Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 25.01.2021 – 204 StObWs 378/20
Titel:

Keine Erledigung bei Widerspruch des Verurteilten 

Normenkette:
StVollzG § 121 Abs. 2 S. 1, S. 2
Leitsätze:
1. Widerspricht der Antragsteller in einem Straf- oder Maßregelvollzugsverfahren ausdrücklich der Feststellung der Erledigung der Hauptsache und hält er an seinem bisherigen Hauptsacheantrag fest, so ist das Gericht unter Beachtung des Verfügungsgrundsatzes hieran gebunden und hat über den Hauptsacheantrag zu entscheiden. (Rn. 29)
2. Hat sich die Hauptsache nach Antragstellung erledigt, so ist in diesem Fall der Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unzulässig zu verwerfen und über die Kosten des Verfahrens nach § 121 Abs. 2 Satz 1 StVollzG und nicht nach § 121 Abs. 2 Satz 2 StVollzG zu entscheiden. (Rn. 29)
Schlagworte:
Maßregelvollzug, Besuche, Corona-Beschränkungen, Erledigung, Hauptsache, Fortsetzungsfeststellungsklage, Widerspruch, Verfügungsgrundsatz, Kosten, Unzulässigkeit
Fundstellen:
LSK 2021, 3020
BeckRS 2021, 3020
StV 2023, 118

Tenor

1. ...
2. Dem Sicherungsverwahrten K F K S wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Rechtsbeschwerdefrist gewährt.
3. Die Rechtsbeschwerde des Sicherungsverwahrten K F K S gegen den Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing vom 16. Juli 2020 wird als unbegründet verworfen.
4. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beschwerdeführer.
5. Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 250,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Beschwerdeführer befindet sich in der Justizvollzugsanstalt St., Einrichtung für Sicherungsverwahrung. Mit Schreiben vom 13.5.2020 stellte er bei der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing Antrag nach §§ 109, 114 ff. StVollzG auf gerichtliche Entscheidung gegen das mit Verfügung der Einrichtung für Sicherungsverwahrung vom 7.5.2020 angeordnete Besuchsverbot für Privatpersonen aufgrund der Covid-19-Pandemie mit dem Ziel, das Besuchsverbot aufzuheben und Besuche ab sofort nach den allgemein gültigen Regeln zu gewähren und durchzuführen.
2
Mit Schreiben vom 25.5.2020 machte er weitergehende Ausführungen zur Unzulässigkeit des Besuchsverbots und wandte sich erstmals gegen das „bisher wohl geplante“ System einer absoluten Trennung zwischen Besuchern und Sicherungsverwahrten mittels dreiseitigen hohen Glasscheiben sowie einer Maskenpflicht, die eine Verständigung so gut wie unmöglich mache.
3
Die Antragsgegnerin teilte im Schreiben vom 25.5.2020 mit, dass sich der Antrag aus ihrer Sicht erledigt habe, da ab 5.6.2020 Besuche in der Einrichtung wieder gewährt werden könnten, so dass es dem Antragsteller ab 5.6.2020 wieder möglich sei, Besuch zu empfangen.
4
Im Schreiben vom 27.5.2020 teilte dieser mit, dass seiner Verlobten für 7.6.2020 ein Termin zugesagt worden sei unter folgenden zwingend vorgeschriebenen Auflagen: Maskenzwang, Trenntisch mit dreiseitiger Schutzwand für jeden und Desinfektion. Dies widerspreche den geltenden Vorschriften. Aufgrund ihrer Rechtswidrigkeit und im Zusammenhang mit seinem Antrag vom 13.5.2020 seien die vorstehend genannten Maßnahmen aufzuheben, die Besuche gemäß Art. 22 BaySvVollzG nach den allgemeinen Regelungen i.V.m. §§ 4, 7, 7a der 4. BayIfSMV (vom 4.5.2020) - gemeint 3. BayIfSMV - ab sofort durchzuführen, da die genannte Verordnung diese Besuche beginnend mit dem 9.5.2020 vorsehe.
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Auf Anfrage der Strafvollstreckungskammer, mitzuteilen, ob er den Antrag vom 13.5.2020 aufrecht erhält oder ob die Angelegenheit erledigt sei, teilte dieser im Schreiben vom 28.5.2020 mit, dass der Antrag auch unter dem Aspekt, dass die Rahmenbedingungen des Besuchsablaufs rechts- und gesetzwidrig seien, aufrechterhalten werde, und wies im Schreiben vom 2.6.2020 darauf hin, dass er bereits in seinem ursprünglichen Antrag die Ausgestaltung des Besuches entsprechend den gesetzlichen Verordnungsgrundlagen beantragt habe.
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Mit Verfügung vom 3.6.2020 trennte die Strafvollstreckungskammer das Verfahren hinsichtlich des im Schreiben vom 27.5.2020 gestellten neuen Antrags ab.
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Mit Schreiben vom 3.6.2020 wandte sich der Antragsteller erneut gegen die für den Besuch am 7.6.2020 angeordneten Schutzauflagen und merkte an, dass sich sein Urantrag mit Eil-Antrag auch auf die Gestaltung des Besuches in der genannten Frage beziehe.
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Mit Verfügung vom 24.6.2020 wies die Strafvollstreckungskammer darauf hin, dass sich der Gegenstand des vorliegenden Verfahrens - die Frage des Besuchs an sich, nicht der Besuchsmodalitäten - nach Auffassung des Gerichts erledigt habe. Zum Zeitpunkt der Antragstellung am 13.5.2020 seien die Besuchsmodalitäten dem Antragsteller noch nicht bekannt gewesen, weswegen diesbezüglich das Verfahren abgetrennt wurde.
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Hierauf erwiderte der Antragsteller mit Schreiben vom 28.6.2020 unter anderem, dass die Verfahrenstrennung gesetz- und verfassungswidrig gewesen sei, da sie dem Antragsteller den effektiven Rechtsschutz verweigere. Gegenstand seines Antrags vom 13.5.2020 sei die Aufhebung der gesamten Weisung über den Besuch, also sowohl das Verbot wie auch die Gestaltung. Der Gegenstand dieses Antrags sei somit nicht erledigt. Die Besuche fänden immer noch unter gesetz- und rechtswidrigen Umständen statt und hätten daher in ihrer Auswirkung die eines Besuchsverbotes.
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Mit Beschluss vom 16.7.2020 hat die Strafvollstreckungskammer den Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 13.5.2020 kostenpflichtig zurückgewiesen. Der Antrag sei jedenfalls mittlerweile unzulässig, da aufgrund der nunmehr wieder möglichen Besuche die Beschwer entfallen sei, der Antragsteller aber einer Erledigung widersprochen habe und mit der Erledigung das Rechtsschutzbedürfnis entfallen sei.
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Gegen diesen, ihm am 20.7.2020 zugestellten Beschluss legte der Beschwerdeführer zu der am 11.8.2020 beantragten Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Straubing am 26.8.2020 Rechtsbeschwerde ein, mit der er die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Entscheidung gemäß seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung, hilfsweise die Zurückverweisung der Sache an das Landgericht Regensburg zur erneuten Entscheidung beantragt. Er rügt allgemein und ohne nähere Begründung die Verletzung des formellen Rechts und erhebt weiter die Sachrüge. Der Beschwerdeführer macht eine Verletzung seines Rechts auf effektiven Rechtsschutz, auf ein faires Verfahren und eine Verletzung des Willkürverbots geltend. Die Verfahrenstrennung sei verfassungswidrig gewesen. Er beanstandet, dass die Strafvollstreckungskammer zu Unrecht angenommen habe, dass er sich in seinem Schreiben vom 13.5.2020 nur gegen das Besuchsverbot gewehrt hätte und dass auch die Darstellung des Inhalts seiner weiteren Schreiben vom 2.6.2020 und 3.6.2020 im angegriffenen Beschluss nicht dem tatsächlichen Inhalt dieser Schreiben entsprochen habe. Entgegen der Ansicht der Strafvollstreckungskammer habe sich sein Antrag nicht erledigt.
12
Gleichzeitig beantragte der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen schuldloser Versäumung der Rechtsbeschwerdefrist.
13
Die Generalstaatsanwaltschaft München beantragt mit Schreiben vom 7.9.2020 die Gewährung der beantragten Wiedereinsetzung sowie die kostenfällige Verwerfung der Rechtsbeschwerde als unbegründet.
14
Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 17./25.9.2020, eingegangen am 5.10.2020.
II.
15
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 16.7.2020 ist aus den in der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft München vom 7.9.2020 genannten Gründen zulässig und begründet, Art. 103 BaySvVollzG, §§ 130, 118 Abs. 1 Satz 1, § 120 Abs. 1 Satz 2 StVollzG, §§ 44, 45 Abs. 1 und 2, § 46 Abs. 1 StPO.
III.
16
Die nach gewährter Wiedereinsetzung gemäß Art. 103 BaySvVollzG, § 118 Abs. 1 bis 3 StVollzG form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist jedenfalls unbegründet.
17
1. Die Strafvollstreckungskammer hat den Antrag des Beschwerdeführers auf gerichtliche Entscheidung vom 13.5.2020, das Besuchsverbot aufzuheben und Besuche ab sofort nach den allgemein gültigen Regeln zu gewähren und durchzuführen, zu Recht als unzulässig zurückgewiesen.
18
Statthafte Antragsart ist, soweit sich der Antragsteller gegen das auf Art. 23 Nr. 1 BaySvVollzG gestützte Besuchsverbot wendet, der Anfechtungsantrag gemäß Art. 103 BaySvVollzG, § 109 Abs. 1 Satz 1 StVollzG, und soweit er sich auf das aus Art. 22 Abs. 1 Satz 1 BaySvVollzG folgende Recht zum regelmäßigen Empfang von Besuch stützt, der Verpflichtungsantrag gemäß § 109 Abs. 1 Satz 2 StVollzG (vgl. Arloth/Krä, StVollzG, 4. Aufl., § 24 Rn 8, § 25 Rn 6).
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Die Strafvollstreckungskammer geht zutreffend davon aus, dass mit der Aufhebung des Besuchsverbots die Beschwer des Antragstellers entfallen ist, so dass der Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unzulässig zu verwerfen war.
20
a) Soweit sich der Antragsteller gegen das Besuchsverbot wendet, hat sich die Hauptsache erledigt. Eine Maßnahme ist erledigt, wenn die sich aus ihr ergebende Beschwer nachträglich weggefallen ist (vgl. KG, Beschlüsse vom 25.7.2017 - 5 Ws 157/17 Vollz, juris Rn. 22, und vom 13.11.2003 - 5 Ws 405/03 Vollz, juris Rn. 5; OLG Koblenz, ZfStrVo 1989, 182, juris Rn. 6; OLG Nürnberg, StraFo 2014, 523, juris Rn. 23). Dies ist hier der Fall, da die Antragsgegnerin nach Stellung des Antrags vom 13.5.2020 auf gerichtliche Entscheidung das Besuchsverbot aufgehoben hat und diese mit dem Anfechtungsantrag angegriffene Maßnahme somit nicht mehr unmittelbar fortwirkt (vgl. Spaniol, in: Feest/Lesting/Lindemann, StVollzG, 7. Aufl., Teil IV, § 115 Rn. 70).
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Aufgrund des vom Antragsteller ausdrücklich erklärten Widerspruchs gegen die Erledigung und seines Festhaltens am Hauptsacheantrag war die Strafvollstreckungskammer jedoch gehindert, die Erledigung festzustellen und nur noch gemäß § 121 Abs. 2 Satz 2 StVollzG über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen zu entscheiden.
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aa) Für das gerichtliche Verfahren im Maßregelvollzug der Sicherungsverwahrung finden gemäß Art. 103 BaySvVollzG die für das gerichtliche Strafvollzugsverfahren geltenden Verfahrensvorschriften der §§ 109 ff. StVollzG entsprechende Anwendung. Einigkeit besteht darin, dass im Strafvollzugsverfahren die Strafvollstreckungskammer, für die der Untersuchungsgrundsatz gilt, den Eintritt eines erledigenden Ereignisses in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen (vgl. nur KG, Beschluss vom 25.7.2017 - 5 Ws 157/17 Vollz, juris Rn. 23 und 28; OLG Hamm, Beschluss vom 11.6.2015 - 1 Vollz (Ws) 163/15, juris Rn. 11; OLG Stuttgart, NStZ 1992, 104; Arloth/Krä, a.a.O., § 115 Rn. 9 und § 121 Rn. 3) bzw. - wie es überwiegend formuliert wird - festzustellen hat (vgl. OLG Hamm, ZfStrVo 2002, 243, juris Rn. 6; OLG München, Beschluss vom 31.7.2012 - 4 Ws 133/12, juris Rn. 13; Bachmann, in: Laubenthal/ Nestler/Neubacher/Verrel, Strafvollzugsgesetze, 12. Aufl., Abschn. P Rn. 78; Arloth/Krä, a.a.O., § 115 Rn. 1; BeckOK Strafvollzugsrecht Bund/Euler, 18. Ed. 1.8.2020, § 115 Rn. 14). Dieser Feststellung steht auch der Verfügungsgrundsatz nicht entgegen (LG Hamburg, NStZ 1992, 255 f.; Arloth/Krä, a.a.O., § 115 Rn. 1; Bachmann, in: Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel, a.a.O., Abschn. P Rn. 67).
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(1) Nach einhelliger Meinung hat der Antragsteller, wenn sich die Hauptsache nach Stellung des Anfechtungs- oder Verpflichtungsantrags erledigt, bei Vorliegen eines Feststellungsinteresses die Möglichkeit, einen Fortsetzungsfeststellungsantrag zu stellen (vgl. OLG Celle, NdsRpfl 2019, 119, juris Rn. 12; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 10.7.2018 - 2 Ws 145/18, juris Rn. 4; Spaniol, in: Feest/Lesting/Lindemann, a.a.O., Teil IV, § 115 Rn. 69, 75; BeckOK Strafvollzugsrecht Bund/ Euler, a.a.O., § 115 Rn. 12; Arloth/Krä, a.a.O., § 115 Rn. 10, § 121 Rn. 3; Laubenthal, in: Schwind/ Böhm/Jehle/Laubenthal, StVollzG, 7. Aufl., 12. Kap. Abschn. I Rn. 18), worauf er auch hinzuweisen ist (Spaniol, in: Feest/Lesting/Lindemann, a.a.O., Teil IV, § 115 Rn. 75).
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(2) Streitig ist, ob für den Fall, dass ein Fortsetzungsfeststellungsantrag nicht gestellt wird oder die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen, eine Kostenentscheidung nach § 121 Abs. 2 Satz 2 StVollzG von Amts wegen oder nur auf Antrag zu ergehen hat.
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(2.1) Von einem Teil der Rechtsprechung und Literatur wird angenommen, dass von Amts wegen (vgl. OLG Hamm, Beschlüsse vom 4.7.2019 - III-1 Vollz (Ws) 261/19, juris Rn. 7, und vom 23.4.2019 - III-1 Vollz (Ws) 54/19, juris Rn. 7; LG Hamburg, NStZ 1992, 255, 255 f.), also unabhängig vom Vorliegen einer förmlichen Erledigungserklärung (OLG Nürnberg, StraFo 2014, 523, juris Rn. 34, 37 ff.) und ohne Antrag (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 10.7.2018 - 2 Ws 145/18, juris Rn. 4; BeckOK Strafvollzugsrecht Bund/Euler, a.a.O., § 121 Rn. 3) dann, wenn der Antragsteller das Verfahren nicht weiterführen will, gemäß § 121 Abs. 2 Satz 2 StVollzG nach billigem Ermessen nur noch darüber zu entscheiden ist, wer die Kosten des Verfahrens zu tragen hat (Spaniol, in: Feest/Lesting/Lindemann, a.a.O., Teil IV, § 115 Rn. 75, § 121 Rn. 7; so offenbar auch OLG Jena, ZfStrVo 2005, 245, juris Rn. 4 und 6). Dies gelte sogar dann, wenn der Antragsteller einer Feststellung der Erledigung ausdrücklich widersprochen habe (vgl. LG Hamburg, NStZ 1992, 255; BeckOK Strafvollzugsrecht Bund/Euler, a.a.O., § 121 Rn. 3) und wird - soweit überhaupt - vor allem damit begründet, dass der Wortlaut der Vorschriften, die sich mit der Erledigung befassen (§ 113 Abs. 2 Satz 3, § 115 Abs. 3, § 121 Abs. 2 Satz 2 StVollzG i.V.m. Art. 103 BaySvVollzG) allein auf den Eintritt des erledigenden Ereignisses abstellen, ohne dass es weiterer Erklärungen der Beteiligten bedürfe (vgl. ausführlich LG Hamburg, NStZ 1992, 255 f.).
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(2.2) Demgegenüber vertritt ein Teil der Rechtsprechung und Literatur die Ansicht, dass eine solche Kostenentscheidung voraussetzt, dass der Antragsteller - nach entsprechendem Hinweis - die Hauptsache für erledigt erklärt und nur noch einen Kostenantrag nach § 121 Abs. 2 Satz 2 StVollzG stellt (vgl. KG, Beschluss vom 25.7.2017 - 5 Ws 157/17 Vollz, juris Rn. 28; OLG Celle, NdsRpfl 2019, 119, juris Rn. 12; OLG München, NStZ 1986, 96; Arloth/Krä, a.a.O., § 115 Rn. 8 und 10, § 121 Rn. 3; so auch BeckOK Strafvollzugsrecht Bund/Euler, a.a.O., § 115 Rn. 12 im Widerspruch zur Kommentierung zu § 121 Rn. 3). Die Feststellung der Erledigung der Hauptsache setze nämlich nach den hier Anwendung findenden verwaltungsprozessualen Grundsätzen regelmäßig eine ausdrückliche Erklärung des Betroffenen voraus, dass die Hauptsache erledigt sei; bloßes Schweigen genüge in der Regel nicht (OLG Stuttgart, NStZ 1992, 104).
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Habe das Gericht - entsprechend der ihm obliegenden Prüfung von Amts wegen - den Eintritt der Erledigung festgestellt, der Betroffene aber eine entsprechende Erklärung nicht abgegeben, so dürfe es nicht die Erledigung der Hauptsache feststellen, sondern habe den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unzulässig zu verwerfen (vgl. KG, Beschluss vom 25.7.2017 - 5 Ws 157/17 Vollz, juris Rn. 28; OLG Hamm, Beschluss vom 11.6.2015 - 1 Vollz (Ws) 163/15, juris Rn. 11; OLG Stuttgart NStZ 1992, 104). Gegebenenfalls komme aber die Umdeutung einer Antragsrücknahme in eine Erledigungserklärung in Betracht, wenn der Antragsteller den Antrag zwar zurückgenommen, aber gleichzeitig beantragt habe, die Kosten der Staatskasse aufzuerlegen (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 8.10.1999 - 2 Ws 537/99, juris Rn. 6).
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(2.3) Eine vermittelnde Auffassung hat das Oberlandesgericht Nürnberg (StraFo 2014, 523, juris Rn. 38) vertreten. Ausgehend davon, dass das gerichtliche Verfahren nach §§ 109 ff. StVollzG einerseits durch den Verfügungs- und anderseits durch den Amtsermittlungsgrundsatz geprägt ist (vgl. hierzu Arloth/Krä, a.a.O., § 115 Rn. 1 und 2; Bachmann, in: Laubenthal/Nestler/Neubacher/ Verrel, a.a.O., Abschn. P 67 und 68), sei das Gericht grundsätzlich an die Anträge der Verfahrensbeteiligten gebunden und könne beispielsweise nicht über das Begehren des Antragstellers hinausgehen. Im Fall der Erledigung stehe das Recht des Antragstellers, über das weitere Schicksal seines Antrages eigenverantwortlich zu entscheiden, jedoch unter Umständen im Widerspruch zum Interesse, dass im Lichte des Amtsermittlungsgrundsatzes eine gerichtliche Entscheidung ergeht, welche der Sach- und Rechtslage möglichst gerecht wird. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Nürnberg habe der Verfügungsgrundsatz in Fürsorge für den Antragsteller dann zurückzustehen, wenn es durch die prozessuale Besonderheit der Erledigung zu einer Benachteiligung des Antragstellers, auch nur beim Ausspruch über Kosten und Auslagen, käme. Wenn somit ein Aufhebungsantrag von der Strafvollstreckungskammer als unzulässig zurückgewiesen werde, weil auf Grund der eingetretenen Erledigung das Rechtschutzbedürfnis entfallen sei, benachteilige dies den Antragsteller in unnötiger Weise. Bei konsequenter Heranziehung des Verfügungsgrundsatzes hätte es zumindest nahegelegen, den Antragsteller vor Erlass des für ihn insoweit ungünstigen Beschlusses auf die für erforderlich gehaltenen prozessualen Notwendigkeiten hinzuweisen.
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bb) Für die hier zu treffende Entscheidung kann es letztlich offen bleiben, ob eine Kostenentscheidung nach § 121 Abs. 2 Satz 2 StVollzG grundsätzlich von Amts wegen oder nur beim Vorliegen eines entsprechenden Antrags zu erfolgen hat. Jedenfalls im vorliegenden Fall kam angesichts des ausdrücklichen Widerspruchs des Antragstellers gegen eine Erledigung und dessen Festhalten am ursprünglichen Hauptsacheantrag eine Kostenentscheidung gemäß § 121 Abs. 2 Satz 2 StVollzG nicht in Betracht. Unter Beachtung des Verfügungsgrundsatzes (vgl. hierzu auch Spaniol, in: Feest/Lesting/Lindemann, a.a.O., Teil IV, § 115 Rn. 2) ist - entgegen der Auffassung des Landgerichts Hamburg (NStZ 1992, 255) - der ausdrückliche Widerspruch des Antragstellers gegen eine Verfahrensbeendigung gemäß § 121 Abs. 2 Satz 2 StVollzG zu respektieren (so auch OLG Celle, NdsRpfl 2019, 119, juris Rn. 12) und das Gericht an einen entsprechenden Hauptsacheantrag gebunden (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 11.6.2015 - 1 Vollz (Ws) 163/15, juris Rn. 11; Arloth/Krä, a.a.O., § 121 Rn. 3; BeckOK Strafvollzugsrecht Bund/Euler, a.a.O., § 121 Rn. 3).
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cc) Die Strafvollstreckungskammer ging auch zutreffend davon aus, dass nach dem Wegfall des Besuchsverbots keine Beschwer des Antragstellers durch dieses mehr bestand somit insoweit sein Antrag als unzulässig zurückzuweisen war.
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b) Durch die Aufhebung des Besuchsverbots ist auch eine Erledigung des zweiten Teils des Antrags vom 13.5.2020 auf gerichtliche Entscheidung eingetreten, dessen Gegenstand die Verpflichtung der Einrichtung war, Besuche ab sofort nach den allgemein gültigen Regeln zu gewähren und durchzuführen. Bei zutreffender Auslegung konnte sich dieser Verpflichtungsantrag nur auf das in Art. 22 BaySvVollzG näher normierte Recht der Sicherungsverwahrten, regelmäßig Besuch zu empfangen, stützen. Die zur Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht ausgesprochenen Besuchsbeschränkungen in Gestalt der Coronaschutzmaßnahmen konnten naturgemäß nicht Gegenstand dieses Antrags sein. Im Schreiben vom 13.5.2020 führt der Antragsteller selbst aus, dass kein Grund für die Verweigerung eines Besuchs in der SV-Abteilung vorhanden sei, da die notwendigen Hygiene-/Schutz-/Sicherungsmaßnahmen vorhanden und vorbereitet seien. Damit stützt er seinen Antrag gerade darauf, dass ein Infektionsschutz durch mildere Maßnahmen als durch das Besuchsverbot gewährleistet sei. Sein Antrag richtet sich jedoch nicht gegen solche Schutzmaßnahmen.
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Mit Aufhebung des Besuchsverbots war somit seinem im Antrag vom 13.5.2020 zum Ausdruck kommenden Anliegen, Besuche wieder regelmäßig empfangen zu dürfen, Genüge getan.
33
2. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass der Anspruch des Beschwerdeführers auf effektiven Rechtsschutz nicht verletzt wurde. Gegen die Besuchsmodalitäten kann - soweit der Besuch an sich genehmigt wurde - ein Anfechtungsantrag gestellt werden (vgl. hierzu auch Arloth/Krä, a.a.O., § 27 Rn. 11), wie es der Antragsteller konkret im Schreiben vom 27.5.2020 im Wege einer nachträglichen Antragshäufung auch getan hat. Der Strafvollstreckungskammer blieb es unbenommen, diesen Antragsteil abzutrennen und in einem gesonderten Verfahren weiter zu betreiben. Hierdurch wurde dem Antragsteller das erstrebte Antragsziel, die Modalitäten des Besuchs überprüfen zu lassen, nicht abgeschnitten.
IV.
34
Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 208 BayStVollzG i.V.m. § 121 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 StVollzG.
35
Die Entscheidung zum Beschwerdewert beruht auf § 1 Abs. 1 Nr. 8, §§ 60, 52 Abs. 1 GKG.