Titel:
Rückforderung von Versorgungsbezügen wegen der rückwirkenden Kürzung des Witwengeldes
Normenketten:
BeamtVG § 52 Abs. 2 S. 1, S. 3, § 55 Abs. 1 S. 1, S. 3, Abs. 2
BGB § 199 Abs. 1 Nr. 2, § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt., § 818 Abs. 3, Abs. 4, § 819 Abs. 1, § 820
Leitsätze:
1. Soweit Versorgungsbezüge mit gesetzlichen Renten oder entsprechenden Rentenansprüchen zusammentreffen und dies zu einem Überschreiten der gesetzlichen Höchstgrenze führt, ruht kraft Gesetzes der Teil des über der Höchstgrenze liegenden Ruhegehalts. Versorgungsbezüge dürfen neben Renten oder für den Fall der Nichtbeantragung in Höhe des Betrags, der vom Leistungsträger ansonsten zu zahlen wäre, von vornherein nur bis zum Erreichen der in § 55 Abs. 2 BeamtVG bezeichneten Höchstgrenze gezahlt werden. Im Umfang des Ruhens steht der Auszahlung der Versorgungsbezüge ein rechtliches Hindernis entgegen. Ein Ruhensbescheid hat nur feststellenden Charakter. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Zwar ist die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersatz des Wertes grundsätzlich ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist. Eine Berufung auf Entreicherung ist jedoch ausgeschlossen bei verschärfter Haftung nach § 820 Abs. 1 S. 2 BGB. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ruhen von Versorgungsbezügen (Witwengeld), Anrechnung von Rentenbezügen, Rückforderung, Verschärfte Haftung, Ruhen von Versorgungsbezügen, Witwengeld, verschärfte Haftung, ohne rechtlichen Grund, ungerechtfertigte Bereicherung, Entreicherung, Versorungsfestsetzungsbescheid, Belehrung, Verjährung, grobe Fahrlässigkeit, Billigkeitsentscheidung
Fundstelle:
BeckRS 2021, 26841
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Die Klägerin wendet sich gegen die Rückforderung von Versorgungsbezügen, die auf einer rückwirkenden Kürzung ihres Witwengeldes beruht.
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Sie ist die Witwe eines am … März 2009 verstorbenen Ruhestandsbeamten und erhielt ab ... April 2009 Hinterbliebenenversorgung (Witwengeld), welche erstmals mit Bescheid vom 27. Mai 2009 festgesetzt wurde. In dem Bescheid wurde unter anderem darauf hingewiesen, dass Einkünfte aus Renten, soweit sie die zulässigen Grenzbeträge übersteigen würden, auf die Versorgungsbezüge anzurechnen und daher anzuzeigen seien. Ferner wurde in dem Bescheid ausgeführt, dass die Versorgungsbezüge im Hinblick auf gegebenenfalls anzurechnende Einkünfte ausdrücklich nur unter dem Vorbehalt der Rückforderung gezahlt würden. Dem Bescheid war zudem ein Merkblatt für Versorgungsberechtigte beigefügt, in welchem darauf hingewiesen wird, dass Versorgungsberechtigte verpflichtet seien, Änderungen in den persönlichen oder sonstigen Verhältnissen, die für die Festsetzung und Anweisung der Bezüge maßgeblich seien, sofort und unaufgefordert anzuzeigen. Insbesondere sei der Bezug und jede Änderung von Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen anzuzeigen. Ferner wurde darauf hingewiesen, dass infolge Nichtbeachtung der Anzeigepflicht überzahlte Beträge in jedem Falle zurückgefordert würden.
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Mit Schreiben vom 17. Juli 2009 legte die Klägerin einen Rentenbescheid vom 15. Juli 2009 betreffend die Zahlung einer großen Witwenrente vor, wonach die Rente ab 1. Juli 2009 wegen der Höhe des zu berücksichtigenden Einkommens nicht zu zahlen sei. Daraufhin erließ die Beklagte einen weiteren Bescheid vom 6. August 2009, wonach eine Anrechnung der Rente auf die Versorgungsbezüge nach § 55 BeamtVG rückwirkend ab dem 1. April 2009 unterbleibe, da die Witwenrente momentan aufgrund von Erwerbseinkommen aus selbstständiger Tätigkeit nicht gezahlt werde. Ferner wurde die Klägerin in dem Bescheid darauf hingewiesen, dass die Anrechnung unterbleibe bis die Rentenzahlung durch die Deutsche Rentenversicherung Bund wiederaufgenommen werde. Zudem wurde die Klägerin nochmals darauf hingewiesen, dass sie verpflichtet sei, jede Änderung der Rente unter Vorlage der vollständigen Änderungs- und Bewilligungsbescheide anzuzeigen, damit die Auswirkungen der Rentenänderungen und neuer Renten auf die Versorgungsbezüge festgestellt und der Ausgleich von gegebenenfalls zu viel oder zu wenig gezahlten Beträgen durchgeführt werden könne. Infolge Nichtbeachtung der Anzeigepflicht überzahlte Beträge müssten in jedem Falle zurückgefordert werden.
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Mit weiterem Bescheid vom 10. September 2009 erfolgte eine erneute Regelung der der Klägerin gewährten Versorgungsbezüge unter Berücksichtigung einer Betriebsrente, nachdem die Klägerin mit Schreiben vom 14. August 2009 einen Bescheid betreffend eine Betriebsrente für Witwen vom 5. August 2009 vorgelegt hatte. In dem Bescheid vom 10. September 2009 wurde die Klägerin erneut auf ihre Anzeigepflichten hinsichtlich einer etwaigen Rentenänderung hingewiesen.
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Unter dem 16. Januar 2017 wurde die Klägerin von der Bundesanstalt für Verwaltungsdienstleistungen unter Bezugnahme auf den Bescheid vom 6. August 2009 an ihre Anzeigepflichten hinsichtlich einer etwaigen Rentenänderung erinnert und um Vorlage einer Kopie des aktuellen Rentenbescheids gebeten. Dabei wurde auch darauf hingewiesen, dass eine Anrechnung der Rente auch dann erfolge, wenn diese nicht beantragt oder auf sie verzichtet werde.
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Nachdem keine Reaktion der Klägerin auf das Schreiben vom 16. Januar 2017 erfolgt war, wandte sich die Bundesanstalt für Verwaltungsdienstleistungen mit Schreiben vom 9. August 2018 an die Deutsche Rentenversicherung Bund und bat um Mitteilung, ob die Witwenrente aufgrund von anzurechnendem Einkommen weiterhin ruhe. Ferner wurde um Übersendung einer Kopie des aktuellen Rentenbescheides gebeten.
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Daraufhin teilte die Deutsche Rentenversicherung Bund mit Schreiben vom 27. August 2018 mit, dass die Rente aufgrund einer rückwirkenden Prüfung des anzurechnenden Einkommens unter Berücksichtigung der Verjährung seit 1. Januar 2012 wieder gezahlt werde. Dem Schreiben waren Kopien von Bescheiden der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 29. Mai 2017 und 27. Juli 2018 beigefügt, aus welchen hervorgeht, dass die Witwenrente neu berechnet wurde, wobei sich für den Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis 31. August 2018 eine Nachzahlung i.H.v. insgesamt 26.694,04 Euro (24.810,16 Euro (Bescheid vom 29. Mai 2017) + 1.883,88 Euro (Bescheid vom 27. Juli 2018)) ergab. Unter der Überschrift „Nachzahlung“ wurde in beiden Bescheiden ausgeführt, dass Ansprüche anderer Stellen auf Erstattung der Leistungen aus der Nachzahlung (zum Beispiel Krankenkasse, Agentur für Arbeit, Versorgungsamt oder ähnliche Stellen) bisher nicht bekannt geworden seien. Falls die Klägerin für die Zeit vom 1. Januar 2012 bis 31. August 2018 von solchen Stellen Leistungen erhalten haben sollte oder noch erhalten werde, werde darum gebeten, den (jeweiligen) Bescheid den entsprechenden Stellen unverzüglich vorzulegen.
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Mit Bescheid vom 17. September 2018 stellte die Beklagte daraufhin die Änderung der Ruhensberechnung unter Berücksichtigung der Rentenbescheide gemäß § 55 BeamtVG fest. Unter dem 26. Oktober 2018 wurde der Klägerin zudem mitgeteilt, dass ihr für den Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis zur Umstellung der laufenden Zahlung (ab 1. Oktober 2018) Versorgungsbezüge i.H.v. 30.879,63 Euro zu viel bezahlt worden seien. Es sei beabsichtigt, diesen Betrag gemäß § 52 Abs. 2 BeamtVG zurückzufordern. Diesbezüglich erhalte die Klägerin Gelegenheit sich zur beabsichtigten Rückforderung und zu den Rückzahlungsmodalitäten zu äußern. Sollte die Klägerin trotz der Rentennachzahlung nicht in der Lage sein, den Betrag in einer Summe zurückzuzahlen, so werde gebeten, dies unter Darstellung der wirtschaftlichen Verhältnisse detailliert zu begründen und mitzuteilen, welche Teilbeträge gezahlt werden könnten.
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Daraufhin führte der Klägerbevollmächtigte mit Schreiben vom 14. Dezember 2018 aus, dass die Klägerin die Versorgungsbezüge für das tägliche Leben verbraucht habe. Sie berufe sich auf § 818 Abs. 3 BGB.
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Mit Bescheid vom 22. Januar 2019 forderte die Beklagte für den Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis 30. September 2018 zu viel gezahlte Versorgungsbezüge i.H.v. 30.879,63 Euro von der Klägerin zurück. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass von der Rückforderung nicht abgesehen werden könne, da die Klägerin aufgrund des Bescheides vom 6. August 2009 Kenntnis davon gehabt habe, dass Rentenänderungen zu ihren Gunsten zu höheren Anrechnungsbeträgen nach § 55 BeamtVG und damit geringeren Versorgungsbezügen führten. Zudem sei ihr bekannt gewesen, dass sie im Rahmen der ihr nach § 62 Abs. 2 Nr. 2 BeamtVG obliegenden Anzeigepflichten jegliche Rentenänderung unter Vorlage der entsprechenden Bescheide ohne Verzug anzuzeigen habe. Die Klägerin hafte verschärft und könne sich nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen. Besondere Umstände, die es angemessen erscheinen ließen, der Klägerin aus Billigkeitsgründen andere Modalitäten der Rückabwicklung einzuräumen, seien in Anbetracht der vereinnahmten Rentennachzahlung nicht ersichtlich und seien auch im Rahmen der Anhörung nicht dargelegt worden. Sollte hierzu noch eine Stellungnahme beabsichtigt sein, so werde diese bis 8. Februar 2019 erbeten.
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Hiergegen ließ die Klägerin unter dem 7. Februar 2019 Widerspruch erheben und ausführen, dass sie bei Erhalt des Bescheids der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 29. Mai 2017 nicht daran gedacht habe, dass sie dies der Bundesanstalt für Verwaltungsdienstleistungen mitteilen müsse. Zudem seien die Versorgungsbezüge für den Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis April oder sogar Mai 2017 bereits gezahlt gewesen, als die Klägerin den Bescheid vom 29. Mai 2017 erhalten habe. Die Klägerin habe die Bezüge in diesem Zeitraum daher berechtigterweise erhalten, da ein entsprechender Rentenbescheid noch nicht vorgelegen habe. Der allenfalls nachträgliche Wegfall des Rechtsgrundes könne ihr nicht angelastet werden. Sie hafte daher auch nicht verschärft für die Überzahlung. Einen Mangel des rechtlichen Grundes habe sie im fraglichen Zeitraum nicht kennen können, da ein rechtlicher Grund für den Leistungsbezug vorgelegen habe. Zudem sei die 1942 geborene Klägerin mit derartigen Renten- und Versorgungsbezügeberechnungen auch überfordert, sodass ihr auch deshalb kein Vorwurf gemacht werden könne. Sie habe die Versorgungsbezüge für das tägliche Leben und für Fortbildungsmaßnahmen verbraucht. So habe sie etwa ausweislich einer Bestätigung der … … … … vom 31. Januar 2019 Studiengebühren für den Studiengang Doktorat/Psychotherapiewissenschaften in Höhe von 26.928,00 Euro entrichtet. Sie berufe sich daher auf Entreicherung. Sie sei auch nicht in der Lage, einen Betrag i.H.v. 30.879,63 Euro kurzfristig zu bezahlen.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 19. März 2019 - dem Klägerbevollmächtigten ausweislich der Postzustellungsurkunde zugestellt am 21. März 2018 - wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück und ordnete die sofortige Vollziehung des Bescheids vom 22. Januar 2019 an. Versorgungsbezüge, die wegen des Bezugs von Renten der Ruhensvorschrift des § 55 BeamtVG unterlägen, stünden unter dem gesetzlichen Vorbehalt einer rückwirkenden Änderung und Rückforderung, wenn sich das zu berücksichtigende Einkommen ändere. Das Ruhen der Versorgungsbezüge nach § 55 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 sowie Abs. 2 BeamtVG trete kraft Gesetzes ein. Die Klägerin könne sich auch nicht auf Entreicherung berufen, weil sie gemäß § 820 Abs. 1 Satz 2 und § 818 Abs. 4 BGB verschärft hafte. Der Anspruch auf Rückzahlung zu viel gezahlter Bezüge bleibe gemäß § 820 Abs. 1 BGB ohne Rücksicht auf den Wegfall der Bereicherung bestehen, wenn die Bezüge unter Rückforderungsvorbehalt gewährt würden. Zudem sei ein Wegfall der Bereicherung schon nicht nachgewiesen worden. Die Bescheinigung über die Zahlung von Studiengebühren betreffe einen Zeitraum von 2012 bis 2015. Die Nachzahlungen durch die Deutsche Rentenversicherung Bund seien aber erst 2017 bzw. 2018 erfolgt. Von der Rückforderung könne in diesen Fällen nur aus Billigkeitsgründen ganz oder teilweise abgesehen werden. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung stünden Versorgungsbezüge schon unter dem gesetzesimmanenten Vorbehalt, dass sie infolge späterer Anwendung von Ruhensvorschriften gekürzt und die Überzahlungen zurückgefordert werden könnten. Zudem sei ein derartiger Vorbehalt sogar explizit in die Bescheide vom 27. Mai 2009, 6. August 2009 und 10. September 2009 aufgenommen worden. Es könne daher auch davon ausgegangen werden, dass sich die Klägerin dieses Vorbehalts bewusst gewesen sei. Zudem sei die Klägerin auch auf ihre Anzeigepflichten und die Folgen im Falle einer Nichtbeachtung der Anzeigepflichten hingewiesen worden. Dass die Klägerin mit derartigen Renten- und Versorgungsbezügen überfordert sei, sei vor dem Hintergrund, dass sie noch bis zum Sommersemester 2015 studiert habe, nicht überzeugend. Auch die Rückforderung der vollen Summe der überzahlten Versorgungsbezüge i.H.v. 30.879,63 Euro sei rechtmäßig. Die Klägerin habe es unterlassen die Rentenänderungen anzuzeigen und stattdessen die Rentennachzahlung vereinnahmt. Billigkeitsgründe, die es rechtfertigen würden, ganz oder teilweise von der Forderung abzusehen, seien nicht ersichtlich. Die Klägerin habe die Gelegenheit erhalten, Vorschläge zur Rückabwicklung des Überzahlungsbetrages unter Berücksichtigung ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse zu unterbreiten, woraufhin keine Stellungnahme erfolgt sei. Vorliegend liege die Überzahlung zudem im Verantwortungsbereich der Klägerin.
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Hiergegen hat die Klägerin am 23. April 2019 Klage erheben lassen.
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Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 22. Januar 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. März 2019 aufzuheben.
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Zur Begründung wiederholt sie ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren. Ergänzend lässt sie ausführen, dass gegen die von ihr vorgebrachte Entreicherung nicht eingewandt werden könne, dass sie Nachzahlungen von der Deutschen Rentenversicherung Bund erhalten habe, da es darauf ankomme, ob das von der Beklagten geleistete Witwengeld noch im Vermögen der Klägerin vorhanden sei. Die Klägerin sei im Mai 2017 zum Geburtstag ihrer Mutter und Ende Dezember 2017 aufgrund des Todes ihrer Mutter in den USA gewesen und habe nicht daran gedacht, die Bundesanstalt für Verwaltungsdienstleistungen über die Bescheide der Deutschen Rentenversicherung Bund zu informieren.
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Die Beklagte beantragt,
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Zur Begründung nimmt sie Bezug auf den streitgegenständlichen Bescheid und bringt vor, dass der Klägerin seit dem 1. Januar 2012 wieder Witwenrente gezahlt und dadurch die in § 55 Abs. 2 BeamtVG bezeichnete Höchstgrenze überschritten worden sei, sodass ab diesem Zeitpunkt der Teil der die Höchstgrenze übersteigenden Versorgungsbezüge kraft Gesetzes geruht habe. Im Umfang des Ruhens habe der Auszahlung des Witwengeldes ab diesem Zeitpunkt ein rechtliches Hindernis entgegengestanden, ohne dass es einer Änderung des Bescheids vom 10. September 2009 bedurft habe. Ein Ruhensbescheid habe nur feststellenden und keinen konstitutiven Charakter. Das über der Höchstgrenze nach § 55 Abs. 2 BeamtVG liegende Ruhegehalt ruhe von der ersten Überzahlung an kraft Gesetzes. Die Klägerin habe die zu viel gezahlten Versorgungsbezüge daher entgegen der Auffassung ihres Bevollmächtigten zu keinem Zeitpunkt berechtigterweise erhalten, selbst wenn im Zeitraum vom 1. Januar 2012 bis April 2017 noch kein entsprechender Rentenbescheid vorgelegen habe. Es könne dahinstehen, ob die Klägerin nicht mehr bereichert sei, da sie jedenfalls verschärft hafte. Zum einen sei ihr der Mangel des Rechtsgrundes aufgrund entsprechender Hinweise in den Bescheiden der Beklagten sowie in den Rentenbescheiden, auf welchen die Nachzahlung der Deutschen Rentenversicherung Bund beruhe, beim Empfang der (nachgezahlten) Witwenrente bekannt gewesen. Zum anderen hafte die Klägerin auch nach § 820 Abs. 1 Satz 2 BGB verschärft. Diese Regelung sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch auf unter Vorbehalt geleistete Überzahlungen von Dienst- oder Versorgungsbezügen anzuwenden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Entscheidung konnte im schriftlichen Verfahren ergehen, da die Beteiligten ihr Einverständnis erteilt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
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Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 22. Januar 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. März 2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Nach § 52 Abs. 2 Satz 1 BeamtVG regelt sich die Rückforderung zu viel gezahlter Versorgungsbezüge nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Nach dem hier einschlägigen § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, Satz 2 BGB ist, wer durch die Leistung eines anderen auf dessen Kosten etwas ohne rechtlichen Grund erlangt, ihm zur Herausgabe verpflichtet, wobei diese Verpflichtung auch dann besteht, wenn der rechtliche Grund später wegfällt.
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Vorliegend hat die Klägerin für den Zeitraum von 1. Januar 2012 bis 30. September 2018 in Höhe des von der Beklagten zurückgeforderten Betrags Versorgungsbezüge ohne rechtlichen Grund erlangt.
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Soweit Versorgungsbezüge mit gesetzlichen Renten oder entsprechenden Rentenansprüchen zusammentreffen (§ 55 Abs. 1 Satz 1 und 3 BeamtVG) und dies zu einem Überschreiten der gesetzlichen Höchstgrenze (§ 55 Abs. 2 BeamtVG) führt, ruht kraft Gesetzes der Teil des über der Höchstgrenze liegenden Ruhegehalts. Versorgungsbezüge dürfen nach § 55 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG neben Renten oder für den Fall der Nichtbeantragung nach § 55 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG in Höhe des Betrags, der vom Leistungsträger ansonsten zu zahlen wäre, von vornherein nur bis zum Erreichen der in § 55 Abs. 2 BeamtVG bezeichneten Höchstgrenze gezahlt werden. Im Umfang des Ruhens steht der Auszahlung der Versorgungsbezüge ein rechtliches Hindernis entgegen. Ein Ruhensbescheid hat nur feststellenden Charakter (vgl. BVerwG, U.v. 15.11.2016 - 2 C 9/15 - juris Rn. 16 ff.).
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Demnach hat der streitgegenständliche Versorgungsanspruch in Höhe des die Höchstgrenze nach § 55 Abs. 2 BeamtVG übersteigenden Betrags monatlich fortlaufend ab dem Zeitpunkt der ersten Überzahlung (Januar 2012) bis zur letzten Überzahlung (September 2018) nach § 55 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BeamtVG kraft Gesetzes geruht, ohne dass es hierfür eines Ruhensbescheids bedurft hätte. Somit hat die Klägerin in Höhe des von der Beklagten zurückgeforderten Betrags Versorgungsbezüge ohne rechtlichen Grund erlangt. Berechnungsfehler sind weder ersichtlich noch vorgetragen.
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Die Klägerin kann sich auch nicht auf Entreicherung berufen. Zwar ist die Verpflichtung zur Herausgabe oder zum Ersatz des Wertes grundsätzlich ausgeschlossen, soweit der Empfänger nicht mehr bereichert ist (§ 818 Abs. 3 BGB). Jedoch haftet die Klägerin vorliegend nach § 820 Abs. 1 Satz 2 BGB verschärft.
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Nach § 820 Abs. 1 Satz 2 BGB findet die verschärfte Haftung Anwendung, wenn die Leistung aus einem Rechtsgrund, dessen Wegfall nach dem Inhalt des Rechtsgeschäftes als möglich angesehen wurde, erfolgt ist und der Rechtsgrund später wegfällt. Nach ständiger Rechtsprechung steht die Festsetzung und Zahlung von Versorgungsbezügen unter dem gesetzesimmanenten Vorbehalt, dass die Bezüge in Folge späterer Anwendung von Ruhensvorschriften gekürzt und die Überzahlungen zurückgefordert werden. Ein ausdrücklicher Vorbehalt im Versorgungsfestsetzungsbescheid - welcher im vorliegenden Fall im Bescheid vom 27. Mai 2009 sogar erfolgt ist - ist nicht erforderlich. Diesem gesetzesimmanenten Vorbehalt liegt der Gedanke zugrunde, dass aus Sicht der Versorgungsbehörde ungewiss ist, wie sich die Einkommensverhältnisse des Versorgungsempfängers während des Zahlungszeitraums entwickeln; die Versorgungsbehörde kann nicht vorhersehen, ob und in welchem Umfang ein Versorgungsempfänger anrechenbares Erwerbseinkommen erzielt oder einen anrechenbaren Rentenanspruch hat. Andererseits muss sich der Versorgungsempfänger darauf einstellen, dass die Höhe der ausgezahlten Versorgungsbezüge von seinen anrechenbaren Einkünften abhängt (vgl. BVerwG, U.v. 15.11.2016 - 2 C 9/15 - juris Rn. 16 ff.). Dabei gilt der gesetzesimmanente Vorbehalt auch für den Fall der Anrechnung einer fiktiven Rente nach § 55 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG, wenn der Versorgungsempfänger eine ihm zustehende Rente nicht beantragt (vgl. BVerwG, U.v. 15.11.2016 - 2 C 9/15 - juris Rn. 22).
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Die Klägerin ist in den Ausführungen des Versorgungsfestsetzungsbescheids über die Folgen des Zusammentreffens von Versorgungsbezügen mit gesetzlichen Renten zutreffend belehrt worden und hätte daher den Zusammenhang zwischen Rentenänderungen und der Höhe der ihr gewährten Versorgungsbezüge erkennen müssen. Zudem tritt die verschärfte Haftung selbst ohne entsprechende Belehrung ein (vgl. BayVGH, B.v. 31.3.2011 - 3 CS 11.165 - juris Rn. 21). Ferner gilt der gesetzesimmanente Vorbehalt im Besoldungsrecht auch für Nichtbeamte, die Versorgungsbezüge nach dem Beamtenversorgungsgesetz erhalten (BayVGH, B.v. 31.3.2011 - 3 CS 11.165 - juris Rn. 21).
28
Darüber hinaus haftet die Klägerin auch nach § 52 Abs. 2 Satz 2 BeamtVG i.V.m. §§ 818 Abs. 4, 819 Abs. 1 BGB verschärft, da der Mangel des rechtlichen Grundes der Zahlung so offensichtlich war, dass die Klägerin ihn hätte erkennen müssen.
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Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist diese Voraussetzung erfüllt, wenn der Empfänger die Überzahlung nur deshalb nicht bemerkt hat, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht gelassen hat oder - mit anderen Worten - er den Fehler etwa durch Nachdenken oder logische Schlussfolgerung hätte erkennen müssen. Letztlich ist das Fehlen des Rechtsgrunds für die Zahlung dann offensichtlich, wenn es für den Empfänger ohne weiteres erkennbar ist (vgl. BVerwG, U.v. 26.4.2012 - 2 C 4/11 - juris Rn. 10). Dies ist vorliegend der Fall.
30
Ausweislich des Schreibens der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 27. August 2018 wurde die Rente aufgrund einer rückwirkenden Prüfung des anzurechnenden Einkommens unter Berücksichtigung der Verjährung ab 1. Januar 2012 wieder gezahlt. Der Klägerin musste aber bekannt sein, dass sich das anzurechnende Einkommen auf die Rente auswirkt. Aufgrund mehrfacher Hinweise und Belehrungen durch die Beklagte musste ihr zudem auch bekannt sein, dass sich Rentenänderungen auf die Höhe der ihr gewährten Versorgungsbezüge auswirken. Soweit sie diesbezüglich vorbringt, dass sie in ihrem Alter mit Renten- und Versorgungsbezügeberechnungen überfordert sei, kann sie hiermit nicht durchdringen. Insbesondere bringt sie selbst vor, dass sie bis 2015 sogar noch studiert habe.
31
Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen zu einer verschärften Haftung der Klägerin hat diese - insbesondere unter Berücksichtigung der erst 2017 erhaltenen Nachzahlung durch die Deutsche Rentenversicherung Bund - eine Entreicherung auch nicht substantiiert dargelegt (vgl. hierzu OVG LSA, B.v. 6.10.2020 - 1 L 23/20 - juris Rn. 33 ff.), sondern lediglich behauptet. Insbesondere wurden keine Nachweise über den Verbrauch des nachgezahlten Betrages vorgelegt. Es kann damit schon nicht von einer Entreicherung der Klägerin ausgegangen werden. Soweit die Klägerin vorbringen lässt, dass die erhaltenen Nachzahlungen ihrem Vorbringen zu einer Entreicherung nicht entgegengehalten werden könnten, da es darauf ankomme, ob das von der Beklagten geleistete Witwengeld noch in ihrem Vermögen vorhanden sei, kann ihr nicht gefolgt werden. Wie die Regelung in § 818 Abs. 1 BGB zeigt, erstreckt sich die Herausgabepflicht nicht nur auf das ursprünglich Erlangte selbst. Vorliegend besteht aber, wie bereits ausgeführt, ein Zusammenhang zwischen der der Klägerin gewährten Rente und der Höhe der ihr gewährten Versorgungsbezüge. Dementsprechend wurde sie auch in den Rentenbescheiden vom 29. Mai 2017 und 27. Juli 2018 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Ansprüche anderer Stellen (zum Beispiel u.a. auch Versorgungsamt) auf Erstattung der Leistungen aus der Nachzahlung bestehen können, falls die Klägerin für die Zeit vom 1. Januar 2012 bis 31. August 2018 von solchen Stellen Leistungen erhalten haben sollte, und dass die Bescheide den entsprechenden Stellen daher unverzüglich vorzulegen seien.
32
Auf eine (teilweise) Verjährung des Rückforderungsanspruchs hat sich die Klägerin schon nicht berufen. Gleichwohl wird hierzu angemerkt, dass eine Verjährung auch tatsächlich nicht eingetreten ist. Die regelmäßige Verjährungsfrist für Rückforderungsansprüche des Dienstherrn gegen den Beamten gem. § 52 Abs. 2 BeamtVG beträgt entsprechend § 195 BGB drei Jahre (vgl. BVerwG, U.v. 15.11.2016 - 2 C 9/15 - juris Rn. 25). Nach § 199 Abs. 1 BGB beginnt die Verjährungsfrist mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (Nr. 1) und der Dienstherr von den den Rückforderungsanspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (Nr. 2).
33
Der Rückforderungsanspruch der Beklagten ist demnach in der Zeit vom 1. Januar 2012 bis 30. September 2018 jeweils monatlich im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB entstanden. Kenntnis von den den Rückforderungsanspruch begründenden Umständen erlangte die zuständige Stelle der Beklagten jedoch erst mit der Auskunft der Deutschen Rentenversicherung Bund mit Schreiben vom 27. August 2018. Eine grob fahrlässige Unkenntnis kann der Beklagten vorliegend nicht entgegengehalten werden.
34
Grobe Fahrlässigkeit i.S.d. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB setzt einen objektiv schwerwiegenden und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Sie liegt nur vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis deshalb fehlt, weil er ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt und nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Ihm muss persönlich ein schwerer Obliegenheitsverstoß in seiner eigenen Angelegenheit der Anspruchsverfolgung („Verschulden gegen sich selbst“) vorgeworfen werden können, weil sich ihm die den Anspruch begründenden Umstände förmlich aufgedrängt haben, er davor aber letztlich die Augen verschlossen hat. Dabei trifft den Gläubiger generell keine Obliegenheit, im Interesse des Schuldners an einem möglichst frühzeitigen Beginn der Verjährungsfrist Nachforschungen zu betreiben; vielmehr muss das Unterlassen von Ermittlungen nach Lage des Falls als geradezu unverständlich erscheinen, um ein grob fahrlässiges Verschulden des Gläubigers bejahen zu können (vgl. BVerwG, U.v. 21.2.2019 - 2 C 24/17 - juris Rn. 14; U.v. 15.11.2016 - 2 C 9/15 - juris Rn. 28 mit Verweis auf BGH, U.v. 27.9.2011 - VI ZR 135/10 - NJW 2011, 3573).
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Nach diesen Maßstäben ist im vorliegenden Fall nicht von einer grob fahrlässigen Unkenntnis der Beklagten auszugehen. Die der Klägerin für den Zeitraum von 1. Januar 2012 bis 31. August 2018 zustehende Rente wurde erst mit Bescheiden der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 29. Mai 2017 und 27. Juli 2018 - unter Berücksichtigung der Verjährung - festgestellt und der Klägerin der ermittelte Betrag nachgezahlt. Nachdem damit nach Auskunft der Deutschen Rentenversicherung Bund von dieser erst im Rahmen einer rückwirkenden Prüfung des anzurechnenden Einkommens unter Berücksichtigung der Verjährung im Jahr 2017 ein Zahlungsanspruch der Klägerin festgestellt und eine Nachzahlung getätigt wurde, konnte von der Beklagten nicht erwartet werden, dass sie bereits zuvor und ohne greifbare Anhaltspunkte Ermittlungen hinsichtlich eines etwaigen Rentenanspruchs der Klägerin bzw. hinsichtlich der Anspruchshöhe anstellt.
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Schließlich ist auch die von der Beklagten nach § 52 Abs. 2 Satz 3 BeamtVG getroffene Billigkeitsentscheidung, von der Rückforderung nicht ganz oder teilweise abzusehen, nicht zu beanstanden.
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Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bezweckt diese Billigkeitsentscheidung, eine allen Umständen des Einzelfalles gerecht werdende, für die Behörde zumutbare und für den Beamten bzw. Versorgungsempfänger tragbare Lösung zu ermöglichen, bei der auch Alter, Leistungsfähigkeit und sonstige Lebensverhältnisse des Herausgabepflichtigen eine maßgebende Rolle spielen. Sie ist Ausdruck des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben und stellt eine sinnvolle Ergänzung des ohnehin von dem gleichen Grundsatz geprägten Rechts der ungerechtfertigten Bereicherung dar, sodass sie vor allem in Fällen der verschärften Haftung von Bedeutung ist. Dabei ist jedoch nicht die gesamte Rechtsbeziehung, aus welcher der Bereicherungsanspruch erwächst, nochmals unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben zu würdigen, sondern auf das konkrete Rückforderungsbegehren und vor allem auf die Modalitäten der Rückabwicklung und ihre Auswirkungen auf die Lebensumstände des Beamten bzw. Versorgungsempfängers abzustellen (BVerwG, U.v. 21.2.2019 - 2 C 24/17 - juris Rn. 18; U.v. 15.11.2016 - 2 C 9/15 - juris Rn. 32).
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Von besonderer Bedeutung bei der Billigkeitsentscheidung ist, wessen Verantwortungsbereich die Überzahlung zuzuordnen ist und in welchem Maße ein Verschulden oder Mitverschulden hierfür ursächlich war. Ein Mitverschulden der Behörde an der Überzahlung ist in die Ermessensentscheidung nach § 52 Abs. 2 Satz 3 BeamtVG einzubeziehen. Deshalb ist aus Gründen der Billigkeit in der Regel von der Rückforderung teilweise abzusehen, wenn der Grund für die Überzahlung in der überwiegenden behördlichen Verantwortung liegt. In diesen Fällen, in denen der Beamte zwar entreichert ist, sich aber auf den Wegfall der Bereicherung nicht berufen kann, muss sich die überwiegende behördliche Verantwortung für die Überzahlung in der Billigkeitsentscheidung niederschlagen. Das ist auch unter Gleichheitsgesichtspunkten geboten. Ein Beamter, der nur einen untergeordneten Verursachungsbeitrag für die Überzahlung gesetzt hat, muss besser stehen als ein Beamter, der die Überzahlung allein zu verantworten hat. Angesichts dessen erscheint in diesen Fällen ein Absehen von der Rückforderung in der Größenordnung von 30% des überzahlten Betrags im Regelfall angemessen. Bei Hinzutreten weiterer Umstände, etwa besonderer wirtschaftlicher Probleme des Beamten, kann auch eine darüber hinausgehende Ermäßigung des Rückforderungsbetrags in Betracht kommen (vgl. zum Ganzen BVerwG, U.v. 21.2.2019 - 2 C 24/17 - juris Rn. 18; U.v. 15.11.2016 - 2 C 9/15 - juris Rn. 33). Liegt kein überwiegendes behördliches Mitverschulden für die Überzahlung von Besoldungs- oder Versorgungsbezügen vor, genügt die Einräumung von angemessenen Ratenzahlungsmöglichkeiten regelmäßig den Erfordernissen einer im Rahmen des Rückforderungsbescheids zu treffenden Billigkeitsentscheidung (vgl. BVerwG, U.v. 21.2.2019 - 2 C 24/17 - juris Rn. 18).
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Nach diesen Maßstäben ist im Falle der Klägerin ein teilweises oder gar vollständiges Absehen von der Rückforderung nicht geboten, weil ein überwiegendes Verschulden des Dienstherrn für die Überzahlung nicht festgestellt werden kann. Hinzu kommt, dass die Klägerin - wie die Beklagte zutreffend ausführt - erst im Jahr 2017 die Nachzahlung von der Deutschen Rentenversicherung Bund vereinnahmt hat, ohne der Beklagten die Nachzahlung anzuzeigen, obwohl sie in den Rentenbescheiden vom 29. Mai 2017 und 27. Juli 2018 ausdrücklich darauf hingewiesen worden ist, dass Ansprüche anderer Stellen (zum Beispiel u.a. auch Versorgungsamt) auf Erstattung der Leistungen aus der Nachzahlung bestehen können, falls die Klägerin für die Zeit vom 1. Januar 2012 bis 31. August 2018 von solchen Stellen Leistungen erhalten haben sollte, und dass die Bescheide den entsprechenden Stellen daher unverzüglich vorzulegen seien. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Klägerin nicht über die nötigen finanziellen Mittel verfügen sollte, die überzahlten Versorgungsbezüge zurückzuzahlen. Soweit sie sich darauf beruft, dass sie Studiengebühren gezahlt habe, betreffen diese Zahlungen - worauf die Beklagte zu Recht hinweist - einen vor der Nachzahlung seitens der Deutschen Rentenversicherung Bund liegenden Zeitraum. Soweit sie auf von ihr unternommene Reisen in die USA verweist, wurden schon keine Nachweise über ihr in diesem Zusammenhang entstandene Kosten vorgelegt. Auch im Übrigen wird eine mangelnde Leistungsfähigkeit lediglich pauschal behauptet, obwohl die Klägerin bereits mit Schreiben der Beklagten vom 26. Oktober 2018 gebeten wurde, im Falle einer mangelnden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ihre wirtschaftlichen Verhältnisse detailliert darzulegen und mitzuteilen, welche Teilbeträge gezahlt werden könnten. Darüber hinaus liegt es auch im Verantwortungsbereich der Klägerin, dass sie sich trotz der ausdrücklichen Hinweise in den Rentenbescheiden vom 29. Mai 2017 und 27. Juli 2018 dafür entschieden hat, diese der Beklagten nicht vorzulegen. Insgesamt ist die von der Beklagten getroffene Billigkeitsentscheidung daher nicht zu beanstanden.
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Die Klage ist nach alledem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
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Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung.