Titel:
Besorgnis der Befangenheit eines Prüfers im Nachprüfungsverfahren
Normenketten:
VwGO § 44a
VwVfG Art. 21 Abs. 1
JAPO § 7 Abs. 2 Nr. 4, § 12, § 14
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 19 Abs. 4, Art. 20 Abs. 3
Leitsätze:
1. Die Entscheidung des Prüfungsausschusses, im Nachprüfungsverfahren einer Juristischen Staatsprüfung einen Prüfer wegen der Besorgnis der Befangenheit auszuschließen und ihn gegen einen anderen Prüfer auszutauschen, ist eine behördliche Verfahrenshandlung im Sinne des § 44a Satz 1 VwGO. (Rn. 19)
2. Da die gerichtliche Kontrolle der Prüfungsentscheidung hinsichtlich prüfungsspezifischer Wertungen, bei denen dem Prüfer ein Entscheidungsspielraum verbleibt, nur eingeschränkt erfolgen kann, erfüllt das verwaltungsinterne Nachprüfungsverfahren eine Komplementärfunktion für die Durchsetzung des Grundrechts der Berufsfreiheit. Es ist Teil des Prüfungsverfahrens. (Rn. 20)
3. Ist ein Prüfungsbescheid bestandskräftig geworden, ist das Ergebnis des Nachprüfungsverfahrens grundsätzlich nicht überprüfbar. Der Anspruch des Prüflings auf effektiven Schutz seines Grundrechts der Berufsfreiheit gebietet jedoch, dass gerichtlicher Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG ausnahmsweise gewährleistet sein muss, wenn grundlegende Anforderungen an die Gestaltung und die Durchführung des Nachprüfungsverfahrens missachtet werden. (Rn. 26)
1. Zur Besorgnis der Befangenheit eines Prüfers schriftlicher Examensarbeiten, der während eines laufenden Nachprüfungsverfahrens vom Vater des Prüflings aufgesucht, über dessen gesundheitliche Probleme informiert und davon in Kenntnis gesetzt wird, dass dem Sohn nur ein Punkt zur Zulassung zur mündlichen Prüfung gefehlt habe, und der sodann seine eigene Korrektur der Arbeit um einen Punkt anhebt. (Rn. 5 – 6) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Anspruch auf Überdenken der Bewertungen seiner Prüfungsleistungen durch den Prüfer im Rahmen eines verwaltungsinternen Nachprüfungsverfahrens besteht zusätzlich zum Anspruch eines Prüfungsteilnehmers auf gerichtlichen Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Erstes Juristisches, Staatsexamen, Nachprüfungsverfahren, Bestandskraft des Prüfungsbescheids, Kontaktaufnahme mit Prüfer, Erstes Juristisches Staatsexamen, Befangenheit, Zulassung zur mündlichen Prüfung, Grundrecht der Berufsfreiheit, verwaltungsintern, gerichtlicher Rechtsschutz
Vorinstanz:
VG Ansbach, Urteil vom 12.01.2021 – AN 2 K 20.1383
Rechtsmittelinstanz:
BVerwG Leipzig, Beschluss vom 18.01.2022 – 6 B 21.21
Fundstellen:
BayVBl 2021, 852
RÜ2 2022, 69
BeckRS 2021, 25035
LSK 2021, 25035
Tenor
I. Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 12. Januar 2021 wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten im Wesentlichen darüber, ob der Beklagte im Nachprüfungsverfahren einer Juristischen Staatsprüfung den Austausch eines Prüfers wegen Befangenheit durch Verwaltungsakt vornehmen kann.
2
Der Kläger legte im Termin 2019/1 den schriftlichen Teil der Ersten Juristischen Staatsprüfung im Wiederholungsversuch ab. Mit Bescheid des Beklagten vom 26. Juni 2019 wurde ihm mitgeteilt, die Gesamtnote der schriftlichen Prüfung betrage 3,75 (mangelhaft) und er habe damit die Erste Juristische Staatsprüfung endgültig nicht bestanden. Der Bescheid ist bestandskräftig.
3
Mit Schreiben vom 17. Juli 2019 erhob der Kläger unter dem Betreff „Nachprüfungsverfahren“ Einwendungen gegen die Bewertung seiner Prüfungsleistungen in den Aufgaben 1, 2, 3, 4 und 6, die er mit mehreren Schreiben in der Folgezeit darlegte. Daraufhin übersandte der Beklagte den betroffenen Prüfern im Oktober 2019 die jeweiligen Klausuren zur Nachprüfung, darunter auch dem Prüfer E. Dieser hatte als Zweitkorrektor die Prüfungsarbeit des Klägers zu Aufgabe Nr. 4 - ebenso wie der Erstkorrektor - mit 4 Punkten bewertet.
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Mit Schreiben vom 8. November 2019 informierte der Prüfer W. den Beklagten darüber, dass ihn Mitte August 2019 Rechtsanwalt S., mit dem er früher dienstlich häufig zu tun gehabt hätte, in seinem Dienstzimmer aufgesucht und ihn auf eine Examensklausur seines Sohnes angesprochen habe, die er - der Prüfer - als Zweitkorrektor mit einem Punkt schlechter als der Erstkorrektor bewertet habe. Seinem Sohn fehle ein halber Punkt, um als Wiederholer zur mündlichen Prüfung zugelassen zu werden. Rechtsanwalt S. habe um wohlwollende Nachprüfung gebeten und sich Anfang Oktober nochmals in einem kurzen Telefonat bei ihm erkundigt, ob die Klausur schon eingegangen sei. Aufgrund der Notengebung gehe er davon aus, dass ihm nunmehr die fragliche Klausur zugeleitet worden sei.
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Mit Schreiben vom 11. November 2019 teilte der Prüfer E. dem Landesjustizprüfungsamt mit, er habe die Prüfungsaufgabe Nr. 4 nochmals vollständig bewertet. Anhand des Prüfungsschemas ergebe sich, dass der Verfasser der Klausur wesentliche Probleme nicht gesehen habe, sodass eine bessere Bewertung als mit der Note „ausreichend“ nicht in Betracht komme. Gerechtfertigt sei allerdings eine Anhebung von 4 auf 5 Punkte, weil die Prüfung der Notwehr mit Ausnahme der Gebotenheit recht ordentlich gelungen sei; erfreulich sei der prozessuale Teil. Insbesondere habe er als Prüfer nicht berücksichtigt, dass die Prüfung des Versuchs einschließlich des Rücktritts zwar wegen der Vollendung des Diebstahls nicht gefragt, aber dennoch sehr ordentlich geschehen sei. Es habe sich gezeigt, dass der Verfasser den Aufbau eines Versuchs und die Voraussetzungen des Rücktritts beherrsche. Dies sei ihm bei der erstmaligen Korrektur entgangen, auch weil dies in der Lösungsskizze nicht erwähnt worden sei. Die Bewertung der Prüfungsaufgabe Nr. 4 mit 5 statt mit 4 Punkten hätte die Zulassung des Klägers zur mündlichen Prüfung ermöglicht.
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Nach Mitteilung eines weiteren Prüfers über eine Kontaktaufnahme von Rechtsanwalt S. im Zusammenhang mit der Nachkorrektur setzte sich das Prüfungsamt mit E-Mail vom 11. Dezember 2019 mit den übrigen Prüfern in Verbindung, mit der Bitte um Meldung, ob sich bei ihnen Ähnliches zugetragen habe. Nunmehr teilte der Prüfer E. mit E-Mail vom 12. Dezember 2019 mit, vor einigen Monaten sei bei ihm in seinem Dienstzimmer ein Rechtsanwalt erschienen, der sich bei ihm namentlich vorgestellt und ihm berichtet hätte, dass sein Sohn das Erste Juristische Staatsexamen im Wiederholungsversuch nicht bestanden habe und eine Nachprüfung sämtlicher Klausuren veranlassen wolle. Dieser leide unter psychischen Problemen, welche mit der Beziehung zu seiner Freundin zusammenhingen. Hierbei hätte der Vater des Klägers angefangen zu weinen.
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Mit Bescheid vom 12. Juni 2020 stellte das Landesjustizprüfungsamt nach vorheriger Anhörung des Klägers fest, laut Beschluss des Prüfungsausschusses für die Erste Juristische Staatsprüfung sei das Nachprüfungsverfahren hinsichtlich der Ersten Juristischen Staatsprüfung 2019/1 im Hinblick auf die Zweitkorrektur der Aufgabe Nr. 4 verfahrensfehlerhaft erfolgt und infolgedessen insoweit nach § 12 Abs. 1, § 14 i.V.m. § 7 Abs. 2 Nr. 4 JAPO durch erneutes Überdenken der Bewertung der Aufgabe Nr. 4 durch einen neuen Zweitprüfer zu wiederholen. Das Schreiben war mit einer Rechtsbehelfsbelehrung:versehen. Der Sofortvollzug wurde angeordnet.
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Mit Beschluss vom 11. Dezember 2020 stellte das Verwaltungsgericht auf Antrag des Klägers nach § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung der streitgegenständlichen Klage vom 15. Juli 2020 wieder her.
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Mit Urteil des Verwaltungsgerichts vom 12. Januar 2021 wurde der Bescheid des Beklagten aufgehoben. Die Klage sei zulässig; insbesondere bestehe für das Begehren des Klägers ein allgemeines Rechtsschutzbedürfnis. § 44a VwGO stehe der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen, da die abschließende Entscheidung des Beklagten im Überdenkensverfahren nicht mit Rechtsmitteln angreifbar sei. Sie sei grundsätzlich auch nicht wegen etwaiger Verfahrensfehler justiziabel. Der angegriffene Bescheid sei aufzuheben, weil er mangels Rechtsgrundlage rechtswidrig sei und den Kläger deshalb in seinen Rechten verletze. Die angegriffene Entscheidung sei in der Handlungsform des Verwaltungsakts ergangen, obwohl hierfür keine Rechtsgrundlage bestehe. Die fehlende Befugnis für die Handlungsform des Verwaltungsakts ergebe sich bereits aus dem Wesen des Überdenkensverfahrens als bloßem Gegenvorstellungsrecht. Da es keine Ermächtigungsgrundlage gebe, das Überdenkensverfahren durch Verwaltungsakt abzuschließen, gelte dies erst Recht für Entscheidungen, die den Abschluss des Überdenkensverfahrens förderten und vorbereiteten.
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Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Berufung. Er beantragt,
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die Klage unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 12. Januar 2021 abzuweisen.
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Zur Begründung trägt der Beklagte im Wesentlichen vor, der streitgegenständliche Bescheid stütze sich auf § 12 i.V.m. §§ 14, 7 Abs. 2 Nr. 4 JAPO. Nach § 12 Abs. 1 JAPO könne der Prüfungsausschuss auf Antrag eines Prüfungsteilnehmers oder von Amts wegen anordnen, dass von bestimmten oder von allen Prüfungsteilnehmern die Staatsprüfung oder einzelne Teile derselben zu wiederholen seien, wenn sich herausstelle, dass das Prüfungsverfahren mit Mängeln behaftet sei, die die Chancengleichheit erheblich verletzten. § 12 JAPO gelte nicht nur für das Prüfungsverfahren im engeren Sinne, also das Verfahren der Ablegung der Prüfungsleistung, sondern auch für das Bewertungsverfahren als weiteren Bestandteil des Verfahrens bis zur endgültigen Entscheidung. § 12 i.V.m. §§ 14, 7 Abs. 2 Nr. 4 JAPO vermittle auch die notwendige Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsakts. Zwar sei das Nachprüfungsverfahren grundsätzlich als formloses Gegenvorstellungsverfahren ausgestaltet, dennoch könnten Entscheidungen, die in den Verfahrensablauf eingriffen und die eine eigene Beschwer für den Kläger enthielten, auf dieser Rechtsgrundlage in der Form eines Verwaltungsakts getroffen werden.
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Der Kläger tritt dem entgegen und beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er sieht mit dem Verwaltungsgericht keine Rechtsgrundlage für den streitgegenständlichen Verwaltungsakt und weist darauf hin, dass der vom Beklagten als Rechtsgrundlage in Bezug genommene § 12 Abs. 3 JAPO den Ausschluss der Anwendung des § 12 Abs. 1 JAPO von Amts wegen sechs Monate nach Abschluss der Prüfung regelt. Zudem sei die beabsichtigte Auswechslung des Prüfers rechtswidrig und verletze den Grundsatz der Chancengleichheit des Klägers, da ein neuer Prüfer nicht den gleichen Prüfungsmaßstab wie der ursprüngliche Prüfer anlegen könne. Der Vater des Klägers habe ohne dessen Wissen Kontakt mit dem Prüfer aufgenommen. Das stelle nicht per se einen den Prüferwechsel rechtfertigenden Versuch der Einflussnahme dar. Nach der Rechtsprechung könne ein verantwortungsbewusster und gewissenhafter Prüfer seine Unbefangenheit wahren. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebiete es, von einer Sanktion gänzlich abzusehen, wenn der Unwertgehalt eines unlauteren Prüfungsverfahrens ausnahmsweise als gering anzusehen sei.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Behördenakte sowie auf die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Berufung ist begründet. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist die vom Kläger erhobene Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 12. Juni 2020 unzulässig, weil es sich bei diesem um eine nicht selbständig anfechtbare Verfahrenshandlung im Sinne des § 44a Satz 1 VwGO handelt. Das Urteil des Verwaltungsgerichts ist daher abzuändern und die Klage abzuweisen.
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1. Nach § 44a Satz 1 VwGO können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Die Norm dient dem Ziel der Prozessökonomie und soll verhindern, dass die sachliche Entscheidung durch die Anfechtung von Verfahrenshandlungen verzögert wird. Nur das Ergebnis behördlichen Handelns, nicht aber die Vorbereitung der Sachentscheidung soll Gegenstand der gerichtlichen Kontrolle sein (vgl. BVerwG, U.v. 22.9.2016 - 2 C 16.15 - NVwZ 2017, 489 Rn. 17). Dies gilt nach § 44a Satz 2 VwGO nicht, wenn behördliche Verfahrenshandlungen vollstreckt werden können oder gegen einen Nichtbeteiligten ergehen.
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a) Die Entscheidung des Prüfungsausschusses für das Erste Juristische Staatsexamen, den Zweitprüfer der Aufgabe Nr. 4 wegen der Besorgnis der Befangenheit (Art. 21 Abs. 1 VwVfG) im Nachprüfungsverfahren als ausgeschlossen zu behandeln und gegen einen anderen Prüfer auszutauschen, die der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 12. Juni 2020 mitgeteilt hat, ist eine behördliche Verfahrenshandlung im Sinne des § 44a Satz 1 VwGO. Behördliche Verfahrenshandlungen in diesem Sinne sind behördliche Handlungen, die im Zusammenhang mit einem schon begonnenen und noch nicht abgeschlossenen Verwaltungsverfahren stehen und der Vorbereitung einer regelnden Sachentscheidung dienen (vgl. BVerwG, B.v. 14.3.2019 - 2 VR 5.18 - juris Rn. 20). Aus dem Gegensatz des Begriffs der Verfahrenshandlung zu dem in § 44a Satz 1 VwGO gleichfalls verwendeten Begriff der Sachentscheidung folgt, dass sich der Ausschluss selbständiger Rechtsbehelfe grundsätzlich auf solche behördlichen Maßnahmen beschränkt, die Teil eines konkreten Verwaltungsverfahrens sind, ohne selbst Sachentscheidung zu sein, ohne also ihrerseits in materielle Rechtspositionen einzugreifen (BVerwG, U.v. 22.9.2016 - 2 C 16.15 - NVwZ 2017, 489 Rn. 19 m.w.N.). Unerheblich für die Einordnung als Verfahrenshandlung ist dabei, welche Rechtsform der vorbereitende Akt hat. Auch Verwaltungsakte können Verfahrenshandlungen im Sinne des § 44a Satz 1 VwGO sein (vgl. BVerwG, U.v. 22.9.2016 a.a.O.). Hat die Verfahrenshandlung Verwaltungsaktqualität, folgt aus dem Ausschluss ihrer Anfechtbarkeit, dass der Verwaltungsakt gegenüber dem Betroffenen nicht in Bestandskraft erwachsen kann. Sie kann auch dann, wenn die Rechtsbehelfsfrist abgelaufen ist, auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft werden kann (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 44a Rn. 7).
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Die Verfügung des Beklagten, den Zweitprüfer E. wegen möglicher Befangenheit vom Nachprüfungsverfahren hinsichtlich der Klausur Nr. 4 auszuschließen bzw. gegen einen anderen Prüfer auszutauschen, ist eine Verfahrenshandlung im Rahmen des vom Kläger begehrten Nachprüfungsverfahrens nach § 14 JAPO. Der bei berufsbezogenen Prüfungen bestehende Anspruch des Prüflings auf ein Überdenken der Bewertung seiner Prüfungsleistungen durch den Prüfer im Rahmen eines verwaltungsinternen Kontrollverfahrens besteht zusätzlich zu seinem Anspruch auf gerichtlichen Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG. Da die gerichtliche Kontrolle der Prüfungsentscheidung hinsichtlich prüfungsspezifischer Wertungen, bei denen dem Prüfer ein Entscheidungsspielraum verbleibt, nur eingeschränkt erfolgen kann, erfüllt das verwaltungsinterne Kontrollverfahren eine Komplementärfunktion für die Durchsetzung des Grundrechts der Berufsfreiheit (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 9.8.2012 - 6 B 19.12 - NVwZ 2013, 83 Rn. 5). Es ist Teil des Prüfungsverfahrens; nach Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG hat der Prüfling einen Anspruch auf Durchführung eines verfahrensfehlerfreien Nachprüfungsverfahrens (vgl. BVerwG, U.v. 24.2.1993 - 6 C 35.92 - BVerwGE 92, 132 Rn. 32). Die Tätigkeit eines möglicherweise befangenen Prüfers (Art. 21 Abs. 1 VwVfG) bzw. die Entscheidung, ob ein möglicherweise befangener Prüfer aus dem Nachprüfungsverfahren ausgeschlossen wird, ist auf die Förderung des Nachprüfungsverfahrens gerichtet und schließt das Verfahren nicht ab.
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b) Eine Behandlung der streitgegenständlichen Verfügung des Beklagten als Sachentscheidung - und damit als selbständig angreifbar - kommt auch nicht unter dem Gesichtspunkt in Betracht, dass durch sie gegebenenfalls in materielle Rechtspositionen des Klägers eingegriffen wird. Grundsätzlich ist festzustellen, dass einem Prüfling kein Recht zusteht, sich von einem befangenen Prüfer beurteilen zu lassen (vgl. Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Auflage 2018 Rn. 352). Vielmehr ist die Prüfungsbehörde nach Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1 GG gehalten, Prüfer, bei denen der Anschein der Befangenheit besteht, vom Prüfungsverfahren fernzuhalten und ggf. für deren Austausch zu sorgen (vgl. BVerwG, U.v. 11.11.1998 - 6 C 8-97 - NVwZ-RR 1999, 438). Da das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht kein förmliches Zwischenverfahren kennt, in dem über die Berechtigung der Ablehnung wegen Befangenheit zu befinden wäre, können Rügen im Zusammenhang mit der Befangenheit eines Prüfers erst mit dem Rechtsbehelf gegen die Prüfungsentscheidung selbst als ein rechtlicher Mangel des Prüfungsverfahrens geltend gemacht werden (Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 353). Nicht anderes gilt im Nachprüfungsverfahren (vgl. BVerwG, U.v. 22.9.2016 - 2 C 16.15 - NVwZ 2017, 489 Rn. 19 m.w.N.). Unmaßgeblich ist, dass die mögliche Befangenheit des Prüfers E. erst bekannt wurde, nachdem er im Nachprüfungsverfahren seine Bewertung der Klausur Nr. 4 nochmals überdacht und die Bewertung - wenn auch mit einer nicht überzeugenden Begründung - auf 5 Punkte angehoben hatte. Der Kläger kann sich nicht auf das Grundrecht der Chancengleichheit nach Art. 3 Abs. 1 GG berufen mit dem Argument, einem neuen Prüfer fehle der Vergleichsmaßstab. Vielmehr gebietet es der Grundsatz der Chancengleichheit ebenso, dass das Prüfungsamt auch im Nachprüfungsverfahren die erforderlichen Maßnahmen trifft, um die Bevorteilung eines einzelnen Prüflings gegenüber anderen Prüflingen zu vermeiden.
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2. Es besteht kein Anlass, eine Ausnahme von der Grundregel des § 44a Satz 1 VwGO anzunehmen.
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a) Die Voraussetzungen für die gesetzlichen Ausnahmetatbestände in § 44a Satz 2 VwGO sind nicht erfüllt. Weder handelt es sich beim Austausch des Zweitprüfers für die Klausur Nr. 4 um eine vollstreckbare Entscheidung, noch ist der Kläger Nichtbeteiligter im Sinne dieser Norm.
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b) Eine einschränkende Auslegung des § 44a Satz 1 VwGO ist im vorliegenden Fall auch nicht vor dem Hintergrund der Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG geboten. Dies kann dann der Fall sein, wenn die vorbereitende Handlung bzw. ihre Unterlassung einen rechtlichen Nachteil zur Folge hat, der sich in einem die abschließende Entscheidung betreffenden Verfahren nicht oder jedenfalls nicht mehr vollständig beheben lässt (vgl. BVerwG, U.v. 22.9.2016 - 2 C 16.15 - NVwZ 2017, 489 Rn. 25 m.w.N.). Wenn auch grundsätzlich eine Klage gegen das Ergebnis des Nachprüfungsverfahrens ausgeschlossen ist, ist nach dessen Abschluss eine Klage mit dem Vortrag, die Durchführung des Nachprüfungsverfahrens sei verfahrensfehlerhaft, zulässig. Der Kläger hat - vorausgesetzt, es besteht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis - die Möglichkeit, gegen das Ergebnis des Nachprüfungsverfahrens im Wege der Klage mit dem Vortrag vorzugehen, es wäre zu Unrecht ein Austausch des Zweitprüfers E. vorgenommen worden.
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aa) Grundsätzlich kann ein Prüfungsteilnehmer seine im Nachprüfungsverfahren nach § 14 JAPO geltend gemachten Einwendungen gegen die Bewertung seiner Prüfungsleistungen dann nicht mehr gerichtlich überprüfen lassen, wenn der Prüfungsbescheid über das Ergebnis der Ersten Juristischen Staatsprüfung - wie hier - unanfechtbar geworden ist (vgl. BVerwG, B.v. 9.8.2012 - 6 B 19.12 - NVwZ 2013, 83; BayVGH, B.v. 8.2.2012 - 7 BV 11.2480 - BeckRS 2012, 50744 Rn. 16). Das Nachprüfungsverfahren ergänzt lediglich die verwaltungsgerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle der Prüfungsentscheidungen um ein verwaltungsinternes „Überdenken“ der gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren prüfungsspezifischen Bewertungen und ersetzt weder die Möglichkeit der verwaltungsgerichtlichen Rechtmäßigkeitskontrolle noch eröffnet es den Rechtsweg neu. Der Anspruch auf Überdenken der Bewertungen seiner Prüfungsleistungen durch den Prüfer im Rahmen eines verwaltungsinternen Nachprüfungsverfahrens besteht zusätzlich zum Anspruch eines Prüfungsteilnehmers auf gerichtlichen Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG. Infolgedessen obliegt es der eigenverantwortlichen Entscheidung des Prüfungsteilnehmers, ob er sich auf die Durchführung eines Nachprüfungsverfahren beschränkt, in dem die Prüfungsbewertungen verwaltungsintern „überdacht“ werden, oder ob er (auch) die gerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle der Prüfungsentscheidung anstrebt. In letzterem Fall muss er sich im Wege der Klage gegen den Prüfungsbescheid selbst wenden und darf diesen nicht bestandskräftig werden lassen. Die Bestandskraft des Prüfungsbescheids würde offenkundig unterlaufen, wenn der Prüfling - im Gewande eines Anspruchs auf erneute Bescheidung des Antrags auf Nachprüfung nach § 14 JAPO - nunmehr ein Begehren auf gerichtliche Kontrolle geltend machen könnte (vgl. BVerwG, B.v. 9.8.2012 - 6 B 19.12 - NVwZ 2013, 83).
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bb) Allerdings gebietet der Anspruch des Prüflings auf effektiven Schutz seines Grundrechts der Berufsfreiheit, dass gerichtlicher Rechtsschutz nach Art. 19 Abs. 4 GG ausnahmsweise gegen die Missachtung grundlegender Anforderungen an die Gestaltung und die Durchführung des Nachprüfungsverfahrens als verwaltungsinternem Kontrollverfahren gewährleistet sein muss. Damit das Verfahren des „Überdenkens“ der Prüfungsentscheidung seinen Zweck, das Grundrecht der Berufsfreiheit des Prüflings aus Art. 12 Abs. 1 GG effektiv zu schützen, wirksam erfüllen kann, muss sichergestellt sein, dass eine Durchführung des Verfahrens gegebenenfalls gerichtlich erzwungen werden kann (vgl. hierzu BVerwG, B.v. 9.8.2012 - 6 B 19.12 - NVwZ 2013, 83 Rn. 5, 10). Ebenso muss unter Berücksichtigung des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz gewährleistet sein, dass die Einhaltung grundlegender Verfahrensregeln, auf deren Einhaltung der Prüfling aus Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3 GG auch im Nachprüfungsverfahren einen verfassungsrechtlichen Anspruch hat, einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich ist (offengelassen in BVerwG, B.v. 9.8.2012 a.a.O. Rn. 10). Zu diesen Verfahrensregeln gehört, dass der Austausch eines Prüfers im Nachprüfungsverfahren nur unter den Voraussetzungen des Art. 21 BayVwVfG erfolgt.
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Daraus folgt, dass der Prüfling die Entscheidung des Beklagten, den nach § 14 Abs. 4 Satz 2 JAPO zuständigen ursprünglichen Zweitprüfer E. wegen der Besorgnis der Befangenheit im Nachprüfungsverfahren auszuschließen und einen anderen Zweitprüfer zu beauftragen, gerichtlich überprüfen lassen kann. Sollte sich in einem gerichtlichen Verfahren gegen einen für den Kläger nachteiligen Ausgang des Nachprüfungsverfahrens - Beibehaltung der ursprünglichen Bewertung der Klausur Nr. 4 mit 4 Punkten nach Nachprüfung durch einen neuen Zweitprüfer - ergeben, dass der Austausch des Zweitprüfers wegen der Besorgnis der Befangenheit bei Zweitprüfer E. zu Unrecht erfolgt ist, kann ohne Rechtsverlust des Klägers die Bewertung mit fünf Punkten in die Gesamtbewertung der Prüfung mit einbezogen werden. Die Einwendungen des Klägers hätten damit Erfolg gehabt und würden zu einer Änderung des Prüfungsergebnisses führen.
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Im Übrigen widerspräche es dem Grundsatz der Verfahrensökonomie, die Auswechslung eines Prüfers wegen Befangenheit bereits während des Nachprüfungsverfahrens gerichtlich überprüfen zu lassen. Kommt es zu einer Notenverbesserung durch den neuen Prüfer, ist der bestandskräftige Prüfungsbescheid von Amts wegen abzuändern, mit der Folge, dass der Kläger an einer gerichtlichen Überprüfung der Prüferauswechslung kein Interesse mehr haben wird.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Da der Kläger trotz ausdrücklichem gerichtlichen Hinweis auf die Unzulässigkeit seiner Klage das Verfahren nicht für erledigt erklärt hat, trägt er die Kosten des Berufungsverfahren, obwohl der Beklagte mit der der streitgegenständlichen Entscheidung beigefügten Rechtsbehelfsbelehrung:das Klageverfahren veranlasst hat. Dem wurde ausreichend dadurch Rechnung getragen, dass der Beklagte die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu tragen hat. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, §§ 709, 711 ZPO.
30
Die Revision wird nicht zugelassen, weil keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.