Titel:
Duldungsanordnung im Hinblick auf eine Nutzungsuntersagung für Wohnraum
Normenkette:
BayBO Art. 45, Art. 46, Art. 47 Abs. 1 S. 1, Art. 55 Abs. 2, Art. 57 Abs. 4 Nr. 1, Art. 76 S. 2
Leitsatz:
Die ein genehmigtes Vorhaben von 17 Wohneinheiten in einem Mehrparteienhaus übersteigende tatsächliche Wohnnutzung mit 51 Wohneinheiten und die im Zuge dessen vorgenommenen baulichen Veränderungen, insbesondere die Neuaufteilung der Räume, stellen eine genehmigungspflichtige Änderung sowie Nutzungsänderung von Anlagen gem. Art. 55 Abs. 1 BayBO dar. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Duldungsanordnung im Rahmen einer Nutzungsuntersagung für Wohnraum in einem Mehrparteienhaus, Inanspruchnahme von Miteigentümern, Duldungsanordnung, Nutzungsuntersagung, Nutzungsänderung, Wohnraum, Brandschutz, Stellplätze, Aufenthaltsraum, Verhältnismäßigkeit
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 06.12.2021 – 9 ZB 21.2367
Fundstelle:
BeckRS 2021, 25823
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
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Die Kläger wenden sich gegen die Duldungsanordnung bezüglich einer Nutzungsuntersagung betreffend 51 Wohneinheiten im Rampengeschoss/Rampengalerie, Erdgeschoss und Dachgeschoss eines Mehrparteienhauses auf dem Grundstück Fl.Nr. …9 der Gemarkung W., …-straße … in W. (Baugrundstück).
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1. Die Kläger sind Sondereigentümer von Wohneigentum im 4. Obergeschoss des Mehrparteienhauses auf dem Baugrundstück. Der Beigeladene ist Miteigentümer (Rampengeschoss/Rampengalerie) und Vertreter der Eigentümergemeinschaft des Gebäudes auf dem Baugrundstück.
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Mit Baugenehmigungen vom 14. April 2011, 31. Juli 2012 und 30. Januar 2013 genehmigte die Beklagte dem Beigeladenen das Vorhaben "Umbau und Sanierung mit Nutzungsänderung von Labor- und Büronutzung zu Wohnnutzung (17 Wohneinheiten) und Büronutzung mit Erweiterungsbau im Dachgeschoss und Anbringung eines Wärmedämmverbundsystems" sowie zwei Planänderungen auf dem Baugrundstück. Der zuletzt genehmigte Stand der Planungen sieht im 1. und 2. Kellergeschoss Kellerabteile und Technik- und Heizungsräume sowie einen Lagerraum mit Fahrradstellplätzen vor. Im Rampengeschoss/Rampengalerie wurden zuletzt sechs Wohnungen genehmigt. Im Erdgeschoss sind acht Wohnungen vorgesehen, im 1. Obergeschoss drei Wohnungen sowie Räume für die Hausverwaltung und im 2. und 3. Obergeschoss jeweils drei Wohnungen sowie Büroräume. Im Dachgeschoss ist nach der Errichtung eines neuen Anbaus eine Nutzung mit drei Wohnungen und Dachterrasse genehmigt. Nach allen drei Bauanträgen des Beigeladenen sollte der Brandschutznachweis des der Gebäudeklasse 5 zuzuordnenden Gebäudes bauaufsichtlich geprüft werden. Der damalige Architekt des Beigeladenen legte der Beklagten - ebenfalls unter Einstufung des streitgegenständlichen Gebäudes in die Gebäudeklasse 5 - jeweils Brandschutzkonzepte vom 20. September 2010, vom 2. Dezember 2012 und vom 26. November 2012 (1. Fortführung) vor. Mit der brandschutztechnischen Stellungnahme des Amtes für Zivil- und Brandschutz vom 14. März 2011 sowie den brandschutztechnischen Kurzprüfungen vom 23. April 2012 und vom 10. Dezember 2012 wurde das Bauvorhaben bei Festsetzung bestimmter Auflagen als brandschutztechnisch unbedenklich gewertet bzw. festgestellt, dass keine gravierenden Mängel bezüglich des Brandschutzes erkennbar sind. Von den insgesamt erforderlichen 23 Pkw-Stellplätzen können nach der zuletzt erteilten Baugenehmigung vom 30. Januar 2013 16 Stellplätze auf dem Baugrundstück selbst nachgewiesen werden, die übrigen sieben Stellplätze werden abgelöst (Ziffer 2052 des Bescheids). Weder für die 1. Planänderung noch für die 2. Planänderung befindet sich die Baubeginnsanzeige oder die Anzeige der Nutzungsaufnahme in den Behördenakten. Eine Schlussbegehung durch die Beklagte erfolgte nicht. Das Baugrundstück befindet sich im Geltungsbereich des Baulinienauflageplans für die …- und A.-straße sowie südl. Teil der R. Straße vom 8. September 1954 und 25. Februar 1959.
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Anlässlich einer Baukontrolle am 20. Dezember 2016 stellte die Beklagte fest, dass im streitgegenständlichen Gebäude insgesamt 75 Wohneinheiten errichtet wurden (1. Kellergeschoss: 15 Wohneinheiten; Rampengeschoss/Rampengalerie: 23 Wohneinheiten und 2 Lagerräume mit einem Deckendurchbruch in das 1. Kellergeschoss; Erdgeschoss: 15 Wohneinheiten; 1. Obergeschoss: plangemäß 3 Wohneinheiten und Büro; 2. Obergeschoss: plangemäß 3 Wohneinheiten und Büro, 3. Obergeschoss: plangemäß 3 Wohneinheiten und Büro; Dachgeschoss: 13 Wohneinheiten). Im Erdgeschoss sei unter anderem der zweite Flucht- und Rettungsweg für die vier Wohneinheiten der westlichen Gebäudehälfte auf Seiten der A.-straße nachzuweisen, weil hier eine vorgesetzte, geschlossene Glasfassade mit einer Durchgangsbreite von 38 cm bis 54 cm verbaut sei und der Durchgang aufgrund von gelagerten Gegenständen nicht nutzbar sei. Zudem sei der Ausgang zum Parkdeck durch ein Fenster mit den Maßen 50 cm x 80 cm nicht ausreichend. Der Beigeladene habe angegeben, dass der zweite Flucht- und Rettungsweg des 1. Kellergeschosses über eine selbstgebaute Holzleiter durch ein Fenster mit den Maßen 50 cm x 60 cm sichergestellt sei. Das 2. Kellergeschoss sei ebenfalls mittels Stahlblechprofilen und Gipsplatten in zwölf einzelne Räume unterteilt worden. Die Verlegung von Versorgungsleitungen für Wasser, Strom und Heizung sei zu erkennen. Derzeit werde ein Teil der Räume als Schlafzimmer für die Wohneinheiten des 1. Kellergeschosses genutzt. Jeder Raum sei mit einer Zimmertüre über das 2. Kellergeschoss oder/und über eine wohnungsinterne Holztreppe durch den geschaffenen Deckendurchbruch zum 1. Kellergeschoss zu erreichen. Eine Frischluftzufuhr bzw. Tageslichteinfall sei nicht zu erkennen. Der zweite Flucht- und Rettungsweg im 2. und 3. Obergeschoss sowie im Dachgeschoss sei nachzuweisen, weil zum Teil aufgrund der vorhandenen Brüstung das Anleitern der Feuerwehr nicht gewährleistet sei. Im Übrigen wird auf den Kontrollbericht vom 20. Dezember 2016 verwiesen.
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Mit Bescheid vom 23. Juni 2017 untersagte die Beklagte es dem Beigeladenen, die Räume im 1. und 2. Kellergeschoss zum Zwecke des Wohnens selbst zu nutzen oder durch Dritte nutzen zu lassen. Im Übrigen beantragte der Beigeladene mit Bauantrag vom 6. Oktober 2017, bei der Beklagten eingegangen am 17. Oktober 2017, die Erteilung einer Baugenehmigung für das planabweichend errichtete bzw. genutzte Rampen-, Erd- und Dachgeschoss (3. Planänderung; 1. Kellergeschoss: 38 weitere Fahrradstellplätze; Rampengeschoss/Rampengalerie: 23 Einzimmerapartments; Erdgeschoss: 4 WG-Wohnungen mit jeweils 2 Zimmern und 8 Einzimmerapartments; Dachgeschoss: 2 WG-Wohnungen mit 4 und 9 Zimmern).
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Eine bauaufsichtliche Kontrolle am 12. Oktober 2017 ergab, dass die Wohneinheiten im 1. Kellergeschoss und die Räume im 2. Kellergeschoss geräumt worden waren. Die Wohneinheiten Nrn. 42 bis 53 des 1. Kellergeschosses (Plan Begehung vom 20.12.2017) seien mit einem Zugang mittels Deckendurchbruch (je ca. 1,60 m x 0,70 m bzw. einer im östlichen Gebäudebereich mit den Maßen ca. 3 m x 1 m) ins 2. Kellergeschoss ausgestattet. Der zweite Flucht- und Rettungsweg der Wohnungen im Erdgeschoss seitens der A.-straße, der entlang der Festverglasung führe, sei entrümpelt worden und 38 cm bis 54 cm breit, der Ausgang auf der östlichen Gebäudeseite weise nun eine Größe von 46 cm x 1,43 m auf. Das Dachgeschoss habe nicht begangen werden können, weil die Zugangstüre zum Treppenhaus, die sich im Verlauf des ersten Flucht- und Rettungsweges aus dem Dachgeschoss befinde, verschlossen gewesen sei. Das Treppenhaus besitze keine Rauchableitung an oberster Stelle. Stattdessen habe der Beigeladene auf eine Fenstertüre, die vom letzten Treppenpodest auf den umlaufenden Balkon des Dachgeschosses führe, verwiesen und versichert, dass diese immer offen stehen würde. Im Übrigen wird auf den Kontrollbericht vom 12. Oktober 2017 verwiesen. Mit Schreiben vom 5. Februar 2018 wies die Beklagte den Beigeladenen darauf hin, dass alle Wohnungen des streitgegenständlichen Gebäudes seit langem genutzt würden, ohne dass bislang ein Brandschutznachweis vorliege, der alle erforderlichen Kriterien nach dem Bauordnungsrecht im Sinne eines Gesamtkonzeptes hinsichtlich des Brandschutzes zusammenführe. Solange die Bescheinigungen Brandschutz I und Brandschutz II nicht vorlägen, könne nicht ausgeschlossen werden, dass im Gefahrenfall Leib und Leben und Gesundheit von Menschen gefährdet seien. Ein entsprechendes Schreiben ließ die Beklagte auch den Miteigentümern des streitgegenständlichen Objekts zukommen.
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Mit Bescheid vom 20. August 2018 verpflichtete die Beklagte den Beigeladenen, die Bescheinigung Brandschutz I als Nachweis eines Prüfsachverständigen über die Prüfung des Brandschutznachweises, welcher die planabweichende, bislang nicht genehmigte Bauausführung der 3. Planänderung abbildet, vorzulegen. Weiter wurde der Beigeladene verpflichtet, durch schriftliche Erklärung eines Prüfsachverständigen für Brandschutz in Form einer vorläufigen Bescheinigung zur vorzeitigen Aufnahme der Nutzung nachzuweisen, dass die bereits stattfindenden Wohnnutzungen, wie sie mit der 3. Planänderung beantragt sind, zum gegenwärtigen Zeitpunkt in brandschutztechnischer Sicht unbedenklich sind. Der Beigeladene legte keinen der geforderten Nachweise vor. Die Klage gegen einen zweiten Zwangsgeldbescheid vom 13. November 2018 (Az. W 5 K 18.1602) wurde aufgrund einer Klagerücknahme am 9. Juli 2020 eingestellt.
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2. Im Bauantrag zur 3. Planänderung vom 6. Oktober 2017, eingegangen bei der Beklagten am 17. Oktober 2017, wurde das streitgegenständliche Gebäude wiederum der Gebäudeklasse 5 zugeordnet; die Angabe, ob der Brandschutznachweis bauaufsichtlich geprüft werden soll oder durch einen Prüfsachverständigen bescheinigt wird, erfolgte jedoch nicht.
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Der Beigeladene reichte mit den Bauantragsunterlagen eine "Ergänzung zum Brandschutznachweis" des Architekturbüros … (Entwurfsverfasser) vom 6. Oktober 2017 ein, die im Wesentlichen auf dem Brandschutzkonzept vom 26. November 2012 (1. Fortführung) basiert. Es handele sich demnach um ein Gebäude der Gebäudeklasse 5, weil die Höhe des Fußbodens über dem Gelände im Mittel 16,00 m betrage, keine Sonderbaunutzung vorliege und 49 Nutzungseinheiten mit einer Gesamtfläche größer als 400 m² gegeben seien. Es ändere sich die Anzahl der die Anlage nutzenden Personen, daneben blieben alle anderen Festlegungen aus dem Brandschutzkonzept vom 26. November 2012 (1. Fortführung) erhalten. Die Überschreitung der Fluchtweglänge von maximal 35 m bei den Wohnungen W17.00 bis W23.00 im Rampengeschoss (Maximallänge beträgt 42 m) stelle eine genehmigungspflichtige Abweichung dar. Gegen die überschrittene Fluchtweglänge bestünden wegen der frühzeitigen Alarmierung der Bewohner durch vernetzte Rauchwarnmelder in allen Wohnungen sowie den notwendigen Fluren keine Bedenken. Darüber hinaus verfügten alle Wohnungen über einen zweiten Rettungsweg in Form eines anleiterbaren Fensters. Die mittige Brandwand sowie die feuerbeständigen Wohnungstrennwände verhinderten die Brandausbreitung ausreichend lange, um alle betroffenen Bewohner rechtzeitig retten zu können.
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Mit Schreiben vom 23. Oktober 2017 forderte die Beklagte den Beigeladenen unter Verweis auf Art. 65 Abs. 2 Satz 2 BayBO auf, die Bauantragsunterlagen bis zum 22. Dezember 2017 zu vervollständigen und unter anderem das Prüfprotokoll des Prüfsachverständigen über die Prüfung des Brandschutznachweises vorzulegen. Mit Schreiben vom 11. Mai 2018 teilte der Entwurfsverfasser des Beigeladenen mit, dass die Prüfbescheinigungen für Standsicherheit und Brandschutz vom Beigeladenen bzw. direkt von den jeweiligen Sachverständigen vorgelegt würden.
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Eine brandschutztechnische Stellungnahme des Amtes für Zivil- und Brandschutz vom 16. August 2018 ergab bestehende brandschutztechnische Bedenken gegen das Bauvorhaben. Den Bauunterlagen sei eine Ergänzung eines Brandschutznachweises beigelegt worden. Nachdem die Ursprungsversion fehle, sei eine umfassende Prüfung nicht möglich. Die geplante Feuerwiderstandsdauer der Trennwände könne nur erahnt werden, da die Beschriftung in den Bauteilen nur bedingt lesbar sei. Die Anbindung der Nutzungseinheiten an den Treppenraum müsse zwingend über einen notwendigen Flur i.S.d. Art. 34 BayBO erfolgen. Die Bezeichnung Flur in den Eingabeplänen sei zu präzisieren. Im Erdgeschoss bestehende Nutzungseinheiten seien nochmals halbiert und jeweils zwei eigenständige Zimmer eingebaut worden (Zimmer 2). Jedes dieser Zimmer werde als eigenständige Nutzungseinheit angesehen und müsse feuerhemmend abgetrennt und zwei eigenständige Rettungswege besitzen. Hinsichtlich des Verlaufs des zweiten Rettungsweges im Erdgeschoss ist aufgeführt, dass die Fenster an der A.-straße (Zimmer 2) nicht mit tragbaren Leitern erreicht werden könnten, da eine durchgängige Glasfront vorgesetzt worden sei. Die eingezeichneten Öffnungen im Bereich der Apartments 1 bis 7 seien nicht zulässig, da keine direkte Zugänglichkeit bestehe und die vorgebaute Fassade im Brandfall komplett verrauchen könne. Im Rampengeschoss stehe für alle drei Ebenen der Nutzungseinheit nur ein Fenster als zweiter Rettungsweg zur Verfügung. Augenscheinlich liege hier eine Abweichung von Art. 33 Abs. 1 Hs. 2 Nr. 2 BayBO vor, da nicht in jedem Geschoss ein anderer Rettungsweg erreicht werden könne. Die Wohnungen 2 bis 7 besäßen gegenüberliegende Öffnungen, welche über einen kleinen Vorraum zur A.-straße angebunden würden. In diesem Bereich werde zwischen den einzelnen Nutzungseinheiten die Gefahr des Brandüberschlags gesehen, da die gegenüberliegenden Öffnungen nur 1,5 m voneinander entfernt seien. Da die Nutzungseinheiten nicht direkt erreichbar seien, sei diese Rettungswegführung ebenso unzulässig (Art. 31 Abs. 2 BayBO). Einer Abweichung von Art. 33 Abs. 2 BayBO (Maximallänge Ausgänge Wohnungen 17 bis 23 von 42 m) werde aufgrund der unübersichtlichen Zugänglichkeit der Nutzungseinheiten und dem schwierigen zweiten Rettungsweg nicht zugestimmt. Auf den weiteren Inhalt der brandschutztechnischen Stellungnahme wird verwiesen.
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Mit Schreiben vom 15. April 2019 teilte die Bevollmächtigte des Beigeladenen der Beklagten mit, dass der Beigeladene sich wünsche, dass seitens der Beklagten ein Prüfsachverständiger beauftragt werde, um die brandschutztechnische Unbedenklichkeit der bereits stattfindenden gegenwärtigen Wohnnutzungen im streitgegenständlichen Objekt schriftlich zu erklären. Mit weiteren Schreiben vom 9. Mai 2019 teilte die Bevollmächtigte des Beigeladenen der Beklagten mit, dass sich der Beigeladene auf Art. 62b Abs. 2 BayBO beziehe.
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In der Baubeschreibung vom 9. Mai 2018 ist angegeben, dass eine unbenannte Zahl an Stellplätzen abgelöst werde. Auf den Inhalt des Stellplatznachweises vom 9. Mai 2018 wird Bezug genommen. Mit Schreiben vom 23. Mai 2018 forderte die Beklagte den Beigeladenen dazu auf, den Stellplatznachweis zu überarbeiten, um eine Prüfung des Bauantrags zu ermöglichen. Die geforderte Überarbeitung des Stellplatznachweises wurde der Beklagten nicht vorgelegt.
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Mit Bescheid vom 24. Mai 2019 versagte die Beklagte dem Beigeladenen die Erteilung der Baugenehmigung für die 3. Planänderung. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Beigeladene habe sich vorliegend (anders als in den vorherigen Baugenehmigungsverfahren zu dieser Bausache) nicht für eine bauaufsichtliche Prüfung des Brandschutzes ausgesprochen (Art. 62b Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BayBO). Mit schriftlicher Mitteilung vom 2. August 2017, also noch vor der Feststellung der planabweichenden Bauausführung des Gebäudes, habe der Beigeladene festgelegt, dass die Prüfung der Bausache hinsichtlich des Brandschutzes abschließend durch einen Prüfsachverständigen für Brandschutz vorgenommen werden solle. Gleichlautende Angaben seien nach wiederholter Aufforderung zur Vervollständigung der Bauantragsunterlagen durch den Entwurfsverfasser der 3. Planänderung mit Schreiben vom 11. Mai 2018 erfolgt. Eine abschließend funktionierende Überarbeitung des Brandschutznachweises bzw. die versprochene Prüfung des Brandschutznachweises durch einen Prüfsachverständigen sei vom Bauherrn nicht beauftragt worden. Aufgrund der augenfällig unzureichenden Ausstattung der Bausache hinsichtlich des vorbeugenden Brandschutzes werde die Erteilung der Baugenehmigung vorliegend unter Berufung auf ein fehlendes Sachbescheidungsinteresse abgelehnt (Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 BayBO). Gegen das Bauvorhaben bestünden umfassende brandschutztechnische Bedenken. So bestünden Zweifel, ob die Trennwände der einzelnen Wohneinheiten die erforderliche Feuerwiderstandsdauer besäßen. Weiterhin fehle in einzelnen Wohneinheiten ein funktionierender zweiter Rettungsweg (u.a. wegen nicht funktionsfähiger Schleusen vor Notausstiegsfenstern). In Sachen erster Rettungsweg (Art. 33 Abs. 2 BayBO, Maximallänge Ausgänge Wohnungen 17-23 von 42 m) bedürfe es ggf. einer Abweichung, die jedoch im Zusammenspiel mit dem schwierigen zweiten Rettungsweg, nicht vertretbar sei. Mängel im vorbeugenden Brandschutz in einer Größenordnung wie sie hier in Erscheinung träten, seien bei der Entscheidung über die begehrte Erteilung der Baugenehmigung mit einzustellen und abzuwägen. Die Baugenehmigung könne weiterhin nicht erteilt werden, weil die Barrierefreiheit der Wohnungen einer Etage nicht nachgewiesen sei, kein prüffähiger Stellplatznachweis vorliege und ein Großteil der Apartments im Rampen- und Erdgeschoss nicht die Anforderungen an Aufenthaltsräume erfüllten.
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3. Mit Bescheid vom 3. Juni 2019, dem Bevollmächtigten der Kläger gegen Postzustellungsurkunde zugestellt am 5. Juni 2019, untersagte die Beklagte es dem Beigeladenen, die Räume im Rampengeschoss/Rampengeschoss Galerie, im Erdgeschoss und im 4. Obergeschoss (Dachgeschoss) im Gebäude auf dem Baugrundstück nach Ablauf von vier Monaten, gerechnet ab Zustellung dieses Bescheids, zum Zwecke des Wohnens selbst zu nutzen oder durch Dritte nutzen zu lassen (Ziffer I.). Die am Wohneigentum im Rampengeschoss/Rampengeschoss Galerie, im Erdgeschoss und im 4. Obergeschoss (Dachgeschoss) des Gebäudes auf dem Baugrundstück von der Stadt Würzburg aktenkundig ermittelten, betroffenen MiteigentümerInnen wurden verpflichtet, die Durchführung der unter Ziffer I. angeordneten Maßnahme ab sofort zu dulden (Ziffer II.). Die sofortige Vollziehung der unter Ziffern I. und II. genannten Verpflichtungen wurde angeordnet (Ziffer III.). Für den Fall, dass der Beigeladene die in Ziffer I. dieses Bescheides genannte Verpflichtung nicht erfüllt, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 20.000,00 EUR angedroht (Ziffer IV.). Für den Fall, dass die MiteigentümerInnen der in Ziffer II. festgelegten Duldungspflicht zuwiderhandeln, wurde jeweils in der Person des/der Zuwiderhandelnden ein Zwangsgeld in Höhe von 3.000,00 EUR angedroht (Ziffer V.). Die Kosten des Verfahrens wurden dem Beigeladenen auferlegt; für die Duldungsanordnung (Ziffer II. dieses Bescheides) wurden keine Kosten erhoben (Ziffern VI. und VII.).
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Zur Begründung wurde ausgeführt, die Rechtsgrundlage für den Erlass des Bescheids sei Art. 76 Satz 2 BayBO. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Erlass einer Anordnung, die Nutzung der insgesamt rechtswidrig genutzten 51 Wohneinheiten auf drei Geschossen (Rampengeschoss/Rampengalerie, Erdgeschoss und 4. Obergeschoss) auf dem Baugrundstück zu Wohnzwecken zeitnah und wirksam zu untersagen, seien hier erfüllt. Mit den Baugenehmigungen vom 14. April 2011 und vom 31. Juli 2012 seien auf diesen drei Geschossen insgesamt 17 Wohnungen genehmigt worden. Die in der 3. Planänderung abgebildeten überzähligen Wohneinheiten seien wegen nicht hinreichend erfüllter brandschutztechnischer Anforderungen, aber auch wegen mangelnder Aufenthaltsqualität der Räumlichkeiten und unzureichender Vorlagen zur Barrierefreiheit und zum Stellplatznachweis nicht nachträglich genehmigt worden. Zur Herstellung rechtmäßiger Zustände werde die vorliegende Untersagung der Nutzung aller Wohneinheiten auf den benannten Geschossen erforderlich, weil die veränderten Wohnungszuschnitte und die Ausstattung der "vervielfältigten" Wohneinheiten mit "Bädern" und "Küchenzeilen" eine Nutzung entsprechend dem genehmigten Bestand derzeit nicht zuließen. Der Aufenthalt von Menschen sei nunmehr vorrangig aus sicherheitsrechtlichen Gründen zeitnah und wirksam zu unterbinden. Weiterhin erfüllten die winzigen Wohnparzellen nicht die Anforderungen an Aufenthaltsräume. In pflichtgemäßer Ausübung des behördlichen Ermessens sowie unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten sei deshalb die vorliegende Nutzungsuntersagung erforderlich, um rechtmäßige Zustände herzustellen. Nur so könne die rechtswidrige Ausübung der Nutzung wirksam und auf Dauer gerichtet unterbunden werden. Die in Ziffer I. eingeräumte Frist zur Aufgabe der Wohnnutzung sei festgesetzt worden, um dem Beigeladenen die Möglichkeit einzuräumen, die zur Erfüllung der Nutzungsuntersagung erforderlichen Dispositionen zu treffen. Hinsichtlich der Festsetzung des Termins zur Aufgabe der Wohnnutzungen werde auf die Wirksamkeit gesetzlicher Fristen zur Kündigung eines Mietvertrages abgestellt. Der Beigeladene sei mit Schreiben vom 27. Februar 2019 zur drohenden Untersagung der Nutzung angehört worden. Die Nutzungsuntersagung sei an den Beigeladenen als Bauherrn und Miteigentümer (Rampengeschoss/Rampengalerie) und Vertreter der Eigentümergemeinschaft des Baugrundstücks und somit als Handlungsstörer zu richten. Die abweichende Bauausführung und die (Unter-)Vermietung der Räume zur Wohnnutzung würden durch ihn betrieben. Es liege im besonderen öffentlichen Interesse, dass die aufschiebende Wirkung der Klage entfalle. Ansonsten könne der Tatbestand einer angemaßten Rechtsposition verfestigt werden. Gleichzeitig bestehe im vorliegenden Fall ein besonderes öffentliches Interesse, da den Bauaufsichtsbehörden ohne solche Anordnungen die praktische Durchsetzung der Baugenehmigungspflicht erheblich erschwert werden würde. Die Gewährleistung bauordnungsrechtlicher Anforderungen an die Sicherheit (Brandschutz) und eben auch an die Eignung als Wohnraum mit Aufenthaltsqualität wäre faktisch außer Kraft gesetzt. Die Voraussetzungen für eine Zwangsmittelandrohung lägen vor.
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Die Duldungsanordnung gegenüber den Miteigentümern und Miteigentümerinnen sei notwendig gewesen, weil sie erst dem Verpflichteten, dem Beigeladenen, die bürgerlich-rechtliche Befugnis zur Durchführung der angeordneten Maßnahmen gebe (vgl. § 1004 Abs. 2 BGB).
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4. Mit Schriftsatz vom 4. Juni 2019, bei Gericht eingegangen am 5. Juli 2019, ließen die Kläger Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 3. Juni 2019 erheben und beantragen:
Der Bescheid der Stadt W. vom 03.06.2019, Az. 2408-2017, betreffend den Umbau und die Sanierung mit Nutzungsänderung von Labor- und Büronutzung zu Wohnnutzung (17 Wohneinheiten) und Büronutzung mit Erweiterungsbau im Dachgeschoss und Anbringung eines Wärmedämmverbundsystems - Baugenehmigung vom 14.04.2011 - 1. Planänderung: Baugenehmigung vom 31.07.2012 - 2. Planänderung: Baugenehmigung vom 30.01.2013 - 3. Planänderung: Umbau 4. OG, EG und Rampengeschosse zu WG-Wohnungen bzw. Einzimmerappartements W., …-straße …, Flurstück …9, Gemarkung W., wird bezüglich der Ziffern II., III. und V. (sog. Duldungsanordnung mit Sofortvollzug) aufgehoben.
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Zur Begründung der Klage wurde vorgetragen, dass die Stadt Würzburg kein Recht (mehr) habe, nunmehr fast elf Monate nach Erlass des Bescheids bzw. noch später, diesen zu vollziehen und die Befolgung des Bescheids zu erzwingen. Die Kläger bezögen sich diesbezüglich auf die erkennbare ratio des Bescheids, der in seinem Begründungsteil zum eindeutig schärfsten Mittel greife, nämlich der Nutzungsuntersagung und damit der Freisetzung aller dort eingemieteten Personen, weil ansonsten nicht anders abwehrbare Gefahren für die Bewohner des betroffenen Objekts ausgingen. Wohl alleine zu diesem Zweck sei der Bescheid betreffend Ziffern I. und II. für sofort vollziehbar erklärt worden. Bezüglich der technischen Grundlagen und Begründungen des Bescheids könnten die Kläger nichts beitragen. Rechtlich sei allerdings höchst auffällig, dass die Beklagte erkennbar keine Durchsetzung ihres (ohne jedes Zugeständnis allem Anschein nach als dringlich und alternativlos betrachteten sowie maximal eingreifenden) Bescheids habe stattfinden lassen. Es seien noch keinerlei - aufgrund der behaupteten dringlichen Gefahrenabwehr längst zu erwartende - Vollzugsmaßnahmen zu beobachten. Mit dieser Handhabung führe die Beklagte den Bescheid jedoch ad absurdum und nehme sich das Recht, den Bescheid in Zukunft überhaupt noch zu vollziehen. Dieses Ergebnis sei damit zu begründen, dass die durch den streitgegenständlichen Bescheid angeordneten, denkbar einschneidendsten Maßnahmen nur dann gerechtfertigt seien, wenn sie aufgrund der Situations- und Gefahrenlage alternativlos notwendig seien. Wenn aber die Beklagte fast elf Monate verstreichen lasse, ohne den unter der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit stehenden Bescheid zu vollziehen, dann könne das Mittel der Nutzungsuntersagung und der Freisetzung aller Bewohner bei verständiger Würdigung nicht notwendig gewesen sein. Ein derartiges Zuwarten widerspreche dem Bescheidszweck und dessen etwaiger Legitimation. In diesem Fall hätte der mit dem Bescheid verbundene Eingriff weniger einschneidend sein müssen bzw. müsste der Eingriff auf ein weniger invasives Maß zurückgeführt werden. Die eingriffstiefste Variante sei somit nicht (mehr) gerechtfertigt; die Beklagte habe sich das von ihr gewählte Eingriffsmittel selbst genommen. Vor diesem Hintergrund könnten die Kläger auch nicht mehr zur Duldung des in der vorliegenden Form nicht mehr vollziehbaren und nunmehr ganz oder teilweise rechtswidrigen Bescheids verpflichtet sein. Der unter Ziffer I. des Bescheids angeordnete Eingriff sei jetzt unverhältnismäßig und verstoße gegen das Übermaßverbot.
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5. Die Beklagte beantragte,
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Zur Begründung führte sie aus, dass die Darlegung des Bevollmächtigten der Kläger, die Beklagte habe aus Sicht der Kläger kein Recht (mehr), diesen mindestens fast elf Monate nach Bescheiderlass oder entsprechend noch später zu vollziehen und die Befolgung des Bescheids zu erzwingen, aus verschiedenen Gründen nicht greife. Entgegen der Aussage des Bevollmächtigten der Kläger werde das Verfahren zur Durchsetzung des Bescheids vom 3. Juni 2019 durchaus weiter betrieben. So habe die Beklagte mit Schreiben vom 3. März 2020 das mit Bescheid vom 3. Juni 2019 angedrohte Zwangsgeld gegenüber dem Verpflichteten fällig gestellt und mit Bescheid vom 3. März 2020 ein erneutes Zwangsgeld angedroht. Hierüber seien die Kläger mit Schreiben vom 3. März 2020 informiert worden und aufgefordert worden, der Beklagten Kontaktdaten von Mietern mitzuteilen. Ferner habe sich die gegenwärtige Nutzung des Gebäudes zu Wohnzwecken mit 34 zusätzlich abweichend vom genehmigten Bestand eingerichteten Wohneinheiten als nicht genehmigungsfähig erwiesen, weil unter anderem gerade im Hinblick auf die Abwehr von Gefahren in brandschutztechnischer Hinsicht eine genehmigungsfähige Planung nicht vorgelegt worden sei. Der massive Eingriff des Verwalters der Miteigentümergemeinschaft gerade auch in die bauliche Ausgestaltung der beiden Wohnungen der Kläger im 4. Obergeschoss sei den Klägern bereits mit Schreiben vom 3. Juli 2017 mitgeteilt worden. Darüber hinaus seien sie über die für die Mieter schwerwiegenden, sicherheitsrechtlich bedenklichen Mängel betreffend ihr Sondereigentum informiert gewesen. Allein bis zur Untersagung der nicht genehmigten Wohnnutzungen, zu deren Duldung die Kläger verpflichtet worden seien, seien fast zwei Jahre vergangen, ohne dass für die Beklagte seitens der Miteigentümergemeinschaft der Immobilie zu erkennen gewesen wäre, dass die Kläger konstruktiv ein Benehmen mit dem Verwalter und den Mietern ihres Wohneigentums hätten finden können mit dem Ziel, die rechtswidrige Unsicherheit und rechtlich bedenkliche Situation im Gebäude aufzulösen. Der vergleichsweise kurze Zeitraum von nunmehr fast einem Jahr für den Vollzug des Bescheids vom 3. Juni 2019 beinhalte insbesondere für die betroffenen Mieter einen schwerwiegenden Eingriff in das gleichwohl grundgesetzlich verbürgte Recht auf die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG). Gerade deshalb gelte es hier, die jeweiligen Schutzrechte gegeneinander abzuwägen. Angesichts des auch in Würzburg angespannten Wohnungsmarktes und teurer Mieten, zusätzlich erschwert durch die herrschende Pandemielage, gestalte sich die Bereitstellung ausreichend verfügbarer Unterkünfte, wie sie im Falle einer zwangsweisen Räumung benötigt würden, nachvollziehbar schwierig. Dies könne umgekehrt nicht zur Folge haben, dass die Mieter dem Gefahrenzustand alternativlos fortdauernd ausgesetzt blieben. Im Sinne der mit dem Eigentum verbundenen Pflichten sehe die Beklagte nicht zuletzt auch eine Handlungsverpflichtung der Miteigentümergemeinschaft, rechtmäßige Zustände, vorrangig eine brandschutztechnisch ordnungsgemäße Bauausführung der Bausache zu gewährleisten. Eine Anordnung von Einzelmaßnahmen zur Beseitigung der zahlreichen tief- und ineinandergreifenden brandschutztechnischen Mängel sei in der bestehenden, nicht genehmigungskonformen baulichen Ausgestaltung des Gebäudes in den von der Nutzungsuntersagung betroffenen Geschossen nicht statthaft, weil es sich hierbei um einen "Schwarzbau" handele. Der Erlass des Bescheids vom 3. Juni 2019 und dessen Vollzug im Wege der Vollstreckung sei weiterhin die einzig verbleibende Maßnahme, mittels derer in der Bausache rechtmäßige Zustände hergestellt werden könnten. Die Untersagung der Wohnnutzungen im Rampengeschoss/Rampengeschoss Galerie, im Erdgeschoss und im 4. Obergeschoss sei im Sinne der Gefahrenabwehr zugunsten der Mieter zu Recht ergangen und werde von der Beklagten im Wege der Vollstreckung vollzogen. Wegen der fortdauernden Verweigerungshaltung des Verpflichteten werde die Vollstreckung des Bescheids bis hin zur Räumung angesichts der Schwere des Eingriffs in die Rechte der Mieter weitere Zeit in Anspruch nehmen. Schließlich müsse für eine "Freisetzung aller dort eingemieteten Personen" hinreichend geeigneter Wohnraum zur Verfügung stehen. Die zwangsweise Räumung der Wohnungen werde nur dann abzuwenden sein, wenn die mit den Bescheiden der Stadt Würzburg vom 3. Juni 2019 bzw. 3. März 2020 Verpflichteten im Sinne dieser Verpflichtung handelten und damit der ihnen obliegenden Verantwortung für die ihnen bisher pflichtwidrig überlassene Mietsache nachkämen. Erst nach Mitwirkung in Form einer Aufgabe der Wohnnutzungen bestehe für die verpflichteten Parteien als auch für die Kläger als Wohnungseigentümer die Möglichkeit, das Bauvorhaben im Zuge eines Rückbaus genehmigungskonform herzustellen und nach Vorlage der erforderlichen bautechnischen Nachweise auf dem Wohnungsmarkt anbieten und verwerten zu dürfen. Die Tatsache, dass genau dies allem Anschein nach entweder ohne Unrechtsbewusstsein oder ohne Durchsetzung wirksamer Maßnahmen der Eigentümer und Vermieter in ihrer jeweiligen Doppelfunktion mit Wechselwirkung hinsichtlich der jeweiligen Rechte und Pflichten bis auf weiteres geschehe, könne nicht zulasten der Beklagten gehen, insbesondere nicht in Bezug auf die Zeitdauer der Vollstreckung des Bescheids vom 3. Juni 2019. Nach Abwägung aller entscheidungserheblichen Tatsachen seien die Kläger mit Bescheid vom 3. Juni 2019 zur Duldung der in Ziffer I. des Bescheids angeordneten Maßnahmen zu verpflichten gewesen.
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6. Die Bevollmächtigte des Beigeladenen schloss sich der Argumentation des Klägerbevollmächtigten an und legte dar, dass der Bescheid der Beklagten vom 3. Juni 2019 aufgrund des Zeitablaufs von nunmehr einem Jahr mittlerweile ad absurdum geführt worden sei.
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Des Weiteren machte sie ihre Klagebegründung im Verfahren W 5 K 19.774 zum Gegenstand des hiesigen Verfahrens. Dort wurde u.a. ausgeführt, dass die aktuelle Wohnnutzung brandschutztechnisch unbedenklich und mithin genehmigungsfähig sei. Das streitgegenständliche Objekt sei jedenfalls nicht per se offensichtlich nicht genehmigungsfähig. Nach Einholung einer bauaufsichtlichen Überprüfung und ggf. Erteilung von Auflagen könnten eventuell vorliegende Mängel geheilt werden. Zudem eröffne Art. 63 BayBO auch Abweichungen vom Brandschutz in begründeten Fällen. Dies sei als milderes Mittel vorrangig, werde aber von der Beklagten überhaupt nicht beachtet. Über die bemängelte Wohnqualität des Hauses, welches von Studenten und Singles genutzt werde, habe sich noch kein Bewohner des Objekts beschwert. In jedem Zimmer seien eine Dusche und eine Toilette vorhanden. Die Zimmer seien hell, hätten eine Höhe von 2,60 m und Fenster zur Belichtung und Belüftung.
24
7. Mit Beschluss vom 9. August 2019 (Az. W 5 S 19.819) lehnte das Bayerische Verwaltungsgericht Würzburg einen Antrag des Beigeladenen auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage (Az. W 5 K 19.774) nach § 80 Abs. 5 VwGO ab. Die Beschwerde wurde vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 5. November 2019 (Az. 9 CS 19.1675) zurückgewiesen.
25
Am 4. Januar 2021 ging bei der Beklagten ein Bauantrag des Beigeladenen zu einer 4. Planänderung ein. Mit Schreiben der Beklagten vom 5. Januar 2021 wurden von der Beklagten unvollständige bzw. fehlende Unterlagen zum Bauantrag mit Frist bis zum 6. April 2021 nachgefordert. Mit Schreiben vom 27. Mai 2021 an die Bevollmächtigte des Beigeladenen forderte die Beklagte den Beigeladenen unter Hinweis auf die Rücknahmefiktion gemäß Art. 65 Abs. 2 Satz 2 BayBO erneut auf, bis zum 11. Juni 2021 die Bauantragsunterlagen hinsichtlich des Stellplatznachweises, der Barrierefreiheit und der Betriebsbeschreibung betreffend die Büronutzung zu vervollständigen. Schließlich stellte die Beklagte mit Schreiben an die Bevollmächtigte des Beigeladenen vom 21. Juni 2021 fest, dass der Bauantrag gemäß Art. 65 Abs. 2 Satz 2 BayBO als zurückgenommen gilt, nachdem keine Unterlagen eingegangen seien und keine Rückmeldung in anderer Weise erfolgt sei. Am 7. Juli 2021 ging bei Gericht eine aktualisierte Fassung des Bauantrags zur 4. Planänderung ein.
26
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des sonstigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichts- und Behördenakten einschließlich der Gerichtsakten in den Verfahren W 5 K 19.774, W 5 S 19.819, W 5 K 18.1602, W 5 S 18.1603 und W 5 S 18.1156 sowie auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
27
Die Klage ist teilweise unzulässig und im Übrigen vollumfänglich unbegründet.
28
I. Die Klage ist unzulässig, d.h. nicht statthaft, soweit die Kläger sich gegen Ziffer III. des Bescheids vom 3. Juni 2019 wenden. Bei der Anordnung des Sofortvollzugs handelt es sich nach h.M. nicht um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG. Daher kann nicht im Rahmen einer Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO gegen die Sofortvollzugsanordnung vorgegangen werden. Die Bedeutung der Sofortvollzugsanordnung besteht vielmehr darin, die in § 80 Abs. 1 VwGO geregelte aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen zu vermeiden (vgl. hierzu Kopp/Schenke, VwGO, 27. Aufl. 2021, § 80 Rn. 78 f.). Darüber hinaus ist die Klage als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO zulässig.
29
II. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.
30
Die streitgegenständliche Duldungsanordnung und die Zwangsgeldandrohung in Ziffern II. und V. des Bescheids vom 3. Juni 2019 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
31
Rechtsgrundlage für die Duldungsanordnung ist Art. 76 Satz 2 BayBO.
32
Zweck einer Duldungsanordnung ist es, Dritte zu verpflichten, die ihre Rechte berührende Vollziehung der Ausgangsverfügung zu dulden. Sie stellt einen Rechtseingriff dar und bedarf folglich einer Ermächtigungsgrundlage. Welche Norm die Rechtsgrundlage für eine Duldungsanordnung bildet, ist umstritten. Während teilweise die baurechtliche Generalklausel, Art. 54 Abs. 2 Satz 2 BayBO, als richtige Rechtsgrundlage für die Duldungsanordnung herangezogen wird (vgl. BVerwG, B.v. 13.7.1994 - 4 B 129.94 - BauR 1994, 740; ThürOVG, B.v. 27.2.1997 - 1 EO 235.96 - juris Rn. 56 - DÖV 1997, 555; VGH BW, B.v. 11.6.1990 - 3 S 1036/90 - NVwZ-RR 1991, 458), ist nach anderer Auffassung die Duldungsanordnung auf Art. 76 Satz 1 oder Satz 2 BayBO zu stützen, je nachdem, ob es um die Vollstreckbarkeit einer Beseitigungsanordnung oder Nutzungsuntersagung geht (vgl. BayVGH, B.v. 16.4.2007 - 14 CS 07.275 - juris Rn. 15; B.v. 30.9.2004 - 20 CS 04.2260 - juris Rn. 13; B.v. 2.10.2001 - 15 ZS 01.2101 - juris Rn. 15). Letzterer Auffassung ist zuzustimmen. Um eine Duldungsanordnung gegenüber einem Inhaber privater Rechte erlassen zu können, ist es erforderlich, dass dieser zum Kreis der "Störer" gehört, an den sich auch eine behördliche Anordnung nach Art. 76 BayBO richten könnte. Mit anderen Worten: Eine Duldungsanordnung kann nur gegenüber solchen Adressaten ergehen, denen gegenüber auch eine Anordnung nach Art. 76 BayBO erlassen werden könnte. Da die Anordnung der Duldung einer nach Art. 76 BayBO verfügten Maßnahme aber ein Minus zu der Maßnahme selbst ist, folgt hieraus ("argumentum a maiore ad minus"), dass die Befugnisnorm für eine Duldungsanordnung diejenige Norm sein muss, die zur Handlung selbst berechtigt, mithin Art. 76 BayBO. Eines Rückgriffs auf die allgemeine Generalklausel bedarf es daher nicht. Richtige Rechtsgrundlage für die Duldungsanordnung ist somit Art. 76 Satz 2 BayBO, da es um die Vollstreckbarkeit der gegenüber dem Beigeladenen erlassenen Nutzungsuntersagung geht.
33
1. Die Anordnung der Duldung mit Bescheid vom 3. Juni 2019 ist formell rechtmäßig. Insbesondere wurden die Kläger gemäß Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG mit Schreiben der Beklagten vom 28. Februar 2019 ordnungsgemäß angehört.
34
2. Die Duldungsanordnung ist auch in materiell-rechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Die dem Beigeladenen gegenüber verfügte Nutzungsuntersagung ist ihrerseits rechtmäßig.
35
Die Kammer hat bereits im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (Az. W 5 S 19.819) des Beigeladenen Ausführungen hierzu gemacht. Die mündliche Verhandlung hat keine neuen Erkenntnisse erbracht, die zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung eine abweichende Beurteilung erforderten. Im Anfechtungsprozess gegen eine Nutzungsuntersagung ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts bzw., wenn eine solche nicht stattfindet, der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts maßgeblich, da es sich bei der Nutzungsuntersagung um einen Dauerverwaltungsakt handelt (BayVGH, U.v. 25.1.1988 - 14 B 86.2382 - BayVBl. 1989, 534). Gleiches gilt im vorliegenden Fall der Duldungsanordnung gegenüber den Klägern als Miteigentümern.
36
2.1. Rechtsgrundlage der Nutzungsuntersagung gegenüber dem Beigeladenen ist Art. 76 Satz 2 BayBO. Nach Art. 76 Satz 2 BayBO kann die Nutzung untersagt werden, wenn Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt werden. Anerkanntermaßen genügt für die Nutzungsuntersagung grundsätzlich die formelle Rechtswidrigkeit der Nutzung (BayVGH, B.v. 8.6.2015 - 2 ZB 15.61 - juris; OVG NW, B.v. 25.6.2015 - 7 B 583/15 - juris; Decker in Busse/Kraus, BayBO, 141. EL März 2021, Art. 76 Rn. 282 m.w.N.). Eine Anlage ist formell rechtswidrig, wenn sie Verfahrensvorschriften widerspricht, insbesondere ohne die erforderliche Baugenehmigung oder Zustimmung oder abweichend von ihr oder ohne das sonst erforderliche bauaufsichtliche Verfahren errichtet oder geändert worden ist (Molodovsky/Waldmann in Molodovsky/Famers/Waldmann, Stand: 132. EL Mai 2019, Art. 76 Rn. 29 m.w.N.). Da die Nutzungsuntersagung in erster Linie die Funktion hat, den Bauherrn auf das Genehmigungsverfahren zu verweisen, muss grundsätzlich nicht geprüft werden, ob das Vorhaben auch gegen materielles Recht verstößt. Anders als bei der Beseitigungsanordnung nach Art. 76 Satz 1 BayBO kommt es nicht darauf an, ob auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Damit ist es grundsätzlich unerheblich, ob die untersagte Nutzung (auch) gegen materielles Recht verstößt.
37
Die bloße formelle Rechtswidrigkeit kann eine Nutzungsuntersagung - aus Gründen der Verhältnismäßigkeit - nur dann nicht rechtfertigen, wenn die ausgeübte Nutzung offensichtlich genehmigungsfähig ist (BayVGH, B.v. 8.6.2015 - 2 ZB 15.61 - juris; Decker in Busse/Kraus, BayBO, 141. EL März 2021, Art. 76 Rn. 282). Denn es ist im Allgemeinen unverhältnismäßig, eine offensichtlich materiell legale Nutzung zu untersagen, ohne den Bauherrn vorher - vergeblich - aufgefordert zu haben, einen Bauantrag zu stellen (Art. 76 Satz 3 BayBO) bzw. ohne über einen bereits gestellten Bauantrag entschieden zu haben (vgl. BayVGH, B.v. 23.5.2014 - 9 CS 14.451 - juris und U.v. 19.5.2011 - 2 B 11.353 - BayVBl 2012, 86).
38
In der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs wird zudem hervorgehoben, dass ein Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften aus Gründen der Verhältnismäßigkeit bei einer Nutzungsuntersagung gegenüber den Bewohnern von Wohnraum, der für diese den alleinigen Mittelpunkt ihrer privaten Existenz bildet, in der Regel nur gegeben ist, wenn die Wohnnutzung (auch) materiell rechtswidrig ist (so BayVGH, U.v. 5.12.2005 - 1 B 03.2608 - BayVBl 2006, 702 und B.v. 16.5.2008 - 9 ZB 07.3224 - juris; vgl. zur a.A. Decker in Busse/Kraus, BayBO, 141. EL März 2021, Art. 76 Rn. 282). Die Untersagung der Nutzung dieses Wohnraums ohne vorangegangene vergebliche Aufforderung, einen Bauantrag zu stellen, wird demnach in der Regel nicht schon dann verhältnismäßig sein, wenn die Nutzung nicht offensichtlich genehmigungsfähig ist, sondern nur dann, wenn sie (auch) materiell rechtswidrig ist.
39
Die Entscheidung über eine Nutzungsuntersagung nach Art. 76 Satz 2 BayBO stellt eine Ermessensentscheidung dar. Allerdings ist zu beachten, dass das öffentliche Interesse grundsätzlich das Einschreiten gegen baurechtswidrige Zustände im Wege der Nutzungsuntersagung gebietet. Die Behörde macht daher im Regelfall von ihrem Ermessen in einer dem Zweck des Gesetzes entsprechenden Weise Gebrauch, wenn sie bei rechtswidrig errichteten oder genutzten Anlagen die unzulässige Benutzung untersagt, weil nur so die Rechtsordnung wiederhergestellt werden kann. Dem Ermessen in Art. 76 Satz 2 BayBO ist deshalb die Tendenz eigen, die der Natur der Sache nach gebotene Pflicht zum Einschreiten zu verwirklichen (sog. intendiertes Ermessen, vgl. Decker in Busse/Kraus, BayBO, 141. EL März 2021, Art. 76 Rn. 301).
40
Gemessen an diesen Maßstäben begegnet die Nutzungsuntersagung rechtlich keinen Bedenken. Denn es ist hier von der formellen und materiellen Rechtswidrigkeit der tatsächlich ausgeübten Wohnnutzung auszugehen. Der Beigeladene hat in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage des Gerichts bestätigt, dass sich seit den Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren im Jahr 2019 (vgl. Az. W 5 S 19.819 und 9 CS 19.1675) an der tatsächlichen Situation im streitgegenständlichen Gebäude nichts geändert hat und der bauliche Zustand unverändert fortbesteht. Daher ist keine vom Ergebnis im einstweiligen Rechtsschutzverfahren abweichende rechtliche Beurteilung der formellen und materiellen Rechtswidrigkeit angezeigt.
41
2.1.1. Die tatsächlich ausgeübte Wohnnutzung des Rampengeschosses/Rampengalerie für 23 Wohneinheiten, des Erdgeschosses für 15 Wohneinheiten und des Dachgeschosses für 13 Wohneinheiten ist formell rechtswidrig, weil die hierfür erforderliche Baugenehmigung nicht vorhanden ist. Zuletzt wurde mit Baugenehmigungen vom 14. April 2011, 31. Juli 2012 und 30. Januar 2013 die Nutzung der streitgegenständlichen Geschosse des Gebäudes für sechs Wohnungen (Rampengeschoss/Rampengalerie), acht Wohnungen (Erdgeschoss) bzw. drei Wohnungen (Dachgeschoss) genehmigt. Die das genehmigte Vorhaben damit weit übersteigende tatsächliche Wohnnutzung und die im Zuge dessen vorgenommenen baulichen Veränderungen, insbesondere die Neuaufteilung der Räume, stellen eine genehmigungspflichtige Änderung sowie Nutzungsänderung von Anlagen gemäß Art. 55 Abs. 1 BayBO dar. Ein Ausnahmetatbestand i.S.v. Art. 56 bis 58, 72 und 73 BayBO ist vorliegend nicht gegeben; insbesondere liegt kein Fall des Art. 57 Abs. 4 Nr. 1 BayBO vor. Danach ist verfahrensfrei die Änderung der Nutzung von Anlagen, wenn für die neue Nutzung keine anderen öffentlich-rechtlichen Anforderungen als bisher in Betracht kommen. Abzustellen ist bei der zu treffenden Behördenentscheidung darauf, dass ein Wechsel von einer genehmigten Nutzung zu einer neuen, nicht genehmigten Nutzung vorliegt (vgl. Decker in Busse/Kraus, BayBO, 141. EL März 2021, Art. 76 Rn. 289). Vorliegend sind an die neue, deutlich kleinteiligere und intensivere Wohnnutzung jedenfalls höhere bzw. neue bauordnungsrechtliche Anforderungen i.S.d. Art. 57 Abs. 4 Nr. 1 i.V.m. Art. 60 Satz 1 Nr. 2 und Art. 62 bis 62b BayBO (u.a. Stellplatzanforderungen nach Art. 47 BayBO, Anforderungen an Aufenthaltsräume und Wohnungen nach Art. 45 f. BayBO, neue Erfordernisse von Trennwänden nach Art. 27 BayBO, Anforderungen an den Brandschutz nach Art. 62b BayBO) zu stellen (vgl. Lechner/Busse in Busse/Kraus, BayBO, 141. EL März 2021, Art. 57 Rn. 416 und 418 f.). Damit erweist sich die derzeitige Nutzung und der derzeitige bauliche Zustand der streitgegenständlichen Geschosse, die nicht durch eine Baugenehmigung und auch nicht durch Bestandsschutz abgedeckt sind, schon aus diesem Grund als formell illegal.
42
2.1.2. Die tatsächlich ausgeübte und mit Bescheid vom 3. Juni 2019 in Ziffer I. untersagte Wohnnutzung ist darüber hinaus auch materiell rechtswidrig, da sie in materiell-rechtlicher Hinsicht im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften steht. Sie verletzt - wie die Beklagte im Bescheid letztlich auch ausführt - insbesondere die nach Art. 55 Abs. 2 BayBO einzuhaltenden bauordnungsrechtlichen Anforderungen an den Brandschutz, an Stellplätze sowie an Wohnungen und Aufenthaltsräume.
43
Dem steht nicht entgegen, dass die bauaufsichtliche Prüfung im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren eines Gebäudes der Gebäudeklasse 5 nach Art. 59 BayBO sowie nach Art. 62b Abs. 2 BayBO beschränkt ist. Denn diese Beschränkung entbindet nicht von der Verpflichtung zur Einhaltung der Anforderungen, die durch öffentlich-rechtliche Vorschriften an Anlagen gestellt werden, und lassen die bauaufsichtlichen Eingriffsbefugnisse nach der Bayerischen Bauordnung unberührt, Art. 55 Abs. 2 BayBO (vgl. Decker in Busse/Kraus, BayBO, 141. EL März 2021, Art. 55 Rn. 86). Bei dem streitgegenständlichen Gebäude handelt es sich auch um ein solches der Gebäudeklasse 5, weil es eine Höhe gemäß Art. 2 Abs. 3 Satz 2 BayBO von 16,12 m hat (13,12 m bzw. 19,12 m vgl. Schnitt A-A, 3. Planänderung), Art. 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BayBO. Insoweit kann daher im Rahmen des bauaufsichtlichen Einschreitens dahinstehen, ob im Baugenehmigungsverfahren zur 3. Planänderung der Brandschutznachweis bauaufsichtlich zu prüfen oder durch einen Prüfsachverständigen für Brandschutz zu bescheinigen war (Art. 62b Abs. 2 Satz 1 BayBO), weil es hier allein auf die Einhaltung der materiellen bauordnungsrechtlichen Anforderungen an den Brandschutz ankommt.
44
Hierzu hat die Kammer im einstweiligen Rechtsschutzverfahren des Beigeladenen (VG Würzburg, B.v. 9.8.2019 - W 5 S 19.819 - n.v. S. 21 ff.) ausführlich Stellung genommen und Folgendes ausgeführt:
"[…] Die tatsächlich ausgeübte Wohnnutzung hält den materiellen bauordnungsrechtlichen Anforderungen an den Brandschutz nach Aktenlage nicht stand. Es wird diesbezüglich auf den Inhalt der Kontrollberichte der bauaufsichtlichen Kontrollen vom 20. Dezember 2016, 14. September 2017 und 12. Oktober 2017 verwiesen. Demnach wurde zuletzt festgestellt, dass im Rampengeschoss/Rampengalerie die beleuchtete Fluchtwegkennzeichnung zu ertüchtigen ist. In die innere Brandwand zur Unterteilung des Rampengeschosses wurde im Bereich des notwendigen Flures eine T30 RS Türe verbaut, wobei die Anschlüsse an die Mauer nicht regelkonform hergestellt wurden; die Türe sei umgehend durch eine fachgerecht eingebaute T90 Türe zu ersetzen. In der Rampengalerie wurde der notwendige Flur, der zu den drei Wohnungen im östlichen Bereich führt, durch eine T30 Türe abgetrennt; in die in den genehmigten Plänen mit F90 betitelte Mauer sei eine Türe zu verbauen, die den brandschutztechnischen Anforderungen einer F90 Wand gerecht werde. Die Durchführungen von Rohren und Leitungen hinter der Türe wurden beidseitig mit Gipsplatten verkleidet. In diesem Bereich sei auch unverzüglich eine beleuchtete Fluchtwegbeschilderung anzubringen. Die Abtrennung des notwendigen Treppenhauses zum notwendigen Flur im Rampengeschoss wurde mittels einer T30 Türe realisiert, die umgehend durch eine T30 RS Türe zu ersetzen bzw. der Nachweis hierfür zu erbringen sei. Im Erdgeschoss führt der zweite Flucht- und Rettungsweg der Wohnungen auf Seiten der A.-straße (Süden) über einen 38 cm bis 54 cm breiten Durchgang und schließlich zu einem 0,46 m x 1,43 m großen Ausgang. Im Dachgeschoss wurde die Abtrennung des notwendigen Treppenhauses zum notwendigen Flur mittels einer T30 Türe realisiert, die umgehend durch eine T30 RS Türe zu ersetzen bzw. der Nachweis hierfür zu erbringen sei. Der zweite Flucht- und Rettungsweg aus den Wohnungen auf Seiten der A.-straße (Süden) und im Osten des Gebäudes sei nachzuweisen, weil hier eine Höhe von OK Brüstung bis OK A.-straße von 20,75 m gemessen wurde. Das Dachgeschoss konnte zuletzt nicht begangen werden, weil die Zugangstüre zum Treppenhaus, die sich im Verlauf des ersten Flucht- und Rettungsweges aus dem Dachgeschoss befindet, verschlossen war; diese müsse zu jeder Zeit geöffnet werden können. Schließlich besitzt das Treppenhaus keine Rauchableitung an oberster Stelle. Stattdessen habe der Antragsteller auf eine Fenstertüre verwiesen, die immer offen stehe. Die Einhaltung der brandschutztechnischen Anforderungen an die raumabschließenden Bauteile der Wohneinheiten im Erdgeschoss und im Rampengeschoss/Rampengalerie sei fraglich. Zudem seien Türen vom notwendigen Flur zu den Wohneinheiten nicht vollwandig. Der bestandskräftigen Verpflichtung aus dem Bescheid vom 20. August 2018 ist der Antragsteller bis heute nicht nachgekommen.
Die seitens des Antragstellers im Baugenehmigungsverfahren zur 3. Planänderung vorgelegte Ergänzung zum Brandschutznachweis vom 6. Oktober 2017, die mithin noch vor der letzten Baukontrolle durch die Antragsgegnerin datiert und im Wesentlichen auf dem Brandschutzkonzept vom 26. November 2012 (1. Fortführung) basiert, führt hingegen lediglich aus, dass sich die Personenbelastung für das Treppenhaus erhöhe. Ansonsten blieben alle anderen Festlegungen aus dem vorhergehenden Brandschutzkonzept vom 26. November 2012 (1. Fortführung) vollumfänglich erhalten. Im Übrigen sei hinsichtlich der Überschreitung der Fluchtweglänge von maximal 35 m für die Wohnungen W17.00 bis W23.00 im Rampengeschoss (Planunterlagen 3. Planänderung) eine genehmigungspflichtige Abweichung erforderlich. Diese Ausführungen legen damit gerade nicht dar, dass die tatsächlich ausgeübte und durch den streitgegenständlichen Bescheid untersagte Wohnnutzung den bauordnungsrechtlichen Anforderungen an den Brandschutz genügt. Die Ergänzung des Brandschutzkonzepts vom 6. Oktober 2017 lässt nämlich, indem sie lediglich das Brandschutzkonzept vom 26. November 2012 (1. Fortführung) fortführt und dessen Inhalt als gegeben an- und übernimmt, die tatsächlich vorhandene bauliche Situation, so wie sie die Antragsgegnerin bei ihren Baukontrollen vorgefunden hat, vollkommen außer Betracht. Das gilt insbesondere in Bezug auf die vor dem Erdgeschoss auf Seiten der A.-straße bestehende Festverglasung und die vorhandene Brüstung ebenso wie die zwischenzeitlich vom Antragsteller vorgenommenen baulichen Veränderungen, wie die geschaffenen Decken- und Wanddurchbrüche, und die fehlenden bzw. nicht lesbaren Kennzeichnungen der verwendeten Bauteile. Sie ist daher zur Behebung oder Ausräumung der durch die Antragsgegnerin bei den Baukontrollen festgestellten und in Bezug auf die tatsächlich ausgeübte Wohnnutzung bestehenden brandschutztechnischen Mängel schlicht ungeeignet.
Gemäß der brandschutztechnischen Stellungnahme vom 16. August 2018, auf deren Inhalt Bezug genommen wird, bestehen weiterhin brandschutztechnische Bedenken. Dieser Einschätzung schließt sich die Kammer vorliegend an, weil die tatsächlich ausgeübte Wohnnutzung den materiellen bauordnungsrechtlichen Anforderungen nach summarischer Prüfung aufgrund der Aktenlage nicht standhält. Im Rampengeschoss/Rampengalerie genügt die Abtrennung des notwendigen Treppenhauses zum notwendigen Flur durch eine T30 Türe nicht den Anforderungen des Art. 33 Abs. 6 Nr. 2 BayBO. Die T30 RS Türe in der inneren Brandwand widerspricht der Vorschrift des Art. 28 Abs. 3 BayBO, zumal auch die Anschlüsse an die Mauer nicht regelkonform hergestellt wurden (vgl. Nolte in Simon/Busse, BayBO Art. 12 Rn. 25). Schließlich hält die T30 Türe in der feuerbeständigen Wand, die den notwendigen Flur abtrennt, der zu den drei Wohnungen im östlichen Bereich der Rampengalerie führt, sowie der dort geschaffene und ohne Kennzeichnung wieder versiegelte Wanddurchbruch die Festlegungen des Brandschutznachweises im Rahmen der 3. Planänderung nicht ein. Die Fluchtweglänge für die Wohnungen W17.00 bis W23.00 (Planunterlagen 3. Planänderung) überschreitet die maximale Entfernung von 35 m nach Art. 33 Abs. 2 Satz 1 BayBO. Im Erdgeschoss verstößt der vorhandene zweite Flucht- und Rettungsweg in Bezug auf die Wohneinheiten auf Seiten der A.-straße (Süden) gegen die Bestimmungen gemäß Art. 31 i.V.m. Art. 35 Abs. 4 BayBO. Der Durchgang mit einer Breite von 38 cm bis 54 cm ist ersichtlich zu schmal, ebenso wie der 46 cm breite Ausgang. Zudem kann die vorgebaute Fassade im Brandfall komplett verrauchen. Im Dachgeschoss verletzt die Abtrennung des notwendigen Treppenhauses zum notwendigen Flur durch eine T30 Türe wiederum Art. 33 Abs. 6 Nr. 2 BayBO. Zudem ist die Sicherstellung des ersten Rettungsweges aus dem Dachgeschoss gemäß Art. 31 Abs. 1 BayBO fraglich, weil die Zugangstüre zum Treppenhaus, die sich in dessen Verlauf befindet, bei der letzten Baukontrolle verschlossen war. Das notwendige Treppenhaus besitzt im Übrigen keine Rauchableitung an oberster Stelle, womit die Vorschrift des Art. 33 Abs. 8 Satz 3 und 4 BayBO verletzt ist. Schließlich ist das Bestehen einer feuerhemmenden Abtrennung der einzelnen Wohneinheiten fraglich (Art. 27 BayBO). Diese Verstöße hat der Antragsteller auch weder im behördlichen noch im gerichtlichen Verfahren nach Aktenlage ausgeräumt oder sachlich bestritten. Vielmehr erklärt die Antragstellerseite im streitgegenständlichen gerichtlichen Verfahren im Hinblick auf die Eilbedürftigkeit, dass der Antragsgegnerin bereits seit der Begehung am 20. Dezember 2016 die Zustände im Gebäude bekannt seien. Damit wird eine Veränderung dieser Zustände gerade nicht geltend gemacht.
Die streitgegenständliche Wohnnutzung löst darüber hinaus nach überschlägiger und nicht bestrittener Berechnung der Antragsgegnerin einen Mehrbedarf von etwa 35 Stellplätzen aus, die allesamt nicht vorhanden sind, weshalb die Nutzung im Widerspruch zu Art. 47 Abs. 1 Satz 1 BayBO steht.
Soweit dies aus den Planunterlagen zur 3. Planänderung ersichtlich ist, ist schließlich bis auf das "Apartment 8" im Erdgeschoss keine Wohnung mit einer Badewanne oder Dusche gemäß Art. 46 Abs. 3 BayBO ausgestattet. Die Wohnungen W1.00 bis W20.00 im Rampengeschoss sind nicht mit einer Kochnische ausgestattet, Art. 46 Abs. 1 Satz 1 BayBO. Hinsichtlich aller streitgegenständlichen Wohneinheiten bestehen schließlich Bedenken im Hinblick auf die zur Verfügung stehende Nettowohnfläche, Art. 45 BayBO. Aufenthaltsräume sollen nach allgemein anerkannten Erfahrungssätzen eine Grundfläche von mindestens 8 m² bei 2,50 m geringster Breite haben. Diese Größe ist nach den zu stellenden Mindestanforderungen an ein gesundes Wohnen und Arbeiten (auch für Schlafräume) notwendig, um einen Mindestluftinhalt und einen natürlichen Luftwechsel zu gewährleisten. Die Mindestgröße von 8 m² kann grundsätzlich nur für einzelne - unselbständige - Aufenthaltsräume innerhalb einer üblichen Wohnung gelten. Sie genügt aber nicht, wenn der Raum der einzige Aufenthaltsraum (Wohn- und Schlafraum) ist und die ganze Wohnung darstellt, z. B. Appartements oder Einraumwohnungen. In Wohnheimen mit ausreichend großen Aufenthaltsräumen wird eine Größe von 8 m² für die einzelnen Aufenthaltsräume regelmäßig ausreichen (s. zu allem Nolte in Simon/Busse, BayBO, Art. 45 Rn. 32 ff.). Vor diesem Hintergrund spricht vieles dafür, dass die streitgegenständlichen Wohneinheiten im Hinblick auf Art. 45 BayBO mit ihrer Nettowohnfläche nicht den bauordnungsrechtlichen Anforderungen an Aufenthaltsräume genügen.
Die tatsächlich ausgeübte Wohnnutzung ist daher materiell rechtswidrig. […]"
45
Der BayVGH hat in seiner Beschwerdeentscheidung die Einschätzung des Verwaltungsgerichts bestätigt, dass aufgrund der aufgezeigten Nichteinhaltung der Anforderungen an den Brandschutz die untersagte Nutzung aller Voraussicht nach nicht genehmigungsfähig ist (BayVGH, B.v. 5.11.2019 - 9 CS 19.1675 - juris Rn. 14). An dieser Feststellung wird im vorliegenden Hauptsacheverfahren festgehalten. Insbesondere hat der Beigeladene nicht vorgetragen, die aufgezeigten Mängel bereinigt zu haben. Den Verpflichtungen aus dem bestandskräftigen Bescheid der Beklagten vom 20. August 2018 (vgl. Akte Az. 22689-2010 bauaufsichtliches Einschreiten Band II, Bl. 615 ff.), die Bescheinigung Brandschutz I als Nachweis eines Prüfsachverständigen über die Prüfung des Brandschutznachweises, welcher die planabweichende, bislang nicht genehmigte Bauausführung der 3. Planänderung abbildet, sowie eine vorläufige Bescheinigung im Rahmen der vorzeitigen Aufnahme der Nutzung vorzulegen, ist der Beigeladene nicht nachgekommen.
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2.1.3. Die streitgegenständliche Nutzungsuntersagung ist ermessensfehlerfrei ergangen und auch verhältnismäßig.
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Die Beklagte hat in ihrer Ermessensentscheidung zu Recht auf die materielle Rechtswidrigkeit der tatsächlich ausgeübten Wohnnutzung aufgrund der unter 2.1.2. festgestellten bauordnungsrechtlichen Verstöße abgestellt.
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Die tatsächlich ausgeübte Wohnnutzung ist insbesondere nicht offensichtlich genehmigungsfähig. Einerseits kann die Beklagte auf eine reine Offensichtlichkeitsprüfung nach Erlass ihres die 3. Planänderung ablehnenden Bescheids vom 24. Mai 2019 schon nicht mehr verwiesen werden (vgl. Decker in Busse/Kraus, BayBO, 141. EL März 2021, Art. 76 Rn. 304). Andererseits hat sie im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens zur 3. Planänderung von ihrer Befugnis nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 BayBO Gebrauch gemacht und die Baugenehmigung letztlich aufgrund von Verstößen gegen bauordnungsrechtliche Anforderungen jedenfalls an die Stellplätze sowie an Wohnungen und Aufenthaltsräume, die sie damit zum Gegenstand ihres Prüfprogramms gemacht hat, versagt. Vom Vorliegen dieser Verstöße ist die Beklagte - wie unter 2.1.2. dargelegt - auch zu Recht ausgegangen. Im Hinblick auf die brandschutzrechtlichen Verstöße durch die tatsächlich ausgeübte Nutzung lässt es die Kammer dahinstehen, ob der Brandschutznachweis der 3. Planänderung gemäß Art. 62b Abs. 2 Satz 1 BayBO bauaufsichtlich zu prüfen oder durch einen Prüfsachverständigen für Brandschutz zu bescheinigen war, weil dies - wie auch bereits unter 2.1.2. ausgeführt - für die von der Beklagten bei ihren Baukontrollen festgestellten und tatsächlich vorliegenden brandschutzrechtlichen Verstöße, die der Beigeladene bislang nicht ausgeräumt hat, unerheblich ist. Auch aufgrund dieser aktenkundig festgestellten brandschutzrechtlichen Verstöße ist daher letztlich eine offensichtliche Genehmigungsfähigkeit der tatsächlich ausgeübten Wohnnutzung i.S.d. Art. 76 Satz 2 BayBO zu verneinen. Das behördliche Verhalten stellt sich insoweit als konsequent und im Ergebnis nicht zu beanstanden dar. Vielmehr unterläge die Beklagte einem erhöhten Rechtfertigungsbedarf, hätte sie sich im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens zur 3. Planänderung auf das obligatorische Prüfprogramm beschränkt und wäre dann aber auf Grundlage des Bauordnungsrechts bauaufsichtlich eingeschritten (vgl. Decker in Busse/Kraus, BayBO, 141. EL März 2021, Art. 76 Rn. 99a). An der Notwendigkeit eines bauaufsichtlichen Einschreitens bestehen jedenfalls vor dem Hintergrund der aufgezeigten und aktenkundigen Rechtsverstöße aus Sicht der Kammer keine Bedenken.
49
Auch im Übrigen ist die Maßnahme verhältnismäßig. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass sich die Nutzungsuntersagung vorliegend auf insgesamt 51 Wohneinheiten bezieht, die für ihre Bewohner den alleinigen Mittelpunkt ihrer privaten Existenz bilden. Denn die Wohnnutzung ist einerseits materiell rechtswidrig (vgl. BayVGH, U.v. 5.12.2005 - 1 B 03.2608 - BayVBl 2006, 702), weil sie gegen die unter 2.1.2. aufgeführten bauordnungsrechtlichen Vorschriften verstößt. Andererseits besteht aufgrund der Verstöße gegen brandschutzrechtliche Anforderungen und solche an Wohnungen und Aufenthaltsräume auch eine gegenwärtige Gefahr für Leib und Leben der betreffenden Bewohner sowie etwaiger Besucher, worauf die Beklagte in der Begründung ihrer Ermessensentscheidung zu Recht verweist (bestätigt durch BayVGH, B.v. 5.11.2019 - 9 CS 19.1675 - juris Rn. 17). Die pauschale Angabe der Bevollmächtigten des Beigeladenen, dass die aktuelle Wohnnutzung nach dem Dafürhalten des Beigeladenen brandschutztechnisch unbedenklich sei, hat dem inhaltlich nichts entgegenzusetzen.
50
Zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung stellt sich die Nutzungsuntersagung und in der Folge die Duldungsanordnung auch als erforderlich und angemessen dar. Bereits im einstweiligen Rechtsschutzverfahren wurde in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass dem nicht entgegensteht, dass die Beklagte im Vorfeld des streitgegenständlichen Bescheids eine gewisse Zeit in den betreffenden Geschossen nicht bauaufsichtlich tätig geworden ist. Gleiches gilt im Hinblick auf die Zeitspanne nach dem Erlass des Bescheids im Jahr 2019 bis zur mündlichen Verhandlung am 8. Juli 2021. Grundsätzlich gibt es keine Verwirkung im Rahmen bauaufsichtlichen Einschreitens (vgl. BayVGH, B.v. 20.11.2018 - 9 ZB 15.2323 - juris Rn. 17; U.v. 28.6.2012 - 9 B 10.2532 - juris Rn. 22 f.; B.v. 28.12.2016 - 15 CS 16.1774 - juris Rn. 33), da die Nutzungsuntersagung letztlich der Gefahrenabwehr dient. Am Vorliegen der oben aufgezeigten beachtlichen Gefahren für Leib und Leben hat sich nichts geändert; diese bestehen ungeachtet des Zeitablaufs unverändert fort. Die Beklagte hat auch keinen Vertrauenstatbestand durch eine aktive Duldung des baurechtswidrigen Zustands geschaffen. Vielmehr hat sie in Vorbereitung und Umsetzung der Vollstreckung des streitgegenständlichen Bescheids verschiedene Maßnahmen getroffen und ist nicht untätig geblieben. Im Rahmen einer weiteren Begehung des streitgegenständlichen Gebäudes am 10. Dezember 2019 wurde festgestellt, dass sich die Lage als unverändert darstellt (Bauakte Az. 2408-2017, Bl. 387 ff.). Darauf folgend wurde das Zwangsgeld aus Ziffer IV. des Bescheids vom 3. Juni 2019 gegenüber dem Beigeladenen mit Bescheid vom 3. März 2020 fällig gestellt und gleichzeitig ein neues Zwangsgeld in Höhe von 40.000,00 EUR angedroht (Bauakte Az. 2408-2017, Bl. 421 ff.). Die Kläger als Miteigentümer wurden mit Schreiben vom 3. März 2020 (Bauakte Az. 2408-2017, Bl. 432 f.) über den Sachstand informiert und zu einer Räumung angehört (Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG). Darüber hinaus ist nach Ablehnung des Bauantrags zur 3. Planänderung mit Bescheid vom 24. Mai 2019 ein Bauantrag des Beigeladenen vom 28. Dezember 2020 betreffend eine 4. Planänderung am 4. Januar 2021 bei der Beklagten eingegangen, womit erneut die Möglichkeit der Herstellung bauordnungsgemäßer Zustände geprüft wurde. Jedoch konnte auch dieses Verfahren nicht mit einer Plangenehmigung abgeschlossen werden. Vielmehr forderte die Beklagte den Beigeladenen mit Schreiben vom 5. Januar 2021 und 27. Mai 2021 auf, die Antrags- und Planunterlagen zu vervollständigen, wobei zuletzt unter Hinweis auf die Rücknahmefiktion in Art. 65 Abs. 2 Satz 2 BayBO eine Frist bis zum 11. Juni 2021 gesetzt wurde. Mit Schreiben vom 21. Juni 2021 stellte die Beklagte gegenüber dem Beigeladenen fest, dass der Bauantrag gemäß Art. 65 Abs. 2 Satz 2 BayBO als zurückgenommen gilt und das Verfahren auf diese Weise beendet ist. In der Folge ließ der Beigeladene im Vorfeld der mündlichen Verhandlung über seine Bevollmächtigte dem Gericht eine wiederum aktualisierte und ergänzte Fassung des Bauantrags vorlegen, die am 7. Juli 2021 bei Gericht eingegangen ist. In der mündlichen Verhandlung waren sich die Beteiligten einig, dass dieser Antrag noch nicht der Beklagten vorliegt, aber eingereicht werden wird.
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Die Verhältnismäßigkeit könnte allenfalls dann fraglich sein, wenn eine Legalisierung des Vorhabens mit großer Sicherheit kurz bevorsteht (OVG Lüneburg, B.v. 11.10.2019 - 1 LA 74/18 - juris Rn. 14). Angesichts der soeben geschilderten Situation lässt sich jedoch nicht hinreichend verlässlich absehen, dass einer Legalisierung des streitgegenständlichen klägerischen Vorhabens nichts entgegensteht (BayVGH, B.v. 5.12.2019 - 9 ZB 18.1263 - juris Rn. 9). Vielmehr hat sich im Rahmen der mündlichen Verhandlung herausgestellt, dass zwischen dem Beigeladenen als Bauherrn und der Beklagten grundlegend unterschiedliche Betrachtungsweisen hinsichtlich der Frage des Stellplatznachweises, der Barrierefreiheit sowie der Ausräumung der brandschutzrechtlichen Problematik bestehen.
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Es ist daher davon auszugehen, dass zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung die streitgegenständliche Anordnung der Nutzungsuntersagung und folglich auch die Duldungsanordnung zutreffend als geeignet, erforderlich und auch im engeren Sinne verhältnismäßig angesehen werden kann.
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Die gesetzte Frist zur Aufgabe der Wohnnutzung von vier Monaten ist angemessen. Sie berücksichtigt insbesondere die gesetzlichen Fristen zur Kündigung eines Mietvertrags (§ 573c Abs. 1 Satz 1 BGB). Anhaltspunkte, die eine längere Fristsetzung erforderlich machen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
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Im Übrigen ließe sich die Nutzungsuntersagung in Ziffer I. des Bescheids vom 3. Juni 2019 auch auf Art. 54 Abs. 2 Satz 1 und 2 BayBO stützen. Es ist nach Aktenlage hinreichend dargelegt, dass die streitgegenständlichen Wohnnutzungen den brandschutztechnischen Anforderungen nicht genügen und die Nutzungsuntersagung deshalb der Abwehr von Gefahren für Leben und Gesundheit dient.
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2.2. Auch sonst erweist sich die Duldungsanordnung als rechtmäßig; insbesondere haben sich die Kläger nicht mit der angekündigten Nutzungsuntersagungsverfügung vorab einverstanden erklärt.
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Bezüglich der Ausübung des Ermessens und der Verhältnismäßigkeit der Maßnahme kann vollumfänglich auf die obigen Ausführungen unter 2.1.3. verwiesen werden.
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Die Kläger sind des Weiteren die zutreffenden Adressaten einer Duldungsanordnung. Sie sind als Miteigentümer betroffener Wohneinheiten im 4. Obergeschoss des streitgegenständlichen Gebäudes Zustandsverantwortliche (Art. 9 Abs. 1 LStVG) und zivilrechtlich Berechtigte.
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3. Die Zwangsgeldandrohung (Ziffer V. des Bescheids) findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 29 Abs. 2 Nr. 1, Art. 31 Abs. 1 und 2, Art. 36 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 VwZVG. Die Höhe des angedrohten Zwangsgeldes ist nicht zu beanstanden. Das Zwangsgeld soll gemäß Art. 31 Abs. 2 Satz 2 VwZVG das wirtschaftliche Interesse, das der Pflichtige an der Vornahme oder am Unterlassen der Handlung hat, erreichen. Liegen keine konkreten Anhaltspunkte vor, so kann die Behörde das wirtschaftliche Interesse des Pflichtigen nach pflichtgemäßem Ermessen schätzen (Art. 31 Abs. 2 Satz 4 VwZVG). Anhaltspunkte für einen Verstoß hiergegen liegen nicht vor und wurden auch nicht geltend gemacht.
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4. Der Bescheid vom 3. Juni 2019 ist daher hinsichtlich der Ziffern II. und V. rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Die Klage ist abzuweisen.
61
5. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 und § 159 Satz 2 VwGO, wonach der unterliegende Teil - hier die Kläger als Gesamtschuldner - die Kosten des Verfahrens trägt. Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und sich daher nicht am Kostenrisiko beteiligt. Ihm können daher gemäß § 154 Abs. 3 VwGO keine Kosten auferlegt werden; er trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst (§ 162 Abs. 3 VwGO).
62
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.