als Geschäftsführer der Klägerin im Verfahren M 16 K 19.2899 dafür verantwortlich sei, dass diese ihre öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen gegenüber den Steuerbehörden und Sozialversicherungsträgern verletzt habe. Dafür habe der Kläger einzustehen; insoweit werde Bezug auf das Urteil vom 5. Juni 2020 im Verfahren M 16 K 19.2899 genommen.
46
Der Kläger erhebt insoweit die bereits im Verfahren 22 ZB 20.1732 vorgetragenen Rügen (s.o. Ziffer 2.2, 2.3, 2.4). Diese greifen aus den dort genannten Gründen nicht durch.
47
2.8 Das Verwaltungsgericht hat die vorgenannte Verantwortlichkeit des Klägers im Verfahren M 16 K 19.3923 unabhängig davon angenommen, ob er oder Frau V. tatsächlich die Geschäfte der Klägerin im Verfahren M 16 K 19.2899 führe, was die Beklagte angenommen hatte.
48
Der Kläger im Verfahren 22 ZB 20.1980 tritt in seiner Zulassungsbegründung der Annahme der Beklagten, dass ein Strohmann-Verhältnis vorliege, entgegen. Es sei nicht widerrechtlich, dass Frau V. der Klägerin helfe, die Auftragslage zu realisieren. Der Kläger sei jedoch alleiniger Geschäftsführer der … … GmbH. Er habe für das Unternehmen einen hohen Betrag kreditiert. Es werde bestritten, dass gegen Frau V. ein Ordnungswidrigkeitenverfahren anhängig sei und dass bei einer Betriebsprüfung und Hausdurchsuchung festgestellt worden sei, dass Frau V. fast sämtliche Aufträge der Firma … … GmbH unterschreibe und praktisch Geschäftsführerin sei.
49
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils sind damit nicht dargelegt, da sich das Gericht auf die vom Kläger genannten Erwägungen nicht gestützt hat.
50
2.9 Auch soweit der Kläger sich in der Zulassungsbegründung gegen Ausführungen der Beklagten in einer Vormerkung vom 3. Juni 2020 (gemeint wohl: VG-Akte im Verfahren M 16 K 19.2899 Bl. 166) wendet, sind ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils schon deshalb nicht dargelegt, weil sich der Kläger insoweit nicht mit den Urteilsgründen auseinandersetzt. Soweit das Verwaltungsgericht sein Urteil auf die Verantwortlichkeit des Klägers als Geschäftsführer der … … GmbH für deren öffentlich-rechtliche Verpflichtungen gegenüber den Steuerbehörden und Sozialversicherungsträgern gestützt hat, gelten die Erwägungen unter Ziffer 2.2, 2.3 und 2.4.
51
2.10 Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts in beiden Verfahren ist auch die jeweilige Erweiterung der Gewerbeuntersagung nicht zu beanstanden, weil eine gewerbeübergreifende Unzuverlässigkeit vorliege und mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Ausweichen auf ein anderes Gewerbe zu erwarten gewesen sei.
52
Dem halten die Kläger in beiden Verfahren entgegen, die angegriffenen Bescheide enthielten keinerlei konkrete Ermessenserwägungen dazu, dass eine künftige Gewerbeausübung der Klägerin bzw. des Klägers so wahrscheinlich sei, dass sich die Untersagungen auch darauf erstrecken müssten. Es genüge insoweit nicht, dass das Ausweichen auf ein anderes Gewerbe nur nicht ausgeschlossen werden könne, wovon die Beklagte jedoch ausgegangen sei.
53
Mit ihrem Vortrag belegen die Kläger keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Urteile. Es entspricht gerade der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, dass die erweiterte Gewerbeuntersagung schon dann zulässig ist, wenn keine besonderen Umstände vorliegen, die es ausschließen, dass der Gewerbetreibende ein anderes Gewerbe in Zukunft ausüben wird (BVerwG, U.v. 2.2.1982 - 1 C 17.79 - juris Rn. 29; BayVGH, U.v. 1.6.2011 - 22 B 09.2785 - juris Rn. 14). Davon ist die Beklagte in den Bescheiden zu Recht ausgegangen; Zweifel an dem vom Verwaltungsgericht gefundenen Ergebnis bestehen insoweit nicht.
54
3. Auch die Voraussetzungen des in beiden Verfahren geltend gemachten Zulassungsgrundes nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO liegen nicht vor.
55
Die Kläger beider Verfahren tragen vor, die angegriffenen Entscheidungen wichen von der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts ab. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe in einem Beschluss vom 27. Februar 2018 - 22 ZB 17.1949 - juris Rn. 9 ausgeführt, dass eine Ermessensentscheidung, die bei gewerbeübergreifender Unzuverlässigkeit und Erforderlichkeit der erweiterten Gewerbeuntersagung von dieser Möglichkeit Gebrauch mache, nicht rechtswidrig sei, wenn der Verwaltungsentscheidung zumindest konkludent die maßgebliche Erwägung entnommen werden könne, die anderweitige Gewerbeausübung sei so wahrscheinlich, dass sich die Untersagung auch darauf erstrecken solle. Die angefochtenen Bescheide wichen davon ab, weil sie keine konkreten Angaben dazu enthielten, dass die jeweilige künftige Gewerbeausübung so wahrscheinlich sei, dass sich die Untersagung auch darauf erstrecken solle. Das Erstgericht habe sich mit der genannten Rechtsprechung nicht auseinandergesetzt.
56
Es kann dahinstehen, ob die Anforderungen an die Darlegung des Zulassungsgrundes nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO durch den jeweiligen klägerischen Vortrag erfüllt sind. Jedenfalls liegt er in der Sache nicht vor. Die genannte Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Februar 2018 - 22 ZB 17.1949 - relativiert nicht den von der Rechtsprechung zugrunde gelegten Wahrscheinlichkeitsmaßstab, wonach eine anderweitige Gewerbeausübung schon dann als hinreichend wahrscheinlich gilt, wenn keine Umstände vorliegen, die es ausschließen, dass der Gewerbetreibende das andere Gewerbe in Zukunft ausüben wird (vgl. hierzu Ziffer 2.10). Aus der Entscheidung ergibt sich vielmehr nur, dass die Anforderungen an die Begründung der Wahrscheinlichkeit des Ausweichens auf ein anderes Gewerbe von der Rechtsprechung als gering angesehen werden, weil es genügt, dass sich die entsprechende Annahme konkludent aus dem Bescheid ergibt, ohne dass dieser dies ausdrücklich formulieren muss.
57
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 54.2.1, 54.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
58
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 152 Abs. 1 VwGO. Mit ihm werden die Urteile des Verwaltungsgerichts rechtskräftig, § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO.