Titel:
Coronavirus, SARS-CoV-2, Bescheid, Vollziehung, Gerichtsbescheid, Mitverschulden, Verschulden, Widerruf, Wiedereinsetzung, Klagefrist, Nebenbestimmung, Hundehaltung, Akteneinsicht, Kostenentscheidung, Frist, Vollstreckung, Kosten des Rechtsstreits, Kosten des Verfahrens, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Schlagworte:
Coronavirus, SARS-CoV-2, Bescheid, Vollziehung, Gerichtsbescheid, Mitverschulden, Verschulden, Widerruf, Wiedereinsetzung, Klagefrist, Nebenbestimmung, Hundehaltung, Akteneinsicht, Kostenentscheidung, Frist, Vollstreckung, Kosten des Rechtsstreits, Kosten des Verfahrens, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 04.08.2021 – 23 ZB 21.510
Fundstelle:
BeckRS 2021, 24975
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Gegenstand des Rechtsstreits sind tierschutzrechtliche Anordnungen.
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Der Kläger betreibt eine gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 3 Tierschutzgesetz (TierSchG) erlaubte Hundehaltung. Am 3.7.2019 fand eine Vorortkontrolle dieser Hundehaltung durch die zuständigen amtlichen Tierärzte der Beklagten statt. Die interne Stellungnahme des amtlichen Tierarztes vom 19.7.2019 hält zu dieser Kontrolle zusammenfassend eine nicht art- und verhaltensgerechte Unterbringung sowie eine nicht fachgerechte Betreuung der Hunde fest.
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Mit Bescheid vom 26.2.2020 traf die Beklagte gegenüber dem Kläger diverse tierschutzrechtliche Anordnungen zur Durchführung der Hundehaltung (Nr.1), ordnete die sofortige Vollziehung dieser Maßnahmen an (Nr. 2), drohte für den Fall der nicht fristgerechten Erfüllung Zwangsgelder an (Nr.3) und legte dem Kläger die Kosten des Verfahrens auf (Nr. 4). Für die Kosten des Verfahrens setzte die Beklagte eine Gebühr in Höhe von 1.067,65 EUR sowie Auslagen in Höhe von 4,11 EUR fest (Nr. 5).
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Der Bescheid wurde den Rechtsanwälten H* … als den damaligen Verfahrensbevollmächtigten des Klägers am 6.3.2020 durch die Post mit Postzustellungsurkunde zugestellt. Der auf Seite eins des Bescheids angebrachte Eingangsstempel der Rechtsanwälte H* … trägt das Datum 9.3.2020.
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Zur Begründung führt der Bescheid aus, dass die angeordneten Maßnahmen auf Grundlage des § 16 a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Nr. 1 und § 2 TierSchG getroffen worden seien. Sie seien geeignet, erforderlich und angemessen, um eine Erfüllung der Anforderungen des § 2 TierSchG zu gewährleisten. Mildere Mittel seien unter Einbeziehung der Vorgeschichte nicht ersichtlich. Vielmehr seien die angeordneten Maßnahmen milderes Mittel gegenüber einem möglichen Widerruf der Erlaubnis nach § 11 TierSchG.
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Mit Schreiben vom 2.4.2020 zeigten die (jetzigen) Prozessbevollmächtigten des Klägers unter Vollmachtsvorlage gegenüber der Beklagten die anwaltliche Vertretung des Klägers an und beantragten Akteneinsicht. Wörtlich heißt es in dem Schreiben zusätzlich: "Mit Blick auf die am 09.04.20 endigende Klagefrist bitten wir um unverzügliche Veranlassung.". Die Akteneinsicht wurde daraufhin mit Schreiben vom 7.4.2020 gewährt und erfolgte am 8.4.2020.
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Am 9.4.2020 ließ der Kläger Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 26.2.2020 erheben. Er trägt vor, dass der angegriffene Bescheid bereits formell rechtswidrig sei. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei nicht ausreichend begründet. Eine Dringlichkeit sei durch die monatelange Untätigkeit der Beklagten seit der Kontrolle am 3.7.2019 widerlegt. Der angegriffene Bescheid sei zudem materiell rechtswidrig. Die "Nebenbestimmung der Fristsetzung" auf "sofort" zu den Anordnungen in Nr. 1.1, 1.3, 1.4, 1.7 bis 1.11 und 1.13 bis 1.16 sei rechtswidrig, da unbestimmt und nicht zumutbar, was auf die jeweiligen Hauptverwaltungsakte durchschlage. Die Anordnung in Nr. 1.9 des Bescheids sei unbestimmt. Die Anordnungen in Nr. 1.1, bis 1.8, 1.10, 1.17 und 1.22 des angegriffenen Bescheids seien unverhältnismäßig.
den Bescheid der Beklagten vom 26.6.2020 aufzuheben.
9
Die Beklagte beantragt,
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Die Klage sei bereits unzulässig. Der angegriffene Bescheid sei der damals bevollmächtigten Kanzlei gemäß Zustellungsurkunde am 6.3.2020 zugestellt worden. Die Klagefrist sei daher am 6.4.2020 abgelaufen.
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Mit Schriftsatz vom 2.7.2020 beantragt der Kläger wörtlich,
dem Kläger wegen der Versäumung der Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.
12
Die Rechtsbehelfsbelehrung:im angegriffenen Bescheid sei unrichtig, da ein Hinweis auf § 129 a ZPO i.V.m. § 173 VwGO fehle. Es gelte daher die Jahresfrist, § 58 Abs. 2 VwGO. Jedenfalls sei der Kläger ohne Verschulden verhindert gewesen, die Klagefrist einzuhalten, § 60 Abs. 1 VwGO. Sowohl dem Kläger als auch dem Klägerbevollmächtigten habe der angegriffene Bescheid nur in Gestalt der Anlage K 2 vorgelegen, also mit Eingangsstempel der Rechtsanwälte H* … zum 9.3.2020. Ausgehend davon wäre die Klage fristgemäß eingegangen. Die Postzustellungsurkunde habe sich nicht in der im Rahmen der Akteneinsicht eingesehenen Behördenakte befunden. Nachdem die Beklagte nunmehr auf das Fristversäumnis hingewiesen habe, habe der Klägerbevollmächtigte telefonischen Kontakt mit der zuvor beauftragten Kanzlei H* … aufgenommen. Dort sei mitgeteilt worden, dass der Eingangsstempel offensichtlich versehentlich falsch angebracht worden sei. Jedoch seien weder der richtige Eingang noch der zutreffende Fristablauf dem Kläger mitgeteilt worden. Ein Verschulden des Büropersonals müsse sich der Kläger nicht zurechnen lassen. Es sei davon auszugehen, dass die Kanzlei H* … kein Organisationsverschulden treffe. Umgekehrt treffe die Beklagte in zweierlei Hinsicht ein Mitverschulden an der Versäumung der Klagefrist, da sie auf das klägerische Schreiben vom 2.4.2020 hin nicht auf die tatsächlich am 6.4.2020 endigende Klagefrist hingewiesen habe und sich die Zustellungsurkunde zum Zeitpunkt der Akteneinsicht nicht in der Behördenakte befunden habe - vorausgesetzt, die Beklagte hätte rechtzeitig Akteneinsicht gewährt. Es sei nicht davon auszugehen, dass die Beklagte erst nach Ablauf der Klagefrist Akteneinsicht gewähre. Aus dem objektiven Empfängerhorizont des Klägers und seiner Bevollmächtigten ergebe dies nur Sinn, wenn die Klagefrist tatsächlich erst am 9.4.2020 geendet habe. Es werde darum gebeten, über den Antrag auf Wiedereinsetzung durch Zwischenurteil, § 109 VwGO, zu entscheiden.
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Mit Schriftsatz vom 23.7.2020 führt die Beklagte aus: Es sei nicht geklärt und nicht mehr aufzuklären, ob sich die Postzustellungsurkunde zum Zeitpunkt der gewährten Akteneinsicht bereits bei den Akten befunden habe. Dieser Umstand führe jedoch nicht zu einer verlängerten Klagefrist oder zur Rechtfertigung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Es sei Aufgabe der vormaligen Klägerbevollmächtigten gewesen, das Eingangsdatum ordnungsgemäß zu vermerken. Insoweit liege ein Organisationsverschulden vor. Auch der in der Akte aufzubewahrende Umschlag der Postzustellung hätte für die zunächst beauftragte Kanzlei Aufschluss über den Ablauf der Frist gegeben. Den Ablauf der Klagefrist hätte die Kanzlei feststellen und dem Kläger mitteilen müssen. Dieses Verschulden habe sich der Kläger zurechnen zu lassen. Die Umstände des fehlerhaften Eingangsstempels seien der Beklagten nicht bekannt gewesen. Die im Schreiben des Klägerbevollmächtigten vom 2.4.2020 angegebene Frist sei weder in Frage gestellt noch überprüft worden. Hierzu sei die Beklagte auch weder verpflichtet gewesen noch habe sie angesichts der fachkundigen anwaltlichen Vertretung hierzu Veranlassung gesehen. Vielmehr sei wegen dieses Hinweises trotz der massiv beeinträchtigten internen Abläufe aufgrund der Corona-Pandemie kurzfristig, innerhalb von nur vier Werktagen, Akteneinsicht gewährt worden. Der fehlende Hinweis auf § 129 a ZPO i.V.m. § 173 VwGO mache die Rechtsbehelfsbelehrung:nicht unrichtig, was der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bereits entschieden habe.
14
Mit Schriftsatz vom 28.8.2020 beantragt die Beklagte, über den Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand durch Zwischenurteil zu entscheiden und trägt vor, dass die angeordneten Maßnahmen rechtmäßig ergangen seien.
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Mit Schriftsatz vom 19.10.2020 legt der Kläger eine Versicherung an Eides Statt des bei den Rechtsanwälten H* … tätigen Rechtsanwaltsfachangestellten vor, wonach dieser den Bescheid am 9.3.2020 versehentlich mit Datum 9.3.2020 falsch abgestempelt habe. Wieso ihm dies passiert sei, könne er nicht erklären. Die Klagefrist sei von einer anderen Rechtsanwaltsfachangestellten bereits am 6.3.2020 für den 6.4.2020 im Fristenkalender notiert worden.
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Unter dem 23.10.2020 wurden die Beteiligten zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.
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Mit Schriftsatz vom 24.11.2020 trägt die Beklagte vor, dass die zuvor beauftragte Kanzlei H* … den Kläger oder dessen neuen anwaltlichen Vertreter auf den Fristablauf hätte hinweisen müssen und eine Erklärung, warum dies nicht geschehen sei, fehle. Dieses Verschulden betreffe die anwaltlichen Vertreter selbst und sei dem Kläger zuzurechnen. Die vorgelegte eidesstattliche Versicherung könne den Kläger daher nicht exkulpieren. Ein Mitverschulden der Beklagten sei im Übrigen auch deshalb nicht gegeben, weil Akteneinsicht nicht vor Klageerhebung gewährt werden müsse. Eine Klageerhebung sei auch ohne Kenntnis der Behördenakten möglich.
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Mit Schriftsatz vom 22.12.2020 erwidert der Kläger, dass es keinen Unterschied machen könne, welche exakte Handlung des geschulten und bewährten Büropersonals letztendlich die Fristversäumnis herbeigeführt habe. Nicht nur das Eintragen einer Frist in den Fristenkalender, sondern auch ein richtiger Eingangsstempel solle die Einhaltung von Fristen gewährleisten. Es erschließe sich nicht, wieso das Verschulden die früheren anwaltlichen Vertreter selbst und nicht deren Büromitarbeiter betreffen solle.
19
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte mit den eingereichten Schriftsätzen und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Das Gericht konnte nach erfolgter Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)).
21
Die Klage ist unzulässig. Die Klage, für die die einmonatige Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) galt, wurde nicht fristgemäß erhoben (dazu 1.). Ein Anspruch des Klägers auf Wiedereinsetzung in die Klagefrist gem. § 60 VwGO besteht nicht (dazu 2.).
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1. Die Klage wurde nicht fristgemäß erhoben.
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1.1 Gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO muss die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts erhoben werden. Gemäß § 58 Abs. 1 VwGO beginnt die Frist nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist. Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs grundsätzlich (nur) innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig. Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Rechtsbehelfsbelehrung:im angegriffenen Bescheid nicht deshalb rechtswidrig, weil sie neben dem Hinweis, dass die Klage auch zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle d i e s e s Gerichts [des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg] erhoben werden kann, nicht auch einen Hinweis auf § 129 a ZPO i.V.m. § 173 VwGO enthält (BayVGH, B.v. 26.7.2019 - 15 CS 19.1050 - juris Rn. 33 f.). Diese Frage wurde durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof bereits geklärt (BayVGH a.a.O., Rn. 33 f.).
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1.2 Es verbleibt damit bei der einmonatigen Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Der streitgegenständliche Bescheid wurde den Rechtsanwälten H* … als den damaligen Bevollmächtigten des Klägers durch die Post mit Postzustellungsurkunde am 6.3.2020 zugestellt (Art. 3 Abs. 1 und 2 Satz 1 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG) i.V.m. Art. 8 Abs. 1 Sätze 1 und 2 VwZVG i.V.m. § 178 Abs. 1 Nr. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)). Die Klagefrist begann daher am 7.3.2020 zu laufen und endete mit Ablauf des 6.4.2020 (§ 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) i.V.m. § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Alt. 1des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)). Die Klage ist erst am 9.4.2020 und damit nach Ablauf der Klagefrist bei Gericht eingegangen.
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2. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung nach § 60 VwGO liegen nicht vor. Der Kläger war nicht ohne Verschulden verhindert, die Klagefrist einzuhalten.
26
Ab Übernahme des Mandats hat ein Rechtsanwalt die Verantwortung für die zuverlässige Wahrung von sämtlichen gegen seinen Mandanten wirkenden Fristen, insbesondere für die Einhaltung der Klagefrist (vgl. FG München, 12.3.2009 - 15 K 3033/07 - juris Rn. 21). Er hat durch organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig erstellt wird und innerhalb der laufenden Frist beim zuständigen Gericht eingeht (BGH, B.v. 22.6.2010 - VIII ZB 12/10 - juris Rn. 8).
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Dies ist vorliegend sowohl durch die jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers (dazu 2.1) als auch durch die Rechtsanwälte H* … als den vormaligen Verfahrensbevollmächtigten des Klägers (dazu 2.2) nicht in ausreichendem Maß erfolgt, was sich der Kläger zurechnen lassen muss. Ein eine Wiedereinsetzung begründendes Mitverschulden der Beklagten liegt ebenfalls nicht vor (dazu 2.3).
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2.1 Die Prozessbevollmächtigten des Klägers stellten für die Berechnung des Fristenlaufs auf das Datum des Eingangsstempels der Rechtsanwälte H* … ab. Weitere Informationen lagen nach dem klägerseitigen Vorbringen weder dem Kläger selbst noch seinen Prozessbevollmächtigen vor. Ein Eingangsstempel kann jedoch nur belegen, wann die Post tatsächlich in den Büroräumen eingegangen ist. Einen sicheren Nachweis über den Zeitpunkt des Zugangs bzw. der Zustellung gibt er nicht (vgl. BGH, B.v. 22.6.2010 - VIII ZB 12/10 - juris Rn. 10; BFH, B.v. 25.2.2010 - IX B 149/09 - juris Rn. 4; FG München, U.v. 21.2.2017 - 7 K 3194/16 - juris Rn.15). Damit fehlten den Prozessbevollmächtigten des Klägers Nachweise über den Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bescheids als für den Fristenlauf maßgebliches Datum. Fehlen solche Nachweise, muss sich der Rechtsanwalt in geeigneter Weise eigenverantwortlich über das Zugangs- bzw. Zustelldatum vergewissern, weil hiervon die rechtzeitige Einlegung des Rechtsmittels abhängt (vgl. BGH, B.v. 13.2.2001 - VI ZB 34/00 - juris Rn. 7). Er muss sich über den genauen Ablauf der Klagefrist eigenverantwortlich Gewissheit verschaffen (FG München, U.v. 12.3.2009 - 15 K 3033/07 - juris Rn. 21). Dass Fristen durch die Rechtsanwälte H* … nicht mitgeteilt wurden, mag gegebenenfalls auch deren Versäumnis sein (vgl. BGH, B.v. 26.9.1996 - V ZB 25/96 - juris Rn. 8), schließt aber die Verantwortlichkeit der nachfolgenden Verfahrens- bzw. Prozessbevollmächtigten für die Fristwahrung nicht aus (FG München, U.v. 12.3.2009 - 15 K 3033/07 - juris Rn. 21). Dieses Verschulden ist dem Kläger zuzurechnen, § 85 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 173 VwGO.
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Eine entsprechende Vergewisserung hätte - wie die nunmehrige Nachfrage im Gerichtsverfahren zeigt - ergeben, dass der angegriffene Bescheid bereits am 6.3.2020 zugestellt worden war, die Frist mithin bereits am 7.3.2020 zu laufen begonnen hatte. Das Verschulden war daher ursächlich für die Versäumung der Klagefrist. Eine Wiedereinsetzung gemäß § 60 VwGO scheidet damit aus.
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2.2 Daneben hätten die Rechtsanwälte H* … den Kläger nach erfolgter Zustellung des angegriffenen Bescheids über den Fristablauf informieren müssen (vgl. BGH B.v. 18.7.2017 - VI ZR 52/16 - juris Rn. 12; BGH, B.v. 26.9.1996 - V ZB 25/96 - juris Rn. 8). Nach dem Vortrag des Klägers ist eine entsprechende Information nicht erfolgt. Der auf dem Bescheid angebrachte Eingangsstempel konnte, da er einen sicheren Nachweis über den Zeitpunkt des Zugangs bzw. der Zustellung gerade nicht gibt, eine entsprechende Information nicht ersetzen. Wieso eine entsprechende Mitteilung unterblieb, wurde seitens des Klägers trotz ausdrücklicher Rüge durch die Beklagte weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht i.S.v. § 60 Abs. 2 Satz 2 VwGO. Das Verschulden seiner damaligen Verfahrensbevollmächtigten ist dem Kläger zuzurechnen, § 85 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 173 VwGO. Eine entsprechende Mitteilung hätte Aufschluss über den Ablauf der Klagefrist ergeben. Das Verschulden war mithin ursächlich für die Versäumung der Klagefrist. Eine Wiedereinsetzung gemäß § 60 VwGO scheidet damit auch aus diesem Grund aus.
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2.3 Es ist bereits umstritten, ob das Mitverschulden amtlicher Stellen überhaupt eine Wiedereinsetzung begründen kann oder ob es für eine Versagung der Wiedereinsetzung nicht vielmehr ausreicht, dass ein Verschulden des Beteiligten zumindest mitursächlich für die Fristversäumung wurde (vgl. Czybulka/Kluckert in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 60 Rn. 77). Im Ergebnis braucht diese Frage durch das Gericht nicht entschieden zu werden. Denn ein für die Fristversäumung mitursächliches Mitverschulden der Beklagten ist vorliegend nicht ersichtlich. Für den rechtzeitigen Eingang der Klage zu sorgen, fällt in erster Linie in den Verantwortungsbereich des Klägers (vgl. BVerwG, U.v. 25.11.1977 - V C 12.77 - juris Rn. 27). Die Beklagte war dementsprechend auch nicht verpflichtet, die Angabe der Klägerbevollmächtigten im Schreiben vom 2.4.2020 zum Ende der Klagefrist in Frage zu stellen oder zu überprüfen. Eine solche Pflicht lässt sich insbesondere auch nicht aus dem Recht auf ein faires Verfahren oder aus der behördlichen Fürsorgepflicht ableiten. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Kläger anwaltlich vertreten und der Bescheid vom 26.2.2020 mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung:versehen war. Dass der Beklagten bzw. den zuständigen Sachbearbeitern bei der Beklagten der Ablauf der Klagefrist positiv bekannt bzw. die unrichtige Angabe im Schreiben vom 2.4.2020 aufgefallen und daraufhin bewusst verschwiegen oder die Akteneinsicht bewusst zeitlich hinausgezögert worden wäre, der Beklagten mithin ein die Wiedereinsetzung gegebenenfalls begründendes arglistiges Verhalten vorgehalten werden könnte (vgl. BVerwG, U.v. 25.11.1977 - V C 12.77 - juris Rn. 14), ist nicht ersichtlich und klägerseits auch nicht vorgetragen. Auch entsprach die Aktengewährung in zeitlicher Hinsicht dem ordentlichen Geschäftsgang. Sie war im Übrigen für eine Klageerhebung nicht erforderlich. Vor diesem Hintergrund kommt es auch nicht darauf an, dass sich die Postzustellungsurkunde nicht in der Behördenakte befand und damit gegebenenfalls unvollständig war. Denn dieser Umstand hat sich - nachdem die Akteneinsicht nach Ablauf der Klagefrist erfolgte - jedenfalls nicht ursächlich auf den Zeitpunkt der Klageerhebung ausgewirkt.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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4. Die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 1 und 2 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.