Titel:
Infektionskrankheit eines Lehrers keine Berufskrankheit
Normenketten:
BayBeamtVG Art. 46 Abs. 3 S. 1
BKV Anl. 1 Nr. 3101
Leitsätze:
1. Ein Beamter, der die Dienstunfallfürsorge wegen einer Krankheit erreichen will, hat für die besondere Erkrankungsgefahr und die rechtzeitige Meldung der Erkrankung die materielle Beweislast zu tragen. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Sind die besondere Erkrankungsgefahr und die rechtzeitige Meldung erwiesen und lässt sich lediglich nicht klären, ob sich der Beamte die Erkrankung innerhalb oder außerhalb des Dienstes zugezogen hat, so trägt das Risiko der Unaufklärbarkeit hinsichtlich dieser Voraussetzung der Dienstherr. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Erkrankungsgefahr vergleichbar der in Gesundheitsberufen ist bei einer Lehrkraft auch bei Kontakt mit Asylbewerbern und Geflüchteten nicht gegeben. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
4. Eine Erkrankungsgefahr vergleichbar der in Gesundheitsberufen kann auch aus einer aktiven (Praxis-) Unterrichtsform, bei der ein näherer Kontakt zu den Schülern möglich ist, nicht hergeleitet werden. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Recht der Landesbeamten, Anerkennung als Dienstunfall, Berufskrankheit i.S.v. Art. 46 Abs. 3 BayBeamtVG, Beamte, Lehrer, Berufsschule, Praxisunterricht, Asylbewerber, Geflüchtete, Infektionskrankheit, Tuberkulose, Dienstunfallfürsorge, Berufskrankheit, Erkrankungsgefahr, Gesundheitsberufe, Vergleichbarkeit, meterielle Beweislast
Fundstelle:
BeckRS 2021, 30684
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt die Anerkennung einer latenten tuberkulösen Infektion als Berufserkrankung.
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Er ist als Fachoberlehrer (Besoldungsgruppe A 11) am Staatlichen Beruflichen Schulzentrum ... (PF-Bereich Küche und Service) im Dienst des Beklagten tätig. Im Herbst 2017 unterrichtete er in einer Schulklasse, in der sich ein an Tuberkulose (TBC) erkrankter Schüler befand. Bis Mitte Oktober 2017 unterrichtete der Kläger die Klasse mit vier Unterrichtsstunden Praxis. Ab dem 11. Juni 2018 wurde er wieder in der Klasse eingesetzt. Im März 2018 klagte der Kläger über sehr starken und hartnäckigen Husten in Verbindung mit Nachtschweiß. Zudem wurde ein Gewichtsverlust von 10 kg verzeichnet. Nachdem im Juni 2018 bekannt wurde, dass es zu einem nachgewiesenen TBC-Fall in der Klasse des Klägers gekommen war, führte das Landratsamt ... - Gesundheitsamt - eine TBC-Umgebungsuntersuchung durch. Ein entsprechender Bluttest beim Kläger fiel positiv aus. Daraufhin suchte er am 9. Juli 2018 einen Lungenarzt auf. Von diesem wurde - laut Befundbericht vom 16. November 2018 - eine latente tuberkulöse Infektion diagnostiziert und eine ärztliche Anzeige über eine Berufskrankheit erstellt.
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Mit Antrag vom 19. Oktober 2018 beantragte der Kläger beim Landesamt für Finanzen,, Bezügestelle Dienstunfall, (im Folgenden: Landesamt für Finanzen) die Anerkennung als Dienstunfall bzw. Berufserkrankung. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Landesamts für Finanzen vom 27. Mai 2019 abgelehnt. Begründet wurde dies bezüglich des Dienstunfalls mit dem Fehlen eines Unfallereignisses und bezüglich der Berufserkrankung - gestützt auf eine Stellungnahme des Landratsamts ... - Gesundheitsamt - vom ... - mit dem nicht nachgewiesenen Kausalzusammenhang zwischen Infektion und Arbeitsstätte.
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Gegen diesen Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 23. Juni 2019 Widerspruch ein und begründete diesen mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 13. September 2019. Der Kausalzusammenhang könne bejaht werden. Der Kläger sei durch seine berufliche Tätigkeit der Gefahr einer solchen Erkrankung besonders ausgesetzt. Es müsse eine Umkehr der Beweislast erfolgen. Für die Anerkennung als Berufserkrankung entsprechend einem Dienstunfall nach Art. 46 Abs. 3 BayBeamtVG müsse es ausreichen, dass die zum Zeitpunkt der Erkrankung ausgeübte Tätigkeit eine hohe Wahrscheinlichkeit der Erkrankung gerade an dieser Krankheit berge. Der Kläger habe als „aktiver“ Lehrer nicht nur Frontalunterricht gehalten. Dabei dürfte eine Infektion deutlich leichter sein, als bei konservativen Unterrichtsmethoden. Zudem sei das TBC-Ansteckungsrisiko aufgrund der Unterrichtung einer BAF-Klasse erhöht, die extra für berufschulpflichtige Asylbewerber und Geflüchtete eingerichtet worden sei. Menschen, die auf der Flucht aus Osteuropa, dem Nahen und Mittleren Osten und Afrika seien, würden ein höheres Tuberkuloserisiko tragen. Sie seien aufgrund der hygienischen Umstände bei der Flucht in Kontakt mit anderen Menschen, die sich bereits in ihrem Heimatland eventuell mit Tuberkulose angesteckt haben könnten. Deshalb sei jedenfalls bei Lehrern in BAF-Klassen ein erhöhtes Ansteckungsrisiko gegeben. Die zum Erkrankungszeitpunkt ausgeübte Tätigkeit als Fachoberlehrer in einer BAF-Klasse erfülle die von der Rechtsprechung geforderten Anforderungen an die hohe Wahrscheinlichkeit an TBC zu erkranken. Daher müsse auch für den Kläger die Erleichterung hinsichtlich der Beweislast gelten. Bei einer etwaigen versetzten Diagnose der Krankheit sei auch die Inkubationszeit der Krankheit und die Dauer der Ansteckungsfähigkeit zu berücksichtigen. Zudem liege unter Umständen auch eine Verletzung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn vor, wenn vor einer Einteilung zu einer Unterrichtung von BAF-Klassen keine Aufklärung in Bezug auf das erhöhte Ansteckungsrisiko stattgefunden habe und keine entsprechenden Vorsorgemaßnahmen zur Verhinderung einer Infektion ergriffen worden seien.
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Dieser Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid des Landesamts für Finanzen vom 5. Dezember 2019 zurückgewiesen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts würden im Dienstunfallrecht die allgemeinen Beweisgrundsätze gelten. Eine Beweislastumkehr greife nicht ein. Es könne lediglich bei ausgewählten Berufsgruppen ausnahmsweise von einer besonderen und erheblichen Ansteckungsgefährdung ausgegangen werden, sodass eine einzelfallbezogene Nachweisprüfung entbehrlich sei. Für den Kläger komme die BK Nr. 3101 (Infektionskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war) in Frage, die auch die Tuberkulose als Berufskrankheit beinhalte. Berufsschullehrer würden aber nicht zu den Berufsgruppen gehören, die bei der BK Nr. 3101 genannt seien. Es fehle bereits daran, dass die besondere Gefährdung für die dienstliche Verrichtung typisch und in erheblich höherem Maße als bei der übrigen Bevölkerung vorhanden sei. Bei einem relativ leichten Infektionsweg (Tröpfcheninfektion, Händeschütteln) sei der Unterricht an einem großen Berufsschulzentrum nicht anders zu bewerten als andere Gelegenheiten, bei denen man mit vielen Menschen in Kontakt kommen könne, z.B. das Einkaufen in einem Supermarkt, das Fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder die Teilnahme an einer Veranstaltung. Außerdem sei nicht sicher, ob die im März 2018 durchgemachte Erkrankung des Klägers im Zusammenhang mit einer womöglich zu diesem Zeitpunkt bereits vorhandenen latenten tuberkulösen Infektion stehe, da gemäß Arztbrief vom 12. Juli 2018 laut Angaben des Klägers seine ganze Familie erkrankt gewesen sei.
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Dagegen ließ der Kläger mit Schriftsatz vom 20. Januar 2020, eingegangen am selben Tag, Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erheben. Zur Begründung werde vollumfänglich auf die Widerspruchsbegründung vom 13. September 2019 Bezug genommen. Ergänzend werde ausgeführt, dass sich aus der Akte nicht ergebe, ob sich auch andere Lehrer mit Tuberkulose infiziert hätten. Dies würde die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass sich der Kläger in der Schule mit Tuberkulose infiziert habe. Weiter könne die Ausführung des Landesamts für Finanzen nicht nachvollzogen werden, wonach die Erkrankung der gesamten Familie des Klägers im März 2018 dem Anliegen des Klägers entgegenstehen könne. Die Risikoeinstufung des Berufs als Lehrer in Bezug auf Infektionskrankheiten im Widerspruchsbescheid sei in Anbetracht der Corona-Pandemie nicht nachvollziehbar. Eine besondere Gefährdung in Bezug auf eine Ansteckung auch im Sinne der Berufsgruppen der BK Nr. 3101 sei gegeben je größer die Menschenmenge sei, je dichter diese sich in einem Raum befinde und je länger diese einander ausgesetzt sei. Deshalb wäre es schlechterdings nicht mehr nachvollziehbar und würde ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz in Bezug auf die in den Merkblättern exemplarisch genannten Berufsgruppen darstellen, wenn es im vorliegenden Fall nicht zu einer Beweiserleichterung komme.
1. Der Bescheid des Beklagten vom 27. Mai 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 5. Dezember 2019 wird mit der Maßgabe aufgehoben, dass die Erkrankung des Klägers an einer latenten tuberkulösen Infektion als Berufserkrankung im Sinne von Art. 46 Abs. 3 Bayerisches Beamtenversorgungsgesetz anerkannt wird.
2. Beamtenrechtliche Unfallfürsorgeleistungen können daher gewährt werden.
3. Die Kosten des Rechtstreits trägt der Beklagte.
4. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts für das Vorverfahren wird für notwendig befunden.
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Für den Beklagten beantragt das Landesamt für Finanzen im Schreiben vom 22. Mai 2020,
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Der Kläger gehöre als Lehrer nicht zu einer Berufsgruppe, bei der eine besondere Gefährdung zur Erkrankung an einer solchen Infektionskrankheit in erheblich höherem Maße als bei der übrigen Bevölkerung vorhanden sei. Nach Mitteilung der Schulleitung sei eine weitere Lehrkraft an TBC erkrankt gewesen. Näheres sei hierzu nicht bekannt, da diese Lehrkraft über das Kolping Bildungswerk als Bildungsträger beim Staatlichen Beruflichen Schulzentrum angestellt gewesen sei. Eine Nachfrage beim Landratsamt ... - Gesundheitsamt -, ob dort weitere Informationen bekannt seien, sei unbeantwortet geblieben. Selbst wenn man eine weitere TBC-Infektion einer anderen Lehrkraft als zutreffend unterstellen würde, ändere sich nichts daran, dass die Voraussetzungen einer Anerkennung nach Art. 46 Abs. 3 BayBeamtVG nicht vorlägen. Nach der Stellungnahme des Landratsamts ... - Gesundheitsamt - vom 14. Februar 2019 würden weder die Aufzeichnungen des Klägers noch die vorliegenden ärztlichen Atteste eine hinreichende Wahrscheinlichkeit auf einen Kausalzusammenhang zwischen Infektion und Arbeitsstätte ergeben. Seit Mitte Oktober 2017 sei der Kläger nicht mehr regelmäßig in der Klasse des TBCerkrankten Schülers tätig gewesen. Im Februar/März 2018 hätten sich in der gesamten Familie des Klägers unspezifische Infektionssymptome gezeigt. Woher die Infektion des Klägers letztendlich gekommen sei, lasse sich nicht nachweisen. Dies gehe aber im Rahmen der Beweislastverteilung im Dienstunfallrecht zulasten des Klägers. Eine Beweislastumkehr komme nicht in Betracht. Es sei nicht sachgerecht, hinsichtlich der Gefährdung eines Lehrers auf die Zusammensetzung der Schulklasse im Einzelfall abzustellen. Es komme auf die typische dienstliche Verrichtung dieser Berufsgruppe an. Lehrer seien hier nicht in erheblich höherem Maße gefährdet. Zudem werde auf die Ausführungen im Bescheid vom 27. Mai 2019 und im Widerspruchsbescheid vom 5. Dezember 2019 verwiesen.
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Mit Schriftsatz vom 1. Juli 2020 nahm der Prozessbevollmächtigte des Klägers dazu Stellung. Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit lasse sich durch einen Rückschluss herleiten. Es sei nicht erkennbar, wo sich der Kläger sonst angesteckt haben soll, wenn nicht in der Schule, da dort mindestens zwei positiv getestete Fälle aufgetaucht seien. Auf regelmäßige Unterrichtseinheiten komme es nicht zu sehr an, da insbesondere eine andere Kollegin des Klägers regelmäßig Schüler ihres Unterrichts in den Unterricht des Klägers geschickt habe, sodass diese sich nicht, wie eigentlich geplant, in einem betrieblichen Praktikum befunden, sondern am Unterricht des Klägers teilgenommen hätten. Folglich habe der Kläger auch den infizierten Schüler noch im Winter/Frühjahr 2018 unterrichtet. Es sei richtig, dass im Frühjahr 2018 die gesamte Familie des Klägers erkrankt gewesen sei. Insoweit erinnere sich aber der Kläger daran, dass er der erste in der Familie gewesen sei, welcher leichte Beschwerden gezeigt habe. Deshalb hätten die anderen Familienmitglieder die Krankheit eher vom Kläger übertragen bekommen als andersherum. Dies lasse sich aber nicht mehr genau nachvollziehen, da die Ärzte eine diesbezügliche Testung nicht für notwendig erachtet hätten. Hätte der Kläger früher Kenntnis von den positiven TBC-Fällen in der Schule gehabt, hätte man diesen Verlauf eventuell nachvollziehen können. Dies spreche für die Annahme einer Beweislastumkehr zulasten des Beklagten, da dieser seinen Informations- und Fürsorgepflichten gegenüber seinen Beamten in diesem Fall nicht nachgekommen sei. Der Sachverhalt gewinne in der heutigen Zeit dadurch Brisanz, dass der infizierte Schüler wohl tagelang in der Schule herumgelaufen sei bzw. sich teilweise auch im Sanitärraum hingelegt habe, weil er sich über mehrere Tage hinweg sehr krank gefühlt habe. Niemand habe aber Informationen diesbezüglich gehabt oder sei dafür verantwortlich gewesen. Mit dem heutigen Wissen in der Bevölkerung wäre eine solche Situation undenkbar, zumal sich TBC ähnlich verbreite wie das Corona-Virus. Gerade vor diesem Hintergrund sei aber der vorliegende Sachverhalt anders zu beurteilen und die Regeln zur Beweislast zu überdenken.
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Das Landesamt für Finanzen legte mit Schriftsatz vom 29. Juni 2020 ein Schreiben des Landratsamts ... - Gesundheitsamt - vom 23. Juni 2020 vor, worin aufgeführt wird, dass eine nachweisbare Erkrankung bei dem Kläger nicht festgestellt worden sei, Beschwerden nicht bestehen und keine nachweisbaren Röntgenveränderungen vorliegen würden. Das Landesamt für Finanzen führte dazu auf, dass auch deshalb eine Anerkennung als Berufskrankheit ausscheide.
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Dazu äußerte sich der Kläger mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 29. Juli 2020. Es sei nicht ersichtlich, weshalb sich das Gesundheitsamt nun anders positioniere. Dies werde auch nicht begründet. Bislang sei lediglich die Kausalität streitig gewesen. Hierzu sei bereits ausgeführt worden, dass angesichts der Unterrichtsbedingungen in einer BAF-Klasse und der grundsätzlichen Infektionshäufigkeit im ... es mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit so gewesen sei, dass der Kläger sich in der Schule angesteckt habe, da er dort Kontakt mit nachweislich Infizierten gehabt habe.
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Darauf erwiderte das Landesamt für Finanzen mit Schriftsatz vom 2. September 2020, dass sich die Differenzen hinsichtlich der Stellungnahmen des Gesundheitsamts nicht aufklären haben lassen. Darauf würde es aber auch nicht entscheidungserheblich ankommen, da jedenfalls ein eventueller Übertragungsweg nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden könne.
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Auf Anfrage des Gerichts teilte das Landratsamt ... - Gesundheitsamt - mit Schreiben vom 23. Februar 2021 mit, dass aufgrund der ärztlichen Schweigepflicht keine Namen oder Zahlen von den mit TBC infizierten Personen am Staatlichen Beruflichen Schulzentrum ... genannt werden dürften. Bei dem Kläger sei eine latente tuberkulöse Infektion diagnostiziert worden. Im Schreiben vom 23. Juni 2020 sei nur festgestellt worden, dass keine röntgenologischen Veränderungen bis dato festgestellt worden seien. In der Zusammenschau der Befunde lasse sich mit hinreichender Wahrscheinlichkeit weder belegen noch ausschließen, dass die latente tuberkulöse Infektion im Dienst erworben worden sei.
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Dazu nahm das Landesamt für Finanzen mit Schriftsatz vom 5. März 2021 Stellung. Es würde keinen Nachweis mit hinreichender Wahrscheinlichkeit geben, dass die tuberkulöse Infektion im Dienst erworben worden sei. Deshalb werde am Antrag auf Klageabweisung festgehalten.
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Mit Schriftsatz vom 16. April 2021 nahm der Prozessbevollmächtigte des Klägers abschließend Stellung und übersandte eine Beschreibung des Klägers über seinen Arbeitsalltag mit Bildern. Angesichts der Nähe zu den Schülern und der Emissionen beim Kochen (Rauch, Dampf) sei der Kläger nach der Art der Tätigkeit bei seiner dienstlichen Verrichtung der Gefahr der hier maßgeblichen TBC-Erkrankung besonders ausgesetzt gewesen.
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Am 27. Mai 2021 fand mündliche Verhandlung statt. Die Sache wurde mit den Parteien in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht erörtert. Diese wiederholten die schriftsätzlich angekündigten Klageanträge.
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Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakte sowie auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 27. Mai 2021 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung eines Dienstunfalls nach Art. 46 Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG. Demnach gilt auch die Erkrankung an einer in Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung vom 31. Oktober 1997 (BGBl. I S. 2623) in der jeweils geltenden Fassung genannten Krankheit als Dienstunfall, wenn der Beamte nach der Art seiner dienstlichen Verrichtung der Gefahr der Erkrankung besonders ausgesetzt war, es sei denn, dass der Beamte sich die Krankheit außerhalb des Diensts zugezogen hat. Nach Nr. 3101 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung sind Infektionskrankheiten dann Berufskrankheiten, wenn der Versicherte im Gesundheitsdienst, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig oder durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war. Als Infektionskrankheit wird die Erkrankung an Tuberkulose von Nr. 3101 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung nach bestimmten Maßgaben grundsätzlich erfasst. Nr. 3101 - letzte Alternative - fordert eine der betreffenden Tätigkeit innewohnende besondere, den übrigen aufgeführten Tätigkeiten vergleichbare Gefährdung.
21
Nach Art. 46 Abs. 3 Satz 1 BayBeamtVG in Verbindung mit der Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung gilt die in Nr. 3101 aufgeführte Infektionskrankheit nur dann als Dienstunfall, wenn die zur Zeit der Infektion konkret ausgeübte dienstliche Tätigkeit erfahrungsgemäß im ganzen gesehen ihrer Art nach unter den besonderen zur Zeit der Krankheitsübertragung bestehenden tatsächlichen Verhältnissen und Begleitumständen eine hohe Wahrscheinlichkeit der Erkrankung in sich birgt (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 28.1.1993 - 2 C 22.90 - juris Rn. 12). Diese besondere Gefährdung muss für die dienstliche Verrichtung typisch und in erheblich höherem Maße als bei der übrigen Bevölkerung vorhanden sein. Art. 46 Abs. 3 BayBeamtVG setzt zwar nicht voraus, dass die durch die Art der dienstlichen Verrichtung hervorgerufene Gefährdung generell den Dienstobliegenheiten anhaftet. Vielmehr genügt es, wenn die eintretende Gefährdung der konkreten dienstlichen Verrichtung ihrer Art nach eigentümlich ist, allerdings nur dann, wenn sich die Erkrankung als typische Folge des Diensts darstellt; maßgebend kommt es darauf an, ob die von dem Beamten zum Zeitpunkt der Erkrankung ausgeübte dienstliche Tätigkeit erfahrungsgemäß eine hohe Wahrscheinlichkeit der Erkrankung gerade an dieser Krankheit in sich birgt (stRspr. vgl. BVerwG, B.v. 15.05.1996 - 2 B 106.95 - juris; VG Würzburg, U.v. 26. 5.2020 - W 1 K 19.40 - juris Rn. 26).
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Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann nicht erkannt werden, dass unter den gegebenen tatsächlichen Umständen die besondere Gefährdung einer Ansteckung des Klägers an einer (latenten) tuberkulösen Infektion für seine Tätigkeit als Fachoberlehrer typisch war und in erheblich höherem Maße als bei der übrigen Bevölkerung bestand. Die Zahl der nachgewiesen an Tuberkulose erkrankten Personen an dem Staatlichen Beruflichen Schulzentrum ... ist äußerst gering. Das Bundesverwaltungsgericht (U.v. 11.2.1965 - II C 11.62 - ZBR 1965, 244) hat ausgeführt, dass auch das wiederholte - dienstlich bedingte - Zusammentreffen mit verschiedenen tuberkulosekranken Personen nicht für die Feststellung ausreiche, ein Beamter sei nach der Art seiner dienstlichen Verrichtungen dem besonderen Risiko gerade einer Tuberkuloseinfektion ausgesetzt gewesen. In der Rechtsprechung sind Infektionskrankheiten als Dienstunfall im Sinne des § 31 Abs. 3 BeamtVG (und damit auch Art. 46 Abs. 3 BayBeamtVG) grundsätzlich nur anerkannt worden, wenn die betreffende Infektionskrankheit gehäuft aufgetreten war (vgl. BVerwG, U.v. 9.11.1960 - VI C 144.58 - BVerwGE 11, 229; U.v. 4.9.1969 - II C 106.67 - juris Rn. 14; VGH BW, U.v. 21.11986 - S 2468/85 - ZBR 1986, 277; OVG NW, U.v. 8.11.1973 - 6 A 1244/71 - ZBR 1974, 300; U.v. 22. 5.1992 - 12 A 2403/89 - juris Rn. 31). Von einer derartigen Häufung kann vorliegend selbst dann nicht gesprochen werden, wenn zugunsten des Klägers unterstellt wird, dass neben dem erkrankten Schüler auch eine weitere Lehrkraft an Tuberkulose erkrankt gewesen war. Weitere nachgewiesene Tuberkulosefälle sind nicht bekannt geworden. Eine Nachfrage beim Landratsamt ... - Gesundheitsamt - hat lediglich ergeben, dass aufgrund der ärztlichen Schweigepflicht keine Namen oder Zahlen von den mit TBC infizierten Personen am Staatlichen Beruflichen Schulzentrum ... genannt werden dürfen. Auch von Klägerseite sind hierzu keine weiteren Angaben erfolgt.
23
Bei einem auf Art. 46 Abs. 3 BayBeamtVG gestützten Anspruch hat der Beamte, der die Dienstunfallfürsorge wegen einer Krankheit erreichen will, für die besondere Erkrankungsgefahr im Sinne von Satz 1 der Vorschrift und die rechtzeitige Meldung der Erkrankung die materielle Beweislast zu tragen, wenn das Gericht die erforderliche, d.h. vernünftige Zweifel ausschließende Überzeugungsgewissheit nicht gewinnen kann. In diesem Rahmen können dem Beamten auch allgemein anerkannte Beweiserleichterungen wie der Beweis des ersten Anscheins oder eine Umkehr der Beweislast zugutekommen, wenn die hierzu von der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen gegeben sind (BVerwG, B. v. 11.3.1997 - 2 B 127.96 - juris). Lässt sich bei Vorliegen der beiden erstgenannten Voraussetzungen hingegen lediglich nicht klären, ob sich der Beamte die Erkrankung innerhalb oder außerhalb des Dienstes zugezogen hat, so trägt das Risiko der Unaufklärbarkeit hinsichtlich dieser Voraussetzung der Dienstherr (BVerwG, U.v. 28.4.2011 - 2 C 55.09 - juris Rn. 13).
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Nach diesen Grundsätzen geht der Umstand, dass ein seuchenhaftes bzw. häufiges Auftreten der Infektionskrankheit nicht nachgewiesen werden kann, zu Lasten des Klägers. Für den Kausalzusammenhang besteht - worauf es hier aber nicht ankommt - eine gesetzliche Vermutung („es sei denn, …“), die allerdings vom Dienstherr widerlegt werden kann. Deshalb trägt dieser das Risiko der Unaufklärbarkeit des Umstands, ob sich der Beamte die Erkrankung innerhalb oder außerhalb des Diensts zugezogen hat. Gründe für eine Beweislastumkehr dahingehend, dass der Dienstherr auch für die anspruchsbegründenden Voraussetzungen - Krankheit nach Anlage 1 der Berufskrankheiten-Verordnung bzw. die besondere Erkrankungsgefahr - die Beweislast zu tragen hat, liegen hier nicht vor.
25
Eine andere Betrachtung ist auch nicht deswegen gerechtfertigt, weil der Kläger in einer BAF-Klasse tätig war, in denen berufschulpflichtige Asylbewerber und Geflüchtete unterrichtet werden. Zwar ist das Gefährdungspotential dieses Personenkreises als erhöht einzustufen, aber sowohl prozentual als auch in absoluten Zahlen ist auch hier die Zahl der an Tuberkulose Erkrankten so gering, dass von einer besonderen Gefährdung des Klägers durch den Kontakt mit Asylbewerbern und Geflüchteten im Rahmen seiner Tätigkeit nicht gesprochen werden kann. Im Jahr 2018 wurden in Deutschland insgesamt 5.429 Tuberkulose-Fälle registriert. Insgesamt 30,2% aller Erkrankten hatten die deutsche, 69,8% eine andere Staatsangehörigkeit. Bei Letzteren betrug die Inzidenz 37,3 pro 100.000 Einwohner. Angesichts dieser Zahlen ist die Wahrscheinlichkeit, sich als Lehrer einer BAF-Klasse durch Ansteckung bei einem Schüler an Tuberkulose zu erkranken, als gering einzuschätzen, auch wenn sie höher sein mag als bei einem Durchschnittsbürger (vgl. OVG NW, U.v. 22.5.1992 - 12 A 2403/89 - juris Rn. 32 ff.; Bericht zur Epidemiologie der Tuberkulose in Deutschland für 2018, Robert Koch Institut).
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Aufgrund der im vorliegenden Fall geringen Anzahl an festgestellten Tuberkulosefällen war der Dienst des Klägers - verglichen mit der Allgemeinbevölkerung - nicht mit einer erheblich erhöhten Gefahr verbunden, sich tuberkulös zu infizieren. Vielmehr hat sich sein allgemeines Lebensrisiko realisiert. Diese Einschätzung ändert sich auch nicht dadurch, dass der Kläger nicht nur Frontalunterricht, sondern auch aktiven (Praxis-) Unterricht gehalten hat, bei dem ein näherer Kontakt zu den Schülern möglich ist. Eine mit den in der Nr. 3101 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung übrigen aufgeführten Tätigkeiten vergleichbare Gefährdung ist hier auch unter Berücksichtigung der besonderen Unterrichtsform in den BAF-Klassen nicht ersichtlich.
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Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
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Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
29
Die Berufung war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen (§ 124, § 124a Abs. 1 VwGO).