Titel:
Unwirksamkeit eines Änderungsbebauungsplans
Normenketten:
BauGB § 2 Abs. 4, § 215 Abs. 1
VwGO § 47 Abs. 2
Leitsätze:
1. Bei Änderung eines Bebauungsplans ist das private Interesse eines Plannachbarn am Fortbestand der bisherigen planungsrechtlichen Situation ein zu berücksichtigender Belang, wenn der Bebauungsplan in seiner ursprünglichen Fassung ein subjektives Recht begründet hat. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Planänderungen berühren dann nicht die Grundzüge und das Leitbild der bisherigen Planung, wenn die Konzeption der städtebaulichen Ordnung und Entwicklung in ihrem grundsätzlichen Charakter unangetastet bleiben. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
3. Es erscheint grundsätzlich möglich, auch ein Teilgebiet mit einem ausreichend großen Emissionskontingent einem unbeschränkten Gebiet gleichzusetzen oder durch die Zuteilung von Zusatzkontingenten unbeschränkte Gebiete, die üblicherweise im Industriegebiet zulässige Betriebe aufnehmen können, entstehen zu lassen. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Normenkontrollantrag, Vereinfachtes Verfahren, Grundzüge der Planung, Umweltbericht, Emissionskontingentierung, Plannachbar, Schallleistungspegel
Fundstelle:
BeckRS 2021, 2808
Tenor
I. Der am 9. Mai 2018 bekannt gemachte Änderungsbebauungsplan Deckblatt Nr. 2 zum Bebauungsplan „B …“ des Marktes P … ist unwirksam.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Die Antragsteller wenden sich gegen den am 9. Mai 2018 bekannt gemachten Änderungsbebauungsplan Deckblatt Nr. 2 zum Bebauungsplan „B …“ des Antragsgegners.
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Sie sind Eigentümer bzw. Sondereigentümer des Grundstücks FlNr. …8 Gemarkung P … (im Folgenden: Grundstück), das im Geltungsbereich des im Jahr 1996 erstmals aufgestellten Bebauungsplans „B …“ des Antragsgegners liegt und sich in unmittelbarer Nachbarschaft des Geltungsbereichs der Änderung des Bebauungsplans mit Deckblatt Nr. 2 befindet. Das Grundstück liegt westlich der G …-Straße in einem Gewerbegebiet (GE 4) und ist mit einem am 2. September 1981 vom Landratsamt Dingolfing-Landau genehmigten Wohngebäude bebaut. Vor Erlass der Baugenehmigung erteilte das Landratsamt einen Bauvorbescheid, mit dem die planungsrechtliche Zulässigkeit der Errichtung von Wohnungen auf dem damaligen Grundstück FlNr. …, Gemarkung P … gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO bejaht wurde.
3
Die G …Straße und der östlich der Straße liegende Bereich (ca. 4,2 ha) sind seit 1996 als Industriegebiet (GI 2) festgesetzt. Auf der bei den Akten vorhandenen Kopie des Ursprungsplans bestätigte der damalige Bürgermeister der Antragsgegnerin am 17. September 1996, dass der Plan am 18. September 1996 als Satzung beschlossen wurde. Das Gebiet diente überwiegend als Parkplatz für das frühere N …-Werk im nördlich angrenzenden Industriegebiet GI 1. Es war eine Baugrenze im Abstand von ca. 5 m zur G …Straße, maximal drei Vollgeschosse, eine GRZ von 0,8, eine GFZ von 1,6, offene Bauweise und ein immissionswirksamer flächenbezogener Schallleistungspegel (Lw) von 63 dB(A) tags und 50 dB(A) nachts festgesetzt. Nach den gestalterischen Festsetzungen war im GI 2 eine maximale Wandhöhe von 9,00 m ab natürlichem Gelände sowie Pult- oder Satteldächer mit einer Dachneigung von 5° bis 25° zulässig. Die Gebäudeproportionen mussten Länge zu Breite 5:4 einhalten und An- und Ausbauten durften nur maximal ¼ der Länge bzw. Breite des Hauptgebäudes betragen. Im gesamten Umgriff des Bebauungsplans sind in den verschiedenen Industriegebieten immissionswirksame flächenbezogene Schalleistungspegel von Lwt 55 dB(A) bis 65 dB(A) und von Lwn 40 dB(A) bis 55 dB(A) festgesetzt.
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Am 25. Juli 2016 beschloss der Marktgemeinderat des Antragsgegners, den Bebauungsplan „B …“ mit einem 2. Deckblatt zu ändern. Nach Durchführung der frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung (Beteiligung der Träger öffentlicher Belange mit Schreiben vom 21.1.2017, Auslegung des Plans vom 24.1.2017 bis 8.2.2017) behandelte der Marktgemeinderat die eingegangenen Einwendungen in den Sitzungen vom 13. Februar 2017 und 31. Juli 2017 und beschloss, den Geltungsbereich des Deckblatts Nr. 2 zu reduzieren. Mit Schreiben vom 31. Januar 2018 beteiligte der Antragsgegner die Träger öffentlicher Belange nach § 4 Abs. 2 BauGB und legte die geänderte Planung vom 5. Februar 2018 bis 5. März 2018 aus. Die Auslegung wurde am 29. Januar 2018 unter der Überschrift „Bekanntmachung über die öffentliche Auslegung der Flächennutzungsplanänderung Deckblatt Nr. 34 und die Bebauungsplanung Deckblatt Nr. 2 zum Bebauungsplan mit Grünordnung B … in P … § 3 Abs. 1 und Abs. 2 BauGB“, veröffentlicht. Ein Umweltbericht wurde nicht beigefügt, da gemäß der Begründung durch die Änderung des Bebauungsplans die Grundzüge der Planung nicht berührt seien und daher kein Anhaltspunkt für eine Beeinträchtigung der in § 1 Abs. 6 Nr. 7b BauGB genannten Schutzgüter bestehe und deshalb nach § 13 BauGB weder eine Strategische Umweltprüfung noch ein Umweltbericht erforderlich seien.
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Der Antragsteller zu 1 erhob mit Schreiben vom 5. März 2018 Einwendungen, die der Marktgemeinderat in der Sitzung vom 19. März 2018 behandelte. Ebenfalls in dieser Sitzung beschloss der Marktgemeinderat den Bebauungsplan als Satzung. Am 19. April 2018 unterschrieb der 1. Bürgermeister die Bekanntmachung des Deckblatts Nr. 2. Am 8. Mai 2018 unterschrieb der Bürgermeister die „Zusammenfassende Erklärung“. Darin ist ausgeführt, der Bebauungsplan sei am 19. April 2018 ortsüblich bekannt gemacht worden. Gemäß dem Bekanntmachungsvermerk auf der Bekanntmachung, wurde die Bekanntmachung am 9. Mai 2018 an den Amtstafeln angeheftet. Gemäß den Verfahrensvermerken auf dem Plan wurde die Satzung am 9. Mai 2018 bekannt gemacht. Gemäß den auf einem gesonderten Blatt angeführten Verfahrensvermerken wurde die Satzung am 19. April 2018 durch Aushang und im Internet ortsüblich bekannt gemacht, aber erst am 9. Mai 2018 ausgefertigt.
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Mit dem Deckblatt Nr. 2 wird das Industriegebiet GI 2 in zwei Gebiete (GI 2 und GI 5) geteilt. Dabei umfasst das GI 2 nunmehr zwei Teilflächen an der L … Straße (St …). Die Festsetzungen im GI 2 wurden unter Festsetzung eines Baufensters auf FlNr. …2, auf dem sich ein Steinmetzbetrieb befindet, und Änderung der immissionswirksamen flächenbezogenen Schallleistungspegel in Emissionskontingente (LEK,T/N) im Übrigen beibehalten.
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Das GI 5 umfasst den restlichen Bereich des ehemaligen GI 2 ohne die G …Straße. Die Baugrenze verläuft überwiegend (auch im Bereich des Grundstücks der Antragsteller) im Abstand von 8 m zum Straßenrand der G …Straße. Die Anzahl der Geschosse ist nach dem Plan nicht beschränkt, sondern es wird eine maximale Wandhöhe von 13,5 m zugelassen. Nach den gestalterischen Festsetzungen ist unter Nr. 4.1 zur Wandhöhe im GI 5 ausgeführt, es sei eine maximale Höhe von 13,50 m ab natürlichem Gelände inclusive Photovoltaikanlage zulässig. Nach den textlichen Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung (Nr. 2.11) sind maximal 4 Vollgeschosse und eine abweichende Bauweise mit einer maximal zulässigen Wandhöhe von 13,5 m möglich. Die abweichende Bauweise ist unter Nr. 3.2 so beschrieben, dass Gebäude innerhalb der festgesetzten überbaubaren Grundstücksfläche errichtet werden können und nach jeweils einer Gebäudelänge von bis zu 100 m ein Höhenversatz des Dachs oder ein Wandversatz notwendig ist. Die Gebäudeproportionen sind weiterhin Länge/Breite = 5/4. Die Emissionskontingente wurden mit 63 dB(A) tags und 50 dB(A) nachts festgesetzt sowie für einzelne Winkelsektoren Zusatzkontinente vergeben. Nach Nr. 7 der textlichen Festsetzungen sind die Immissionskontingente (gemeint wohl: Emissionskontingente) abweichend von der DIN 45691 nach der VDI 2714 „Schallausbreitung im Freien“, Ausgabe März 1997, Gleichung 2 zu berechnen. Zusätzlich sind für verschiedene Sektoren Zusatz-Emissionskontingente zulässig. Diese betragen im Sektor A 0 dB(A) tags und nachts bis maximal 11,0 dB(A) tags und 24 dB(A) nachts im Sektor D. Die Gesamtemission berechnet sich nach der Summe aller Emissionskontingente im Bebauungsplangebiet zuzüglich der Zusatz-Emissionskontingente. In der beigefügten schalltechnischen Untersuchung werden 27 Immissionsorte definiert, darunter das Wohngebäude der Antragsteller als IO21. Es wird die vorhandene Gewerbelärmbelastung aus dem Bebauungsplan „B …“, „B … Deckblatt Nr. 1“ und „B … II“ ermittelt und berücksichtigt. Die zulässigen Emissionskontingente werden dann im GI 2 für eine Bezugsfläche von 1.128 m2 und im GI 5 für eine Bezugsfläche von 38.724 m2 berechnet. Dabei entsprechen die Emissionskontingente für das GI 2 und GI 5 den immissionswirksamen flächenbezogenen Schallleistungspegeln der bestehenden Bauleitplanung.
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Am 9. Mai 2019 erhoben die Antragsteller Normenkontrollantrag und gegenüber dem Antragsgegner Rüge nach § 215 Abs. 1 BauGB. Sie machen geltend, der Bebauungsplan sei formell rechtswidrig, da kein Umweltbericht gefertigt worden sei, die Auslegung keine 30 Tage angedauert habe und die Auslegung nicht mindestens eine Woche vorher ortsüblich bekannt gemacht worden sei. Zudem sei unklar, welche Planung ausgelegt worden sei. Darüber hinaus seien die Ausfertigung und die öffentliche Bekanntmachung am gleichen Tag erfolgt. Dies sei ein Indiz dafür, dass der Bebauungsplan nicht vor der öffentlichen Bekanntmachung ausgefertigt worden sei. Der Bebauungsplan sei aber auch materiell rechtswidrig, da er nicht erforderlich sei. Nach seiner Begründung solle eine Gewerbebrache städtebaulich aufbereitet werden. Es handele sich aber nicht um eine Gewerbebrache, sondern um festgesetzte Parkplätze mit zahlreichen Grünflächen. Die im Bebauungsplan festgesetzten Emissionskontingente seien rechtswidrig, denn das Baugebiet werde dadurch nicht gegliedert. Es fehle auch an dem erforderlichen Betriebs- oder Anlagenbezug. Es werde ein unzulässiger Summenpegel festgesetzt. Es existiere auch keine Teilfläche ohne Emissionsbeschränkung. Darüber hinaus seien auch zahlreiche andere Festsetzungen des Bebauungsplans zu unbestimmt. Die Festsetzung zur Wandhöhe stütze sich auf fehlerhafte Bezugspunkte. Die Festsetzung ab dem natürlichen Gelände sei nicht ausreichend. Oberer Bezugspunkt im GI 5 sei möglicherweise die Photovoltaikanlage. Diese sei dafür aber nicht geeignet. Das Verhältnis von Länge und Breite der Gebäude sei zu unbestimmt. Es gäbe dafür auch keine Rechtsgrundlage. Ebenso verhalte es sich mit den Festsetzungen zu An- und Ausbauten. Der Bebauungsplan leide auch an zahlreichen Abwägungsfehlern. Insbesondere seien die Belange der Antragsteller nicht hinreichend ermittelt und bewertet worden. Die Bauleitplanung verstoße hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung, der Wandhöhe, der Abstandflächen und der Lärmbeurteilung gegen das Gebot der Rücksichtnahme. Zudem sei der Wegfall der Stellplätze nicht abgewogen und das Trennungsgebot des § 50 BImSchG missachtet worden. Es sei fehlerhaft, dem Wohngebäude der Antragsteller lediglich die Schutzwürdigkeit eines Gewerbegebiets zuzugestehen. Es befinde sich zwar in einem festgesetzten Gewerbegebiet, es handele sich aber gemäß der erteilten Genehmigung um ein reines Wohngebäude. Für das Gebäude auf FlNr. …7 sei demgegenüber für die Schutzwürdigkeit ein Mischgebiet zugrunde gelegt worden. Bei der schalltechnischen Beurteilung müssten auch der Verkehrslärm und sämtliche Vorbelastungen berücksichtigt werden. Auch die Erschließungsmöglichkeiten und die Staubbelastung seien nicht hinreichend berücksichtigt.
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Die Antragsteller beantragen,
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festzustellen, dass der am 9. Mai 2018 bekannt gemachte Änderungsbebauungsplan Deckblatt Nr. 2 zum Bebauungsplan „B …“ des Marktes P … unwirksam ist.
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Der Antragsgegner beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Der Bebauungsplan leide weder an Ausfertigungs- noch an Bekanntmachungsmängeln. Dafür werde Beweis durch den vormaligen geschäftsleitenden Beamten des Antragsgegners angeboten. Zudem sei er zu Recht im vereinfachten Verfahren aufgestellt worden. Die Festsetzungen seien auch nicht unbestimmt. Die natürliche Geländeoberfläche könne ohne Weiteres Bezugspunkt bei der Festsetzung der Höhe baulicher Anlagen sein. Beeinträchtigungen wegen Verschattung lägen nicht vor. Die Rüge hinsichtlich der Abstandsflächen sei unsubstantiiert. Die Schutzwürdigkeit der Wohnbebauung sei ausreichend berücksichtigt worden. Die Emissionskontingentierung komme gerade den Eigentümern der umliegenden Grundstücke zugute, deshalb sei es nicht gerechtfertigt, auf deren Antrag den Bebauungsplan für unwirksam zu erklären.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Der Senat kann gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten mit Schriftsätzen vom 3. und 8. Februar 2021 damit einverstanden erklärt haben.
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Der Normenkontrollantrag ist zulässig. Die Antragsteller sind antragsbefugt gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, obwohl sich ihr Grundstück außerhalb des von der Änderung durch das 2. Deckblatt umfassten Plangebiets befindet.
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Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann jede natürliche oder juristische Person einen Normenkontrollantrag stellen, die geltend macht, durch die angegriffene Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Wendet sich der Antragsteller gegen die Änderung eines Bebauungsplans, muss er substantiiert darlegen, dass seine Belange gerade durch die Änderung berührt werden (vgl. BayVGH, B.v. 25.6.2020 - 15 N 19.2132 - juris Rn. 16; VGH BW, U.v. 20.3.2013 - 5 S 1126/11 - juris Leitsatz; BVerwG, B.v. 13.11.2012 - 4 BN 23.12 - juris Rn. 4). Das private Interesse eines Plannachbarn am Fortbestand der bisherigen planungsrechtlichen Situation ist insbesondere dann ein in der Abwägung zu berücksichtigender Belang, wenn der Bebauungsplan in seiner ursprünglichen Fassung ein subjektives Recht begründet hat (BVerwG, B.v. 15.6.2020 - 4 BN 51.19 - juris Rn. 7). Darüber hinaus kann die Antragsbefugnis auch aus dem subjektiven Recht auf gerechte Abwägung der privaten Belange des Antragstellers gemäß § 1 Abs. 7 BauGB folgen (BVerwG, B.v. 9.11.1979 - 4 N 1/78, 4 N 2/79, 4 N 3/79, 4 N 4/79 - BVerwGE 59, 87 = juris Leitsatz und Rn. 44 ff; U.v. 24.9.1998 - 4 CN 2/98 - BVerwGE 107, 215 = juris Leitsatz 2 und Rn. 15 bis 21).
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Gemessen daran sind die Antragsteller antragsbefugt, denn die Festsetzung der immissionswirksamen flächenbezogenen Schallleistungspegel im ursprünglichen Bebauungsplan und die Festsetzung von Emissionskontingenten im angegriffenen Deckblatt Nr. 2 dienen auch den Nachbarn in anderen Teilen des Plangebiets zum Schutz gegen Immissionen. Dabei wurde nach dem beigefügten schalltechnischen Bericht für die neu zu überplanende Teilfläche GI 5 die aktuelle Belastung, auch hinsichtlich des Verkehrslärms, neu berechnet und das Wohngebäude der Antragsteller als Immissionsort (IO21 im Gewerbegebiet) berücksichtigt. Es erscheint daher nicht völlig ausgeschlossen, dass die Wohnnutzung der Antragsteller bei den Lärmprognosen nicht hinreichend berücksichtigt worden ist.
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Der Normenkontrollantrag ist auch begründet, denn der streitgegenständliche Bebauungsplan leidet an Mängeln, die zu seiner Unwirksamkeit führen.
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1. Der Normenkontrollantrag ist nicht deshalb abzulehnen, weil die Antragsteller ihn nicht in der Frist des § 6 Abs. 1 UmwRG begründet haben, denn § 6 UmwRG ist auf Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO nicht anwendbar (vgl. BVerwG, U.v. 29.10.2020 - 4 CN 9.19 - juris Leitsatz).
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2. Der Bebauungsplan ist jedoch unwirksam, weil er verfahrensfehlerhaft zustande gekommen ist. Zu Unrecht ist er im vereinfachten Verfahren nach § 13 BauGB aufgestellt worden und deshalb ist keine Umweltprüfung nach § 2 Abs. Abs. 4 BauGB durchgeführt und dem Änderungsbebauungsplan kein Umweltbericht nach § 2a Satz 2 Nr. 2 BauGB beigefügt worden (vgl. BayVGH, U.v. 3.11.2010 - 9 N 08.2593 - juris Rn. 31; OVG RhPf, U.v. 18.10.2006 - 1 C 10244/06 - BauR 2007, 332). Die Antragsteller haben dies auch innerhalb der Frist des § 215 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 214 Abs. 1 Nr. 3 BauGB gerügt.
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Nach § 13 Abs. 1 Satz 1 BauGB kann die Gemeinde das vereinfachte Verfahren anwenden, wenn durch die Änderung oder Ergänzung eines Bauleitplans die Grundzüge der Planung nicht berührt werden. Dann kann nach § 13 Abs. 3 Satz 1 BauGB von der Umweltprüfung gemäß § 2 Abs. 4 BauGB, vom Umweltbericht nach § 2a BauGB und von weiteren umweltbezogenen Vorgaben abgesehen werden.
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Grundzüge der Planung sind nicht berührt, wenn das der bisherigen Planung zugrundeliegende Leitbild nicht geändert wird, also der planerische Grundgedanke erhalten bleibt. Abweichungen von minderem Gewicht, die die Planungskonzeption des Bebauungsplans unangetastet lassen, berühren die Grundzüge der Planung nicht (Krautzberger in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Stand August 2020, § 13 BauGB Rn. 18; Mitschang in Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 14. Auflage 2019, § 13 BauGB, Rn. 9). Dabei muss die dem konkreten Bebauungsplan eigene Konzeption der städtebaulichen Ordnung und Entwicklung in ihrem grundsätzlichen Charakter unangetastet bleiben. Die Konzeption des Bebauungsplans ergibt sich aus der Gesamtheit und der Zusammenschau der bestehenden planerischen Festsetzungen, in denen der planerische Wille der Gemeinde zum Ausdruck kommt. Im Allgemeinen wird man davon ausgehen können, dass die planerische Grundkonzeption nicht berührt wird, wenn sich die Planänderungen oder Planergänzungen nur auf Einzelheiten der Planung beziehen, z.B. Veränderungen von Baulinien oder Baugrenzen oder der Bebauungstiefe oder geringfügige Änderungen des Maßes der baulichen Nutzung vorgenommen werden (vgl. Krautzberger a.a.O.; Mitschang a.a.O. Rn. 10).
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Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben handelt es sich vorliegend nicht nur um eine geringfügige Änderung der bisherigen Planung, sondern die Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung im jetzigen GI 5 wurden grundlegend geändert. Mit der Vergrößerung der maximal zulässigen Wandhöhe um 50 Prozent von 9 m auf 13,5 m, sowie der Änderung der offenen Bauweise, die nach § 22 Abs. 2 Satz 1 und 2 BauNVO nur Gebäude mit einer Länge von 50 m zugelassen hat, zu einer abweichenden Bauweise nach § 22 Abs. 4 BauNVO, bei der nunmehr Gebäude mit unbeschränkter Länge erlaubt sind, ist der Rahmen der Geringfügigkeit überschritten, denn die Bebauung nimmt damit eine andere Gestalt an. Darüber hinaus sollte nach der Begründung des ursprünglichen Bebauungsplans „B …“ (S. 12) durch die Begrenzung der Gebäudehöhen ein gewisses Maß an Ortsbildschonung erreicht werden, da das Ortsbild am südwestlichen Ortsrand als insgesamt nicht geschlossen und intakt angesehen wurde. Eine Vergrößerung der maximal möglichen Gebäudehöhe um 50 Prozent auf einer Seite der G …Straße, steht mit einer solchen Intention aber nicht in Einklang.
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3. Es kann deshalb offenbleiben, ob es sich hier überhaupt um die Änderung eines gültigen Bebauungsplans handelt, oder ob schon der Ursprungsbebauungsplan „B …“ mangels ordnungsgemäßer Ausfertigung oder wegen fehlender Gliederung der einzelnen Bereiche nach § 1 Abs. 4 BauNVO durch die festgesetzten immissionswirksamen flächenbezogenen Schallleistungspegeln unwirksam ist.
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4. Das Deckblatt Nr. 2 ist damit insgesamt unwirksam, da der Fehler dem gesamten Bebauungsplan anhaftet.
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Hinsichtlich der weiteren von den Antragstellern geltend gemachten angeblichen Fehlern des Bebauungsplans muss nicht entschieden werden, ob diese vorliegen.
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Es erscheint aber eher unwahrscheinlich, dass die Planrechtfertigung nach § 1 Abs. 3 BauGB fehlt. Die Nutzbarmachung einer bisher als Busparkplatz dienenden Fläche, die schon unter der Geltung des ursprünglichen Bebauungsplan hätte bebaut werden können, erscheint städtebaulich durchaus sinnvoll.
29
Der Senat weist jedoch darauf hin, dass die Festsetzung des oberen Bezugspunkts für die Wandhöhe nicht ganz stimmig erscheint. Es ist nicht nachvollziehbar, wie eine mögliche Photovoltaikanlage als Bezugspunkt für die Wandhöhe dienen kann. Eine solche Anlage wird entweder in ein hier zulässiges Sattel- oder Pultdach integriert oder auf einem Flachdach aufgeständert. Wie sie in Bezug zur Wandhöhe gesetzt werden könnte, ist nicht ersichtlich.
30
Auch hinsichtlich der Emissionskontingentierung bestehen erhebliche Bedenken, ob die Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung eingehalten sind (vgl. BVerwG, B.v. 7.3.2019 - 4 BN 45.18 - NVwZ 2019, 655). Zwar erscheint es grundsätzlich möglich, dass auch ein Teilgebiet mit einem ausreichend großen Emissionskontingent einem unbeschränkten Gebiet gleichgesetzt werden kann (vgl. VGH BW, U.v. 6.6.2019 - 3 S 2350/15 - BauR 2019, 1560 = juris Rn. 93 f.; OVG NW, U.v. 29.10.2018 - 10 A 1403/16 - juris Rn. 62 ff.) oder dass durch die Zuteilung von Zusatzkontingenten unbeschränkte Bereiche entstehen können (vgl. NdsOVG, U.v. 24.10.2018 - 1 KN 157/16 - juris Rn. 42 f.), die üblicherweise im Industriegebiet zulässige Betriebe aufnehmen können und damit eine zulässige Gliederung i.S.d. § 1 Abs. 4 BauNVO entsteht. Diese Umstände hätten vom Antragsgegner aber nach § 2 Abs. 3 BauGB ermittelt und bewertet werden müssen. Es finden sich jedoch weder im Lärmgutachten noch in der Begründung zum angefochtenen Bebauungsplan Ausführungen dazu, ob trotz der Emissionskontingente oder mittels der Zusatzkontingente ein als unbeschränkt anzusehender Bereich besteht und welche Größe dieser ungefähr hat.
31
Im Übrigen kann auch offenbleiben, ob der streitgegenständliche Bebauungsplan an einem Ausfertigungs- und/oder Bekanntmachungsmangel leidet und es bedarf keiner weiteren Aufklärung in Form der Einvernahme des früheren geschäftsleitenden Beamten. Es fällt jedoch auf, dass der Bürgermeister unter dem 9. Mai 2018 bestätigt hat, alle Verfahrensschritte und mithin auch die öffentliche Bekanntmachung seien erfolgt. Es wird damit der Eindruck erweckt, dass alle Unterschriften erst nach der öffentlichen Bekanntmachung geleistet worden sind. Darüber hinaus wird in der Planaufstellungsakte teilweise auch davon ausgegangen, dass die Bekanntmachung schon am 19. April 2018 erfolgt sei, zumal die Bekanntmachung auch schon an diesem Tag unterschrieben worden ist. Anhand der Aktenlage ergibt sich daher nicht eindeutig, ob der Plan vor oder nach der Bekanntmachung ausgefertigt worden ist.
32
Es kann auch dahinstehen, ob der Bebauungsplan an einem Verfahrensfehler in Form eines Auslegungsmangels leidet, weil er nur vom 5. Februar bis 5. März 2018 ausgelegt worden ist und die diesbezügliche Bekanntmachung am 29. Januar 2018 erfolgt ist. Allerdings wäre dabei zu berücksichtigen, dass nach § 233 Abs. 1 Satz 1 BauGB Verfahren, die vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung förmlich eingeleitet worden sind, nach den bisher geltenden Rechtsvorschriften abgeschlossen werden, soweit nichts anderes bestimmt ist. Insbesondere aus § 245c Abs. 1 Satz 1 BauGB ergibt sich für den vorliegenden Fall nichts anderes. Danach können Verfahren, die förmlich vor dem 13. Mai 2017 eingeleitet worden sind, nur dann nach den vor dem 13. Mai 2017 geltenden Rechtsvorschriften abgeschlossen werden, wenn die Beteiligung der Behörden und der sonstigen Träger öffentlicher Belange nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BauGB oder nach sonstigen Vorschriften des Baugesetzbuches vor dem 16. Mai 2017 eingeleitet worden ist. Hier ist das Verfahren am 25. Juli 2016 mit dem Aufstellungsbeschluss, der am 23. Januar 2017 bekannt gemacht worden ist, eingeleitet worden. Die Beteiligung der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange nach § 4 Abs. 1 Satz 1 erfolgte ebenfalls mit Schreiben vom 23. Januar 2017. Einer erneuten Beteiligung nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BauGB bedurfte es auch nach Änderung der Planung nicht (s. § 4 Abs. 1 Satz 2 BauGB), sondern es konnte sich das Verfahren nach § 4 Abs. 2 BauGB anschließen. Damit war die Änderung des § 3 Abs. 2 BauGB zum 13. Mai 2017 wohl nicht anzuwenden und die um einen Tag zu kurze Bekanntmachungsfrist konnte möglicherweise durch die einen Tag länger als erforderlich angesetzte Auslegungszeit kompensiert werden (vgl. Krautzberger in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, § 3 BauGB Rn. 46).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 132 Abs. 2 VwGO).
34
Gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO muss der Antragsgegner Ziffer I. der Entscheidungsformel nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils in derselben Weise veröffentlichen, wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre.