Inhalt

SG München, Gerichtsbescheid v. 21.01.2021 – S 38 KA 165/19
Titel:

Vertrags(zahn) arztangelegenheiten

Normenketten:
BMV-Ä § 57
HKaG Art. 18 Ab. 1 Ziff. 3
Leitsätze:
1. Nach § 57 BMV-Ä bzw. § 10 Abs. 1 der Berufsordnung für die Ärzte Bayerns und Art. 18 Abs. 1 Ziffer 3. Heilberufekammergesetz (HKaG) besteht für den Vertragsarzt eine allgemeine Dokumentationspflicht. Es ist so zu dokumentieren, dass ein fachkundiger Außenstehender ohne weiteres in der Lage ist, zu beurteilen, ob die jeweiligen Leistungsbestandteile erfüllt sind. (Rn. 32)
2. Die Nichtvorlage ausreichender Dokumentationen stellt eine Verletzung vertragsärztlicher Pflichten dar. Denn sie führt dazu, dass die KV ihre Verpflichtung aus § 75 Abs. 2 SGB V nicht wahrnehmen kann und letztendlich die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Abrechnung vereitelt wird (vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22.11.2013, Az L 24 KA 69/12). (Rn. 33)
3. Das zugelassene medizinische Versorgungszentrum hat die volle Verantwortung für die korrekte Organisation der Behandlung und für die Leistungsabrechnung. Diese Kernaufgaben des MVZs werden in personam des ärztlichen Leiters wahrgenommen. (Rn. 34 – 35)
4. Aufgrund der Gesamtverantwortung des ärztlichen Leiters eines MVZs, die auch die Richtigkeit der Abrechnung mit umfasst, besteht grundsätzlich keine Notwendigkeit, vorrangig disziplinarrechtlich gegen angestellte Ärzte im MVZ und allenfalls subsidiär gegen den ärztlichen Leiter vorzugehen, auch wenn diese die Leistungen nicht entsprechend der rechtlichen Vorgaben erbracht haben sollten. (Rn. 35)
5. Kooperationsformen müssen so „gelebt“ werden, wie dies dem Zulassungsstatus/Genehmigungsstatus entspricht. Wer sich für eine bestimmte Kooperationsform entscheidet, muss sich daran festhalten lassen. (Rn. 37)
Schlagworte:
Dokumentationspflicht, Medizinisches Versorgungszentrum, Ärztlicher Leiter, Leistungsabrechnung, Leistungsprüfung, Kassenärztliche Vereinigung
Fundstellen:
BeckRS 2021, 2896
MedR 2021, 1031
LSK 2021, 2896

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

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Gegenstand der zum Sozialgericht München eingelegten Klage ist der Bescheid des Beklagten vom 05.04.2019. Gegen den Kläger wurde eine Geldbuße in Höhe von 8.000 € zuzüglich einer Gebühr in Höhe von 900 € verhängt. Der Kläger (Dr. F.) ist Leiter eines MVZ´s in M. In einer Entfernung von ca. 8 Kilometer, in P. befindet sich ein weiteres MVZ, dessen Leiter Dr. J. ist. Beide MVZs beschäftigen Ärzte mit annähernd identischen Fachrichtungen (Orthopädie-Chirurgie). Nachdem sich ein Verdacht der Implausibilität wegen der großen Anzahl gemeinsamer Patienten ergab, erließ die Beklagte den Bescheid vom 13.07.2016. Das Honorar für die Quartale 1/12-3/13 wurde aufgehoben und neu festgesetzt. Gleichzeitig wurde eine Gesamtrückforderung in Höhe von 78.674,68 € geltend gemacht. Die Beklagte führte zur Begründung aus, die Frist des § 18 Abs. 3 der Satzung der KVB (2-jährige Ausschlussfrist) sei eingehalten worden. Die Frist beginne mit dem Plausibilitätsgespräch am 23.06.2016. Der Kläger habe die Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung verletzt. Er habe rechtsmissbräuchlich die Kooperationsform einer Praxisgemeinschaft genutzt, aber wie eine Gemeinschaftspraxis gehandelt. Es gebe viele gemeinsame Patienten. Des Weiteren sei es zu einer Mehrung der Fallzahlen und einer Mehrung der Leistungen gekommen. Bei zwei versorgungsbereichsidentischen MVZ´s liege das Aufgreifkriterium bei 20% Patientenidentität. Überweisungen von einem MVZ in das andere seien in vielen Fällen medizinisch nicht nachvollziehbar. Festzustellen sei eine rechtsmissbräuchliche Doppelbehandlung (zum Beispiel psychotherapeutische Behandlung am selben Tag). Es wurden Pauschalen beider Fachgruppen in Ansatz gebracht. Außerdem sei ein gemeinsames Einlesen der Versichertenkarte festzustellen. Ferner sei die Abrechnung der Gebührenordnungsposition (GOP) 30760 EBM zu beanstanden. Auch hier liege ein Verstoß gegen die Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung vor. Deren Leistungsinhalt sei nur bei einer 30-minütigen Überwachung erfüllt. Dies wäre ausreichend zu dokumentieren gewesen, was jedoch unterlassen worden sei. Der Kläger habe auch schuldhaft gehandelt. Es sei die notwendige Sorgfalt außer Acht gelassen worden. Auch, wenn die Leistungen von ihm nicht erbracht worden seien, habe er eine Überwachungspflicht in seiner Funktion als ärztlicher Leiter. Das Abrechnungsverhalten sei ab dem Quartal 3/13 geändert worden. Entsprechend der Schwere der Verfehlung werde eine Geldbuße in Höhe von 8.000 € für angemessen und verhältnismäßig gehalten.
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Dagegen ließen der Kläger und auch sein Kollege im MVZ P. Klagen zum Sozialgericht München einlegen. Die Klage des ärztlichen Leiters des MVZs P. wurde unter dem Aktenzeichen S 20 KA 166/19 erfasst.
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Der Prozessbevollmächtigte des Klägers, der in beiden Verfahren bevollmächtigt war, wies darauf hin, dass das Plausibilitätsverfahren beim Sozialgericht München unter dem Aktenzeichen S 43 KA 133/18 geführt wurde und am 15.01.2020 durch Vergleich beendet wurde. Der Kürzungsbetrag im Plausibilitätsverfahren wurde von 78.674,68 € auf 58.085,07 € ermäßigt. In der Niederschrift aus der Sitzung der 43. Kammer des Sozialgerichts München vom 15.01.2020 wurde folgendes festgehalten:
„Die fachkundig mit zwei Ärzten besetzte Kammer weist darauf hin, dass aus ihrer Sicht die Beklagte bezüglich der Abrechnung der GOP 30760 überzeugend dargelegt hat, dass die Klägerin zur Zurückzahlung in der festgestellten Höhe verpflichtet ist. Hinsichtlich des Vorwurfs des Missbrauchs der Kooperationsformen sind zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Tatbestandes und der Ausübung des Schätzungsermessens der Beklagten weitere umfangreiche Ermittlungen zur Sachaufklärung und eine abschließende komplexe rechtliche Beurteilung notwendig. Unter anderem stellt sich nach dem die Frage geklärt ist, ob in jedem einzelnen Quartal eine missbräuchliche Abrechnung nachgewiesen wäre, darüber hinaus die Frage, ob ein nachgewiesener Fall pro Quartal in diesem Fall zur Beweislastumkehr genügt bzw. wie die Parallele in dieser besonderen Konstellation zu den höchstrichterlich bereits entschiedenen Fallgestaltungen rechtlich korrekt gezogen werden kann. Im Hinblick auf die anstehenden aufwändigen Ermittlungen und das für beide Seiten bestehende Prozessrisiko rät die Kammer dringend zu einer vergleichsweisen Beendigung des Rechtsstreits. Es wird vorgeschlagen, bei der Richtigstellung der GOP 30760 keine Änderung vorzunehmen, aber bei der Richtigstellung hinsichtlich des Vorwurfs des Missbrauchs der Kooperationsformen die Honorarkürzung auf die Hälfte zu reduzieren bezüglich der Verfahrenskosten wird Kostenaufhebung angeregt.“
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Ferner machte der Prozessbevollmächtigte darauf aufmerksam, dass die Überschneidungen im ärztlichen Bereich und ebenso bei den jeweiligen Trägergesellschaften und der organisatorischen Ausgestaltungen der beiden MVZ historisch bedingt seien. So sei das MVZ M. im Jahr 2005 gegründet worden. Aufgrund der seinerzeitigen gesetzlichen Vorgaben sei es dann im Jahr 2010 möglich gewesen, dass die bis dahin im Anstellungsverhältnis tätigen Ärzte nach fünf Jahren Anstellung dieses in eine Vollzulassung umwandeln konnten. Mit diesen Vertragsarztsitzen sei sodann das MVZ P. gegründet worden. Die KVB habe jedem MVZ die hälftige bisherige Fallzahl zugewiesen. Damit habe die KVB der Historie Rechnung getragen und den bisherigen Patientenstamm auf beide MVZ verteilt, ohne hierbei allerdings die vollständig unterschiedliche fachliche Ausrichtung zu berücksichtigen. Denn im MVZ M. würden konservativ-ambulante und allgemeinchirurgische Behandlungen im Vordergrund stehen, während im MVZ P. primär die ambulanten orthopädischen Operationen durchgeführt würden.
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Es sei technisch möglich, im Fall der Überweisung zur operativen Versorgung auf ausdrücklichen Wunsch des Patienten nach P. bereits die Chipkarte auch für diesen Standort am Standort P. einzulesen. Durch das gleichzeitige Einlesen bzw. das Doppeleinlesen an sich werde weder eine zusätzliche Leistungsabrechnung bewirkt, noch die Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung verletzt (vgl. zum Beispiel SG Marburg, Urteil vom 05.03.2014, Az S 11 KA 129/12). Es bestehe auch zwischen dem MVZ M. und dem MVZ P. eine entsprechende online-Verbindung. Der klassische Fall sei folgender:
„Der Patient wird im MVZ M. vorstellig und wird dort beispielsweise von Herrn Dr. F. konservativ ambulant behandelt. Es stellt sich dann heraus, dass ein operativer Eingriff notwendig ist. Der Patient entscheidet sich dann in der Regel und selbstverständlich unter Berücksichtigung des Grundsatzes der freien Arztwahl dafür, dass ihn Herr Dr. F. auch operativ versorgen soll. Diese operative Leistung wird aufgrund der dortigen Praxisausstattung für das MVZ P. geplant. Bei dieser Konstellation ist es in der Tat so, dass die entsprechenden umfangreichen Dokumente wie Aufklärungsbogen etc. für den operativen Eingriff im MVZ P. auch im MVZ. M. vorhanden sind und Herr Dr. F. seine Leistungserbringung in P. bereits in M. vorbereiten kann. Hierzu gehört auch die Möglichkeit des Einlesens der Versichertenkarte für den operativen Eingriff in P. bereits mit einem eigenen Lesegerät in M. und entsprechende online-Verbindung nach P.“
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Nach dem Inhalt des Protokolls über das Plausibilitätsgespräch seien noch drei angeblich implausible Fälle übrig geblieben. Bei diesen drei Fällen liege außerdem teilweise ein Verständnisfehler vor bzw. teilweise gebe die Protokollierung den Gesprächsinhalt unrichtig wieder. Im Ergebnis seien von den zehn Fällen alle Behandlungen an beiden Standorten plausibel begründet. Die KVB habe insoweit ihr Schätzungsermessen angesichts der wenigen implausiblen Einzelfälle nicht ordnungsgemäß ausgeübt (vgl. SG Marburg, Urteile vom 29.01.2014, Az S 12 KA 159/12 und S 12 KA 160/12).
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Was die Abrechnungen der Leistungen nach der GOP 30760 betreffe, sei darauf hinzuweisen, dass die Leistungslegende keine Vorgaben zu einer entsprechenden Dokumentation enthalte. Überdies seien die Anforderungen überzogen. Ferner sei der ärztliche Leiter, hier der Kläger nicht verantwortlich. Auch angestellte Ärzte würden der Disziplinargewalt der Beklagten unterliegen. Daraus folge, dass Dr. F. keine schuldhafte Pflichtverletzung begangen habe.
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In Erwiderung führte die Beklagte aus, die Frist von zwei Jahren sei eingehalten worden. Wie sich aus dem Protokoll der 43. Kammer vom 15.01.2020 ergebe, habe für beide Beteiligten ein Prozessrisiko bestanden. Obwohl beide medizinischen Versorgungszentren rechtlich voneinander unabhängige Arztpraxen darstellten, habe man teilweise so zusammengearbeitet, wie es ausschließlich in einer (überörtlichen)
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Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) zulässig gewesen wäre. Darin seien Pflichtverstöße zu sehen, die die Rechtmäßigkeit des Disziplinarbescheides begründeten. Eine nach § 33 Abs. 3 Ärzte-ZV genehmigte BAG habe zu keinem Zeitpunkt vorgelegen. Hinzu komme, dass die nach außen gewählte Rechtsform der Praxen gegenüber den Patienten hätte transparent gemacht werden müssen. Es liege daher ein Gestaltungsmissbrauch vor (vgl. BSG, Urteil vom 22.03.2006, Az B 6 KA 76/04 R). Die Patienten seien vielmehr davon ausgegangen, dass sich das MVZ M. um eine Filiale in P. erweitert habe. Ein Beleg für die rechtsmissbräuchliche Nutzung der hier gegebenen besonderen Praxiskonstellation sei im gleichzeitigen Einlesen der Versichertenkarten für beide Praxen bei der ersten Vorstellung des Patienten zu sehen. Darin liege auch eine Umgehung des Rechtes auf freie Arztwahl. Ferner werde die missbräuchliche Nutzung der Praxiskonstellation auch dadurch deutlich, dass Überweisungen aus rein organisatorischen Gründen ausgestellt wurden, damit die Patienten im anderen MVZ vom selben Arzt behandelt werden könnten. Die KVB widersprach außerdem der Auffassung des Prozessbevollmächtigten des Klägers zu den drei angeblich implausiblen Fällen. Der medizinische Fachexperte habe in allen Fällen nicht nachvollziehen können, weshalb die Patienten in beiden MVZ behandelt werden mussten.
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Zur GOP 30760 bemerkte die Beklagte, eine Leistung gelte grundsätzlich erst dann als vollständig erbracht, wenn die aufgeführten Dokumentationspflichten erfüllt, sowie die erbrachten Leistungsinhalte dokumentiert seien. Es bedürfe mindestens so detaillierter Aufzeichnungen, dass die Erfüllung der obligaten Leistungsbestandteile im Einzelnen nachvollzogen werden könnten. Es genüge daher nicht, die jeweilige GOP in die Abrechnungsunterlagen einzutragen. Außerdem seien die handschriftlichen Aufzeichnungen, die es nach dem Vortrag des Prozessbevollmächtigten in handschriftlicher Form gegeben habe, zu keinem Zeitpunkt vorgelegt worden, obwohl diese von der Beklagten bereits im Einleitungsschreiben vom 24.02.2014 angefordert wurden. Das MVZ sei nach § 295 Abs. 1a SGB V zur Vorlage verpflichtet gewesen. Deshalb habe die Beklagte davon ausgehen dürfen, dass diese nicht vorhanden bzw. nicht im erforderlichen Umfang gegeben seien.
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Soweit der Prozessbevollmächtigte die Verantwortlichkeit des Klägers in seiner Eigenschaft als ärztlicher Leiter für die Falschabrechnung der GOP 30760 abgelehnt habe, sei darauf aufmerksam zu machen, dass er als ärztlicher Leiter auch eine Gesamtverantwortung für die Abrechnung des MVZ trage. In diesem Zusammenhang könne nicht geltend gemacht werden, der Kläger habe die Leistung nicht selbst erbracht. Schließlich seien die Leistungen auch deshalb nicht anerkannt worden, weil die nach den allgemeinen Bestimmungen des EBM erforderliche Dokumentation nicht vorgelegt wurde.
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Dies hätte dem Kläger bewusst sein müssen, unabhängig davon, ob er die Leistung selbst erbracht habe oder ausschließlich andere angestellte Ärzte des MVZ. Ferner wäre er vor der Unterzeichnung der jeweiligen Sammelerklärung des MVZ verpflichtet gewesen, die Abrechnung im Hinblick auf die Ordnungsgemäßheit und Vollständigkeit der Leistungsdokumentation zu prüfen.
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In der mündlichen Verhandlung am 14.10.2020 wurden sowohl das Verfahren unter dem Az S 20 KA 166/19, als auch das Verfahren S 38 KA 165/19 verhandelt. Das Gericht führte aus, es müsse berücksichtigt werden, wie die MVZs entstanden seien, dass es aufgrund der Historie zu einer Vielzahl gemeinsamer Patienten gekommen sei; außerdem, dass nicht zu beurteilen sei, ob und wenn ja in welcher Höhe ein Schaden entstanden ist. Gewisse Unwägbarkeiten beim Ansatz der GOP 30760 gebe es ebenfalls; dies, sowohl im Hinblick auf die Frage, ob der Leistungsinhalt erfüllt sei und, ob der fehlerhafte Ansatz durch angestellte Kollegen vom ärztlichen Leiter zu vertreten sei. Vor diesem Hintergrund wurden jeweils inhaltsgleiche widerrufliche Vergleiche (Reduzierung der Geldbuße avon 8.000 € auf 3.500 € unter Kostenaufhebung) geschlossen. Während der Vergleich, das Verfahren unter dem Aktenzeichen S 20 KA 166/19 betreffend, nicht widerrufen wurde, wurde der Vergleich, das Verfahren unter dem Aktenzeichen S 38 KA 165/19 betreffend, widerrufen.
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Zur Begründung wies der Prozessbevollmächtigte in seinem Schriftsatz vom 05.01.2021 darauf hin, die Konstellation sei relativ einzigartig in Bayern. Hierfür gebe es eine Versorgungsrelevanz (insbesondere medizinische Versorgung von Unfällen und akuten Schmerzzuständen in der Region). So sei die D-ärztliche Versorgung von Arbeitsunfällen zulassungsrechtlich an einen Hauptstandort gebunden und sei an einer Nebenbetriebsstätte nicht möglich. Eine BAG zwischen den medizinischen Versorgungszentren P. und M. hätte die Schließung eines D-Arzt-Standortes mit jeweils mehr als 1.000 Arbeitsunfällen zur Folge. Auch nähmen beide Versorgungszentren an dem KV-Notdienst teil. Ferner würden von den beiden Versorgungszentren unterschiedliche Leistungsspektren angeboten. Beide Versorgungszentren hätten eine eigene Zulassung zum stationsersetzenden ambulanten Operieren nach § 115b SGB V. Die MVZs seien unterschiedlich, auch unterschiedlich personell ausgestattet.
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Was die Verantwortlichkeit des Klägers betrifft, würden die Leistungen nach der GOP 30760 von jahrzehntelang erfahrenen orthopädischen Kollegen erbracht und seien auch hinreichend dokumentiert worden. Die Verantwortlichkeit für die Dokumentation liege in erster Linie bei dem jeweiligen Arzt oder bei dem Träger des MVZ.
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Die Beklagte hätte daher die disziplinarrechtliche Prüfung auf die angestellten Ärzte ausrichten müssen, die diese Leistung erbrachten. Warum dies nicht geschehen sei, könne dem Kläger nicht zum Nachteil gereichen.
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Das Gericht teilte den Beteiligten mit Schriftsatz vom 28.10.2020 seine Absicht mit, im Wege eines Gerichtsbescheides nach § 105 SGG zu entscheiden. Die Beteiligten erhielten hierzu Gelegenheit zur Stellungnahme.
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Der Antrag des Klägers ergibt sich aus dem Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 15.04.2020. Danach wird beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 05.04.2019 aufzuheben.
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Die Beklagte beantragte,
die Klage abzuweisen.
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Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung war die Beklagtenakte. Im Übrigen wird auf den sonstigen Akteninhalt, insbesondere Schriftsätze der Beteiligten, sowie die Sitzungsniederschrift vom 14.10.2020 verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zum Sozialgericht München eingelegte Klage ist zulässig, erweist sich aber als unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 06.09.2019 ist als rechtmäßig anzusehen.
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Der vorliegende Rechtsstreit konnte durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da die Voraussetzungen nach § 105 Abs. 1 SGG vorliegen. Der Kläger wurde auf die Absicht des Gerichts, auf diese Weise zu entscheiden, hingewiesen.
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Rechtsgrundlage für die ausgesprochene Disziplinarmaßnahme in Form einer Geldbuße über € 8.000 ist § 81 Abs. 5 SGB V i.V.m. § 18 der Satzung der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns vom 22.06.2002, letztmalig geändert durch Beschluss am 24.07.2020. Danach kann bei Verletzung vertragsärztlicher Pflichten je nach Schwere der Verfehlung eine Verwarnung, ein Verweis oder eine Geldbuße bis zu € 10.000.-, nach der aktuellen Fassung der Satzung vom 24.07.2020 sogar bis zu 50.000.-€, oder das Ruhen der Zulassung bzw. der vertragsärztlichen Beteiligung bis zu 2 Jahren ausgesprochen werden. Für das streitgegenständliche Verfahren gilt die Rechtslage zum Zeitpunkt der dem Kläger zur Last gelegten Pflichtverletzungen.
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Die formellen Voraussetzungen (§§ 18 Abs. 2 Satz 1, 18 Abs. 3 der Satzung der KVB) liegen vor. Disziplinarmaßnahmen können nicht mehr beantragt werden, wenn seit dem Bekanntwerden der Verfehlung bei der KVB zwei Jahre oder seit der Verfehlung fünf Jahre vergangen sind (§ 18 Abs. 3 der Satzung der KVB). Als maßgeblichen Zeitpunkt für das Bekanntwerden und damit für den Fristbeginn sieht das Gericht das Datum 20.04.2016 (Angebot einer Rückzahlungsvereinbarung) an. Denn Grundlage für eine solche Rückzahlungsvereinbarung ist die Kenntnis über einen die Rückzahlung rechtfertigenden Sachverhalt. Insofern ist die Zweijahresfrist des § 18 Abs. 3 der Satzung der KVB gewahrt.
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Die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme setzt als objektiven Tatbestand eine Pflichtverletzung voraus, die sowohl in einem bloßen Tun, als auch in einem Unterlassen bestehen kann. Eine solche Pflichtverletzung im Sinne von § 81 Abs. 5 SGB V ist dann gegeben, wenn es sich um Verstöße gegen vertragsärztliche Pflichten handelt, also um Verstöße gegen vertragsarztrechtliche Vorschriften, wie Gesetze, Satzungen, Verträge und Richtlinien (vgl. Schneider, Handbuch des Kassenarztrechts, Köln 1994, Rn 833, 884). Zum einen ist durch die Gerichte uneingeschränkt überprüfbar, ob ein bestimmtes Verhalten des Klägers eine disziplinarisch zu ahndende Pflichtverletzung darstellt (BSGE 62, 127), ob von einem richtigen und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen worden ist und sich die Beklagte von sachgerechten Gründen hat leiten lassen (vgl. BayLSG, Urteil vom 15.1.2014, Az L 12 KA 91/13).
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Der Disziplinarbescheid ist nur dann rechtswidrig, wenn eine Ermessensüberschreitung oder ein Ermessensfehlgebrauch vorliegt (§ 54 Abs. 2 SGG).
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Bei der Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung handelt es sich um eine Grundpflicht und eine der tragenden Säulen des vertrauensbasierten Vertragsarztsystems. Diese Pflicht ist aus der Überlegung heraus entwickelt worden, dass nur ein geringer Teil der Abrechnungen überprüft werden kann. Hiergegen hat der Kläger unter mehreren Aspekten verstoßen.
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Zum einen wurde die zulassungsrechtlich genehmigte Kooperationsform einer Praxisgemeinschaft von beiden MVZs rechtsmissbräuchlich genutzt. Denn die Zusammenarbeit, wie sie zwischen den MVZs tatsächlich praktiziert wurde, entsprach eher der einer Gemeinschaftspraxis als einer Praxisgemeinschaft. Dies hat auch in der großen Anzahl gemeinsamer Patienten seinen Niederschlag gefunden. Aber auch das gleichzeitige Einlesen bzw. das Doppeleinlesen der Versichertenkarte in einem MVZ und das Vorhandensein umfangreicher Dokumente wie Aufklärungsbögen für den operativen Eingriff in dem anderen MVZ sind untypisch für zwei wirtschaftlich unabhängige ärztliche Einrichtungen. Ferner kam es dazu, dass in manchen Fällen Überweisungen in das andere MVZ stattfanden, denen sich dann dort entsprechende Behandlungen anschlossen, was nicht nachvollziehbar war. Aus dem Protokoll zum Plausibilitätsgespräch ergab sich, dass dies in drei der angeforderten Fälle so von der Beklagten beurteilt wurde.
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Soweit in diesem Zusammenhang vom Prozessbevollmächtigten des Klägers vorgetragen wurde, das Protokoll sei unrichtig, steht dem die ausführliche Stellungnahme der Beklagten entgegen, die sich auf die Beurteilung durch den medizinischen Fachexperten beruft. Insofern mögen eventuell die Ausführungen im Protokoll missverständlich sein, jedoch hat das Gericht keine Zweifel an der Richtigkeit der Beurteilung durch die Beklagte in den genannten Fällen, wonach die Behandlung der Patienten in beiden MVZ´s nicht nachvollziehbar ist, auch wenn sich die MVZ´s in ihrem Leistungsspektrum - so wie vom Prozessbevollmächtigten des Klägers dargestellt - unterscheiden sollten. Dass lediglich drei Fälle übrig blieben führt nicht dazu, von keiner Pflichtverletzung auszugehen. Anders als im vorausgegangenen Verfahren, betreffend die Plausibilitätsprüfung unter dem Aktenzeichen S 43 KA 133/18 (Urteil vom 05.01.2020), in dem in Zweifel gezogen wurde, ob diese Fälle ausreichen, die Rückforderung in dem festgesetzten Umfang zu begründen, kommt es in dem streitgegenständlichen Verfahren zunächst nicht darauf an. Dies kann allenfalls eine Rolle spielen bei der Art der Disziplinarmaßnahme und deren Höhe. Unabhängig davon zeigt der Vorschlag der 43. Kammer zur vergleichsweisen Erledigung des Plausibilitätsverfahrens, dem die Beteiligten schließlich gefolgt sind, wie der dortige Spruchkörper das Prozessrisiko einschätzte (keine Änderung hinsichtlich der Richtigstellung der GOP 30760 - Reduzierung der Honorarkürzung auf die Hälfte bei der Richtigstellung hinsichtlich des Vorwurfs des Missbrauchs der Kooperationsformen). Die Rückforderung wurde von 78.674,68 € auf 58.085,07 € ermäßigt.
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Was das Argument des Prozessbevollmächtigten zur historischen Entwicklung der beiden MVZs betrifft, ist zunächst zutreffend, dass als erstes das MVZ M. gegründet wurde, die bis dahin im Anstellungsverhältnis tätigen Ärzte nach fünf Jahren die Anstellung in eine Vollzulassung umwandeln konnten und daraus letztendlich das MVZ P. entstand. Die historische Entwicklung, die vom Prozessbevollmächtigten angeführt wird, mag zwar eine große Anzahl gemeinsamer Patienten in beiden MVZs erklären, berechtigt aber nicht dazu, Kooperationsformen missbräuchlich zu nutzen.
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Ein weiterer Pflichtverstoß des Klägers, nämlich ein Verstoß gegen die Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung ist darin zu sehen, dass die Voraussetzungen für die Abrechnung der GOP 30760 nicht vorlagen. Deren Leistungsinhalt ist damit umrissen, dass eine Überwachung im Anschluss an die Gebührenordnungsposition 30710 … stattfindet, was zu dokumentieren ist. Zum obligatorischen Leistungsinhalt der GOP 30760 gehört das kontinuierliche EKG-Monitoring, die kontinuierliche Pulsoxymetrie, Zwischen- und Abschlussuntersuchung(en), Dauer mindestens 30 Minuten.
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Es trifft zwar zu, dass die Leistungslegende keine konkreten Hinweise enthält, wie und in welcher Form zu dokumentieren ist. Aus dem bloßen Ansatz einer Gebührenordnungsposition folgt jedoch nicht, dass die Leistung erbracht wurde und dass der Leistungsinhalt erfüllt ist. Vielmehr ist so zu dokumentieren, dass ein fachkundiger Außenstehender ohne weiteres in der Lage ist, zu beurteilen, ob die jeweiligen Leistungsbestandteile erfüllt sind. Nach § 57 BMV-Ä bzw. § 10 Abs. 1 der Berufsordnung für die Ärzte Bayerns und Art. 18 Abs. 1 Ziffer 3. Heilberufekammergesetz (HKaG) besteht eine allgemeine Dokumentationspflicht. Was die Leistung nach der GOP 30760 betrifft, umfasst die Leistungslegende hier ausdrücklich auch die Dokumentation. Der Dokumentation ärztlicher Leistungen kommt große Bedeutung zu. Sie dient vor allem dem Patienten im Rahmen von Strafverfahren oder im Rahmen eines Arzthaftungsprozesses, aber auch dem Vertragsarzt im Rahmen der Abrechnung vertragsärztlicher Leistungen zur Nachweisführung. Erfolgt keine Dokumentation oder kann der Nachweis einer Dokumentation nicht geführt werden, gelten die Leistungen als nicht erbracht (BayLSG, Urteil vom 7.7.2004, Az L 3 KA 510/02; SG Marburg, Urteil vom 13.9.2017, S 12 KA 349/16; SG München, Urteil vom 25.07.2018, Az S 38 KA 645/16).
33
Das MVZ M. wäre nach §§ 295 Abs. 1, 1a SGB V verpflichtet gewesen, angeforderte Dokumentationen über den Kläger in seiner Eigenschaft als ärztlichen Leiter zur Verfügung zu stellen. Dem wurde jedoch nicht nachgekommen, obwohl die Beklagte bereits im Einleitungsschreiben vom 24.02.2014 die angeblich vorhandenen handschriftlichen Dokumentationen angefordert hatte. Auch dadurch werden vertragsärztliche Pflichten verletzt, da bei Nichtvorlage ausreichender Dokumentationen die Beklagte ihre Verpflichtung aus § 75 Abs. 2 SGB V nicht wahrnehmen kann und letztendlich die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Abrechnung vereitelt wird (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22.11.2013, Az L 24 KA 69/12).
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Ebensowenig überzeugt der Einwand des Prozessbevollmächtigten des Klägers, dieser habe die Leistungen nicht erbracht, etwaige Abrechnungsfehler seien ihm daher nicht zuzurechnen. Die sozialgerichtliche Rechtsprechung hat sich wiederholt mit der Frage zu beschäftigen gehabt, welche Pflichtenstellung ein ärztlicher Leiter eines MVZs auch gegenüber einer Kassenärztlichen Vereinigung einnimmt. Unstrittig ist mittlerweile, dass dem ärztlichen Leiter eines MVZ eine besondere Pflichtenstellung hinsichtlich des ordnungsgemäßen Ablaufs der vertragsärztlichen Versorgung im MVZ zukommt und er die Verantwortung für die ärztliche Steuerung der Betriebsabläufe und eine Gesamtverantwortung gegenüber der KÄV hat (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 09.02.2010, Az L 7 KA 169/09 B ER; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24.02.2016, Az L 11 KA 59/15 B ER; Landessozialgericht Bayern, Urteil vom 27.01.2016, Az L 12 KA 69/14).
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Durch die Gesundheitsreform im Jahr 2003 (Gesetz vom 14.11.2003 BGBl I S. 2190) wurde die Möglichkeit eröffnet, dass neben zugelassenen Ärzten/Zahnärzten, ermächtigten Ärzten/Zahnärzten und ermächtigten Einrichtungen auch zugelassene medizinische Versorgungszentren an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen. Unter dem „Dach“ des MVZ sind Ärzte (fachgruppenidentisch oder auch fachgruppenunterschiedlich) entweder im Angestelltenverhältnis oder als Vertragsärzte tätig (§ 95 Abs. 1 S. 2 SGB V). Für angestellte Ärzte im MVZ ist eine Genehmigung erforderlich (§ 95 Abs. 2 S. 7 SGB V). Mit der Zulassung des MVZ wird dieses zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung verpflichtet und berechtigt (§ 95 Abs. 3 S. 2 SGB V). Dem MVZ steht gemäß § 95 Abs. 1 S. 2 SGB V ein ärztlicher Leiter vor, der seinerseits entweder als angestellter Arzt oder als Vertragsarzt im MVZ tätig sein muss (vgl. BSG, Urteil vom 14.12.2011, Az B 6 KA 33/10 R). Das Rechtsinstitut des MVZ bietet den angestellten Ärzten nicht nur den Vorteil, dass sie anders als ein zugelassener Vertragsarzt kein unternehmerisches Risiko tragen und zu vertraglich festgelegten Arbeitszeiten tätig sind, sondern auch, dass für sie technisch-administrative Aufgaben entfallen. Wie das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen in seiner Entscheidung (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24.02.2016, Az L 11 KA 58/15 B ER) ausführt, korrespondiert der Verminderung der Verantwortung des einzelnen Arztes „die volle Verantwortung des MVZ für die korrekte Organisation der Behandlung und für die Leistungsabrechnung“. Hierbei handle es sich um den Kern der Aufgaben des MVZ. Diese Aufgaben des MVZs werden in personam des ärztlichen Leiters wahrgenommen. Dementsprechend ist eine Abrechnungssammelerklärung fehlerhaft, wenn sie vom ärztlichen Leiter nicht unterschrieben ist. Er garantiert auch mit seiner Unterschrift, dass die Abrechnungen ordnungsgemäß, d. h. auch vollständig entsprechend der Leistungslegende erbracht wurden. Daraus folgt, dass der ärztliche Leiter letztendlich die Gesamtverantwortung gegenüber der KVB für die von den angestellten Ärzten erbrachten Leistungen trägt. Nachdem das MVZ nicht Mitglied der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung wird, sondern nur natürliche Personen (vgl. § 77 Abs. 3 SGB V), unterfällt es auch nicht der Disziplinargewalt der Kassenärztlichen Vereinigung. Nach § 18 Abs. 1 der Satzung der KVB können Disziplinarmaßnahmen nur gegenüber Mitgliedern der KVB verhängt werden. Aufgrund dieser Zusammenhänge und, da ein ärztlicher Leiter entweder angestellter Arzt im MVZ oder Vertragsarzt ist, ist ein disziplinarrechtlicher Durchgriff auf ihn nicht nur zulässig, sondern auch notwendig (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 27.01.2016, Az L 12 KA 69/14). Dem kann nicht entgegengehalten werden, die Leistungen seien vom ärztlichen Leiter nicht erbracht worden, sondern von den angestellten Ärzten. Zwar sind auch angestellte Ärzte im MVZ nach § 95 Abs. 3 S. 2 SGB V Mitglieder der KVB, sodass Pflichtverstöße auch ihnen gegenüber disziplinarrechtlich verfolgt werden können. Aufgrund der Gesamtverantwortung des ärztlichen Leiters eines MVZs, die auch die Richtigkeit der Abrechnung mit umfasst, besteht grundsätzlich keine Notwendigkeit, vorrangig disziplinarrechtlich gegen angestellte Ärzte im MVZ und allenfalls subsidiär gegen den ärztlichen Leiter vorzugehen, auch wenn diese die Leistungen nicht entsprechend der rechtlichen Vorgaben erbracht haben sollten. Das Einstehenmüssen entspricht auch der herausgehobenen Stellung des ärztlichen Leiters eines MVZ´s ähnlich der des Vorstands einer Aktiengesellschaft - Haftung des Vorstands nach § 93 AktG-, in der Regel verknüpft mit deutlich höheren Einkünften. Hinzu kommen auch Praktikabilitätserwägungen bei der Prüfung fehlerhafter Abrechnungen. Dass zu hohe Anforderungen gestellt werden, ist nicht ersichtlich. Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers auf das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts (Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 11.08.2010, Az L 1 KA 54/09) Bezug nimmt, wonach sich der ärztliche Leiter eines MVZ´s nur eigenes Fehlverhalten zurechnen lassen muss, ist darauf hinzuweisen, dass diese Entscheidung durch die nachfolgende Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 14.12.2011, Az B 6 KA 33/10 R) aufgehoben wurde.
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Unabhängig davon, ist, worauf die Beklagte hinweist, eine eigene Pflichtverletzung des ärztlichen Leiters auch darin zu sehen, dass er entgegen seiner Verpflichtung aus §§ 295 Abs. 1, 1a SGB V der Aufforderung der Beklagten nicht nachgekommen ist, angeforderte Dokumentationen zur Verfügung zu stellen.
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Die erst kürzlich vom Prozessbevollmächtigen des Klägers eingeführten weiteren Aspekte sind nach Auffassung des Gerichts nicht zu berücksichtigen. So wurde vorgetragen, für die in Bayern relativ einzigartige Konstellation gebe es eine Versorgungsrelevanz (insbesondere medizinische Versorgung von Unfällen und akuten Schmerzzuständen in der Region) im Hinblick auf die D-ärztliche Versorgung von Arbeitsunfällen, die zulassungsrechtlich an einen Hauptstandort gebunden und an einer neben Betriebsstätte nicht möglich sei. Eine BAG zwischen den medizinischen Versorgungszentren P. und M. hätte die Schließung eines D-Arzt Standortes mit jeweils mehr als 1.000 Arbeitsunfällen zur Folge. Ferner wurde darauf aufmerksam gemacht, beide Versorgungszentren nähmen an dem KV-Notdienst teil. Diese Aspekte würden zwar aus Gründen der Versorgung gegen eine BAG zwischen beiden MVZs sprechen. Sie sind jedoch für das streitgegenständliche Verfahren ohne Belang, da ein Zusammenhang nicht zu erkennen ist. So ist nicht Ziel der Disziplinarmaßnahme, einen Zusammenschluss der MVZs im Rahmen einer überörtlichen BAG herbeizuführen. Vielmehr geht es darum, dass Kooperationsformen so „gelebt“ werden, wie dies dem Zulassungsstatus/Genehmigungsstatus entspricht. Wer sich für eine solche Kooperationsform entscheidet, muss sich daran festhalten lassen und kann nicht wie eine überörtliche BAG in Erscheinung treten.
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Voraussetzung für die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme ist ferner ein Verschulden als subjektiver Tatbestand, wobei ein fahrlässiges Verhalten genügt (vgl. Hesral in: Disziplinarrecht und Zulassungserziehung, Hrsg. Ehlers, zweite Auflage 2013, RdNr. 219 ff.). Es ist zumindest von Fahrlässigkeit auszugehen, indem der Kläger in seiner Eigenschaft als ärztlicher Leiter unter mehreren Aspekten gegen seine Pflicht zur peinlich genauen Abrechnung verstoßen hat.
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Rechtlich nicht zu beanstanden ist auch die verhängte Disziplinarmaßnahme in Form der ausgesprochenen Geldbuße von € 8.000.-. Die in § 81 Abs. 5 Satz 2 SGB V genannten Disziplinarmaßnahmen sind abschließend. Sie stehen nicht willkürlich nebeneinander, sondern in einem Stufenverhältnis (vgl. BSG, Urteil vom 3.9.1987, 6 RKa 30/86) und bestimmen sich nach § 81 Abs. 5 Satz 2 SGB V „je nach der Schwere der Verfehlung“. Insofern besteht für die Beklagte ein Auswahlermessen zwischen den einzelnen Disziplinarmaßnahmen. Sie hat die Gesamtumstände abzuwägen und das Fehlverhalten in innerem und äußerem Zusammenhang zu würdigen, sowie die jeweilige Disziplinarmaßnahme an dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auszurichten. Die Disziplinarmaßnahme muss geeignet, erforderlich sein und darf nicht außer Verhältnis zu dem angestrebten Zweck stehen. Zusätzliche Ermessenserwägungen sind bei der Verhängung einer Geldbuße bzw. bei der Anordnung des Ruhens der Zulassung anzustellen, da der Gesetzgeber in § 81 Abs. 5 SGB V einen Rahmen vorgegeben hat.
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Gemessen an diesen Voraussetzungen erscheint nach Auffassung des Gerichts die Geldbuße in Höhe von € 8.000.- tat-und schuldangemessen. Die Beklagte hat ausweislich des angefochtenen Disziplinarbescheides die erforderlichen Abwägungen in der Form vorgenommen, dass sie einerseits berücksichtigte, dass die Klägerin bislang nicht disziplinarrechtlich in Erscheinung getreten war. Andererseits hat sie ausführlich dargestellt, dass angesichts der Verstöße gegen elementare Grundpflichten andere mildere, in § 81 Abs. 5 SGB V genannte Disziplinarmaßnahmen wie Verwarnung und Verweis oder eine niedrigere Geldbuße als € 8.000.-nicht in Betracht zu ziehen sind.
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Trotz bestehender Zweifel im vorausgegangenen Plausibilitätsverfahren, ob die Beklagte ihr Schätzungsermessen bezüglich des Vorwurfs des Missbrauchs der Kooperationsformen zutreffend ausgeübt hat, ist der streitgegenständliche Disziplinarbescheid nicht als rechtswidrig anzusehen. Nach der sozialgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. Landessozialgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 24.03.2009, Az L 4 KA 3/08) ist ein Disziplinarbescheid nicht rechtswidrig, wenn zwar einige der ihm zugrunde liegenden Vorwürfe entfallen, die übrigen aber die ausgesprochene Maßnahme nach Art und Höhe rechtfertigen und die im Bescheid dargelegten Ermessenserwägungen dem nicht entgegenstehen. Nach Auffassung des Gerichts sind die festzustellenden Pflichtverletzungen insgesamt ausreichend, die ausgesprochene Geldbuße in Höhe von 8.000 € zu begründen. Ein Ermessensfehler ist nicht festzustellen.
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In Gesamtschau unter Berücksichtigung der o.g. Gesichtspunkte erscheint die ausgesprochene Disziplinarmaßnahme verhältnismäßig und angemessen. In dem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass § 18 Abs. 1 der Satzung der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns in der aktuellen Fassung sogar Geldbußen bis zu einer Höhe von € 50.000.- vorsieht.
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Aus diesen Gründen war die Klage abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 VwGO.