Inhalt

VG Würzburg, Urteil v. 30.06.2021 – W 2 K 20.474
Titel:

Erfolgreiche Klage auf Abschluss einer Betreuungsvereinbarung für eine fertige Dissertation und auf Zulassung als Doktorandin

Normenkette:
GG Art. 5 Abs. 3 S. 1, Art. 12 Abs. 1
Leitsätze:
1. Ist eine Promotion nach der Promotionsordnung ohne den Abschluss einer Betreuungsvereinbarung nicht möglich muss Promotionsbewerbern, die eine Dissertation ohne Betreuungsvereinbarung erstellt haben und die übrigen Promotionsvoraussetzungen erfüllen, der Abschluss einer Betreuungsvereinbarung ermöglicht werden, sofern der Betreuung keine sachlichen Gründe entgegenstehen. (Rn. 27 – 36) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Ablehnung kann etwa gerechtfertigt sein bei fehlender Kapazität oder mangelnder fachlicher Kompetenz für die Betreuung einer angestrebten Promotion. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
verfassungskonforme Auslegung der Promotionsordnung, Anspruch auf Abschluss einer Betreuungsvereinbarung (hier bejaht), Zulassung als Doktorandin, Dissertation, Betreuungsvereinbarung, Promotionsordnung, verfassungskonforme Auslegung
Fundstelle:
BeckRS 2021, 27736

Tenor

I.Die Beklagte wird verpflichtet, unter Aufhebung ihres Bescheides vom 11. Juni 2018 und ihres Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2020 mit der Klägerin eine Betreuungsvereinbarung über die Dissertation abzuschließen und sie als Doktorandin zuzulassen.
II.Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. 
III.Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt. 
IV.Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwen-den, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

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I. Die Klägerin begehrt den Abschluss einer Betreuungsvereinbarung für eine bereits fertig gestellte Dissertation und die Zulassung als Doktorandin durch die Beklagte.
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1. Die Klägerin schloss im November 2010 das Studium der Zahnmedizin an der Beklagten mit dem Staatsexamen ab.
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Mit Schreiben vom 29. September 2017 übersandte die Klägerin der Promotionskommission und dem Dekan der Medizinischen Fakultät der Beklagten den fertigen Entwurf einer Doktorarbeit und bat darum, ihr beim erfolgreichen Abschluss ihres Promotionsvorhabens behilflich zu sein. Sie trug vor, die Arbeit basiere auf einem Forschungsprojekt, an dem sie im Jahr 2009 in Nebraska/USA unter der Leitung von Prof. … … teilgenommen habe. Mehrere Versuche, für ihre Arbeit einen Betreuer zu finden, seien bislang fehlgeschlagen. Mitte 2010 habe sich zwar Prof. Dr. F., der damals bei der Beklagten als Privatdozent tätig gewesen sei, mündlich zur Betreuung ihres Promotionsvorhabens bereit erklärt. Mit E-Mail vom 15. Dezember 2011 habe er jedoch „das Promotionsprojekt für beendet“ erklärt mit der Begründung, dass er monatelang nichts von der Klägerin gehört habe und sie ihm den benötigten Ethikantrag bzw. IRB-Antrag für die durchgeführten Tierexperimente nicht übermittelt habe. Anfragen bei zwei weiteren (ehemals) bei der Beklagten tätigen Professoren seien ebenfalls erfolglos geblieben.
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In ihrer Sitzung vom 7. März 2018 sprach sich die Promotionskommission für eine Nichtannahme der Arbeit ab.
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2. Mit Bescheid vom 11. Juni 2018 teilte der Dekan der Medizinischen Fakultät der Klägerin mit, dass ihre Arbeit nicht als Promotionsleistung angenommen werden könne, da keine gültige Betreuungsvereinbarung mit einem Doktorvater/einer Doktormutter vorliege. Dem Schreiben war keine Rechtsbehelfsbelehrung:beigefügt.
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3. Hiergegen ließ die Klägerin mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 20. September 2018 Widerspruch einlegen.
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Zur Begründung ließ sie im Wesentlichen ausführen: Das in der Promotionsordnung der Medizinischen Fakultät der Beklagten geregelte Erfordernis einer schriftlichen Betreuungsvereinbarung für die Zulassung als Doktorrand/Doktorandin sei verfassungswidrig. Jedenfalls aber habe die Klägerin einen Anspruch darauf, dass die Beklagte eine wissenschaftliche Betreuung ihrer Arbeit ermögliche, wofür aufgrund des Themas der Arbeit auch Humanmediziner geeignet seien.
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Abgesehen davon sei im Jahr 2010 ein Betreuungsverhältnis mit Herrn Prof. Dr. F. zustande gekommen, das dieser nicht wirksam habe beenden können. Die von Prof. Dr. F. in seiner Mail vom 15. Dezember 2011 getroffenen Äußerungen könnten nur so verstanden werden, dass nach seiner Auffassung zwischen ihm und der Klägerin ein Doktorandenverhältnis entstanden sei. Die vorgebrachte Nichteinhaltung verfahrensrechtlicher Vorgaben hinsichtlich der Vorlage eines Ethikantrags oder IPR-Antrags könne eine Lösung hiervon nicht rechtfertigen.
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4. In seiner Sitzung vom 26. November 2018 lehnte der Promotionsausschuss der Medizinischen Fakultät der Beklagten eine Annahme der Dissertation der Klägerin mangels vorhandener Betreuungsvereinbarung ab.
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Im Anschluss erfolgte weiterer Schriftwechsel zwischen den Parteien.
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Eine Durchsicht der Arbeit durch den ehemaligen Leiter der Abteilung Parodontologie am Universitätsklinikum Prof. Dr. S. kam zu dem Ergebnis, dass eine fachliche Betreuung der Arbeit durch ihn oder eine bei ihm habilitierte Mitarbeiterin grundsätzlich möglich sei, jedoch alle in der Arbeit dargestellten Ergebnisse bereits im Jahr 2010 von Prof. … veröffentlicht worden seien, ohne dass die Klägerin als Mitautorin erwähnt worden sei, so dass der von ihr erbrachte Eigenanteil an der Gewinnung der in ihrem Dissertationsmanuskript dargestellten Ergebnisse nicht erkennbar sei.
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5. Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Februar 2020, der Bevollmächtigten der Klägerin am 27. Februar 2020 zugestellt, wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück.
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Zur Begründung wurde ausgeführt: Die Weigerung der Medizinischen Fakultät, die Dissertation der Klägerin zur Durchführung eines Promotionsverfahrens anzunehmen, sei rechtlich nicht zu beanstanden.
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Eine wirksame Betreuungsvereinbarung sei zu keinem Zeitpunkt zustande gekommen. Prof. Dr. F. habe lediglich die Annahme der Promotion in Aussicht gestellt und die endgültige Annahme der Promotion zu Recht abgelehnt.
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Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Abschluss einer Betreuungsvereinbarung. Einem solchen Anspruch stehe der von der Lehrfreiheit verfassungsrechtlich geschützte Freiraum des Betreuers entgegen. Hochschullehrer seien bei der Betreuung ihrer Doktoranden in formeller, thematischer, inhaltlicher und methodischer Hinsicht frei. Aber nicht nur verfassungsrechtlich, sondern auch in der Praxis der Betreuung von Promovierenden sei es eine Selbstverständlichkeit, dass zwischen dem Betreuer und dem Doktoranden/der Doktorandin ein besonderes Verhältnis wechselbezügliches Austausches bestehe. Zwischen beiden Personen herrsche ein auf die Promotion bezogenes spezifisches Vertrauensverhältnis, dessen gemeinsames Anliegen es sei, ein Forschungsvorhaben in optimaler Weise zu beginnen, durchzuführen und abzuschließen. Daran mangele es vorliegend. Die Klägerin habe die Medizinische Fakultät fünf Jahre lang im Unklaren über ihr Promotionsvorhaben gelassen. Die Fakultät habe von der Arbeit der Klägerin kaum etwas gehört und kenne die Einrichtung, in der die experimentellen Arbeiten durchgeführt worden seien, nicht. Die Arbeit habe auch keinen Bezug zum Universitätsklinikum. Es verstieße daher gegen zahlreiche Vorgaben für eine gute wissenschaftliche Praxis, wenn ihre Arbeit durch einen Würzburger Betreuer zum Abschluss gebracht würde, der im Vorfeld in keiner Weise eingebunden gewesen sei.
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II. Mit Schriftsatz vom 25. März 2020, beim Verwaltungsgericht Würzburg am 27. März 2020 eingegangen, ließ die Klägerin bei Gericht Klage erheben.
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Zur Begründung ließ sie ihr Vorbringen im Widerspruchsverfahren vertiefen. Nach Art. 2 Abs. 2 BayHSchG sei es Aufgabe der Hochschulen, besonders leistungsfähige Studierende und den wissenschaftlichen und künstlerischen Nachwuchs zu fördern sowie auf die wissenschaftliche Betreuung der Personen hinzuwirken, die eine Promotion anstrebten. Die Beklagte sei daher verpflichtet, Personen, die eine Promotion anstrebten, dadurch zu unterstützen, dass ihrer dienstlichen Weisung unterliegende Professoren angewiesen würden, ein bereits fertiggestelltes Promotionsvorhaben zu betreuen. Dem stünde vorliegend auch nicht entgegen, dass die Arbeit dann durch Betreuer zum Abschluss gebracht würde, die im Vorfeld nicht eingebunden gewesen seien und die Einrichtung, in der die experimentellen Arbeiten seitens der Klägerin durchgeführt worden sei, nicht kennen würden. Der Umstand, dass die Fakultät von der Arbeit der Klägerin kaum etwas gehört habe und die Einrichtung nicht kenne, könne unter Berücksichtigung der Wissenschaftsfreiheit der Klägerin schon deshalb nicht zu deren Lasten gehen, weil dies Ausdruck und Ergebnis des Umstandes seien, dass es sich bei der Dissertation der Klägerin in jeder Hinsicht um eine eigene geistige Leistung handele und das Vorgehen der Klägerin damit gerade den Grundsätzen des wissenschaftlichen Arbeitens entspreche. Bisher unbekannte Forschungsansätze, Forschungsweisen und Einrichtungen könnten nicht im Hinblick auf ihre bisherige Unbekanntheit zurückgewiesen werden.
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Die Klägerin lässt zuletzt beantragen,
die Beklagte wird verpflichtet, unter Aufhebung ihres Bescheides vom 11. Juni 2018 und ihres Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2020 mit der Klägerin eine Betreuungsvereinbarung über die Dissertation abzuschließen und sie als Doktorandin zuzulassen.
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Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren wird für notwendig erklärt.
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Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung wurde auf das Vorbringen im Widerspruchsbescheid vom 17. Februar 2020 Bezug genommen.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Behördenakte und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 30. Juni 2021 verwiesen.

Entscheidungsgründe

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1. Die Klage ist zulässig und begründet.
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Der Bescheid der Beklagten vom 11. Juni 2018 und der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 17. Februar 2020 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 VwGO. Die Klägerin hat bei verfassungskonformer Auslegung der Promotionsordnung der Medizinischen Fakultät der Beklagten einen Anspruch auf Abschluss einer Betreuungsvereinbarung über die von ihr bereits fertig gestellte Dissertation sowie auf Zulassung als Doktorandin.
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Nach § 4 Abs. 2 der Promotionsordnung der Medizinischen Fakultät der Beklagten vom 10. Juni 2011 in der Fassung der Änderungssatzung vom 4. April 2017 werden Promotionsvorhaben von einem in der Regel aus drei Personen bestehenden Promotionskomitee betreut, das durch den Vorsitzenden des Promotionsausschlusses bestellt wird und mit dem Promotionsbewerber gem. § 4 Abs. 3 eine schriftliche Betreuungsvereinbarung schließt. Entsprechendes gilt nach § 6 Abs. 2 und 3 der Promotionsordnung der Medizinischen Fakultät der Beklagten vom 1. Juni 2021.
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Die Vorlage einer schriftlichen Betreuungsvereinbarung ist nach § 5 Abs. 6 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 Nr. 2 der Promotionsordnung vom 10. Juni 2011 in der Fassung der Änderungssatzung vom 4. April 2017 Voraussetzung für die Zulassung als Doktorrand. Gleiches gilt nach § 8 Abs. 4 Nr. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 2 der Promotionsordnung vom 1. Juni 2021.
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Eine Promotion ist mithin nach geltendem Satzungsrecht an der Medizinischen Fakultät der Beklagten ohne den Abschluss einer Betreuungsvereinbarung nicht möglich. Bei verfassungskonformer Auslegung der Promotionsordnung muss daher Promotionsbewerbern, die eine Dissertation ohne Betreuungsvereinbarung erstellt haben und die übrigen Promotionsvoraussetzungen erfüllen, der Abschluss einer Betreuungsvereinbarung ermöglicht werden, sofern der Betreuung keine sachlichen Gründe entgegenstehen. Nur dann erweist sich das Erfordernis des Abschlusses einer Betreuungsvereinbarung als Promotionszulassungsvoraussetzung als rechtmäßig.
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Regelungen zur Zulassung von Promotionen berühren sowohl den Schutzbereich der von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleisteten Wissenschaftsfreiheit als auch den Schutzbereich der von Art. 12 Abs. 1 GG garantierten Berufsfreiheit von Promotionsbewerbern (BVerwG, U.v. 30.9.2015 - 6 C 45/14 - juris).
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Die Promotion ist eine akademische Würdigung, welche den Träger für eine eigenständige wissenschaftliche Leistung auszeichnet. Durch sie wird eine über das allgemeine Studienziel hinausgehende, besondere Befähigung zu vertiefter wissenschaftlicher Arbeit nachgewiesen (Art. 64 BayHSchG; vgl. auch BVerwG, U.v. 21.6.2017 - 6 C 3/16 - juris).
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Das Promotionsrecht steht de facto weitgehend allein den Universitäten zu. Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG vermittelt Promotionsbewerbern daher ein Recht auf Teilhabe an der bei den Universitäten monopolisierten Ressource Promotion als Nachweis wissenschaftlicher Leistung, wenn sie die in rechtmäßiger Weise aufgestellten Voraussetzungen für die Zulassung zur Promotion erfüllen (BVerwG, U.v. 30.9.2015 - 6 C 45/14 - juris m.w.N.).
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Darüber hinaus ist die Promotion - auch außerhalb des universitären Bereichs - von erheblicher Bedeutung für die Verwirklichung der von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Berufsfreiheit der Promotionsbewerber, da es sich für eine Vielzahl von beruflichen Tätigkeiten jedenfalls für die Berufsausübung als förderlich erweist, wenn die Berufstätigen auf einen Doktorgrad als Nachweis einer von ihnen erbrachten wissenschaftlichen Leistung verweisen können (BVerwG, U.v. 30.9.2015 - 6 C 45/14 - juris m.w.N.).
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Promotionszulassungsvoraussetzungen, zu deren Regelung die Universitäten im Rahmen ihrer durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten akademischen Selbstverwaltung und der darin enthaltenen Satzungsautonomie berufen sind, müssen daher im Einklang mit den Grundrechten der Promotionsbewerber aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG und Art. 12 Abs. 1 GG stehen. Eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung von Beschränkungen, die den Erwerb des Doktorgrades betreffen, kann sich zum Schutz der von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleisteten Funktionsfähigkeit der Hochschule in Wahrnehmung ihrer Aufgaben in Forschung und Lehre sowie der von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG garantierten Wissenschaftsfreiheit der Hochschullehrer ergeben, die mit den Grundrechten der Promotionsbewerber nach den Grundsätzen der praktischen Konkordanz in einen angemessen Ausgleich zu bringen sind. Die Universitäten haben dabei den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten (BVerwG, U.v. 30.9.2015 - 6 C 45/14 - juris).
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Vorliegend erweist sich das in der Promotionsordnung vorgesehene Erfordernis des Abschlusses einer Betreuungsvereinbarung nur dann als verhältnismäßig, wenn Promotionsbewerbern, die ohne Betreuungsvereinbarung eine Dissertation erstellt haben und die übrigen Promotionsvoraussetzungen erfüllen, der Abschluss einer Betreuungsvereinbarung durch die Hochschule ermöglicht wird, sofern keine sachlichen Gründe entgegenstehen (ähnlich Sieweke, JuS 2009, 283; BeckOK HochschulR BW/Keil, 20. Ed. 1.3.2021, LHG, Rn. 48 zu § 38; vgl. zur Frage der Rechtmäßigkeit des Erfordernisses einer Betreuungsvereinbarung als Promotionszulassungsvoraussetzung auch Löwisch/Wüttenberger, OdW 2014, 103; Epping, Niedersächsisches Hochschulgesetz, 1. Auflage 2016, Rn. 33 ff zu § 9; Hartmer in Hartmer/Detmer, Hochschulrecht, 3. Auflage 2017, Kapitel 5, Rn. 17 f; OVG Lüneburg, U.v. 2.12.2009 - 2 KN 906/06 - juris).
34
Im Hinblick auf das öffentliche Interesse an einer Fortentwicklung der wissenschaftlichen Forschung gehört es gem. Art. 9 Abs. 1 i.V.m. 2 Abs. 2 Satz 1 BayHSchG zu den Dienstpflichten eines Hochschullehrers, den wissenschaftlichen Nachwuchs zu fördern, und damit auch zu betreuen, wenn ihm dies möglich ist (vgl. hierzu auch Sieweke, JuS 2009, 283; Epping, Niedersächsisches Hochschulgesetz, 1. Auflage 2016, Rn. 36 zu § 9). Eine Verletzung der von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährleisteten Wissenschaftsfreiheit der Hochschullehrer ist hiermit nicht verbunden (Sieweke, JuS 2009, 283; vgl. hierzu auch BVerwG, B.v. 25.7.1985 - 7 B 139.85 - juris). Zwar mag Hochschullehrern ein wissenschaftlich-pädagogischer Beurteilungsspielraum hinsichtlich des Vorhandenseins der Voraussetzungen für die Begründung eines Betreuungsverhältnisses zuzugestehen sein. Der Schwerpunkt hierbei muss jedoch - gerade bei bereits fertig gestellten Arbeiten - auf der wissenschaftlichen Beurteilung liegen (vgl. hierzu VGH Mannheim, B.v. 15.10.2014 - 9 S 1485/14 - juris; BVerwG, B.v. 25.7.1985 - 7 B 139.85 - juris; B.v. 5.11.1985 - 7 B 197/85 - juris). Eine Ablehnung kann etwa gerechtfertigt sein bei fehlender Kapazität oder mangelnder fachlicher Kompetenz für die Betreuung einer angestrebten Promotion (Sieweke, JuS 2009, 283; BeckOK HochschulR BW/Keil, 20. Ed. 1.3.2021, LHG Rn. 48 zu § 38).
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Sachliche Gründe, die einer Betreuung der von der Klägerin angestrebten Promotion entgegenstehen, wurden von der Beklagten vorliegend nicht geltend gemacht. Laut der Behördenakte bestehen an der Medizinischen Fakultät sowohl Kapazitäten als auch die fachliche Kompetenz zur Betreuung der bereits fertig gestellten Arbeit. Dass die Arbeit „keinen Bezug“ zum Universitätsklinikum habe und die Medizinische Fakultät „kaum etwas von der Arbeit der Klägerin gehört“ habe und die Einrichtung nicht kenne, in der die experimentellen Arbeiten durchgeführt worden seien, vermag eine Ablehnung der Betreuung nicht zu rechtfertigen. Hierbei handelt es sich um keine fachlich-wissenschaftlichen Gesichtspunkte, die einen Ausschluss der Klägerin vom universitären Wissenschaftssystem begründen können.
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Bei verfassungskonformer Auslegung der Promotionsordnung hat die Klägerin daher einen Anspruch auf Abschluss einer Betreuungsvereinbarung und Zulassung als Doktorandin durch die Beklagte.
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Ob durch Prof. Dr. F. 2010 eine Betreuungszusage getroffen wurde, aus der sich zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch ein Anspruch auf Betreuung ableiten lässt, kann offen bleiben. Angesichts der von ihm erhobenen und im behördlichen Verfahren bekräftigten Vorwürfe gegen die Klägerin erscheint er für eine unvoreingenommene Betreuung der Arbeit nicht (mehr) geeignet.
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Abschließend weist das Gericht darauf hin, dass im Rahmen der Betreuung des klägerischen Promotionsvorhabens zu prüfen sein wird, inwieweit die Arbeit der Klägerin im Hinblick auf die bereits erfolgten Veröffentlichungen von Prof. … eine selbständige wissenschaftliche Arbeit darstellt, die neue wissenschaftliche Erkenntnisse enthält (§ 8 der Promotionsordnung vom 10. Juni 2011 in der Fassung der Änderungssatzung vom 4. April 2017 bzw. § 11 der Promotionsordnung vom 1. Juni 2021).
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war notwendig i.S.d. § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO. Dies ist der Fall, wenn es dem Widerspruchsführer nach seinen persönlichen Verhältnissen und der Schwierigkeit der Sache nicht zuzumuten ist, das Vorverfahren selbst zu führen. Maßgebend ist, ob sich ein vernünftiger Bürger mit gleichem Bildungs- und Erfahrungsstand bei der gegebenen Sachlage eines Rechtsanwalts bedient hätte (BVerwG, B.v. 14.1.1999 - 6 B 118/98). Angesichts der Komplexität der Sach- und Rechtslage und der hohen Bedeutung des begehrten Abschlusses einer Betreuungsvereinbarung über ihre Dissertation sowie der Zulassung als Doktorandin für die Klägerin ist dies hier der Fall. Vom maßgeblichen Standpunkt einer verständigen, nicht rechtskundigen Partei durfte die Klägerin die Beauftragung eines Rechtsanwalts für erforderlich halten.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.