Inhalt

VGH München, Urteil v. 29.07.2021 – 5 BV 19.2245
Titel:

Erfolglose Berufung wegen Verweigerung anlassloser Zufahrt mit Infobus und anlasslosem Zugang zu Aufnahmeeinrichtungen für Asylsuchende 

Normenketten:
EU-Aufnahme-RL Art. 18 Abs. 2 lit. c
GRCh Art. 47
AsylG § 12a
Asylverfahrens-RL Art. 19
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1
Leitsätze:
1. Art. 18 Abs. 2 Buchst. c EU-Aufnahme-RL räumt anerkannten Nichtregierungsorganisationen kein von der vorherigen Kontaktaufnahme durch den Asylsuchenden unabhängiges, eigenständiges Zugangsrecht zu Aufnahmeeinrichtungen ein. 
2. Hinsichtlich der Gewährung des Zugangs nicht anspruchsberechtigter Dritter haben die Träger von Aufnahmeeinrichtungen kraft Hausrechts ein weites Ermessen.
1. Es besteht weder aus nationalem Recht noch aus den Vorschriften der EU ein Anspruch einer Nichtregierungsorganisation auf Zufahrt mit dem Infobus und auf Zugang zu den staatlichen Aufnahmeeinrichtungen, ohne von einer dort untergebrachten Person mandatiert worden zu sein. (Rn. 47 – 64) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wenn kein Rechtsanspruch auf Zugang zu einer staatlichen Einrichtung (Asylaufnahmeeinrichtung) besteht, obliegt es grundsätzlich der Wahl des Einrichtungsträgers, in welcher Form er über den Zugang Dritter entscheidet; dabei hat der öffentliche Einrichtungsträger aufgrund seines Hausrechts als notwendigem Annex zur öffentlich-rechtlichen Sachkompetenz einer Behörde (vgl. OVG Münster BeckRS 2017, 114361) ein weites Ermessen. (Rn. 82) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
„Infobus für Flüchtlinge“, Asylverfahrensberatung, Eigenständiges Zugangsrecht von Nichtregierungsorganisationen zu Aufnahmeeinrichtungen, Unmittelbare Anwendung einer EU-Richtlinie, Ausübung des Hausrechts, schlicht hoheitliches Verwaltungshandeln, Ermessensausübung, Berufungsverfahren, Aufnahmeeinrichtung, Zufahrt, Infobus, Zugang, Beratung, öffentlich-rechtliche Sachkompetenz, Hausrecht, Revisionszulassung, rechtsgrundsätzliche Bedeutung, RL 2013/33/EU, RL 2013/32/EU, EU-Grundrechte-Charta
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 06.06.2019 – M 30 K 18.876
Rechtsmittelinstanz:
BVerwG Leipzig, Urteil vom 28.03.2023 – 1 C 40.21
Weiterführende Hinweise:
Revision zugelassen
Fundstellen:
NVwZ-RR 2022, 152
LSK 2021, 28480
BeckRS 2021, 28480
DÖV 2022, 386

Tenor

I. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
II. Auf die Anschlussberufung des Beklagten hin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts abgeändert. Die Klage wird – soweit nicht für erledigt erklärt – abgewiesen.
III. Der Beklagte trägt 1/3 der Kosten erster Instanz, der Kläger 2/3 der Kosten erster Instanz sowie die Kosten des Berufungsverfahrens.
IV. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
V. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt für seinen „Infobus für Flüchtlinge“ (Infobus) Zufahrt und Zugang zu den oberbayerischen Aufnahmeeinrichtungen des Beklagten, um seine Beratung anzubieten.
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Seit dem Jahr 2001 führte der Kläger gemeinsam mit Amnesty International im Rahmen des Projekts „Infobus für Flüchtlinge“ eine kostenlose Beratung für Asylsuchende in Erstaufnahmeeinrichtungen in M. durch. Bei dem hierfür eingesetzten Bus handelt es sich um einen umgebauten Kleinbus, der die Aufnahmeeinrichtungen anfährt und den die dort Untergebrachten aufsuchen können. Die Modalitäten von Zufahrt und Zugang des Klägers wurden von den jeweiligen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Klägers mit den jeweiligen Verantwortlichen des Beklagten zeitweise (und) unterschiedlich festgelegt oder die Zufahrt des Infobusses bzw. ein Zugang der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen geduldet. Teilweise fand die Beratung auch vor den Aufnahmeeinrichtungen statt.
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Eine Anfrage des Klägers im Sommer 2017, die darauf abzielte, die bislang in M. praktizierte Beratung auch im Bayerischen Transitzentrum Ma./I. durchzuführen, führte dazu, dass die Regierung von Oberbayern dem Kläger per E-Mail vom 6. September 2017 mitteilte, für den Infobus bestehe keine Einfahrtsberechtigung auf das Gelände der Dependance Funkkaserne. In Telefonaten vom 19. September 2017 und 13. November 2017 wurde dem Kläger mitgeteilt, dass der Infobus auch keinen Zugang zu den anderen Dependancen der Regierung von Oberbayern erhalten soll.
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Auf ein Schreiben vom 28. November 2017 an die Regierungspräsidentin der Regierung von Oberbayern mit der Bitte um schriftliche Mitteilung und Begründung, falls an der Entscheidung, dem Infobus den Zugang zu den Dependancen zu verweigern, festgehalten werde, antwortete die Regierung von Oberbayern mit Schreiben vom 8. Januar 2018. Aufgrund des Ruhebedürfnisses der Bewohnerinnen und Bewohner sowie sicherheitsrechtlicher Aspekte, nicht zuletzt des Brandschutzes, sei der Zugang zu den Unterkünften reglementiert. Asylverfahrensberatung falle nicht unter die Angebote, die zwingend innerhalb des Unterkunftsgeländes durchgeführt werden müssten, sie könne grundsätzlich auch außerhalb erfolgen. Bei allen Unterkünften sei es möglich, in fußläufiger Entfernung zu den Aufnahmeeinrichtungen auf öffentlichem Grund den Infobus abzustellen. Den Bewohnerinnen und Bewohnern der Aufnahmeeinrichtungen werde der Zugang zum Angebot des Infobusses gewährt. Es könne Infomaterial ausgelegt und durch Aushänge auf das Angebot hingewiesen werden. Zudem bestehe die Bereitschaft, die Asylsuchenden durch Aushänge in den Aufnahmeeinrichtungen auf den jeweiligen konkreten Standort hinzuweisen, damit sich diese zum Zweck einer Beratung dorthin begeben könnten.
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Die Entscheidung, dass der Infobus das Gelände der Aufnahmeeinrichtungen nicht befahren dürfe, wurde dem Kläger nochmals mit E-Mail vom 10. Januar 2018 mitgeteilt. Zudem wurde von der Regierung von Oberbayern per E-Mail vom 16. Januar 2018 intern an die Aufnahmeeinrichtungen, Sicherheitsdienste etc. kommuniziert, dass dem Infobus keine Zufahrt und den Mitarbeiterinnen des Klägers kein Zugang gewährt werden dürfe.
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Daraufhin erhob der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht München mit dem Begehren, den Beklagten zu verpflichten, dem Infobus im Rahmen der örtlichen Gegebenheiten die Zufahrt und den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Klägers den Zugang zu den Aufnahmeeinrichtungen zum Zwecke der Asylverfahrensberatung zu gestatten.
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Zur Begründung trug der Kläger insbesondere vor, ein Anspruch auf Zugang ergebe sich aus Art. 18 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (RL 2013/32/EU, im Folgenden: EU-Aufnahme-RL). Beratung von Flüchtlingen als Vereinszweck sei weitgefasst und der Kläger in diesem Rahmen insbesondere auch zur Rechtsberatung berechtigt. Die von Art. 18 Abs. 2 Buchst. c EU-Aufnahme-RL vorgesehenen Ausschlussgründe griffen nicht. Die Sicherheit der Räumlichkeiten und der Asylantragsteller sei während der 17 Jahre andauernden Beratungstätigkeit niemals gefährdet gewesen. Auch eine erhöhte Brandgefahr durch das Abstellen des Busses sei nicht ersichtlich. Ebenso wenig sei das Ruhebedürfnis der Bewohner beeinträchtigt, da diese frei entscheiden könnten, ob sie das Beratungsangebot wahrnehmen wollen. Ein Zugangsrecht des Klägers sei erforderlich, um die spiegelbildlichen Rechte der Asylsuchenden auf Beratung effektiv zu gewährleisten. Der Kläger berufe sich hierfür auf Art. 47 Abs. 3 der Grundrechtecharta der EU, auf Art. 6 und 13 EMRK sowie auf Art. 12, 19, 21 und 22 der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (RL 2013/32/EU, im Folgenden: Asylverfahrens-RL) und deren Erwägungsgrund Nr. 23. Da die Durchführung der Beratung außerhalb der Aufnahmeeinrichtungen teils nicht praktikabel sei, würde den Asylsuchenden die Wahrnehmung ihrer Rechte erheblich und teils unzumutbar erschwert.
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In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht München stellte der Kläger folgenden Antrag:
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„1. Die mit Schreiben vom 8. Januar 2018, 6. September 2017, 10. Januar 2018 und Telefonate vom 19. September 2017 und 13. November 2017 ausgesprochenen Zugangsverbote für den Infobus beziehungsweise Betretensverbote für die Mitarbeiter des Klägers für die Zwecke der Asylverfahrensberatung werden aufgehoben.
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2. Dem Infobus wird die Einfahrt und Aufstellung und den Mitarbeitern des Klägers der nicht anlassbezogene Zugang zu den nachstehend genannten Aufnahmeeinrichtungen/Ankereinrichtungen zum Zwecke der Asylverfahrensberatung im Umfang von circa zwei Stunden wöchentlich pro Einrichtung jeweils in Abstimmung mit der Beklagten hinsichtlich der Modalitäten des Aufstellungsortes und des Beratungsortes gewährt:
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Funkkaserne: Aufstellung des Busses auf einem der Parkplätze rechts vom Eingang oder auf den Parkplätzen beim Seiteneingang oder vor der Kantine oder im südlichen Bereich der Anlage.
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Am Mo.: Aufstellung auf den Parkplätzen, solange noch vorhanden.
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Ma. Straße P3: Neben dem Fußballfeld oder vor den Versorgungscontainern links bei der Einfahrt oder auf den Parkplätzen außerhalb des Zaunes.
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N. straße: Neben dem hinteren Tor, neben dem Spielplatz auf dem befestigten ehemaligen Containerstandort.
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M2.- Straße: Links oder rechts im Mittelbereich, vor/neben dem dortigen Müllcontainer.
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Max-I.-Kaserne: Auf einer der zahlreichen dort vorhandenen Freiflächen.
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F.: Auf einer der zahlreichen dort vorhandenen Freiflächen.
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M. Straße: Auf dem vorhandenen Parkplatz südlich.
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L. Straße: Im Hof vor dem Kantinenfenster.
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Es wird in erster Linie die Zufahrt mit dem Infobus begehrt, soweit dies nicht möglich ist, die Durchführung der Beratung in allgemeingenutzten Räumen und in Ausnahmefällen der Zugang direkt zu den Bewohnern.
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3. Hilfsweise wird beantragt, den Beklagten zu verpflichten, über den Antrag des Klägers auf Zugang zur anlasslosen Beratung neu zu entscheiden.“
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Der Beklagte beantragte Klageabweisung. Entgegen der Behauptung des Klägers sei der Zugang des Infobusses und der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Klägers in der Vergangenheit nur partiell geduldet worden. Die Anfrage des Klägers bezüglich der Aufnahmeeinrichtungen in I. und Ma. habe der Beklagte zum Anlass genommen, um eine einheitliche und klare Regelung bezüglich aller Aufnahmeeinrichtungen zu treffen. Allgemein sei eine möglichst geringe Anzahl an externen Zugangsberechtigten in den Aufnahmeeinrichtungen erstrebenswert, um reibungslose Abläufe sowohl des Alltags in beengten Verhältnissen und mit teils traumatisierten Menschen aus verschiedenen Nationen als auch im Brandfall zu gewährleisten. Der Zutritt Externer zu den Unterkünften werde grundsätzlich auf das erforderliche Minimum beschränkt. Bei der umfassenden Neuentscheidung über Zugangsberechtigungen Anfang 2018 sei daher denjenigen Ehrenamtlichen ein Zugangsrecht eingeräumt worden, die für tagesstrukturierende Maßnahmen in den Aufnahmeeinrichtungen zuständig seien und somit einen Beitrag zum dortigen Leben leisteten. Hierunter fielen vor allem Angebote zu sozialen Themen wie Familie, Hygiene, Schwangerschaft, psychosoziale Beratung, kindertherapeutische Maßnahmen, Jugendschutz und sonstige Angebote für vulnerable Personen. Da die Rechtsberatung durch den Infobus nicht darunterfalle, habe man sich gegen ein Zugangsrecht für diesen entschieden. Zudem werde eine Verfahrensberatung auch durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge angeboten. Grundsätzlich würden bei der Entscheidung über die Zugangsberechtigung ehrenamtlicher Personen zunächst passende Angebote von den örtlichen Ehrenamtskoordinatoren vorgeschlagen. Dies seien in M. die jeweiligen Asylsozialberatungsstellen, in I. zusätzlich die Stadtverwaltung.
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In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht München am 6. Juni 2019 stellte der Beklagte klar, den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Infobusses werde durchaus Zugang zu den Aufnahmeeinrichtungen ähnlich einem „mandatierten Rechtsanwalt“ gewährt, wenn ein Asylsuchender sie konkret zur Beratung angefragt habe. Es werde das gleiche Procedere wie bei mandatierten Rechtsanwälten angewandt. Wenn sich die mandatierten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Infobusses beim Sicherheitsdienst meldeten und eine vom Bewohner erfolgte Mandatierung erklärten, werde der Sicherheitsdienst in Rücksprache mit dem jeweiligen Leiter der Aufnahmeeinrichtung in wenigen Minuten über den begehrten Zugang entscheiden. Eines schriftlichen Nachweises der Mandatierung bedürfe es nicht. Bei Mandatierung werde für die erforderliche Beratung eine entsprechende Räumlichkeit zur Verfügung gestellt. Auch in „Drittmandatierungsfällen“ könne ein Zugang jedenfalls nach vorheriger Rücksprache mit den Asylsuchenden erfolgen. Das Zugangsrecht umfasse auch den jeweils mitgebrachten Dolmetscher.
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Daraufhin erklärten die Parteien die Hauptsache in Bezug auf einen anlassbezogenen Zugang bei „Mandatierung“ übereinstimmend für erledigt.
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Mit Urteil vom 6. Juni 2019 stellte das Verwaltungsgericht das Verfahren ein, soweit die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt wurde, stellte fest, dass das sich aus der E-Mail vom 6. September 2017, den Telefonaten vom 19. September 2017 und 13. November 2017, sowie Schreiben vom 8. Januar 2018 und E-Mail vom 10. Januar 2018 ergebende Zugangsverbot für den Infobus und dessen Mitarbeiterinnen rechtswidrig ist und verurteilte den Beklagten, über das klägerische Begehren auf Zugang des Infobusses und seiner Mitarbeiterinnen zu anlassunabhängiger Asylverfahrensberatung zu den vom Kläger genannten Aufnahmeeinrichtungen des Beklagten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Im Übrigen wies das Verwaltungsgericht die Klage ab.
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Die Klage sei als allgemeine Leistungsklage i.V. mit einem Feststellungsbegehren zulässig und teilweise begründet. Die Versagung des Zugangs des Infobusses und seiner Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu den Aufnahmeeinrichtungen der Regierung von Oberbayern zu sog. anlassunabhängiger Beratung ohne vorherige „Mandatierung“ durch Asylsuchende sei aufgrund teilweise nichtsachlicher Erwägungen rechtswidrig und der Beklagte daher zu verurteilen, über die Zugangsgewährung neu zu entscheiden. Insoweit habe der Kläger einen Anspruch auf erneute, dem Sachlichkeitsgebot entsprechende Entscheidung verbunden mit der gerichtlichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der Versagung des Zugangs. Den geltend gemachten Rechtsanspruch auf Zugang, insbesondere aus der EU-Aufnahme-RL heraus, habe der Kläger jedoch nicht; insoweit sei die Klage unbegründet.
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Der über Jahre hinweg erlaubte Zugang sei ebenso wie die ab dem Jahr 2017 ausgesprochene Verweigerung des Zugangs für den Infobus zu den Aufnahmeeinrichtungen nicht durch Verwaltungsakte, sondern durch (schlichtes) Verwaltungshandeln erfolgt. Für die Annahme eines Verwaltungsakts fehle jeweils eine regelnde Wirkung der Entscheidungen. Eine Anfechtungsklage sei daher ebenso wenig statthaft wie eine Verpflichtungsklage auf Zugangsgewährung. Statt einer Aufhebung der Zugangsverweigerung verbunden mit einer Verpflichtung zur Zugangsgewährung sei vielmehr die - im Auslegungswege erkennbar begehrte - Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungshandelns insoweit und eine Verurteilung zur Zugangsgewährung bzw. erneuten Entscheidung im Wege einer allgemeinen Leistungsklage statthaft.
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Ein Anspruch des Klägers auf Zufahrt des Infobusses und nicht anlassbezogenen Zugang ergebe sich nicht aus den bisher ergangenen Einzelfallentscheidungen, durch die dem Kläger Zugang gewährt worden sei. Dafür fehle es an einer bisherigen einheitlichen Entscheidungspraxis. Art. 18 Abs. 2 Buchst. c EU-Aufnahme-RL vermittele dem Kläger keinen Anspruch auf anlassunabhängigen Zugang mit dem Infobus zu den Aufnahmeeinrichtungen. Die Regelung sei nicht hinreichend bestimmt, um trotz fehlender Umsetzung durch den deutschen Gesetzgeber nach Ablauf der Umsetzungsfrist in unmittelbarer Anwendung den konkreten Zugangsanspruch des Klägers zu begründen. Der Wortlaut des Art. 18 Abs. 2 Buchst. c EU-Aufnahme-RL sei zu weit und zu vage, um unzweideutig den geltend gemachten Anspruch des Klägers auf anlasslosen Zugang, also ohne dass ein Antragsteller zuvor mit ihm in Verbindung getreten sei, zu begründen. Die Systematik innerhalb von Art. 18 Abs. 2 EU-Aufnahme-RL lasse ebenfalls keine hinreichend eindeutige Auslegung zu. Entgegen der klägerischen Auffassung bestehe ein eigenständiger Regelungsinhalt in Art. 18 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie bereits darin, dass dem Asylantragsteller nach Buchst. b (nur) ermöglicht werden solle, „in Verbindung zu treten“ - hier fehle es an der räumlichen Komponente -, während dem Rechtsbeistand, Nichtregierungsorganisationen etc. nach Buchst. c „Zugang zu den Aufnahmeeinrichtungen“ zu gewähren sei. Dass ein Zugang aber bereits zu gewähren sei, ohne dass vorab ein Antragsteller Kontakt aufgenommen habe, lasse sich im systematischen Vergleich mit Buchst. b nicht annehmen. Auch im weiteren systematischen Vergleich mit den anderen Bestimmungen in der EU-Aufnahme-RL, z.B. Art. 10 Abs. 3 und 4, oder der Asylverfahrens-RL, z.B. Art. 8 Abs. 2, Art. 12 Abs. 1 Buchst. c, Art. 19 Abs. 1, Art. 21 Abs. 1, Art. 22, Art. 23, ließen sich keine Erkenntnisse für eine hinreichende Bestimmtheit von Art. 18 Abs. 2 Buchst. c EU-Aufnahme-RL gewinnen. Vielmehr läge den zitierten Bestimmungen der Asylverfahrens-RL gerade die Vorstellung eines konkreten Mandatsverhältnisses zugrunde.
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Die Zugangsverweigerung bezüglich des Infobusses und der Mitarbeiterinnen, die sich aus der E-Mail vom 6. September 2017, den Telefonaten vom 19. September 2017 und 13. November 2017, sowie dem Schreiben vom 8. Januar 2018 und der E-Mail vom 10. Januar 2018 ergebe, sei jedoch rechtswidrig. Sie beruhe nicht auf ausschließlich sachlichen Erwägungen. Nicht zu beanstanden sei zwar das Bestreben der Regierung von Oberbayern, den Zugang zu den Aufnahmeeinrichtungen einheitlich zu regeln. Hierfür müsse sie sich nicht eines Verwaltungsakts oder einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung bedienen, sondern könne dies im Wege (schlichten) Verwaltungshandelns bewerkstelligen. Ebenso wenig sei die im Verfahren dargestellte Prämisse als unsachlich zu beanstanden, den Zugang zu den Aufnahmeeinrichtungen auf ein Minimum zu begrenzen. Der Beklagte hätte jedoch bei seiner Entscheidung die langandauernde Praxis und das entstandene - schutzwürdige - Vertrauen des Klägers in den Fortbestand dieser Praxis gegen das öffentliche Interesse an deren Änderung abwägen müssen. Dies sei der vom Beklagten vorgebrachten Begründung im gesamten Verfahren nicht zu entnehmen. Der rechtsstaatliche Vertrauensschutz gelte auch für informales Verwaltungshandeln. Dem Sachlichkeitsgebot laufe des Weiteren zuwider, dass der Kläger für den Infobus zur Asylverfahrensberatung insbesondere für vulnerable Personen zu den Aufnahmeeinrichtungen keinen Zugang erhalte, eine Vielzahl anderweitiger Beratungs- und Unterstützungsangebote hingegen schon. Im Klageverfahren sei darüber hinaus deutlich geworden, dass der Beklagte den großen Stellenwert, den der europäische Richtliniengeber dem Zugang der Asylsuchenden zu Verfahrens- und Rechtsberatung beimesse, verkenne. Eine Brandgefahr sei nicht ersichtlich. Fragen der Sicherheit seien zu bewältigen, rechtfertigten jedenfalls ebenso wie das Ruhebedürfnis der Asylsuchenden keine vollständige Zugangsverweigerung.
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Gegen das Urteil legte der Kläger die vom Verwaltungsgericht zugelassene Berufung ein und beantragte zuletzt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben, soweit die Klage abgewiesen worden ist, und den Beklagten zu verpflichten, dem Infobus die Einfahrt und Aufstellung und den Mitarbeitern des Klägers den nicht anlassbezogenen Zugang zu den Aufnahmeeinrichtungen/Ankereinrichtungen zum Zwecke der Asylverfahrensberatung im Umfang von circa zwei Stunden wöchentlich pro Einrichtung jeweils in Abstimmung mit dem Beklagten hinsichtlich der Modalitäten des Aufstellungsortes und des Beratungsorts entsprechend dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gestellten Klageantrag Nr. 2 zu gewähren, mit der Maßgabe, dass der Zugang zu der Einrichtung M2. Straße nicht mehr begehrt wird, sowie mit der Maßgabe, dass auch Rechtsberatung durchgeführt werden soll.
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Zur Begründung der Berufung trägt der Kläger vor: Der Anspruch auf Zugang ergebe sich aus Art. 18 Abs. 2 Buchst c EU-Aufnahme-RL. Diese Regelung sei nicht in deutsches Recht umgesetzt worden. Aus dieser Bestimmung ergebe sich jedoch eine Reduzierung des dem Beklagten eingeräumten Ermessens bezüglich der Zugangsbeschränkungen. Die Umsetzungsfrist sei seit 2015 abgelaufen, sodass die Richtlinie, die inhaltlich als unbedingt und hinreichend genau erscheine, unmittelbar anwendbar sei. Der Wortlaut des Art. 18 Abs. 2 Buchst. c EU-Aufnahme-RL sei insoweit eindeutig. Der Zusatz, „um den Antragstellern zu helfen“, stelle keine rechtliche Bedingung dar, sondern beschreibe nur die Zweckbindung des Zugangsrechts. Das Zugangsrecht sei für Familienangehörige etc. nach Abs. 2 Buchst. b der Regelung unbeschränkt (d.h. auch für sonstige Zwecke), und für Nichtregierungsorganisationen nach Abs. 2 Buchst. c beschränkt, um den Antragstellern zu helfen. Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Unterscheidung zwischen einem anlassunabhängigen und einem anlassbezogenen Zugang lasse sich der Richtlinie nicht entnehmen. Der Richtliniengeber wolle den bedingungslosen - lediglich zweckgebundenen - Zugang ermöglichen, ohne nach einem Anlass oder einer Mandatierung zu differenzieren. Auch die Auslegung des Art. 10 Abs. 4 Satz 1 EU-Aufnahme-RL spreche hierfür. Nach dieser Bestimmung seien die Mitgliedstaaten verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass einschlägig tätige Nichtregierungsorganisationen mit Antragstellern in Hafteinrichtungen Verbindung aufnehmen und sie besuchen könnten. Dieser Zugang dürfe ebenso wie auch der in Art. 18 Abs. 2 Buchst. c EU-Aufnahme-RL garantierte Zugang zu den Aufnahmeeinrichtungen nur aus Sicherheitsgründen verweigert werden. Diese Vorschrift habe der deutsche Gesetzgeber in § 62a Abs. 4 AufenthG umgesetzt, wonach Mitarbeitern von einschlägig tätigen Hilfs- und Unterstützungsorganisationen auf Antrag gestattet werden soll, Abschiebungsgefangene zu besuchen. Zutreffend erkenne das Verwaltungsgericht, dass Art. 18 Abs. 2 Buchst. c EUAufnahme-RL ein eigenständiger Regelungsgegenstand innewohne. Da die Asylbewerber in den Aufnahmeeinrichtungen dem Hausrecht des Beklagten unterlägen, habe der Richtliniengeber ein räumliches Zugangsrecht festlegen müssen. Dass dieses Zugangsrecht davon abhängig sei, dass vorab ein Antragsteller Kontakt aufgenommen habe, lasse sich der Regelungssystematik nicht entnehmen. Art. 18 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie habe die Asylsuchenden im Blick. Ihnen werde die Möglichkeit eingeräumt, mit Verwandten und den anderen dort genannten Personen „in Verbindung zu treten“. Damit werde die Abgeschlossenheit der Unterbringung „aufgebrochen“. Art. 18 Abs. 2 Buchst. c der Richtlinie hingegen regele die Kontaktmöglichkeiten für außerhalb der Aufnahmeeinrichtung lebende Personen und Organisationen. Diesen werde - eingeschränkt - ein Zugangsrecht eingeräumt. Allein der unterschiedliche Kreis der Begünstigten zeige auf, dass es sich um jeweils eigenständige Regelungen handle, nicht um solche, die aufeinander Bezug nähmen. Auch der Erwägungsgrund Nr. 35 Satz 2 spreche für diese Auslegung, weil nach Art. 47 der EU-Grundrechte-Charta jede Person sich beraten, verteidigen und vertreten lassen können soll.
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Die im Rahmen des § 12a AsylG durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) angebotene Beratung sei eine reine Verfahrensberatung, meist in abstrakter Form, und gehe nicht auf die individuellen Besonderheiten des Einzelfalls ein. Das in Art. 47 EU-Grundrechte-Charta normierte Recht auf Rat werde durch das Zugangsrecht in Art. 18 Abs. 2 Buchst. c EU-Aufnahme-RL umgesetzt.
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Der Kläger habe auch aus deutschem Recht ein Zugangsrecht aufgrund der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 1 Abs. 1 GG. Zugangsregelungen auch im Rahmen des Hausrechts müssten die Rechte der Betroffenen berücksichtigen und dem Verhältnismäßigkeitsgebot genügen. Das verlange eine umfassende Interessenabwägung. Bei den streitgegenständlichen Aufnahmeeinrichtungen handle es sich primär um Wohneinrichtungen. Art. 13 GG greife für die Untergebrachten ein. Die sonstigen Zwecke, wie die Beschleunigung des Verfahrens, die Verfügbarkeit der Asylbewerber und die Kostenreduzierung rechtfertigten kein Zugangsverbot für Dritte. Sicherheitsrechtliche Aspekte rechtfertigten die Notwendigkeit von Kontrollen, Auflagen, Absprachen etc., trügen aber ebenso wie das Ruhebedürfnis der Untergebrachten kein generelles Verbot. Der Organisationsaufwand für den Beklagten sei überschaubar. In der Gesamtabwägung könne dies nicht zu einem Zugangsverbot führen; dabei sei auch zu bedenken, dass einzelne Personengruppen wie die besonders Schutzbedürftigen oder Analphabeten oder sonst mit „Verwaltungsdingen“ nicht vertraute Menschen in höherem Maße auf Hilfe angewiesen seien. Die staatliche Asylverfahrensberatung des Bundesamts könne eine unabhängige Beratung durch Dritte nicht ersetzen, zumal der Gesetzgeber in § 12a AsylG eine Asylverfahrensberatung durch Wohlfahrtsverbände vorgesehen habe. Ungeachtet der Frage, ob als Wohlfahrtsverbände nur die sogenannten „großen“ Wohlfahrtsverbände gemeint seien oder dieser Begriff wie im SGB XII weit auszulegen sei, verdeutliche diese Regelung, dass Beratungsbedarf anerkannt werde und von Wohlfahrtsverbänden durchgeführt werden dürfe. Die Asylverfahrensberatung, die der Kläger vornehme, werde von anderen Wohlfahrtsverbänden nicht geleistet. Der Kläger habe daher wenigstens Anspruch auf Zugang im geltend gemachten zeitlichen Umfang von ca. zwei Stunden wöchentlich pro Einrichtung; das entspreche auch der bisherigen 17-jährigen Praxis.
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Der Beklagte tritt der Berufung des Klägers entgegen und erhebt Anschlussberufung. Er beantragt,
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die Berufung des Klägers zurückzuweisen und das Urteil des Verwaltungsgerichts dahingehend abzuändern, dass die Klage insgesamt (soweit nicht erledigt) abgewiesen wird.
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Das Verwaltungsgericht habe einen Anspruch aus Art. 18 Abs. 2 Buchst. c EU-Aufnahme-RL zutreffend verneint. Der Hinweis des Klägers auf Art. 10 Abs. 4 Satz 1 der Richtlinie gehe fehl; die Vorschrift regle Haftbedingungen, also die Kontaktaufnahme mit Menschen, die eine Haftanstalt nicht verlassen könnten und regelmäßig auch nicht über Kommunikationsmittel verfügten, die eine Mandatierung ermöglichten. Die Situation sei mit der von Asylbewerbern in den Aufnahmeeinrichtungen auch nicht ansatzweise vergleichbar. Art. 18 Abs. 2 Buchst. b EU-Aufnahme-RL lege fest, dass Antragsteller die Möglichkeit haben sollten, mit Nichtregierungsorganisationen in Verbindung zu treten. Die Norm regele mithin die Kontaktaufnahme von Antragstellern zu Nichtregierungsorganisationen. Art. 18 Abs. 2 Buchst. c EU-Aufnahme-RL knüpfe an diese Mandatierung an. Art. 10 Abs. 4 Satz 1 der Richtlinie zeige damit gerade einen Gegensatz zu Art. 18 Abs. 2 Buchst. c EU-Aufnahme-RL auf und unterstreiche die Argumentation, wonach die letztgenannte Norm kein anlassloses Zugangsrecht gewähre. Vielmehr bestehe nach der „Acte-claire-Theorie“ kein vernünftiger Zweifel daran, dass ein anlassloses Zugangsrecht zu den in Aufnahmeeinrichtungen untergebrachten Personen durch Art. 18 EU-Aufnahme-RL gerade nicht vermittelt werde. Ein Zugangsrecht ergebe sich auch nicht aus nationalem Recht. Vor dem Hintergrund des Hausrechts des Beklagten könne der Kläger allenfalls einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über eine Zufahrts- bzw. Zugangsgewährung haben.
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Die Ermessenserwägungen, aufgrund derer der Beklagte die Einfahrt des Infobusses in die oberbayerischen Erstaufnahmeeinrichtungen zum Zwecke einer im Bus erfolgenden Asylverfahrensberatung verweigert habe, hielten einer rechtlichen Überprüfung stand. Sie beruhten nicht auf sachfremden Erwägungen, sondern entsprächen materiell dem Sachlichkeitsgebot. Der Kläger habe daher keinen Anspruch auf Neuverbescheidung unbeschadet der Frage, ob eine solche überhaupt im Rahmen schlichten Verwaltungshandelns erfolgen könne oder ob, weil der Zufahrtsgewährung eine Entscheidung hierüber vorausgehe, das Regelungsinstrument des Verwaltungsakts einschlägig wäre. Die Zufahrtspraxis sei bisher uneinheitlich gewesen und habe Aufnahmeeinrichtungen außerhalb M. nicht erfasst. Die Zufahrt des Infobusses auf das Gelände der Münchner Einrichtungen sei im Wesentlichen nur im Gefolge des sehr hohen Migrantenzustroms in den Jahren 2015 bis 2017 zugelassen worden. Bei den Einrichtungen in F. und I. habe eine solche Zufahrtsmöglichkeit nie bestanden. Eine lang andauernde Praxis hinsichtlich der Ausübung des Ermessens liege daher nicht vor. Davon unabhängig könne der Beklagte eine solche auch ändern. Eine Vereinheitlichung sei ohne weiteres sachgerecht, beuge sie doch dem Vorwurf willkürlich unterschiedlicher Behandlung bei den einzelnen Einrichtungen vor. Auch eine unsachliche Ungleichbehandlung mit anderen Organisationen liege nicht vor. Der Beklagte wolle spezielle externe Hilfsangebote für typischerweise vulnerable Personengruppen ermöglichen. Dies betreffe etwa den Adressatenkreis von psychosozialen Beratungen, Schwangerschaftsberatungen oder auch Beratungen von Frauen, die Opfer von Menschenhandel geworden seien. Eine Asylverfahrensberatung erstrecke sich nicht auf einen vulnerablen Personenkreis, sondern auf alle Asylbewerber. Die Fokussierung auf einen typischerweise vulnerablen Personenkreis sei ein sachliches Differenzierungskriterium für die Zugangsgewährung. Weitergehenden Beratungsbedarf könne der Kläger für alle Asylbewerber innerhalb der Einrichtung durch eine Mandatierung und außerhalb der Einrichtung anlasslos abdecken. Das Verwaltungsgericht stelle lediglich fest, dass der Beklagte eine Vielzahl von Regelungen der EU-Asylverfahrensrichtlinie und der EU-Aufnahmerichtlinie und deren Stellenwert verkannt habe. Nähere Erläuterungen hierzu fehlten. Mit einer Begrenzung des Zugangs lasse sich die Sicherheit in der Einrichtung erhöhen. Die Zurverfügungstellung von Räumlichkeiten verursache einen zusätzlichen Aufwand, den der Beklagte vermeiden wolle. Auch das Ruhebedürfnis der Asylbewerber sei in den Blick zu nehmen.
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Der Kläger repliziert und erwidert zur Anschlussberufung mit Schriftsätzen vom 9. März und 6. Juli 2021. Er beantragt,
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die Anschlussberufung des Beklagten zurückzuweisen.
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Die Differenzierung des Beklagten bezogen auf Abschiebungshäftlinge sei nicht überzeugend. Hätte der Gesetzgeber bei Art. 18 Abs. 2 Buchst. b EU-Aufnahme-RL im Gegensatz zu Art. 10 Abs. 4 EU-Aufnahme-RL ein anlassloses Zugangsrecht ausschließen wollen, hätte er das normiert. Im Übrigen hätten auch Abschiebungshäftlinge die Möglichkeit zu telefonischen Kontakten mit der Außenwelt. Die Systematik des Art. 18 Abs. 2 Buchst. b und Abs. 2 Buchst. c EU-Aufnahme-RL spreche für die Auslegung des Klägers. Engen Verwandten und anerkannten Nichtregierungsorganisationen werde im Gegensatz zu den anderen in Abs. 2 Buchst. b genannten Verwandten ein eigenständiges Besuchsrecht eingeräumt. Im Gegensatz zu Nichtregierungsorganisationen nach Absatz 2 Buchst. c müssten solche nach Abs. 2 Buchst. b. nicht anerkannt sein. Das mache nur Sinn, wenn den anerkannten Organisationen ein eigenes Recht, nämlich das Zugangsrecht, gewährt werden solle. Letztere erhielten auch nur das Recht auf Zugang, „um den Antragstellern zu helfen“ und nicht zu sonstigen Zwecken. Für ein eigenständiges Zugangsrecht spreche ferner die Tatsache, dass in Aufnahmeeinrichtungen auch Personen mit besonderen Bedürfnissen untergebracht seien. Gerade besonders schutzbedürftige und traumatisierte Personen seien nicht imstande, eigenständig um Hilfe nachzusuchen. Diese hätten nach Art. 21, Art. 22 und dem Erwägungsgrund Nr. 14 EU-Aufnahme-RL sowie nach Art. 2, Art. 23 Abs. 2 Asylverfahrens-RL Anspruch auf besondere Unterstützung.
42
Ein Zugangsrecht ergebe sich auch aus dem neu eingefügten § 12a AsylG. Der Vollständigkeit halber weist der Kläger zunächst darauf hin, die Regelung sei europarechtswidrig, weil sie Art. 26 Abs. 2 Satz 2 EU-Aufnahme-RL nicht ausreichend umsetze. Die Beratung durch Mitarbeiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge sei nicht ausreichend, da diese als Vertreter der Beklagten auch Entscheider seien. Art. 12a Satz 4 AsylG enthalte die Aussage, dass die Asylbewerber in Einzelgesprächen eine individuelle Asylverfahrensberatung erhielten, die entweder durch das Bundesamt oder durch Wohlfahrtsverbände durchgeführt werde. Der Kläger sei ein solcher Wohlfahrtsverband. Der Begriff sei gesetzlich nicht definiert. Auch im Bereich von § 11 Abs. 5 SGB XII werde der Begriff weit ausgelegt. Der Kläger könne sich auf diese Rechtsgrundlage berufen. Die anderen Wohlfahrtsverbände würden sich schwerpunktmäßig mit der sozialen Situation der Betroffenen befassen und Rechtsrat nur am Rande, sozusagen als Beigabe leisten. Tatsache sei darüber hinaus, dass nicht in allen streitgegenständlichen Aufnahmeeinrichtungen eine Beratung durch das Bundesamt und in manchen Einrichtungen nur sehr eingeschränkt durch die Wohlfahrtsverbände stattfinde. Wenn die vom Gesetz grundsätzlich vorgesehene Rechtsberatung aber nicht oder nur sehr eingeschränkt angeboten werde, dürfe es dem Kläger nicht verwehrt werden, dies unentgeltlich zu übernehmen. Die Ermessensentscheidung des Beklagten durch das 2018 ausgesprochene Verbot sei aufgrund des Erlasses des § 12a AsylG rechtswidrig. Auch Vertrauensschutzaspekte seien zu berücksichtigen.
43
Der Beklagte weist hierzu darauf hin, dass die Formulierungen in Art. 18 Abs. 2 Buchst. b und Art. 18 Abs. 2 Buchst. c EU-Aufnahme-RL nach seiner Auffassung nicht bedeuteten, dass es für jeden „Verbindungsadressaten“ ein Zugangsrecht gebe. Vielmehr sei dieser Zugang innerhalb der Einrichtungen - immer nach vorheriger Kontaktaufnahme seitens des Antragstellers - in persönlicher (z.B. Beschränkung auf „enge“ Verwandte) und sachlicher Hinsicht (nur zur Hilfeleistung) nach Maßgabe des Art. 18 Abs. 2 Buchst. c EU-Aufnahme-RL eingeschränkt. Diesen Befund unterstreiche der Vergleich von Art. 18 Abs. 2 Buchst. b und c mit Art. 10 Abs. 4 Satz 1 EU-Aufnahme-RL. In Haft befindlichen Personen sei es nicht ohne weiteres möglich, Kontakt nach außen aufzunehmen. Insoweit bestehe ein Besuchsrecht ohne vorgängige Kontaktaufnahme seitens des Antragstellers.
44
Auf Anfrage des Senats zum mit Wirkung vom 21. August 2019 neu in das Asylgesetz eingefügten § 12a ergänzte der Beklagte, Art. 12a Satz 4 AsylG umschreibe den Kreis der Berater im Sinne von Art. 18 Abs. 2 Buchst. c EU-Aufnahme-RL. Berater seien Wohlfahrtsverbände. Der Normgeber knüpfe damit an die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege an (vgl. Art. 5 Abs. 5, Art. 11 Abs. 5 SGB XII). Um eine Konturlosigkeit zu vermeiden, gehörten zu diesen nur Organisationen, die zu einem sogenannten Spitzenverband der Freien Wohlfahrtspflege zusammengeschlossen seien. Nur dieses enge Verständnis ermögliche auch die vom Normgeber vorgesehene Entwicklung und den vorgesehenen Austausch gemeinsamer Beratungsstandards (BT-Drs. 19/10706, S. 15). Die bloße (steuerliche) Gemeinnützigkeit einer freien Einrichtung reiche für die Erfüllung der Begrifflichkeit eines Wohlfahrtsverbands nicht aus. Der Kläger sei demnach kein Berater im Sinne des Art. 18 Abs. 2 Buchst. c EU-Aufnahme-RL.
45
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Kläger klargestellt, dass er sowohl Asylverfahrensberatung wie auch Rechtsberatung im Sinn des Rechtsdienstleistungsgesetzes durchführt. Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die vorgelegte Behördenakte und die Gerichtsakten beider Instanzen einschließlich der Protokolle über die mündliche Verhandlung des Verwaltungsgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

46
Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf anlasslose Zufahrt mit dem sog. Infobus und auf anlasslosen Zugang seiner Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu den Aufnahmeeinrichtungen des Beklagten (hierzu I.). Die Entscheidung des Beklagten, dem Kläger keine Zufahrt mit dem Infobus und keinen anlasslosen Zugang zu gewähren, ist rechtsfehlerfrei erfolgt, sodass der Kläger weder einen Anspruch auf Aufhebung der Versagungsentscheidungen des Beklagten noch einen Anspruch auf Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Entscheidungen, noch Anspruch auf Neuentscheidung durch den Beklagten hat (hierzu II.). Der Anschlussberufung des Beklagten war daher stattzugeben.
47
I. Ein Anspruch des Klägers auf Zufahrt mit dem Infobus und auf Zugang zu den Aufnahmeeinrichtungen des Beklagten, ohne von einer dort untergebrachten Person mandatiert worden zu sein, besteht nicht. Ein solcher Anspruch ergibt sich weder aus nationalem Recht noch aus Vorschriften der Europäischen Union.
48
1. Aus nationalem Recht, insbesondere aus Art. 12a AsylG ergibt sich der geltend gemachte Anspruch auf Zugang des Klägers zu den Anker-/Aufnahmeeinrichtungen des Beklagten (im Folgenden: Aufnahmeeinrichtungen) aus mehreren Gründen nicht.
49
a) Die Vorschrift wurde durch Gesetz vom 15. August 2019 (BGBl I S. 1294/1302) mit Wirkung zum 21. August 2019 hauptsächlich in Umsetzung von Art. 19 und 21 Asylverfahrens-RL neu in das Asylgesetz eingeführt. Sie lautet:
50
„Das Bundesamt führt eine für die Asylsuchenden freiwillige, unabhängige staatliche Asylverfahrensberatung durch. Diese erfolgt in zwei Stufen. Auf der ersten Stufe werden allen Asylsuchenden vor Antragstellung in Gruppengesprächen Informationen zum Ablauf des Asylverfahrens sowie zu Rückkehrmöglichkeiten zur Verfügung gestellt. Auf der zweiten Stufe erhalten alle Asylsuchenden in Einzelgesprächen eine individuelle Asylverfahrensberatung, die durch das Bundesamt oder durch Wohlfahrtsverbände durchgeführt wird.“
51
aa) Der Kläger könnte den eingeklagten Anspruch, auch Rechtsberatung anzubieten, selbst dann nicht aus § 12a AsylG herleiten, wenn - wie nicht - die übrigen Voraussetzungen der Regelung erfüllt wären. Unter Asylverfahrensberatung i.S.d. § 12a AsylG sind auf der ersten Stufe allgemeine Erläuterungen zum Ablauf des Asylverfahrens und zu den Rechten und Pflichten der Antragsteller zu verstehen. Auf der zweiten Stufe der Asylverfahrensberatung geht es um Verfahrensabläufe konkret auf den jeweiligen Antragsteller bezogen, z.B. hinsichtlich individueller Hinweise des Bundesamts, betreffend Mitwirkungspflichten etc. Hiervon zu unterscheiden ist die Rechtsberatung im Sinne einer Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, die eine rechtlichen Prüfung des Einzelfalles erfordert (vgl. § 2 Abs. 1 RDG). Der Kläger hat klargestellt, dass er nicht nur Asylverfahrensberatung, sondern auch Rechtsberatung leistet und leisten will, was nachvollziehbar ist, weil die Übergänge zwischen beiden Beratungsarten fließend sein können. Zur unentgeltlichen Rechtsberatung sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Klägers unter den Voraussetzungen von § 6 Abs. 2 RDG auch grundsätzlich berechtigt, jedoch nicht unter Berufung auf § 12a AsylG. § 12a AsylG regelt bei europarechtskonformem Verständnis nur die Asylverfahrensberatung im dargestellten Sinn, wie sie in Art. 19 Asylverfahrens-RL geregelt ist. Die vom Kläger vermutete Europarechtswidrigkeit bezogen auf Art. 26 Abs. 2 Satz 2 EU-Aufnahme-RL und wegen eines etwaigen Interessenkonflikts der Mitarbeiter des Bundesamts als gleichzeitige Entscheider liegt daher nicht vor. Gemäß Art. 21 Abs. 1 Asylverfahrens-RL kann die Beratung im Sinne von Art. 19 der Richtlinie vor allem Fachkräften von Behörden übertragen werden; im Falle der Rechtsberatung wäre das nicht zulässig (vgl. Art. 21 Abs. 2, Art. 22 Asylverfahrens-RL).
52
bb) Der Kläger als Nichtregierungsorganisation ist kein Wohlfahrtsverband im Sinne von § 12a AsylG. Die Regelung knüpft nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 19/10706 S. 15) an die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege an und meint damit nur solche Verbände, die zu den Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege zusammengeschlossen sind. Hierfür spricht auch die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Ulla Jelpke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE zur unabhängigen Verfahrensberatung vom 26. Mai 2020 (BT-Drs. 19/19535 S. 3). Danach sind Wohlfahrtsverbände im Sinne des § 5 SGB XII wie auch im Sinne des § 12a AsylG Verbände der freien Wohlfahrtspflege. Wenn nach der Gesetzesbegründung Beratungsstandards zwischen Bundesamt und Wohlfahrtsverbänden zur Sicherstellung einer einheitlichen Beratungsqualität ausgetauscht und gemeinsam weiterentwickelt werden sollen, erfordert dies eine überörtliche Koordinierung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und den entsprechenden Spitzenverband der Freien Wohlfahrtspflege. Da der Kläger nicht den Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege angehört, ist eine zentrale Festlegung auf eine einheitliche Beratungsqualität mit ihm nicht möglich. Aus der zitierten Antwort der Bundesregierung (a.a.O., S. 12) ergibt sich im Übrigen, dass das Bundesamt im Rahmen des Pilotprojekts „Asylverfahrensberatung“ aus dem Jahr 2017 in Zusammenarbeit mit drei Wohlfahrtsverbänden erste Standards in Bezug auf Qualifikation, Qualifizierung, Umsetzung und Inhalt entwickelt hat.
53
In der Kommentarliteratur (vgl. Funke-Kaiser in GK-AsylVfG, a.a.O., § 12a Rn. 5 ff.) wird im Übrigen die Auffassung vertreten, dass Beratung durch Wohlfahrtsverbände stets Rechtsberatung sei (vgl. auch Behrens, Asylmagazin 2020, S. 5 ff). Dies ist aber mit Blick auf ein europarechtskonformes Verständnis von § 12a AsylG abzulehnen.
54
cc) Selbst, wenn man den Kläger als Wohlfahrtsverband ansehen wollte, könnte er aus § 12a AsylG keinen Anspruch herleiten. Aus dem Wortlaut der Vorschrift und der amtlichen Gesetzesbegründung wird deutlich, dass Anspruch auf Asylverfahrensberatung allenfalls die Asylsuchenden haben (vgl. Funke-Kaiser in GK-AsylVfG, Stand: Nov. 2019, II - § 12a Rn 10 m.w.N.), und zwar nur dann, wenn entsprechende Wohlfahrtsverbände, die diese Beratung anbieten, auch zur Verfügung stehen. Den Wohlfahrtsverbänden wird durch diese Vorschrift kein Recht auf Durchführung einer Asylverfahrensberatung eingeräumt (ebenso die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage von Bundestagsabgeordneten zur unabhängigen Asylverfahrensberatung, BT-Drs. 19/19535 S. 7).
55
dd) Weiter wird durch § 12a AsylG kein anlassloses Zugangsrecht für Wohlfahrtsverbände zu den Aufnahmeeinrichtungen des Beklagten geregelt. Zwar wird in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 19/10706 S. 15) ausgeführt, dass den Wohlfahrtsverbänden für die Durchführung der Beratung grundsätzlich Räumlichkeiten und Sachmittel zur Verfügung gestellt sowie der Zugang zur Aufnahmeeinrichtung gewährleistet werden soll, soweit dies erforderlich ist. Hiervon kann aber mit entsprechenden Ermessenserwägungen abgewichen werden. Die Ermessensausübung des Beklagten, Zugang und ggfs. Räumlichkeiten nur dann zu gewährleisten, wenn ein Asylsuchender den Kläger zur Asylverfahrens-/Rechtsberatung mandatiert hat, und im Übrigen nur solchen Organisationen und Helfern Zugang zu ermöglichen, bei deren Hilfeleistung soziale Aspekte im Vordergrund stehen, ist nicht zu beanstanden. Denn Asylverfahrens- und Rechtsberatung kann an jedem Ort stattfinden, den die Asylsuchenden zumutbar erreichen können. Auch findet ein Anspruch darauf, anlasslos Beratung anzubieten, keine Stütze im Gesetz. Eine Beratung durch Wohlfahrtsverbände geschieht nach der Gesetzesbegründung nur auf Wunsch des Asylsuchenden (vgl. Funke-Kaiser in GK-AsylVfG, a.a.O., § 12a Rn. 16). Das entspricht der Asylverfahrens-RL. Nach deren Art. 19 Abs. 1 Satz 1 gewährleisten die Mitgliedstaaten in den erstinstanzlichen Verfahren, dass den Antragstellern auf Antrag unentgeltlich rechts- und verfahrenstechnische Auskünfte erteilt werden; dazu gehören mindestens Auskünfte zum Verfahren unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Antragstellers.
56
Äußert eine asylsuchende Person den Wunsch zur Asylverfahrensberatung durch eine (zur Verfügung stehende) Organisation, wird der Zugang nach der Klarstellung durch den Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ohnehin gewährt und eine Räumlichkeit für die Beratung zur Verfügung gestellt. Im Übrigen können nach Art. 21 Abs. 1 Asylverfahrens-RL die Mitgliedstaaten vorsehen, dass neben Nichtregierungsorganisationen auch Fachkräfte von Behörden oder spezialisierte staatliche Stellen die unentgeltlichen rechts- und verfahrenstechnischen Auskünfte gemäß Art. 19 der Richtlinie übernehmen.
57
b) Die aus Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG hergeleitete allgemeine Handlungsfreiheit vermittelt ebenfalls keinen Anspruch auf Zugang des Klägers zu den Aufnahmeeinrichtungen des Beklagten. Auf Art. 1 Abs. 1 GG kann sich der Kläger als juristische Person bereits nicht berufen (vgl. Art. 19 Abs. 3 GG). Im Übrigen kann ein Leistungsanspruch unmittelbar aus dem Freiheitsgrundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG nur in absoluten Ausnahmefällen hergeleitet werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG U.v. 11.4.2017 - 1 BvR 452/17 - NJW 2017, 2096 ff. - juris Rn.22 m.w.N.) ist z.B. ein verfassungsunmittelbarer Anspruch auf Krankenversorgung zu bejahen, wenn in Fällen einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung vom regulären Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung umfasste Behandlungsmethoden nicht vorliegen und die vom Versicherten gewählte andere Behandlungsmethode eine auf Indizien gestützte, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbar positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf verspricht. Mit Blick auf den Ausnahmecharakter dieser Grundsätze ist es allerdings laut Bundesverfassungsgericht schon nicht geboten, sie auf Erkrankungen zu erstrecken, die wertungsmäßig mit lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankungen vergleichbar sind. Eine ähnliche Konstellation ist hier nicht im Ansatz zu erkennen oder dargelegt. Der allgemeinen Handlungsfreiheit des Klägers steht im Übrigen das Hausrecht des Beklagten für seine Aufnahmeeinrichtungen entgegen. Dieses Hausrecht gehört zur verfassungsmäßigen Ordnung und schränkt insoweit die allgemeine Handlungsfreiheit verhältnismäßig ein.
58
2. Auch aus Europarecht, nämlich insbesondere aus Art. 18 Abs. 2 Buchst. c EU-Aufnahme-RL ergibt sich kein Anspruch des Klägers auf anlasslosen Zugang zu den Aufnahmeeinrichtungen des Beklagten. Diese Richtlinienbestimmung ist nicht, oder jedenfalls nicht in ausreichendem Maße, in nationales Recht umgesetzt worden. Soweit sie hinreichend bestimmt ist, ist sie nach Ablauf der Umsetzungsfrist unmittelbar anwendbares Recht in der Bundesrepublik Deutschland (vgl. grundlegend EuGH U.v. 26.2.1986 - C-152/84 Slg. 1986, 723f. - juris Rn.46).
59
a) Art. 18 Abs. 2 Buchst. c EU-Aufnahme-RL ist unmittelbar anwendbar. Die Frist für die Umsetzung der EU-Aufnahme-Richtlinie ist am 20. Juli 2015 abgelaufen (vgl. Art. 31 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie), ohne dass der deutsche Gesetzgeber entsprechendes nationales Recht erlassen hätte. Weder die Regelung in § 47 Abs. 4 AsylG, wonach die Aufnahmeeinrichtung dem Asylsuchenden mitteilt, wer ihm Rechtsbeistand gewähren könnte und welche Vereinigung ihn über seine Unterbringung und medizinische Versorgung beraten könnte, noch § 12a AsylG stellen eine (vollständige) Umsetzung von Art. 18 Abs. 2 Buchst. c EU-Aufnahme-RL dar.
60
Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs können Bestimmungen einer Richtlinie, die inhaltlich als unbedingt und hinreichend genau erscheinen, vom Einzelnen vor den nationalen Gerichten dem Mitgliedstaat gegenüber geltend gemacht werden (vgl. U.v. 6.3.2014 - C-595/12 - juris Rn. 46 m.w.N). Auch wenn eine Richtlinie den Mitgliedstaaten einen Gestaltungsspielraum belässt, kann gleichwohl den einzelnen nicht versagt werden, sich auf diejenigen Regelungen zu berufen, die angesichts ihres Gegenstands geeignet sind, aus dem Gesamtzusammenhang gelöst und gesondert angewendet zu werden (vgl. EuGH, U.v. 19.1.1982 Becker - 8/81 - juris Rn. 29).
61
Eine in diesem Sinne hinreichend genaue und unbedingte Bestimmung muss geeignet sein, unmittelbare Wirkung zu entfalten, ohne dass es zu ihrer Ausführung einer weiteren Rechtsvorschrift bedarf. Einer hinreichenden Genauigkeit steht es nicht entgegen, dass die Bestimmung unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet oder weit gefasst ist (vgl. W. Schroeder in Streinz, EUV/AEUV, 3. Aufl. 2018 Art. 288 Rn. 93).
62
Nach diesen Maßgaben ist von einer unmittelbaren Anwendbarkeit von Art. 18 Abs. 2 Buchst. c EU-Aufnahme-RL auszugehen. Weder die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe noch der Regelungskontext hindern eine unmittelbare Anwendung, denn die Vorschrift enthält bei Auslegung nach Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck ausreichend klare Befehle an den Rechtsanwender, ohne dass es weiterer dazwischengeschalteter Rechtssetzungsakte bedürfte. Zwar darf der Zugang nach Art. 18 Abs. 2 Buchst. c Satz 2 EU-Aufnahme-RL aus Gründen der Sicherheit der betreffenden Räumlichkeiten und der Antragsteller eingeschränkt werden. Diese Einschränkung kann jedoch ohne weiteren Umsetzungsakt in nationales Recht bei der Rechtsanwendung im Einzelfall zur Geltung gebracht werden, wie auch die Hausordnung des Beklagten zeigt.
63
b) Bei unmittelbarer Anwendung ergibt sich aus Art. 18 Abs. 2 Buchst. c EU-Aufnahme-RL kein Anspruch des Klägers auf anlasslosen Zugang zur Beratung Asylsuchender.
64
aa) Art. 18 Abs. 2 Buchst. c EU-Aufnahme-RL kann nicht isoliert betrachtet werden, sondern ist Teil des Regelungssystems der EU-Aufnahme-Richtlinie und in Zusammenhang mit deren 21. Erwägungsgrund, Art. 5 und Art. 18 Abs. 2 Buchst. b EU-Aufnahme-RL zu sehen. Gemäß dem 21. Erwägungsgrund sollen Informationen über Hilfsorganisationen und Personengruppen bereitgestellt werden, damit die Verfahrensgarantien, d. h. Gelegenheit zur Kontaktaufnahme mit Organisationen oder Personengruppen, die Rechtsberatung leisten, sichergestellt sind. Art. 5 Unterabs. 2 EU-Aufnahme-RL bestimmt, dass die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen, dass die Antragsteller Informationen darüber erhalten, welche Organisationen oder Personengruppen einschlägige Rechtsberatung leisten und welche Organisationen ihnen im Zusammenhang mit den im Rahmen der Aufnahme gewährten Vorteilen, einschließlich medizinischer Versorgung, behilflich sein oder sie informieren können. Nach Art. 18 Abs. 2 Buchst. b EU-Aufnahme-RL tragen die Mitgliedstaaten dafür Sorge, dass Antragsteller die Möglichkeit haben, mit Verwandten, Rechtsbeistand oder Beratern, Personen, die den UNHCR vertreten, und anderen einschlägig tätigen nationalen und internationalen Organisationen sowie Nichtregierungsorganisationen in Verbindung zu treten. Gemäß Art. 18 Abs. 2 Buchst. c EU-Aufnahme-RL schließlich tragen die Mitgliedstaaten dafür Sorge, dass Familienangehörige, Rechtsbeistand oder Berater, Personen, die den UNHCR vertreten, und einschlägig tätige von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannte Nichtregierungsorganisationen Zugang erhalten, um den Antragstellern zu helfen. Der Zugang darf nur aus Gründen der Sicherheit der betreffenden Räumlichkeiten oder der Antragsteller eingeschränkt werden.
65
Dieses aufeinander aufbauende Regelungssystem, bestehend aus den drei Stufen Information, Kontaktaufnahme und Zugang zu Beratungs- und Hilfeleistungen belegt, dass die EU-Aufnahme-Richtlinie lediglich den Zugang von Personen und Organisationen ermöglicht, mit denen der einzelne Asylsuchende zuvor Kontakt aufgenommen hat und deren Unterstützung er wünscht.
66
(1) Dem steht nicht entgegen, dass der Kreis derjenigen, mit denen der Antragsteller gemäß Art. 18 Abs. 2 Buchst. b EU-Aufnahme-RL in Kontakt treten darf, größer ist als der Kreis der nach Art. 18 Abs. 2 Buchst. c EU-Aufnahme-RL Zugangsberechtigten. Der Kreis derjenigen, mit denen nach Buchstabe b eine Kontaktaufnahme ermöglicht werden soll, umfasst „Verwandte“, wohingegen Zugang im Sinne von Buchstabe c „Familienangehörige“ erhalten. Diese Differenzierung zwingt, entgegen der Auffassung des Klägers, nicht dazu, Art. 18 Abs. 2 Buchst. c EU-Aufnahme-RL isoliert zu betrachten. Falls die beiden Begriffe nicht, wie es immerhin der Duden vorschlägt (https://www.duden.de/rechtschreibung/Verwandte), ohnehin synonym gebraucht werden, kann die Differenzierung einer sachlichen Deutung zugeführt werden: Mit dem weiteren Kreis der „Verwandten“, auch denen, die sich evtl. gar nicht in der Bundesrepublik aufhalten, darf der Antragsteller gemäß Art. 18 Abs. 2 Buchst. b EU-Aufnahme-RL in Kontakt treten, was nachvollziehbar etwa dazu dienen kann, sich im Herkunftsland verbliebene Dokumente nachsenden zu lassen oder nach dem Verbleib anderer Personen zu fragen. Die Schnittmenge der „Familienangehörigen“, d.h. der zur Kernfamilie zählenden Personen, erhält nach Art. 18 Abs. 2 Buchst. c ausdrücklich Zugang, auch weil von diesem Personenkreis am ehesten erwartet werden kann, dass er sich mit dem Antragsteller gemeinsam in Deutschland befindet. Dass z.B. auch Ehepartnern nur nach vorheriger Kontaktaufnahme Zugang gewährt wird, ändert nichts am Ergebnis, denn es kann, auch zum Schutz des Antragstellers, nicht ohne Weiteres davon ausgegangen werden, dass Ehepartner oder andere sehr enge Angehörige ohne oder - z.B. bei vorangegangener häuslicher Gewalt - gegen den Willen des Betroffenen Zugang zur Aufnahmeeinrichtung erhalten sollen.
67
(2) Auch der Wortlaut der Vorschrift „um den Antragstellern zu helfen“ spricht dafür, dass das Zugangsrecht nach Art. 18 Abs. 2 Buchst. c EU-Aufnahme-RL nicht unabhängig davon besteht, ob die Antragsteller sich helfen lassen wollen. Hätte der Richtliniengeber Dritten ein solches Recht gewähren wollen, hätte es nahegelegen, die Formulierung „um den Antragstellern ihre Hilfe anzubieten“ zu wählen. Dass die in der Vorschrift erwähnten Dritten das Recht auf Zugang haben sollen, um dafür werben zu können, dass die Asylsuchenden ihre Hilfe in Anspruch nehmen, kommt in der Vorschrift nicht zum Ausdruck. Zutreffend weist das Verwaltungsgericht in seinem Urteil darauf hin, dass auch ein Vergleich der deutschen mit der französischen, englischen, spanischen oder italienischen Sprachfassung der Richtlinie nichts Anderes ergibt.
68
(3) Der Vergleich mit Art. 10 EU-Aufnahme-RL, der die Bedingungen für Asylsuchende in Hafteinrichtungen regelt, führt entgegen der Auffassung des Klägers zu keinem anderen Verständnis des Art. 18 Abs. 2 Buchst. c EU-Aufnahme-RL. Nach den Absätzen 3 und 4 des Art. 10 EU-Aufnahme-RL haben die dort genannten Personen und Organisationen zwar gerade das Recht, mit den Abschiebungshäftlingen Verbindung aufzunehmen und sie besuchen zu können. Ein sachlicher Grund für diese Differenzierung liegt jedoch in der Notwendigkeit, die Überprüfung der Einhaltung von nationalen oder europarechtlichen Vorschriften über die Unterbringung und die Rechte von Inhaftierten sicherzustellen. Auch ist die Möglichkeit der Kontaktaufnahme Inhaftierter nach außen strenger reglementiert. Das kann auf Aufnahmeeinrichtungen, die die Asylsuchenden verlassen, in denen sie sich frei bewegen, mit Dritten Verbindung aufnehmen und sich besuchen lassen können, nicht übertragen werden.
69
(4) Schließlich ist auch in diesem Zusammenhang auf Art. 19 Abs. 1 Satz 1 Asylverfahrens-RL hinzuweisen. Nach dieser Vorschrift gewährleisten die Mitgliedstaaten in den erstinstanzlichen Verfahren, dass den Antragstellern auf Antrag unentgeltlich rechts- und verfahrenstechnische Auskünfte erteilt werden; dazu gehören mindestens Auskünfte zum Verfahren unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Antragstellers. Auslöser für die Asylverfahrensberatung durch Wohlfahrtsverbände und sonstige Nichtregierungsorganisationen ist daher ebenso wie nach § 12a AsylG stets der Wunsch der Asylsuchenden.
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(5) Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass das in Art. 18 Abs. 2 Buchst. c EU-Aufnahme-RL erwähnte Zugangsrecht jedenfalls nicht das Recht beinhaltet, mit einem Kraftfahrzeug in die Aufnahmeeinrichtung einzufahren. Zwar ist der Begriff „Zugang“ weit und funktional zu verstehen und Zugang darf in der Form erfolgen, in der er zur Erreichung des jeweiligen Hilfszwecks notwendig ist. Eine Zufahrt mit einem Kraftfahrzeug ist zur Asylverfahrens- und Rechtsberatung jedoch nicht notwendig. Das mit der Zufahrt des Infobusses verbundene „Mitbringen“ eines Beratungsraums ist nicht erforderlich, weil der Beklagte zugesagt hat, im abgesprochenen Rahmen Räumlichkeiten für die Beratung zur Verfügung zu stellen.
71
bb) Nach Sinn und Zweck sowie dem Wortlaut von Art. 18 Abs. 2 Buchst. c EU-Aufnahme-RL verleiht die Vorschrift ferner allenfalls den Antragstellern Rechte, jedoch nicht dritten Personen oder Organisationen. Art. 18 EU-Aufnahme-RL regelt nach seiner Überschrift die „Modalitäten der im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen“. Im Zentrum der Regelung stehen die Rechte der Antragsteller, wozu auch ein Anspruch darauf zählt, Besuch im Rahmen des von Art. 18 Abs. 2 Buchst. c EU-Aufnahme-RL Vorgesehenen zu empfangen. Die Vorschrift enthält dagegen keinen Anhaltspunkt dafür, dass sie dritten Unterstützern davon unabhängig selbständige Rechte einräumen würde. Es geht hier insbesondere (anders als bei Hafteinrichtungen, vgl. oben 2.b) aa) (3)) nicht um eigenständige Rechte dritter Personen und Organisationen, etwa zum Zweck einer Kontrolle menschenwürdiger Unterbringung, Versorgung und Betreuung nach nationalen oder europarechtlichen Vorschriften unabhängig vom Willen der Asylsuchenden.
72
c) Die vom Kläger weiter genannten Bestimmungen der EU-Grundrechte-Charta, der EMRK, der EU-Aufnahme-RL und der Asylverfahrens-RL sowie die Erwägungsgründe zu den Richtlinien führen nicht zu einem Recht auf anlasslose Zufahrt und Zugang des Klägers und seiner Mitarbeitenden zu den Aufnahmeeinrichtungen des Beklagten oder zu einem dahingehenden Verständnis von Art. 18 Abs. 2 Buchst. b und c EU-Aufnahme-RL. In keiner dieser Vorschriften und Erwägungsgründe finden sich Anhaltspunkte dafür, dass europarechtlich ein eigenständiges anlassloses Zugangsrecht von Nichtregierungsorganisationen zu Aufnahmeeinrichtungen unabhängig vom Willen der Asylsuchenden zu gewähren ist.
73
Entscheidend ist, dass der auch europarechtlich verankerte Anspruch der Antragsteller auf Asylverfahrens- und Rechtsberatung durch die hier vertretene Auffassung nicht verkürzt wird. Das Stufensystem der EU-Aufnahme-Richtlinie ermöglicht Ihnen hinreichende Information über die bestehenden Beratungsmöglichkeiten und die Möglichkeit, entsprechende Beratung anzufordern und auch in der Aufnahmeeinrichtung in Anspruch zu nehmen. Den Beratern ist infolgedessen Zugang zur Aufnahmeeinrichtung zu gewähren. Darüber hinaus ist es den Antragstellern jederzeit möglich, außerhalb der Aufnahmeeinrichtungen Beratungsleistungen jeder Art in Anspruch zu nehmen. Den Garantien der EU-Grundrechte-Charta, der EU-Aufnahme-RL und der Asylverfahrens-RL auf Sicherstellung von Rechtsberatung, Rechtsverfolgung, ein faires Verfahren sowie Hilfe und Unterstützung ist damit auch im Hinblick auf besonders vulnerable Personen hinreichend Rechnung getragen.
74
II. Die Anschlussberufung des Beklagten hat Erfolg. Die Entscheidung des Beklagten, dem Kläger keine Zufahrt mit dem Infobus und keinen anlasslosen Zugang zu seinen Aufnahmeeinrichtungen zu gewähren, ist rechtsfehlerfrei erfolgt, sodass der Kläger weder einen Anspruch auf Aufhebung der Versagungsentscheidungen des Beklagten noch einen Anspruch auf Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Entscheidungen hat.
75
1. Das Begehren des Klägers ist insoweit als allgemeine Leistungsklage zulässig.
76
Da es sich bei den angegriffenen Versagungsentscheidungen der Regierung von Oberbayern oder der einzelnen Aufnahmeeinrichtungen um keine Verwaltungsakte handelt, ist eine Anfechtungsklage gegen diese Entscheidungen nicht statthaft.
77
a) Der Beklagte durch die Regierung von Oberbayern und durch die Verantwortlichen in den einzelnen Aufnahmeeinrichtungen hat durch seine den Zugang ablehnenden telefonischen Mitteilungen und E-Mails im Jahr 2017 sowie im Januar 2018 nicht durch Verwaltungsakte über eine generelle Versagung des Zugangs des Klägers entschieden. Wenngleich Verwaltungsakte gemäß Art. 37 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG grundsätzlich auch in mündlicher oder elektronischer Form ergehen können, spricht doch die unförmliche Art und Weise dafür, dass keine Verbindlichkeit beabsichtigt war. Auch inhaltlich handelt es sich bei den in der Akte befindlichen E-Mails um Auskünfte und den Austausch von Meinungen, aber nicht um verbindliche Regelungen; erst recht gilt das für die nicht dokumentierten Telefonate und für eine etwaige, in der mündlichen Verhandlung behauptete mündliche Zusage des damaligen Leiters der zentralen Ausländerbehörde der Regierung von Oberbayern, deren Abgabe im Übrigen bestritten wurde. Soweit damit über den Zugang des Klägers im konkreten Einzelfall befunden wurde, sind diese Entscheidungen im Übrigen ohnehin erledigt.
78
b) Auch das Schreiben der Regierung von Oberbayern vom 8. Januar 2018 stellt keinen Verwaltungsakt dar. Es handelt sich um die Antwort auf das Schreiben des Klägers vom 28. November 2017, in dem dieser die Regierungspräsidentin um Prüfung der vorausgehenden Äußerungen hinsichtlich des Zugangs des Klägers zur anlasslosen Beratung der Asylsuchenden in den Aufnahmeeinrichtungen und für den Fall des Festhaltens an der Ablehnung eines Zugangs um eine Begründung gebeten hat. Nach der Formulierung des Schreibens vom 28. November 2017 handelt es sich hierbei nicht um einen Antrag des Klägers auf Erlass eines rechtsmittelfähigen Bescheids. Vielmehr greift der Kläger die ihm entgegengehaltenen Argumente auf, setzt seine eigenen, für einen Zugang sprechenden dagegen und bittet um ein Gespräch mit der Regierungspräsidentin, um ihr die Aufgabenfelder des „Infobus für Flüchtlinge“ zu beschreiben. Für den Fall, dass sie bei ihrer ablehnenden Haltung bleiben wolle, bittet der Kläger in dem Schreiben vom 28. November 2017 um eine schriftliche Mitteilung und Begründung. Die Antwort der Regierung von Oberbayern in Gestalt des Schreibens vom 8. Januar 2018 stellt nach Form und Inhalt keinen Bescheid dar. Es enthält weder einen Tenor noch eine Rechtsmittelbelehrung. Dem Inhalt nach enthält es nur - wie vom Kläger gewünscht - eine zusammengefasste Begründung, warum an der grundsätzlichen Entscheidung der Regierung von Oberbayern als der übergeordneten Behörde, die für alle Aufnahmeeinrichtungen Oberbayerns verantwortlich ist, dem Kläger keinen allgemeinen, anlasslosen Zugang zur Beratung der Asylsuchenden insbesondere mit dem Infobus zu gewähren, festgehalten wird. Eine verbindliche Regelungswirkung ist dagegen offenkundig nicht beabsichtigt.
79
Diese Vorgehensweise verkürzt den Rechtsschutz des Klägers nicht; denn wie auch der Beklagte im Berufungsverfahren einräumt, hat der Kläger - unabhängig davon ob der Beklagte durch Verwaltungsakt oder durch schlicht hoheitliches Handeln entscheidet - in jedem Fall Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Prüfung seines Begehrens. Die gerichtliche Überprüfung findet im Rahmen einer allgemeinen Leistungsklage statt. Die Umdeutung des Antrags des Klägers auf Aufhebung der Zugangsverweigerungen in ein Feststellungsbegehren oder die Auslegung als ein solches durch das Verwaltungsgericht war nicht zulässig, da eine Feststellungsklage insoweit wegen deren Subsidiarität zur erhobenen Leistungsklage nicht statthaft ist (vgl. § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO).
80
Selbst, wenn man der gegenteiligen Auffassung folgen und in dem Schreiben des Klägers vom 28. November 2017 einen Antrag auf Erlass eines rechtsmittelfähigen Bescheids sehen würde, hätte der Kläger im Übrigen keinen Anspruch auf Erlass eines solchen Bescheids, weil der Beklagte das klägerische Begehren insgesamt durch das Schreiben vom 8. Januar 2018 und ergänzend im Laufe des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens in Ausübung seines relativ weiten Ermessens rechtsfehlerfrei abgelehnt hat.
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2. Da der Kläger keinen Anspruch auf Neuentscheidung durch den Beklagten hat, ist die Leistungsklage unbegründet. Der Anschlussberufung des Beklagten war daher stattzugeben.
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a) Besteht - wie hier - kein Rechtsanspruch auf Zugang zu einer staatlichen Einrichtung, obliegt es grundsätzlich der Wahl des Einrichtungsträgers, in welcher Form er über den Zugang Dritter entscheidet. Aufgrund seines Hausrechts als notwendigem Annex zur öffentlich-rechtlichen Sachkompetenz einer Behörde (vgl. OVG Münster U.v. 5.5.2017 - 15 A 3048/15 - juris Rn. 52) hat der öffentliche Einrichtungsträger insoweit ein weites Ermessen. Das Hausrecht für öffentliche Gebäude von Behörden folgt aus der Verantwortung der Behördenleitung für die Erfüllung der zugewiesenen Aufgaben und den ordnungsgemäßen Ablauf der Verwaltungsgeschäfte. Als Handlungsform für die Entscheidung über ein Zugangsbegehren kommt, anders als bei konkreten Hausverboten, nicht nur ein Verwaltungsakt (Art. 35 BayVwVfG), sondern auch schlichtes Verwaltungshandeln in Betracht. Bestimmungen über Zugangsrechte können, wie hier, aber auch in Hausordnungen enthalten sein. Ferner ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass eine Hausordnung auch Bestimmungen in Gestalt einer Allgemeinverfügung enthält (vgl. in diesem Sinne auch VGH BW, B.v. 28.6.2921 - 12 S 921/21 - juris Rn. 64). Am häufigsten dürften Zugangsgewährung und Zugangsverweigerung, wie hier, in der Form schlichten Verwaltungshandelns erfolgen, das in der Regel durch die Personen vor Ort, die den Zugang regeln und überwachen, entsprechend den ihnen erteilten Weisungen ausgeübt wird.
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b) Der Kläger hat, wie unter I. dargelegt, ohne konkrete Anforderung eines Antragstellers keinen Anspruch auf Zugang zu den oder Einfahrt in die Aufnahmeeinrichtungen des Beklagten. Die Entscheidung des Beklagten im Rahmen seines Hausrechts, dem Kläger keinen Zugang und keine Zufahrt zu anlassloser Beratung zu gewähren, ist angesichts des weiten Ermessensspielraums in dieser Konstellation nicht rechtsfehlerhaft; insbesondere sind entgegen dem Urteil des Verwaltungsgerichts unsachliche Erwägungen nicht ersichtlich.
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aa) Zutreffend geht das Verwaltungsgericht in seinem Urteil (UA S. 21 ff.) davon aus, dass das Bestreben der Regierung von Oberbayern, den Zugang zu den Aufnahmeeinrichtungen in Oberbayern einheitlich zu regeln, nicht zu beanstanden ist. Wie das Verwaltungsgericht ebenfalls bereits zutreffend ausgeführt hat, ist auch die grundsätzliche Entscheidung der Regierung von Oberbayern, den Zugang zu den Aufnahmeeinrichtungen auf ein Minimum zu begrenzen, nicht zu beanstanden. Angesichts der Vielzahl von Asylsuchenden aus unterschiedlichen Ländern, die in den Aufnahmeeinrichtungen untergebracht sind und dort ihren Lebensmittelpunkt haben (müssen), ist es sowohl im Hinblick auf das Ruhebedürfnis der Asylsuchenden als auch im Hinblick auf ihre Sicherheit nicht ermessensfehlerhaft, weitere Dritte, für deren Zutritt kein Bedürfnis besteht, weitestgehend vom Zugang auszuschließen.
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Nach der Hausordnung der Regierung von Oberbayern für ihre Aufnahmeeinrichtungen vom 10. August 2018 sind zutrittsberechtigt neben Polizei, Zoll und Rettungsdienst im Einsatz grundsätzlich nur Bewohner, der Betreiber, die Unterkunftsleitung sowie dauerhaft (regelmäßig eigenes Büro) in der Unterkunft Beschäftigte (insbesondere Dienstleister, Asylsozialberatung). Besuchern ist der Aufenthalt in der Unterkunft aus Sicherheitsgründen grundsätzlich nicht gestattet. Kurzfristig in der Unterkunft Beschäftigten (insbesondere Handwerker, Lieferanten, Behördenvertreter) ist Zugang zu gewähren (Nr. 3.5 der Hausordnung). Das Betreten der Unterkunft durch Vertreter der Medien zum Zwecke öffentlicher Berichterstattung ist nur mit Genehmigung der Pressestelle der Regierung von Oberbayern zulässig (Nr. 4.2).
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In einer Aufnahmeeinrichtung halten sich daher neben den Asylsuchenden noch eine Vielzahl anderer Personen auf, die zur Betreuung und Versorgung der Asylsuchenden und zur Aufrechterhaltung einer funktionsfähigen Einrichtung notwendig sind. Hinzu kommt das notwendige Sicherheits- und Reinigungspersonals sowie der Kreis der Personen und Organisationen, denen entsprechend der Zusage des Beklagten im verwaltungsgerichtlichen Verfahren und gemäß Art. 18 Abs. 2 Buchst. c EU-Aufnahme-RL Zugang auf konkreten Wunsch der Asylsuchenden zu gewähren ist. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass der Beklagte den Zutritt weiterer Personen begrenzt und darüber hinaus nur Hilfeleistern wie z.B. Asylsozialberatung oder Ehrenamtlichen für tagesstrukturierende Maßnahmen Zugang gewährt, deren Anwesenheit einen Beitrag zum Leben in der Einrichtung darstellt, oder deren Leistung eine Sachnähe zu der Einrichtung aufweist.
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bb) Der Beklagte hat sein Ermessen in rechtskonformer Weise ausgeübt.
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(1) Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG wegen der unterschiedlichen Behandlung von Nichtregierungsorganisationen wie dem Kläger, die den Asylsuchenden Asylverfahrensberatung und Rechtsberatung anbieten, im Verhältnis zu den Nichtregierungsorganisationen und Wohlfahrtsverbänden, die spezielle Hilfsangebote für typischerweise vulnerable Personengruppen anbieten, liegt nicht vor. Nach dem Vortrag des Beklagten betrifft letzteres den Adressatenkreis von psychosozialen Beratungen, Schwangerschaftsberatungen oder auch Beratung von Frauen (durch die Organisation Solwodi), die Opfer von Menschenhandel geworden sind. Die genannten Hilfsangebote betreffen einen Personenkreis, bei dem zudem auch die Lebens- und Unterbringungsverhältnisse in der Einrichtung eine Rolle spielen. Darin liegt ein sachliches Differenzierungskriterium für die Zugangsgewährung. Hingegen kann eine Asylverfahrens- und Rechtsberatung ohne weiteres auch außerhalb der Aufnahmeeinrichtung durchgeführt werden, weil insoweit die Verhältnisse in der Einrichtung nicht mitmaßgeblich sind. Da die Leistungen des Klägers auch außerhalb der Einrichtung in Anspruch genommen werden können, ist es ermessensgerecht, ihm ohne Mandatierung oder Anforderung durch einen Antragsteller, also ohne konkreten Anlass, keinen Zugang zu gewähren.
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(2) Sind vulnerable Personen nicht mobil oder möchten sich insbesondere traumatisierte Personen nur im geschützten Umfeld aufhalten, können diese Kontakt mit dem Kläger aufnehmen und um einen Besuch zur Beratung bitten. Einen solchen Wunsch können diese vulnerablen Personen auch über die Wohlfahrtsverbände, denen der Beklagte anlasslos Zutritt gewährt, an den Kläger herantragen, wie dies nach Vortrag des Klägers auch geschieht. Das vom Kläger gewünschte „niederschwellige“ Angebot einer Beratung vor Ort ist auch im Fall von vulnerablen Asylsuchenden nicht zwingend erforderlich.
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Nach der Zusage des Beklagten im Schreiben der Regierung von Oberbayern von 8. Januar 2018 und in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts am 6. Juni 2019 werden die Asylsuchenden ausreichend über die Angebote von Nichtregierungsorganisationen wie auch des Klägers informiert und es bedarf lediglich der Kontaktaufnahme der Asylsuchenden zum Kläger, um einen Zugang des Klägers zu ermöglichen. Eine solche Kontaktaufnahme ist allen Asylsuchenden, auch vulnerablen, insbesondere auch kranken Menschen z. B. telefonisch ohne weiteres möglich und zumutbar. Nach den Zusagen des Beklagten im verwaltungsgerichtlichen Verfahren besteht ein Zutrittsrecht des Klägers auch in „Drittmandatierungsfällen“, d. h. eine vulnerable Person kann Personen und Organisationen, denen der Beklagte aus sozialen Gründen Zugang zur Aufnahmeeinrichtung gewährt, beauftragen, einen Beratungswunsch an den Kläger zu übermitteln. Schließlich ist es auch möglich, dass Asylsuchende im Zusammenhang mit einem Zutritt des Klägers zur mandatierten Beratung anderer Asylsuchender Kontakt zum Kläger aufnehmen und um Beratung ersuchen. Auch in diesem Fall erhält der Kläger Zugang zu diesen Asylsuchenden, ungeachtet der Frage, ob er in diesem Fall erneut um Zugang ersuchen muss.
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Den von den Mitarbeiterinnen des Klägers in der mündlichen Verhandlung geschilderten Schwierigkeiten, den Infobus außerhalb der Aufnahmeeinrichtung aufzusuchen, die insbesondere vulnerable Personen oder z.B. auch Alleinerziehende mit mehreren kleinen Kindern haben können, ist in zumutbarer Weise zu begegnen. Diese müssen nur - möglicherweise gerade zu den Zeiten, in denen der Infobus in der Nähe der Aufnahmeeinrichtung zur Verfügung steht - telefonisch oder durch Dritte Kontakt mit dem Kläger aufnehmen und um Besuch bitten. Der Kläger kann dann sogleich ein Team zur Beratung schicken und den Beklagten entsprechend seiner Zusage um Zugang ersuchen. Die Fälle, in denen der Kläger die Aufnahmeeinrichtung auf Wunsch eines Asylsuchenden aufsucht, stehen nicht mehr in Streit. Der Beklagte erkennt das Zugangsrecht des Klägers in diesen Fällen ausdrücklich an.
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(3) Der Beklagte war auch aus Vertrauensschutzgesichtspunkten heraus nicht gehindert, dem Kläger den anlasslosen Zutritt zu den Aufnahmeeinrichtungen in Oberbayern zu versagen. Zwar gilt der rechtsstaatliche Vertrauensschutz auch für informelles Verwaltungshandeln und kann auch dieses zu einem Mindestmaß an Verbindlichkeit und damit auch zu einer Selbstbindung der Verwaltung im Rahmen des Gleichbehandlungsgebots gemäß Art. 3 Abs. 1 GG führen, worauf das Verwaltungsgericht unter Verweis auf die Kommentierung von Grzeszick (in Maunz/Dürig GG, Stand März 2019, Art. 20 - VII B. 1 e Rn. 100) hinweist. Denn ein schutzwürdiges Vertrauen des Klägers in die Möglichkeit der Zufahrt und des Zugangs zu einzelnen Aufnahmeeinrichtungen des Beklagten konnte wegen der Unterschiedlichkeit der Anlässe für die einzelnen Zufahrts- und Zugangsgewährungen und wegen der verschiedenen Formen, in denen die Zufahrt bzw. der Zugang jeweils ermöglicht wurde, nicht entstehen.
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Eine einheitliche, einrichtungsübergeifende Regelung oder Absprache zwischen den Parteien war nicht vorhanden. Vielmehr sind, wie sich in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt hat, die Modalitäten von den jeweiligen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Klägers und den jeweiligen Verantwortlichen des Beklagten zeitweise und von Einrichtung zu Einrichtung unterschiedlich festgelegt oder eine Zufahrt des Infobusses oder der Zugang der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Klägers lediglich geduldet worden. Der Kläger hat daher in einigen, nicht allen Aufnahmeeinrichtungen im Zuständigkeitsbereich der Regierung von Oberbayern seit dem Jahr 2011 zeitweise mit dem Infobus auf das Gelände einer Aufnahmeeinrichtung fahren können, während in anderen Fällen die Beratung in Gemeinschaftsräumen oder in der Kantine der Aufnahmeeinrichtung oder sogar vereinzelt in den Zimmern der Asylsuchenden stattgefunden hat. Teilweise fand die Beratung auch vor den Aufnahmeeinrichtungen statt. In den Aufnahmeeinrichtungen in F., Ma. und I. hatte der Infobus des Klägers keine Zufahrt.
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Aus dieser uneinheitlichen Handhabung konnte kein schutzwürdiges Vertrauen des bisher Begünstigten auf die Beibehaltung einer Entscheidungspraxis oder gar deren Ausweitung erwachsen. Zu berücksichtigen ist auch, dass Entscheidungen über den Zugang bis zum Schreiben vom 8. Januar 2018 nicht in Schriftform erfolgt sind. Dies gilt auch für eine etwaige generelle Aussage der Regierung von Oberbayern, die der Kläger erstmals in der mündlichen Verhandlung vortrug. Die Regelung in Art. 38 BayVwVfG weist aber darauf hin, dass letzten Endes nur schriftliche Äußerungen Bindungswirkung nach sich ziehen.
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Dem Beklagte war bei seiner Entscheidung, dem Kläger keinen anlasslosen Zugang zu den Aufnahmeeinrichtungen in Oberbayern zur Beratung der Asylsuchenden zu gewähren durchaus bewusst, dass dem Kläger teilweise Zugang und Zufahrt zu den Aufnahmeeinrichtungen in einem Teilbereich des Zuständigkeitsbereichs der Behörde gewährt worden war. Es war sein Wille, diese Praxis zu ändern und in dem Sinne zu vereinheitlichen, dass ein Zugang ohne Anlass nicht mehr möglich ist. Insoweit könnte entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts selbst dann nicht von einem Abwägungsdefizit gesprochen werden, wenn - wie nicht - ein schutzwürdiges Vertrauen anzunehmen wäre. Es ist offensichtlich und rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Beklagte dem Ruhebedürfnis der Asylsuchenden und der Sicherheit der Einrichtung, in der sich ohnehin eine Vielzahl von Menschen aus den unterschiedlichsten Gründen aufhalten, den höheren Stellenwert beigemessen hat.
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(4) Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist auch nicht erkennbar, dass der Beklagte den großen Stellenwert, den der europäische Richtliniengeber dem Zugang der Asylsuchenden zu Verfahrens- und Rechtsberatung beimisst, verkannt hat. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis zutreffend ausgeführt, dass die neben Art. 18 Abs. 2 EU-Aufnahme-RL vom Kläger angeführten Bestimmungen der Asylverfahrens-RL und der EU-Aufnahme-RL sowie die Erwägungen zu beiden Richtlinien in keinem Zusammenhang mit dem vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf anlasslosen Zugang zu den Einrichtungen stehen. Wie ausgeführt, kann die Information, die Asylverfahrensberatung und die Rechtsberatung der Asylsuchenden auch auf andere Weise als durch anlasslosen Zugang des Klägers zu den Aufnahmeeinrichtungen sichergestellt werden. Insoweit ist maßgeblich, dass der Beklagte in der mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts ein Zugangsrecht des Klägers nach einem entsprechenden Wunsch der Asylsuchenden nicht nur anerkannt hat, sondern auch das Verfahren hierzu (Entscheidung über den Zugang auch des Dolmetschers innerhalb weniger Minuten, keine schriftliche Mandatierung oder Begründung erforderlich, Anerkennung von Drittmandatierungsfällen) recht großzügig gestaltet hat.
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(5) Schließlich durfte der Beklagte sich zur Begründung seiner Entscheidung auch auf die ansonsten drohende Bezugsfallproblematik berufen. Es ist davon auszugehen, dass auch andere Personen oder Organisationen, die Asylverfahrensberatung, unentgeltliche oder auch entgeltliche Rechtsberatung anbieten, einen solchen Zugang begehren würden, wenn dem Kläger Zugang zu den Aufnahmeeinrichtungen gewährt wird, um seine Hilfe anzubieten. Es stellt einen sachlichen Grund für eine Ablehnung des anlasslosen Zugangs dar, diese Bezugsfallwirkung und eine nachfolgend gravierende Störung der Ruhe auf dem Unterkunftsgelände zu vermeiden.
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III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 2 VwGO. Hinsichtlich des in erster Instanz erledigten Teils verbleibt es bei der Kostenentscheidung im verwaltungsgerichtlichen Urteil. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
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IV. Die Revision war gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Die Frage, ob Art. 18 Abs. 2 EU-Aufnahme-RL Nichtregierungsorganisationen wie dem Kläger zur Asylverfahrens- und Rechtsberatung Zugang zu den Aufnahmeeinrichtungen des Beklagten gewährt, ohne dass ein Asylsuchender Verbindung zu ihm aufgenommen und einen entsprechenden Wunsch geäußert hat, ist bisher höchstrichterlich nicht geklärt.