Titel:
Bestehen eines nationalen Abschiebungsverbots für afghanische Asylbewerber nach der Einnahme Kabuls durch die Taliban
Normenketten:
AufenthG § 60 Abs. 5
EMRK Art. 3
GRCh Art. 4
Leitsätze:
1. Eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung kann sich aus einer allgemeinen Situation der Gewalt im Zielstaat ergeben, einem besonderen Merkmal des Ausländers oder aus einer Verbindung von beiden (BVerwG BeckRS 2013, 49252).Soweit ein für die Verhältnisse maßgeblich verantwortlicher Akteur fehlt, können in ganz außergewöhnlichen Fällen auch schlechte humanitäre Verhältnisse im Zielstaat Art. 3 EMRK verletzen, wenn humanitäre Gründe zwingend gegen eine Abschiebung sprechen (BVerwG BeckRS 2019, 18363). (Rn. 18) (red. LS Clemens Kurzidem)
2. Der EuGH stellt in seiner Rechtsprechung zu Art. 4 GRCh darauf ab, ob sich die betroffene Person unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befindet, die es ihr nicht erlaubt, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigt oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzt, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre (EuGH BeckRS 2019, 3603 - Ibrahim u.s.). (Rn. 18) (red. LS Clemens Kurzidem)
3. Einem Asylbewerber droht unter Berücksichtigung der im Internet abrufbaren Erkenntnismittel bei einer Rückkehr nach Afghanistan eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung. Nach der kampflosen Übernahme Kabuls durch die Taliban am 15. August 2021 und dem Abzug der internationalen Truppen am 30. August 2021 ist nicht davon auszugehen, dass der Rückkehrer gegenwärtig in der Lage wäre, in Afghanistan ein Leben wenigstens am Rande des Existenzminimums zu bestreiten. (Rn. 20 – 25) (red. LS Clemens Kurzidem)
Schlagworte:
Asylrecht, Herkunftsland: Afghanistan, Machtübernahme der Taliban, Abschiebungsverbot bejaht, afghanischer Asylbewerber, nationale Abschiebungsverbote, Taliban, Einnahme Kabuls, Abzug der internationalen Truppen, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, Verhältnisse im Zielstaat, Lebensunterhaltssicherung
Fundstelle:
BeckRS 2021, 29660
Tenor
I. Soweit die Klage zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt.
Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 10. April 2017 wird in den Nrn. 4 bis 6 aufgehoben.
Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG hinsichtlich Afghanistans vorliegen.
II. Von den Kosten des Verfahrens tragen der Kläger 5/6 und die Beklagte 1/6.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger, der Volksgruppe der Turkmenen angehörig und sunnitischen Glaubens. Er reiste nach eigenen Angaben am … November 2015 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte hier am … Juni 2016 einen Asylantrag.
2
Bei seiner Anhörung am … Dezember 2016 vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) gab der Kläger im Wesentlichen an, Afghanistan im Kindesalter wegen einer Familienstreitigkeit verlassen zu haben.
3
Mit Bescheid vom 10. April 2017, zugestellt am 15. April 2017, lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1) und auf Asylanerkennung (Ziffer 2) sowie auf Zuerkennung subsidiären Schutzes (Ziffer 3) ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 4). Der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung bzw. nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde die Abschiebung nach Afghanistan oder einem anderen Staat angedroht, in den der Kläger einreisen darf oder der zu seiner Rücknahme verpflichtet ist (Ziffer 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 6).
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Auf die Begründung des Bescheids wird verwiesen.
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Am 18. April 2017 erhob der Kläger Klage zur Niederschrift beim Bayerischen Verwaltungsgericht München und beantragte sinngemäß,
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den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 10. April 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise diesem den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen sowie weitere hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen auf die Angaben beim Bundesamt verwiesen. Mit Schriftsatz vom 29. April 2017 wurde die Klage näher begründet.
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Die Beklagte übersandte die Behördenakte in elektronischer Form; eine Antragstellung unterblieb.
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Mit Beschluss vom 9. Juni 2021 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
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Zur mündlichen Verhandlung am 30. Juni 2021 erschien der Kläger und wurde informatorisch angehört. In der mündlichen Verhandlung beschränkte der Klägerbevollmächtigte die Klage auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes bzw. hilfsweise die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG und nahm die Klage im Übrigen zurück. Dem Bevollmächtigten des Klägers wurde Gelegenheit geben, zum Vormarsch der Taliban der dynamischen Lage in Afghanistan einen Schriftsatz bis 20. August 2021 einzureichen. Der Bevollmächtigte des Klägers verzichte auf weitere mündliche Verhandlung. Die Beklagte war in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten.
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Mit Schreiben vom 6. August 2021 verzichtete die Beklagte auf weitere mündliche Verhandlung.
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Mit Schriftsatz vom 17. August 2021 und 6. September 2021 führte der Bevollmächtigte des Klägers näher zur Machtübernahme der Taliban aus und beschränke die Klage auf die Feststellung von Abschiebungsverboten.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung, die vorgelegte Behördenakte und die Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Über den Rechtsstreit konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne (weitere) mündliche Verhandlung entschieden werden, § 101 Abs. 2 VwGO.
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Soweit die Klage zurückgenommen wurde (Anerkennung als Asylberechtigter, Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes), ist das Verfahren einzustellen (§ 92 Abs. 3 VwGO).
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Im Übrigen ist die Klage zulässig und begründet.
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Soweit das Bundesamt das Nichtvorliegen von Abschiebungsverboten festgestellt, die Abschiebung nach Afghanistan angedroht und ein Einreise- und Aufenthaltsverbot ausgesprochen hat, ist der streitgegenständliche Bescheid rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG vorliegen, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Aus diesem Grund ist der streitgegenständliche Bescheid in den Nummern 4 bis 6 aufzuheben.
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Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685; Europäische Menschenrechtskonvention - EMRK) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung kann sich aus einer allgemeinen Situation der Gewalt im Zielstaat ergeben, einem besonderen Merkmal des Ausländers oder einer Verbindung von beiden (vgl. BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 = NVwZ 2013, 1167 - juris Rn. 25). Soweit ein für die Verhältnisse eindeutig maßgeblich verantwortlicher Akteur fehlt, können in ganz außergewöhnlichen Fällen auch (schlechte) humanitäre Verhältnisse im Zielstaat Art. 3 EMRK verletzen, wenn die humanitären Gründe gegen die Ausweisung zwingend sind (vgl. BVerwG, U.v. 4.7.2019 - 1 C 45.18 - Asylmagazin 2019, 311 - juris Rn. 12; B.v. 23.8.2018 - 1 B 42.18 - juris Rn. 9: „nur in besonderen Ausnahmefällen“; U.v. 13.6.2013 - 10 C 13.12 - BVerwGE 147, 8 - NVwZ 2013, 1489 - juris Rn. 25; U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 - NVwZ 2013, 1167 - juris Rn. 25 unter Bezugnahme auf EGMR, U.v. 28.6.2011 - Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich, Nr. 8319/07 - NVwZ 2012, 681 Rn. 278 ff.; BayVGH, U.v. 8.11.2018 - 13a B 17.31918 - juris Rn. 19; U.v. 21.11.2014 - 13a B 14.30284 - Asylmagazin 2015, 197 - juris Rn. 17; OVG NW, U.v. 18.6.2019 - 13 A 3930/18 - juris Rn. 104 ff. m.w.N.; NdsOVG, U.v. 29.1.2019 - 9 LB 93/18 - juris Rn. 45 ff. m.w.N.; VGH BW, U.v. 12.10.2018 - A 11 S 316/17 - juris Rn. 176 f.). Der Gerichtshof der Europäischen Union stellt in seiner neueren Rechtsprechung zum inhaltlich Art. 3 EMRK entsprechenden Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. C 202 v. 7.6.2016, S. 389 - GRCh) darauf ab, ob sich die betroffene Person unabhängig von ihrem Willen und ihren persönlichen Entscheidungen in einer Situation extremer materieller Not befindet, die es ihr nicht erlaubte, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, wie insbesondere, sich zu ernähren, sich zu waschen und eine Unterkunft zu finden, und die ihre physische oder psychische Gesundheit beeinträchtigte oder sie in einen Zustand der Verelendung versetzte, der mit der Menschenwürde unvereinbar wäre (EuGH, U.v. 19.3.2019 - Ibrahim, C-297/17 u.a. - juris Rn. 89 ff.; U.v. 19.3.2019 - Jawo, C-163/17 - juris Rn. 92 ff.; vgl. auch BVerwG, U.v. 18.2.2021 - 1 C 4.20 - juris Rn. 65.). In zeitlicher Hinsicht geht der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR, U.v. 13.12.2016 - 41738/10 Paposhvili - NVwZ 2017, 1187 Rn. 175 ff.) davon aus, dass ein schwerwiegender, irreversibler Zustand schnell eintreten müsse. Diese Rechtsprechung bezieht sich zwar auf eine Erkrankung, kann aber auf die hier maßgebliche Befriedigung der elementarsten Bedürfnisse bzw. den Zustand der Verelendung übertragen werden (so auch OVG Hamburg, U.v. 25.3.2021 - 1 Bf 388/19.A - juris Rn. 49; OVG Bremen, U.v. 12.2.2020 - 1 LB 276/19 - juris Rn. 48; a.A. VGH BW, U.v. 17.12.2020 - A 11 S 2042/20 - juris Rn. 110 f., der eine nachhaltige Existenzsicherung fordert).
19
Hiervon ausgehend droht dem Kläger unter Berücksichtigung der über das Internet allgemein abrufbaren Erkenntnismittel (vgl. hierzu z.B. VG Düsseldorf, B.v. 18.8.2021 - 21 L 1606/21.A - juris Rn. 113 ff. m.w.N.; BAMF, Briefing Notes v. 30.8.21 und 6.9.21; UNHCR, Positions on return to Afghanistan, August 2021; Afghanistan Analysts Network, Report v. 6.9.2021 - https://www.afghanistan-analysts.org/en/reports/economy-development-environment/afghanistans-looming-economic-catastrophe-what-next-for-the-taleban-and-the-donors/; WFP, Countrywide market price bulletin v. 22.8.2021 - https://reliefweb.int/report/afghanistan/afghanistan-countrywide-market-price-bulletin-special-bulletin-22-august-2021; https://tolonews.com/index.php/afghanistan-174484) bei einer Rückkehr nach Afghanistan eine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung.
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Nach der kampflosen Übernahme Kabuls durch die Taliban am 15. August 2021 und dem Abzug der internationalen Truppen am 30. August 2021 ist nicht davon auszugehen, dass der Kläger gegenwärtig in der Lage wäre, bei einer Rückkehr nach Afghanistan ein Leben wenigstens am Rande des Existenzminimums zu bestreiten.
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Diese Annahme wird besonders dadurch gestützt, dass die Rückkehrhilfen, die nach der bisherigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (U.v. 23.6.2021 - 13a ZB 21.30438 - UA Rn.18; U.v. 7.6.2021 - 13a B 21.30342 - juris) geeignet waren, das Bestreiten des Existenzminimums volljähriger, alleinstehender und arbeitsfähiger Männer in Afghanistan über einen hinreichenden, eine Verletzung von Art. 3 EMRK ausschließenden Zeitraum zu ermöglichen, seit dem 17. August 2021 aufgrund der sich stark verschlechternden Sicherheitslage bis auf weiteres ausgesetzt sind (vgl. https://www.returningfromgermany.de/de/countries/afghanistan).
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Zudem droht eine weitere erhebliche Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage in Afghanistan, sodass es dem Kläger auch aus diesem Grund schwerfallen dürfte, seinen Lebensunterhalt zu sichern. Es wird befürchtet, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2021 um 9,7% sinken wird und die steigenden Preise sowie der Verfall der Landeswährung die Wirtschaftskrise verstärken werden (BAMF, Briefing Notes v. 6.9.2021; WFP, Countrywide market price bulletin v. 22.8.2021, a.a.O.). Der Arbeitsmarkt ist angespannt, die Verfügbarkeit an Arbeitsplätzen hat ihren niedrigsten Stand seit Februar 2021 erreicht. Viele Menschen haben ihre Arbeit verloren und Unternehmen sind derzeit aufgrund der Unterbrechung des Bankensystems nicht mehr in der Lage, die täglichen Kosten und die Löhne ihrer Mitarbeiter zu bezahlen (BAMF, Briefing Notes v. 6.9.2021; WFP, Countrywide market price bulletin v. 22.8.2021; https://tolonews.com/business-174505, 4.9.2021). Der Fluss internationaler Finanzmittel wurde gestoppt, so hat u.a. auch Deutschland bereits die Entwicklungshilfen für Afghanistan ausgesetzt. Viele Bankfilialen sind deshalb nach wie vor geschlossen, da sie kein Geld an ihre Kunden auszahlen können (Afghanistan Analysts Network, Report v. 6.9.2021, a.a.O.). Das Land befindet sich nach Einschätzungen des WFP (Situation Report v. 2.9.2021, im Internet allgemein abrufbar unter: https://reliefweb.int/report/afghanistan/wfp-afghanistan-situation-report-2-2-september-2021) kurz vor einem wirtschaftlichen Zusammenbruch. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass derzeit ein normales wirtschaftliches Leben in Afghanistan stattfindet.
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Des Weiteren hat sich die durch die COVID-19-Pandemie deutlich angestiegene und zuletzt rückläufige Ernährungsunsicherheit wieder verschlechtert. In den letzten Wochen kam es zu einem erheblichen Anstieg der Preise für Nahrungsmittel (WFB, Countrywide market price bulletin v. 22.8.2021). Das UNHCR teilte mit, dass mehr Unterstützung für humanitäre Hilfe dringend benötigt wird (vgl. https://www.unhcr.org/dach/de/68457-afghanistan-mehr-unterstuetzung-fuer-humanitaere-hilfe-dringend-benoetigt.html). Laut einer Erklärung des UN-Generalsekretärs vom 31. August 2021 braucht die Hälfte der afghanischen Bevölkerung (18 Millionen Menschen) humanitäre Hilfe zum Überleben, es wird erwartet, dass mehr als die Hälfte aller Kinder unter fünf Jahren im nächsten Jahr an akuter Mangelernährung leiden wird (Statement v. 31.8.2021 - https://www.un.org/sg/en/node/258839).
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Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger auf andere Weise seinen Lebensunterhalt sichern kann, etwa aufgrund des Bestehens eines besonders leistungsfähigen familiären Netzwerkes in Afghanistan oder anderer begünstigenden Faktoren, sind nicht ersichtlich. Die nähere Familie des Klägers befindet sich in Pakistan, wo auch der Kläger aufgewachsen ist. Dem Kläger dürfte es daher schwerfallen, eine Arbeit - gegebenenfalls auch auf dem afghanischen Tagelöhnermarkt, bei dem unklar ist, in welchem Umfang dieser gegenwärtig betrieben wird - zu finden.
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Unter Zugrundelegung dieser Umstände wird es dem Kläger nicht gelingen, seinen Lebensunterhalt zu sichern.
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Ob daneben auch die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erfüllt sind, bedarf keiner abschließenden Prüfung, da es sich beim national begründeten Abschiebungsverbot um einen einheitlichen und nicht weiter teilbaren Verfahrensgegenstand handelt (grundlegend: BVerwG, U.v. 8.9.2011 - 10 C 14.10 - BVerwGE 140,319 Rn. 16 f.).
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Nach alledem war der Klage hinsichtlich § 60 Abs. 5 AufenthG stattzugeben. Dementsprechend waren auch die Abschiebungsandrohung sowie das Einreise- und Aufenthaltsverbot aufzuheben (Nrn. 5 und 6 des Bescheids; vgl. § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG).
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Die Kostenfolge ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO bzw. - soweit die Klage zurückgenommen wurde - § 155 Abs. 2 VwGO und berücksichtigt die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Kostenteilung in Asylverfahren (vgl. z.B. B.v. 29.6.2009 - 10 B 60.08 - juris). Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83b AsylG. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung.