Titel:
Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bei Diebstahl mit Waffen zum Nachteil von Kollegen
Normenketten:
BDG § 13, § 65 Abs. 1, § 57 Abs. 1
BBG § 61 Abs. 1 S. 2, S. 3, § 77 Abs. 1
StGB § 242, § 244
Leitsätze:
1. Ein Diebstahl zum Nachteil von Kollegen – oder einer von diesen getragenen Gemeinschaftskasse – vergiftet das Betriebsklima und stört den Arbeitsfrieden in schwerwiegender Weise (Rn. 34). (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei einem von Taktik geprägten Nachtatverhalten kann die Prognose, der Beklagte werde sich künftig inner- und außerdienstlich einwandfrei verhalten, nicht gestellt werden (Rn. 39). (redaktioneller Leitsatz)
3. Wenn das Vertrauensverhältnis des Dienstherrn zu dem Beamten endgültig zerstört ist, weil er als Beamter „nicht mehr tragbar“ und es dem Dienstherrn daher nicht zumutbar ist, das Beamtenverhältnis mit dem Beklagten fortzusetzen, muss der Frage, ob der Beamte anderweitig eingesetzt werden kann, nicht nachgegangen werden (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, Diebstähle mit Waffen, Kollegendiebstahl, Geringwertigkeit wegen besonderer Tatumstände nicht durchgreifend, Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalls, Keine Gleichwertigkeit mit anerkannten Milderungsgründen, Disziplinarverfahren, Berufung, Polizeibeamter, Nachtatverhalten
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 04.02.2020 – M 19B DK 19.2905
Rechtsmittelinstanz:
BVerwG Leipzig, Beschluss vom 30.03.2022 – 2 B 46.21
Fundstelle:
BeckRS 2021, 26083
Tenor
I. Das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 4. Februar 2020 wird abgeändert. Gegen den Beklagten wird auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Der am 15. Februar 1966 geborene Beklagte besuchte nach Abschluss der Realschule im Jahr 1982 und einer Berufsausbildung zum Baufacharbeiter im Jahr 1984 vom 14. August 1984 bis 12. August 1989 die Offiziershochschule „Rosa Luxemburg“, die er am 12. August 1989 mit der Berufsbezeichnung Politoffizier abschloss. Parallel dazu erwarb er am 19. Juli 1985 das Abitur.
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Von 1989 bis 1990 war er beim Ministerium des Innern, Grenzschutzstelle Dresden beschäftigt. Am 1. Oktober 1990 wurde er aufgrund eines Dienst- bzw. Arbeitsvertrags in den damaligen Bundesgrenzschutz (BGS) eingestellt. Mit Wirkung vom 11. März 1992 wurde er unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Polizeimeister im BGS (Besoldungsgruppe A7) ernannt; dabei wurden für die Begründung des Beamtenverhältnisses und die Festsetzung der Probezeit Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 3 Buchst. b zum Einigungsvertrag vom 31. August 1990 (BGBl II 1990, 889 ff.) und die Verordnung über die Bewährungsanforderungen für die Einstellung von Bewerbern aus der öffentlichen Verwaltung im Beitrittsgebiet in ein Beamtenverhältnis vom 9. Januar 1991 (BGBl I 1991, 123) angewendet (vgl. Personalakte Bl. 70 und 82). Mit Wirkung vom 21. Januar 1995 erfolgte unter Verleihung der Eigenschaft eines Beamten auf Lebenszeit die Ernennung zum Polizeiobermeister im BGS (Besoldungsgruppe A8). Mit Wirkung vom 1. Januar 1998 wurde er dem BGS-Amt Pirna, BGS-Inspektion Flughafen Dresden als Kontroll-/Streifenbeamter zugeordnet. Vom 9. Oktober 2003 bis 30. Juni 2004 wurde er vorübergehend zur BGS-Inspektion Dresden umgesetzt. Vom 20. September bis 31. Dezember 2004 wurde er zum BGS-Präsidium Süd, BGS-Amt München, BGS-Inspektion Flughafen abgeordnet. Mit Wirkung vom 1. Januar 2005 wurde ihm der Dienstposten eines Kontroll-/Streifenbeamten beim BGS-Amt München, BGS-Inspektion Flughafen München I - II übertragen. In den Jahren 2007/2008 befand er sich insgesamt neun Monate in Elternzeit. Seither übt er eine Teilzeitbeschäftigung mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit zwischen 30 und 40 Stunden, zuletzt 35 Stunden, aus. Mit Wirkung vom 1. Oktober 2009 wurde ihm der Dienstposten eines Kontroll-/Streifenbeamten bei der Bundespolizeiinspektion Flughafen München übertragen. Mit Wirkung vom 1. März 2016 wurde ihm vorübergehend, mit Wirkung vom 1. Juli 2016 dauerhaft der Dienstposten eines Kontroll-/Streifenbeamten bei der Bundespolizeiinspektion Flughafen München II übertragen.
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In den Beurteilungen 2008, 2010, 2012 und 2014 erhielt er jeweils die Gesamtnote „5“ (= „entspricht den Anforderungen in jeder Hinsicht“), mit der in der Regelbeurteilung 2014 nur vier von 672 Polizeiobermeistern bzw. 12 von rund 2800 Polizeivollzugsbeamten der Bundespolizeidirektion München beurteilt wurden.
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Der Beklagte wurde mit Verfügung vom 23. November 2016 ohne Einbehaltung von Bezügen vorläufig des Dienstes enthoben. Er ist - mit Ausnahme der hier gegenständlichen Vorwürfe - bisher weder straf- noch disziplinarrechtlich in Erscheinung getreten. Er ist dreimal geschieden und Vater von fünf Kindern (geb. 1997, 2006, 2007, 2009 und 2010).
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In der Bundespolizeiinspektion Flughafen München gab es seit April 2015 eine Diebstahlserie in den Dienst- und Aufenthaltsräumen des Inspektionsbereichs II. Deshalb wurden dort eine versteckte Kamera und zuletzt auch eine Diebesfalle in Gestalt eines präparierten Rucksacks installiert. Videoaufnahmen vom 23. und 25. Oktober 2016 zeigen den Beklagten bei Diebstahlshandlungen.
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Das Amtsgericht Erding verurteilte ihn deshalb mit Urteil vom 7. November 2017 wegen Diebstahls mit Waffen in zwei tatmehrheitlichen Fällen in Tatmehrheit mit versuchtem Diebstahl mit Waffen (§ 242 Abs. 1 und 2, § 244 Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 2 und 3, §§ 22, 23, 47 Abs. 2, §§ 53, 56 Abs. 1 StGB) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten und setzte die Vollstreckung zur Bewährung aus. Das Landgericht Landshut reduzierte die Freiheitsstrafe mit Urteil vom 8. Februar 2018 auf sieben Monate und nahm auf den Sachverhalt des Urteils des Amtsgerichts Bezug, der wie folgt lautet:
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„Der Beklagte entwendete jeweils während seines Dienstes als uniformierter und bewaffneter Bundespolizist im Servicepoint der Bundespolizei an der Terminalstraße Mitte am Flughafen München bei drei verschiedenen Gelegenheiten im Zeitraum zwischen 23. und 25. Oktober 2016 jeweils Bargeldbeträge im Wert zwischen 10 und 16 €, um diese ohne Berechtigung für sich zu behalten, weil er sich in wirtschaftlicher Not befand und dringend Geld zur Betankung seines Fahrzeugs benötigte. Er trug dabei, wie ihm jeweils bewusst war, in allen Fällen seine Dienstpistole offen sichtbar an der rechten Seite seines Gürtels. Diese Pistole war jeweils mit einem mit acht Patronen gefüllten Magazin geladen, aber entgegen den Dienstvorschriften noch nicht schussbereit durchgeladen. Nach einer Betätigung der Durchladevorrichtung hätte er aber jeweils sofort schießen können. Im Einzelfall handelte es sich dabei um folgende Fälle:
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1. Am 23. Oktober 2016 zwischen 16:42 und 16:44 Uhr entwendete der Beklagte Bargeld aus der Kaffeekasse seiner Kollegen im Wert von 10 €. Hierzu nahm er die Kaffeekasse, eine Dose mit ungesichertem Schraubverschlussdeckel, aus einem Regal, stellte sie auf seinen Schreibtisch, schraubte den Deckel ab und entnahm eine 10 €-Note, die er zunächst auf den Schreibtisch legte und dann in seine rechte Hosentasche einsteckte. Anschließend schraubte er den Deckel wieder auf die Dose und stellte diese wieder zurück auf ihren Platz in das Regal. Er setzte sich wieder an seinen Schreibtisch und hielt kurz inne. Er befürchtete, dass sich aufgrund seines Arbeitsplatzes in der Nähe der Kaffeekasse bei Entdeckung des Bargeldschwundes ein Diebstahlsverdacht der Kollegen gegen ihn richten könnte. Er nahm deshalb aus seiner linken Hosentasche ein Stofftaschentuch, das er entfaltete, umwickelte damit vollständig die Kaffeekassendose und wischte sorgfältig die von ihm hinterlassenen Fingerabdrücke mit dem Tuch ab.
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2. Am 25. Oktober 2016 zwischen 14:43 und 14:44 Uhr entwendete er erneut Bargeld seiner Kollegen aus derselben Kaffeekasse, diesmal im Wert von 15 €. Wiederum machte er sich Gedanken, wie er die Tataufklärung verhindern könnte. Er legte sich bereits vor dem Öffnen der Dose einen kleinen Stapel Papiertücher auf dem Schreibtisch zurecht. Beim Anfassen der Dose mit der rechten Hand benutzte er sodann ein Papiertuch von diesem Stapel. Den Deckel fasste er beim Abschrauben mit seiner linken Hand an und wischte sogleich mit dem Papiertuch nach, um etwaige verursachte Fingerabdrücke zu entfernen.
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3. Am 25. Oktober 2016 zwischen 18:53 und 18:54 Uhr entwendete er Bargeld im Wert von 20 € aus einem Rucksack der Bundespolizei, die diesen als Köder für eine Diebesfalle entsprechend vorbereitet und positioniert hatte. Er trug Handschuhe, die er sich kurz vor dem Griff in den Rucksack bewusst zu dem Zweck übergestreift hatte, auch diesmal keine Fingerabdrücke zu hinterlassen.
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Der Beklagte hat die entwendeten Geldbeträge, nachdem er bereits polizeilich als Täter festgestellt und ihm der Tatvorwurf eröffnet worden war, zurückbezahlt und sich für seine Verfehlungen entschuldigt.“
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Vom Vorwurf des weiteren Diebstahls aus der Kaffeekasse am 16. Juni 2016 durch Entnahme von Bargeld im Wert von 16 € sprach das Amtsgericht den Beklagten aus tatsächlichen Gründen frei.
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Im Hinblick auf die sonstigen seit Anfang April 2015 begangenen Diebstähle hatte die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen Diebstahls mit Waffen mit Verfügung vom 3. Juli 2017 nach § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) eingestellt.
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Der Leiter der Bundespolizeiinspektion Flughafen II leitete mit Verfügung vom 10. November 2016 wegen mehrfacher über einen längeren Zeitraum begangener Diebstähle ein Disziplinarverfahren gegen den Beklagten ein und setzte dieses bis zum Abschluss des Strafverfahrens aus. Mit Verfügung vom 29. November 2016 setzte er das Disziplinarverfahren noch vor Beendigung des Strafverfahrens fort, nachdem der Beklagte im Verfahren der vorläufigen Dienstenthebung auch für das Disziplinarverfahren relevante Beweisanträge gestellt hatte, und gab ihm Gelegenheit zur Äußerung, von der dessen Bevollmächtigter mit Schriftsatz vom 5. Dezember 2016 Gebrauch machte. Im Disziplinarverfahren wurden Persönlichkeitsbilder für den Beklagten von EPHK E. vom 7. Dezember 2016, von EPHK W. vom 11. Dezember 2016 und von EPHK K. vom 16. Januar 2017 eingeholt. Außerdem wurden die Zeugen EPHK E., POM H. und PHK R. vernommen. Der Beklagte wurde am 9. Januar 2017 mündlich angehört. Unter dem Datum des 4. Oktober 2018 erstellte der Ermittlungsführer einen Ermittlungsbericht, in welchem dem Beklagten neben den Diebstählen am 23. und 25. Oktober 2016 ein weiterer Diebstahl am 16. Juni 2016 und unrichtige Buchungen der Dienstzeit vorgeworfen wurden. Auf der Grundlage dieses Ermittlungsberichts zog der Präsident der Bundespolizeidirektion München als höherer Dienstvorgesetzter das Disziplinarverfahren an sich, teilte dies dem Beklagten mit Schreiben vom 22. November 2018 unter Übersendung des Ermittlungsberichts mit und räumte ihm erneut Gelegenheit zur Äußerung ein. Der Bevollmächtigte äußerte sich mit Schriftsätzen vom 17. und 18. Januar 2019, auch zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Beklagten.
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Die Klägerin erhob am 14. Juni 2019 Disziplinarklage gegen den Beklagten mit dem Ziel, den Beamten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Zur Begründung trug sie vor, dem Beklagten sei der Sachverhalt aus dem Urteil des Amtsgerichts Erding vom 7. November 2017 vorzuwerfen. Mit seinen Taten habe er gegen die Pflicht zur Beachtung der Gesetze (§ 60 Abs. 1 Satz 3 BBG), die Pflicht, sein Amt uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen (§ 61 Abs. 1 Satz 2 BBG), und die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 61 Abs. 1 Satz 3 BBG) verstoßen. Als Polizeivollzugsbeamter sei der Beklagte ausdrücklich dazu berufen, Straftaten zu verhindern und aufzuklären. Er habe vorsätzlich ein innerdienstliches Dienstvergehen begangen. Das festgestellte Verhalten rechtfertige die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis. Für die Maßnahmezumessung sei auch bei innerdienstlichen Straftaten der Strafrahmen maßgeblich. Bei Straftaten mit Dienstbezug komme eine Entfernung bereits bei einem Strafrahmen von bis zu zwei Jahren in Betracht. Nach § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB liege der Strafrahmen bei einer Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren, nach § 244 Abs. 3 StGB reiche er selbst in dem von den Strafgerichten angenommenen minderschweren Fall bis zu fünf Jahren. Hinzu trete, dass der Beklagte zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden sei. Zu berücksichtigen sei weiter, dass er die Taten im Dienst, in Uniform und unter Ausnutzung der dienstlichen Vertrauensstellung begangen habe. Der Servicepoint sei öffentlich zugänglich und hätte jederzeit von Reisenden betreten werden können. Erschwerend träten die Intensität der Tatausführung (gezielte Spurenbeseitigung), das Vorliegen eines Kollegendiebstahls und das Verteidigungsverhalten des Beklagten hinzu. Es ändere nichts, dass der Betrag mit 45 € unter der Bagatellgrenze von 50 € liege; der Beklagte habe nicht gewusst, wieviel Geld sich in der Kaffeekasse oder dem Rucksack befinde. Die wiederholte Tatbegehung zeige eine erhebliche Skrupellosigkeit. Der Beklagte habe den Zeugen H. dahin beeinflusst, dass dieser die Version des Beklagten bestätigt habe. Den erschwerenden Umständen stünden keine mildernden Umstände gegenüber, die eine Abweichung von der Höchstmaßnahme rechtfertigten. Mit der Gesamtnote „5“ liege der Beklagte im unteren Leistungsbereich. In den vorgelegten Persönlichkeitsbildern werde ein eher negatives Bild von ihm gezeichnet. Obwohl ihm insbesondere mit der Dienstplanung besonders entgegengekommen worden sei, habe er eine ziemliche Fixierung auf den eigenen Vorteil gezeigt. Im von EPHK K. beurteilten Zeitraum 2011 bis Januar 2014 habe seine Aufgriffsstatistik deutlich unter dem Durchschnitt der Dienstgruppe gelegen. In Punkto Fachwissen hätten deutliche Wissenslücken und keine Fortbildungsbereitschaft bestanden. Zudem habe es Probleme im Hinblick auf unkorrektes Buchungsverhalten gegeben. Auch EPHK E. schildere für den Zeitraum zwischen Februar 2014 und Dezember 2015 einen erheblichen Fortbildungsbedarf in fast allen Kernbereichen der polizeilichen Arbeit am Flughafen, aber keine Fortbildungsbereitschaft. Die Identifikation mit dem Dienst sei nicht stark ausgeprägt gewesen. EPHK W., der Erstbeurteiler seit März 2016, habe angegeben, dass der Beklagte keine Ansatzpunkte für eine detaillierte Bewertung der dienstlichen Leistungen und Befähigungen gezeigt habe. Mangels Aufgriffen könne die Qualität der Sachbearbeitung nicht beurteilt werden. Das Dienstvergehen und das Verhalten vor, bei und nach Tatbegehung stimmten also mit dem bisher gezeigten Persönlichkeitsbild überein, sodass kein persönlichkeitsfremdes Verhalten in einer Notlage oder einer psychischen Ausnahmesituation vorliege. Der Beklagte habe bereits im Vorfeld ein auf den eigenen Vorteil bedachtes Verhalten gezeigt. Auch andere „anerkannte“ Milderungsgründe griffen nicht ein. Es liege weder eine unbedachte persönlichkeitsfremde Augenblickstat in einer besonderen Versuchungssituation noch die freiwillige Offenbarung des Fehlverhaltens oder die Wiedergutmachung des Schadens vor Tatentdeckung vor. Erst nach Eröffnung der Tat habe der Beklagte den entwendeten Betrag zurückbezahlt und sich entschuldigt. Im Hinblick auf den Entschuldigungsbrief sei davon auszugehen, dass er diesen - anders als von ihm vorgetragen - nicht bereits am 11. November 2016 vorbereitet zum Dienst mitgebracht habe. Auch eine unverschuldete ausweglose wirtschaftliche Notlage liege nicht vor, weil er angegeben habe, dass seine Finanzen seit der Privatinsolvenz 2014 wieder in geordneten Bahnen liefen. Eine fehlende disziplinar- und strafrechtliche Vorbelastung sei der Normalfall. Auch der Milderungsgrund der Geringwertigkeit der entwendeten Sachen liege nicht vor; zum einen gehe es nicht um einen einmaligen Zugriff, zum anderen sei die besondere Stellung als Polizeibeamter zu berücksichtigen. Eine präparierte Täterfalle sei ein legitimes Handeln des Dienstherrn. Durch das Dienstvergehen habe der Beklagte im Kernbereich seiner Dienstpflichten versagt und das Vertrauen der Klägerin und der Allgemeinheit endgültig verloren. Insoweit seien seine Stellung als Polizeivollzugsbeamter und der Umstand, dass der Diebstahl an Kollegen verübt worden sei, in den Blick zu nehmen. Es sei nicht von Bedeutung, ob die Tat einem größeren Personenkreis bekannt geworden sei. Dass der Beklagte seinen angeblichen Verlust durch Diebstähle wieder wettmachen habe wollen, deute auf eine verfestigte, für einen Polizeibeamten falsche Grundeinstellung. Die Behauptung eines erlittenen Diebstahls sei im Übrigen als Schutzbehauptung zu werten.
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Der Beklagte führte im Rahmen des behördlichen und gerichtlichen Disziplinarverfahrens aus, seine Leistungen bewegten sich im durchschnittlichen Bereich. Er sei für fünf Kinder unterhaltsverpflichtet und befinde sich seit Ende 2014 in Privatinsolvenz. Den ihm vorgeworfenen Sachverhalt gestehe er vollumfänglich und mit Bedauern ein. Ihm sei am 23. Oktober 2016 selbst aus dem Geldbeutel ein Betrag in Höhe von 50 € entwendet worden, den er sich zurückholen habe wollen. Diesen Diebstahl habe er am 4. Dezember 2016 schriftlich zur Anzeige gebracht. Die Taten am 23. und 25. Oktober 2016 seien auf eine Kurzschlusshandlung zurückzuführen. Er habe sie am 2. November 2016 seinem Kollegen und Freund POM H. gestanden und mit ihm besprochen, einen Geständnisbrief zu schreiben, den er am 11. November 2016 zum Dienst mitgebracht habe und übergeben habe wollen. Das Personalgespräch an diesem Tag habe ihn jedoch so verunsichert, dass er dies nicht getan habe. Zwischenzeitlich habe er den Brief an den Dienstgruppenleiter übersandt. Die Entwendungen hätten nicht in der Öffentlichkeit stattgefunden und seien nicht bekannt geworden. Als Milderungsgründe seien zu berücksichtigen, dass er nur einen geringen Geldbetrag entwendet, diesen inzwischen zurückerstattet und sich entschuldigt habe. Die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis sei unverhältnismäßig. Er könne an einen anderen Dienstort, etwa den Hauptbahnhof, versetzt werden.
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Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten mit Urteil vom 4. Februar 2020 in das Amt eines Polizeimeisters (Besoldungsgruppe A7) zurückgestuft. Auf die in juris veröffentlichten Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
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Die Klägerin hat gegen dieses Urteil Berufung eingelegt und beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben und den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.
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Die Annahmen des Verwaltungsgerichts, das Vertrauensverhältnis zum Dienstherrn sei nicht endgültig zerstört und die ausgesprochene Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung entspreche dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, seien unrichtig und würden auch nicht durch die Feststellungen der Urteilsgründe getragen. Wenn das Verwaltungsgericht die Geringwertigkeit (45 Euro) zwar nicht als anerkannten Milderungsgrund, aber bei den sonstigen entlastenden Umständen anführe, könne dem nicht gefolgt werden, denn der Beamte habe nicht wegen moralischer Skrupel geringe Beträge gestohlen, sondern weil kein höherer Betrag zu erlangen gewesen sei und/oder weil er das Entdeckungsrisiko habe minimieren wollen. Er habe beabsichtigt, schlicht und ergreifend auf eine bestimmte Summe zu kommen (50 Euro), die er gerade benötigt habe. Das vom Verwaltungsgericht als entlastend gewertete Nachtatverhalten offenbare lediglich die typischen Verhaltensweisen nach Entdeckung und Beweisbarkeit der Tat. Selbst aus der abgesprochenen Zeugenaussage des Kollegen H., die der Entlastung des Beklagten habe dienen sollen, ergebe sich, dass die „Wiedergutmachungshandlungen“ nur von dem Bestreben getragen gewesen seien, sich in möglichst günstigem Licht zu präsentieren und eine mögliche Strafe zu minimieren. Weiter habe das Verwaltungsgericht folgende Punkte falsch eingeschätzt: Das erhöhte Gefährdungspotential eines Diebstahls mit Waffe, vor allem bedingt durch die Möglichkeit der Entdeckung, sei im Urteil zu Unrecht unerwähnt geblieben. Die angespannte finanzielle Lage des Beklagten sei nicht geeignet, Restvertrauen zu konstruieren. Leichtfertiges Schuldenmachen könne auch heute noch eingeschränkt disziplinarische Relevanz haben. Der Beklagte sei nicht vergleichbar mit Tätern, die aus sozialer Versorgungsnot sich strafbar gemacht hätten. Die von ihm offenbarte Grundeinstellung zu glauben, geradezu ein Recht zu haben, sich bei Kollegen schadlos zu halten, führe zum Verlust jeglichen Restvertrauens. Diese Einstellung sei für einen Polizeivollzugsbeamten auch im Hinblick auf eine Weiterbeschäftigung schlicht unhaltbar. Es sei weder der Allgemeinheit noch den Kollegen bei der Bundespolizei vermittelbar, dass ein für die Durchsetzung von Recht und Gesetz zuständiger Polizeivollzugsbeamter mit einem praktisch nicht vorhandenen dienstlichen Engagement und einer Vorstrafe wegen Diebstahls mit Waffe weiter bei der Bundespolizei Dienst tun dürfe, während ein ziviler Arbeitgeber eines Sicherheitsdiensts ihn nach eigener Aussage ablehnen würde.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Das erstinstanzliche Urteil sei nicht zu beanstanden. Im Disziplinarverfahren seien nur zwei tatmehrheitliche Fälle des Diebstahls (10 und 15 Euro) sowie ein versuchter Diebstahl (20 Euro) Gegenstand. Das Geld habe der Beklagte nur deswegen für sich behalten, da er sich in wirtschaftlicher Not befunden und es dringend zur Betankung seines Fahrzeugs benötigt habe. Die Geringwertigkeit der erlangten Beträge sei als Milderungsgrund zu berücksichtigen. Dem Beklagten zu unterstellen, er hätte auch höhere Beträge gestohlen, wenn diese vorhanden gewesen wären, decke sich nicht mit den Ermittlungen des Verwaltungsgerichts. Zudem sei der Beklagte im gesamten Verfahren voll geständig gewesen. Er habe sich lediglich dagegen gewehrt, dass ihm weitere Taten angelastet würden, obwohl er in allen übrigen Verdachtsfällen nicht als Täter ermittelt worden sei. Diesbezügliche Vorwürfe habe die Klägerin erst in der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht zurückgenommen. Der Beklagte habe eine volle Wiedergutmachung geleistet und sich für sein Fehlverhalten entschuldigt. Er habe sich in Privatinsolvenz befunden und seine finanziellen Mittel seien stark reduziert gewesen. Gerade mit Blick auf die persönliche Situation (dreimal geschieden, Vater von fünf Kindern) sei die zu verhängende Disziplinarmaßnahme vom Verwaltungsgericht rechtsfehlerfrei bestimmt worden. Der Diebstahl mit Waffen sei hinreichend berücksichtigt, wobei anzumerken sei, dass der Beklagte verpflichtet gewesen sei, Dienstkleidung und -waffe mit sich zu führen. Von einem leichtfertigen Schuldenmachen könne mit Blick auf die Scheidungen und den Erwerb von Wohneigentum, die die maßgeblichen Gründe für die Privatinsolvenz gewesen seien, nicht die Rede sein. Der Beklagte habe sich im gesamten Insolvenzverfahren vorbildlich verhalten. Das Restvertrauen sei nach zutreffender Auffassung des Verwaltungsgerichts noch nicht vollständig verloren, weil zur Zeit der streitgegenständlichen Taten von anderen Tätern eine Vielzahl von gleichgelagerten Diebstählen begangen worden sei. Es treffe auch nicht zu, dass der Beklagte ohne Engagement gearbeitet habe. Aufgrund der besonderen persönlichen Situation sei der Beklagte sowohl psychisch als auch finanziell sehr stark belastet gewesen. Er habe stets versucht, für alle fünf Kinder ein guter Vater zu sein. Daneben sei es ihm gelungen, zumindest durchschnittliche dienstliche Leistungen zu erbringen.
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Ergänzend wird auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung sowie die vorgelegten Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Berufung der Klägerin ist begründet.
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Der Beklagte hat ein innerdienstliches Dienstvergehen begangen (1.). Die grundsätzliche Zuordnung des Dienstvergehens nach seiner Schwere zu einer Disziplinarmaßnahme nach § 5 BDG richtet sich nach dem gesetzlich bestimmten Strafrahmen (2.1). Ein Polizeibeamter, der sich wiederholt des Diebstahls mit Waffen schuldig gemacht hat, indem er Geldbeträge aus der Kaffeekasse entwendet hat, schädigt seine Kollegen, vergiftet damit das Betriebsklima und stört den Arbeitsfrieden in schwerwiegender Weise. In diesem Fall ist die volle Ausschöpfung des in Anlehnung an die abstrakte Strafandrohung gebildeten Orientierungsrahmens geboten (2.2). Die Gesamtwürdigung aller be- und entlastenden Umstände ergibt, dass der Beklagte aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen ist.
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1. Der Senat legt seiner Entscheidung die in der Disziplinarklage geschilderten Vorwürfe zugrunde, die Gegenstand der rechtskräftigen Verurteilung des Landgerichts Landshut vom 8. Februar 2018 waren, das hinsichtlich des festgestellten Sachverhalts auf das Urteil des Amtsgerichts Erding vom 7. November 2017 Bezug nimmt. Diese Feststellungen sind für den Senat nach § 65 Abs. 1, § 57 Abs. 1 BDG bindend; die diesbezüglichen Vorwürfe hat der Beklagte im disziplinarrechtlichen Verfahren eingeräumt.
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Wie schon das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, entwendete der Beklagte am 23. und 25. Oktober 2016 während seines Dienstes im Servicepoint der Bundespolizei am Flughafen München in Uniform und mit Dienstwaffe Geldbeträge in Höhe von insgesamt 45 Euro. Am 23. Oktober 2016 entwendete er 10 Euro, am 25. Oktober 2016 15 Euro aus der Kaffeekasse und beseitigte danach die hinterlassenen Fingerabdrücke mit einem Taschentuch. Am 25. Oktober 2016 entwendete er zudem 20 Euro aus einem als Diebesfalle bereitgestellten Rucksack und trug dabei Handschuhe, um keine Spuren zu hinterlassen. Er wurde deshalb wegen Diebstahls mit Waffen in zwei tatmehrheitlichen Fällen in Tateinheit mit versuchtem Diebstahl mit Waffen (§ 242 Abs. 1 und Abs. 2, § 244 Abs. 1 Nr. 1a und Abs. 2 und 3, § 22, § 23, § 47 Abs. 2, § 53, § 56 Abs. 1 StGB) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt.
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Durch sein Verhalten hat der Beklagte innerdienstlich (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 BBG) ein einheitliches Dienstvergehen begangen und schuldhaft die Pflicht zur Beachtung der Gesetze (§§ 242, 244 StGB), zu uneigennütziger Amtsausübung (§ 61 Abs. 1 Satz 2 BBG) und zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 61 Abs. 1 Satz 3 BBG) verletzt.
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2. Das Fehlverhalten des Beklagten wiegt schwer i.S.v. § 13 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 BDG. Es hat zur Folge, dass der Beklagte das Vertrauen seines Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren hat. Deshalb ist nach § 13 Abs. 2 BDG auf die Höchstmaßnahme zu erkennen.
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Nach § 13 Abs. 1 BDG ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens und unter angemessener Berücksichtigung des Persönlichkeitsbilds des Beamten sowie des Umfangs der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 - 2 C 6.14 - juris Rn. 12 m.w.N.; B.v. 8.3.2018 - 2 B 48.17 - juris Rn. 10).
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2.1. Da die Schwere des Dienstvergehens nach § 13 Abs. 1 Satz 2 BDG maßgebendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme ist, muss das festgestellte Dienstvergehen nach seiner Schwere einer der im Katalog des § 5 Abs. 1 BDG aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zugeordnet werden. Bei der Auslegung des Begriffs „Schwere des Dienstvergehens“ ist maßgebend auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, z.B. Kern- oder Nebenpflichtverletzungen, sowie besondere Umstände der Tatbegehung, z.B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) sowie unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 - 2 C 6.14 - juris Rn. 16).
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Zur Bestimmung des Ausmaßes des Vertrauensschadens, der durch eine vom Beamten vorsätzlich begangene Straftat hervorgerufen worden ist, greift der Senat auch bei innerdienstlich begangenen Straftaten auf den Strafrahmen zurück (vgl. BVerwG, B.v. 28.8.2018 - 2 B 5.18 - juris Rn. 18; U.v. 10.12.2015 - 2 C 6.14 - juris Rn. 19; B.v. 5.7.2016 - 2 B 2.16 - juris Rn. 14). Begeht ein Beamter innerdienstlich eine Straftat, für die das Strafgesetz als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vorsieht (hier sind es bis zu zehn Jahre), reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 - 2 C 6.14 - juris Rn. 20). Bei innerdienstlichen Dienstvergehen kommt dem ausgeurteilten Strafmaß (hier 7 Monate Freiheitsstrafe) dabei keine „indizielle“ oder „präjudizielle“ Bedeutung für die Bestimmung der konkreten Disziplinarmaßnahme zu (BVerwG, B.v. 5.7.2016 - 2 B 24.16 - juris Rn. 15 f.).
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2.2. Die in Ausfüllung dieses Rahmens zu treffende Ermessensentscheidung führt zur Entfernung des Beamten aus dem Beamtenverhältnis. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass dem Kollegendiebstahl erhebliches Gewicht zukommt, weil die in einer Dienststelle zusammenarbeitenden Beschäftigten sich hinsichtlich der Sicherheit ihres Eigentums und ihrer Vermögenswerte jederzeit auf die Ehrlichkeit ihrer Kollegen verlassen können müssen. Gleichermaßen muss auch der Dienstherr unbedingt und ausnahmslos darauf vertrauen können, dass ein Beamter die ihm mit der alltäglichen Zusammenarbeit unvermeidbar eröffneten Zugriffsmöglichkeiten nicht für strafbare Handlungen ausnutzt. Ein Diebstahl zum Nachteil von Kollegen - oder einer von diesen getragenen Gemeinschaftskasse - vergiftet das Betriebsklima und stört den Arbeitsfrieden in schwerwiegender Weise. Aufgrund der Schwere des Dienstvergehens ist die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis grundsätzlich Richtschnur für die Maßnahmebestimmung, wenn die Beträge die Schwelle der Geringwertigkeit deutlich übersteigen.
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Ebenso zutreffend hat das Verwaltungsgericht in Bezug auf das hohe Eigengewicht der Verfehlung ausgeführt, dass der Beklagte die Taten während seines Dienstes, am Dienstort, in Uniform und unter Mitführen der Dienstwaffe begangen hat und sich trotz der Häufung von Diebstählen in der Bundespolizeiinspektion Flughafen München II seit April 2015 und des Aufrufs im Schreiben des Leiters vom Juli 2015 zu sorgfältigem Umgang mit Wertgegenständen und Wachsamkeit nicht von der Tatbegehung hat abhalten lassen. Besonders schwer wiegt, dass er bei seinen Diebstählen die Folgen für die Kollegen und den dienstlichen Bereich in Kauf genommen und gezielte Maßnahmen zur Verdeckung der Taten ergriffen hat (Abwischen der Kaffeekasse, Mitführen von Handschuhen beim versuchten Diebstahl). Dieses Vorgehen offenbart eine erhebliche kriminelle Energie.
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Ebenfalls zu folgen ist dem Verwaltungsgericht darin, dass anerkannte Milderungsgründe nicht vorliegen. Ein persönlichkeitsfremdes Verhalten liegt im Hinblick auf das auf seinen Vorteil bedachte Verhalten des Beklagten in Bezug auf Dienstplan- und Einsatzorteinteilung sowie Erfassung der Arbeitszeit nicht vor. Die Annahme einer Augenblickstat kommt wegen des mehrmaligen Fehlverhaltens mit gezielten Vorbereitungs- und Verdeckungshandlungen nicht in Betracht. Für eine Entgleisung während einer negativen, inzwischen überwundenen Lebensphase fehlt es an dokumentierten Auffälligkeiten des Beklagten im Tatzeitraum. Auch den Milderungsgrund der Geringwertigkeit des entwendeten Betrags hat das Verwaltungsgericht zutreffend verneint, weil der Beklagte durch die konkrete Tatbegehung zusätzlich belastet wird.
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Soweit das Verwaltungsgericht bejaht, dass die Umstände des Einzelfalls einem anerkannten Milderungsgrund in ihrem Gewicht gleichkommen, vermag der Senat der angefochtenen Entscheidung nicht zu folgen.
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Zwar werden die mäßigen dienstlichen Leistungen des Beklagten und seine Annahme hervorgehoben, dass er sich für berechtigt hielt - und wie die mündliche Verhandlung vor dem Senat gezeigt hat, noch immer hält - Selbsthilfe zu üben, weil er angeblich vor den Taten selbst bestohlen worden sei. Dabei konnte der Beklagte die Ungereimtheit der erst spät mit Schreiben vom 4. Dezember 2016 gestellten Strafanzeige nicht ausräumen. Handlungsalternativen zu seinen Diebstählen zog er nicht in Betracht und stellte die Möglichkeit, den Dienstort mittels einer Fahrgemeinschaft zu erreichen, als unmöglich in Abrede, obwohl in einem der Persönlichkeitsbilder seiner Vorgesetzten davon die Rede war, er habe vereinzelt seine Fahrgemeinschaftsangehörigen an der Eingangstür abgesetzt, selbst in die Zeiterfassung eingebucht und dann erst sein Fahrzeug auf den entfernt liegenden Mitarbeiterparkplatz des Flughafens gefahren (Bl. 73 DA).
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Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts spricht auch das Nachtatverhalten des Beklagten nicht für ihn. Dass die Diebstähle mit Dienstwaffe verübt wurden, hat er erst im Rahmen der Berufungshauptverhandlung aufgrund der Inaugenscheinnahme der Videoaufnahmen vor dem Landgericht Landshut eingeräumt. Der unter dem 3. November 2016 verfasste Entschuldigungsbrief an den Dienstgruppenleiter ist nicht an diesen gelangt. Schon das Verwaltungsgericht hatte es nicht für glaubhaft gehalten, dass der Beklagte diesen bei seinem Dienstantritt am 11. November 2016 mit sich geführt hat. Denn insoweit hätte es damals nahegelegen, sich zur Sache zu äußern oder aber den Brief zu übergeben. Wenn der Beklagte angibt, er sei durch die Ereignisse an diesem Tag überrollt worden und nicht zu Wort gekommen, erklärt dies nicht, warum der Brief erst am 19. November 2016 mit einem zu übersendenden Empfangsbekenntnis an den Leiter des Inspektionsbereichs verschickt wurde. Die am Ende des Briefes an den Dienstgruppenleiter enthaltene Bemerkung, der Beklagte sei sich unsicher, ob er den Brief überhaupt verschicken oder nur ein Gespräch führen werde, verstärkt den Eindruck, der Brief sei erst nachträglich entstanden oder für den Bedarfsfall in der Hinterhand gehalten worden. Darauf deutet auch der Umstand, dass im Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 18. November 2016 davon die Rede ist, der Brief sei mittlerweile an den Dienstgruppenleiter übergeben worden, was nicht zutraf. Ebenso wenig gibt es einen Beleg für die Behauptung des Beklagten, der Sozialberater habe dem Beklagten am 11. November 2016 von der Übersendung des Entschuldigungsbriefs abgeraten. Dieser hat vielmehr in seiner Zeugenvernehmung ausgesagt, dass der Brief im persönlichen Gespräch nicht erwähnt worden sei, sondern erst in einem Telefonanruf des Beklagten eine Stunde später. Da habe der Beklagte davon gesprochen, er habe die Übergabe des Briefs vergessen. Bei diesem von Taktik geprägten Nachtatverhalten kann die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, der Beklagte werde sich künftig inner- und außerdienstlich einwandfrei verhalten, nicht geteilt werden.
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Zwar ist zu Gunsten des Beklagten seine angespannte finanzielle Lage zu berücksichtigen. Dabei ist aber auch festzustellen, dass sich der für das Verbraucherinsolvenzverfahren einbehaltene Teil der Bezüge auf 85,13 Euro im Monat beschränkte und es am Ende des Monats Oktober 2016 zu keiner Kontoüberziehung gekommen war, die zu einer Verweigerung der Einlösung von Lastschriften oder Überweisungen geführt hätte (Bl. 39 DA). Unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Beklagte zum Zeitpunkt seiner Diebstähle den dienstlichen Weisungen unterlag, sich Krankmeldungen ab dem ersten Krankheitstag amtsärztlich bestätigen zu lassen und neben der elektronischen Zeiterfassung sich zum Dienst beim Personalkoordinator der jeweiligen Schicht an- und abzumelden hatte, ist die Annahme eines Restvertrauens des Dienstherrn und der Allgemeinheit nicht vertretbar.
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Angesichts des von dem Beklagten begangenen Dienstvergehens und der aufgezeigten Gesamtwürdigung ist die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis nicht unverhältnismäßig. Der Beklagte hat ein schweres Fehlverhalten gezeigt. Er hat die Vertrauensgrundlage für die Fortsetzung des Beamtenverhältnisses endgültig zerstört. Seine Entfernung aus dem Dienst ist die einzige Möglichkeit, das durch den Dienstherrn sonst nicht lösbare Beamtenverhältnis einseitig zu beenden. Wenn - wie hier - das Vertrauensverhältnis des Dienstherrn zu dem Beamten endgültig zerstört ist, weil er als Beamter „nicht mehr tragbar“ und es dem Dienstherrn daher nicht zumutbar ist, das Beamtenverhältnis mit dem Beklagten fortzusetzen, muss der Frage, ob der Beamte anderweitig eingesetzt werden kann, nicht nachgegangen werden. Die darin liegende Härte für den Beamten ist nicht unverhältnismäßig oder unvereinbar mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise. Sie beruht auf dem vorangegangenen Fehlverhalten des für sein Handeln verantwortlichen Beklagten, der sich bewusst gewesen sein muss, dass er hiermit seine berufliche Existenz aufs Spiel setzt.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs. 1 BDG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Revision war nicht zuzulassen (§ 69 BDG, § 132, § 191 Abs. 2 VwGO, § 127 BRRG).