Inhalt

SG Nürnberg, Endurteil v. 13.04.2021 – S 9 R 433/19
Titel:

Verrechnung von Rentenansprüchen

Normenkette:
SGB I § 51 Abs. 1, § 52
Leitsatz:
Sozialleistungsträger dürfen eigene Ansprüche bis zur Hälfte einer laufenden Geldleistung verrechnen, soweit nicht Hilfebedürftigkeit nachgewiesen wird.  (Rn. 19 – 22) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verrechnung, Aufrechnung, laufende Geldleistung, Überzahlung, Hilfebedürftigkeit
Rechtsmittelinstanzen:
LSG München, Beschluss vom 28.06.2021 – L 19 R 246/21 NZB
BSG Kassel, Beschluss vom 27.08.2021 – B 5 R 208/21 B
Fundstelle:
BeckRS 2021, 27994

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Berufung wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Abänderung des Bescheides vom 24.01.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.04.2019 und Rückzahlung der einbehaltenen 168,78 €.
2
Dem am xx.xx…. geborenen Kläger wurde mit Bescheid der Beklagten vom 08.11.2016 ab 01.01.2017 Regelaltersrente und ein Zuschuss zum Krankenversicherungsbeitrag in Höhe von 66,26 € bewilligt. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein.
3
Mit Bescheid vom 04.09.2017 erließ die Beklagte einen neuen, geänderten Rentenbescheid und stellte fest, dass der Kläger aufgrund einer Mitteilung der Krankenkasse ab 01.08.2017 Pflichtmitglied in der gesetzlichen Krankenkasse und der sozialen Pflegekasse ist. Die Rente wurde ab 01.08.2017 neu berechnet, es ergab sich ein monatlicher Zahlbetrag in Höhe von 823,63 € und für August 2017 eine Überzahlung von 167,78 €, die sich aus 67,52 € Zuschuss zur Krankenversicherung und 101,26 € Beiträge für Krankenversicherung und Pflegeversicherung für August 2017 ergibt. Außerdem hörte die Beklagte den Kläger mit diesem Bescheid dahingehend an, dass sie beabsichtige, die Forderung ab dem nächstmöglichen Zeitpunkt einzubehalten, sollte der Kläger den Betrag nicht an die Beklagte überweisen. Dem Kläger wurde mitgeteilt, dass er entsprechende Nachweise (aktuelle Leistungsbescheide oder Bedarfsbescheinigungen des Trägers der Sozialhilfe oder der zuständigen Agentur für Arbeit) einzusenden hätte, sollte durch den Einbehalt Hilfebedürftigkeit vorliegen oder eintreten.
4
Mit Widerspruchsbescheid vom 25.09.2017 wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen.
5
Am 05.10.2017 reichte der Kläger Klage beim Sozialgericht Nürnberg ein, die mit Gerichtsbescheid vom 15.03.2018 abgewiesen wurde. Die dagegen eingereichte Berufung des Klägers wurde mit Urteil des Bayer. Landessozialgericht vom 10.10.2018 zurückgewiesen.
6
Mit Bescheid vom 24.01.2019 berechnete die Beklagte die Rente ab 01.02.2019 neu und teilte den Einbehalt von 168,78 € mit. Für Februar 2019 wurden damit nur 681,85 € ausgezahlt.
7
Dagegen legte der Kläger am 11.02.2019 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 26.04.2019 zurückgewiesen wurde.
8
Am 31.05.2019 reichte der Kläger Klage beim Sozialgericht Nürnberg ein.
9
Im Erörterungstermin am 29.07.2019 und 07.07.2020 wurde die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert.
10
Der Kläger trägt vor, er fühle sich ungerecht behandelt. Seine Rente sei sowieso sehr gering und der Einbehalt sei unrechtmäßig erfolgt. Er wolle keine Almosen von der Beklagten, aber der Einbehalt müsse rückgängig gemacht werden.
11
Der Kläger beantragt daher,
die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 24.01.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.04.2019 zu verurteilen, dem Kläger die einbehaltenen 168,78 € zu erstatten.
12
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
13
Sie trägt vor, die Überzahlung in Höhe von 168,78 € wurde rechtskräftig mit dem Urteil des Bayer. Landessozialgerichts vom 10.10.2018 festgestellt. Außerdem sei der entsprechende Einbehalt von der Rente im Bescheid vom 04.09.2017 angekündigt worden. Der Kläger habe keinen Nachweis über die dadurch entstehende oder verstärkte Hilfebedürftigkeit erbracht. Insbesondere wurde keine Bedarfsbescheinigung für Februar 2019 vorgelegt oder ein Nachweis, dass er für Februar 2019 Sozialhilfeleistungen in Anspruch nehmen musste. Die Klage sei daher nicht begründet.
14
Zur weiteren Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie die Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

15
Die zum örtlich und sachlich zuständigen Sozialgericht Nürnberg erhobene Klage ist gem. §§ 51 Abs. 1 Nr. 1, 57 Abs. 1 SGG (Sozialgerichtsgesetz) zulässig, jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Abänderung des Bescheides vom 24.01.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.04.2019 und Erstattung der einbehaltenen 168,78 €.
16
Der Kläger hat im Verfahren vorgetragen, dass er seine Selbständigkeit als Exporteur nach Kuweit durch den zweiten Golfkrieg verloren hätte und ihm daher weitere Versicherungszeiten angerechnet werden müssten bzw. ihm eine Entschädigung zustehen müsste. Zudem fühle er sich diskriminiert, weil mit seinen Rentenversicherungsbeiträgen versicherungsfremde Leistungen bezahlt werden und eine Verletzung seiner Grundrechte und der UN-Charta vorliege. Von diesen Begründungen hat er jedoch Abstand genommen und in der mündlichen Verhandlung vom 13.04.2021 einen Antrag gem. § 44 SGB X (Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch) bei der Beklagten gestellt.
17
Daher ist Streitgegenstand nur noch der Einbehalt von 168,78 €.
18
Der Einbehalt von 168,78 € erfolgte rechtmäßig gem. § 51 Abs. 1 und § 52 SGB I (Sozialgesetzbuch - Erstes Buch).
19
§ 51 Abs. 2 SGB I lautet:
„Mit Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Sozialleistungen und mit Beitragsansprüchen nach diesem Gesetz kann der zuständige Leistungsträger gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen, wenn der Leistungsberechtigte nicht nachweist, dass er dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches über die Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch wird.“
20
§ 52 SGB I lautet:
„Der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger kann mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers dessen Ansprüche gegen den Berechtigten mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, soweit nach § 51 die Aufrechnung zulässig ist.“
21
Die Forderung der Beklagten war mit Bescheid vom 04.09.2017 festgestellt worden. Es handelte sich um eine Überzahlung aufgrund des Zuschusses zur freiwilligen Krankenversicherung in Höhe von 67,52 € gem. § 106 SGB VI (Sozialgesetzbuch - Sechstes Buch) und den Beitrag zur Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenkasse sowie zur sozialen Pflegekasse in Höhe von 101,26 € gem. § 255 Abs. 2 SGB V (Sozialgesetzbuch - Fünftes Buch) und § 60 SGB XI (Sozialgesetzbuch - Elftes Buch). Dieser Bescheid war auch Gegenstand des Gerichtsverfahrens, das mit dem Berufungsurteil des Bayer. Landessozialgerichts vom 10.10.2018 endete. Damit wurde die Berechnung rechtskräftig festgestellt.
22
Der Einbehalt dieser Überzahlung im Wege der Aufrechnung erfolgte ebenfalls rechtmäßig. Denn gem. §§ 51 Abs. 2 und 52 SGB I kann bis zur Hälfte der monatlichen Rente aufgerechnet werden, soweit der Leistungsberechtigte nicht nachweist, durch diese Aufrechnung hilfebedürftig zu werden. Der Kläger wurde daher im Bescheid vom 04.09.2017 zu der festgestellten Überzahlung und dem vorgesehenen Einbehalt angehört und es wurde ihm mitgeteilt, dass er eine eventuell eintretende Hilfebedürftigkeit nachweisen müsse. Es wurde mit dem Einbehalt im Februar 2019 weniger als die Hälfte der monatlichen Rente einbehalten.
23
Der Kläger hat jedoch im Verwaltungsverfahren keine Nachweise über seine Hilfebedürftigkeit vorgelegt. Im Klageverfahren wurde eine Bedarfsbescheinigung vom 27.08.2019 und vom 27.04.2020 vorgelegt. Diese Bedarfsbescheinigungen weisen jedoch eine Hilfebedürftigkeit für Februar 2019 nicht nach. Der Kläger hat auch keinen Nachweis über die Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen für Februar 2019 erbracht. Zudem ist zu beachten, dass Sozialhilfeleistungen nicht für die Vergangenheit beantragt werden können, sondern immer nur für die Zukunft. Somit erfolgte der Einbehalt zu Recht.
24
Der Bescheid vom 24.01.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.04.2019 erweist sich daher als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
25
Die Klage war daher abzuweisen.
26
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG.
27
Die Berufung wird nicht zugelassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, vgl. § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG.