Inhalt

VGH München, Urteil v. 29.07.2021 – 2 B 21.1414
Titel:

Wiederherstellungsanordnung bei Zerstörung eines zu einem denkmalgeschützten Ensemble gehörenden Gebäudes

Normenketten:
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1, § 124 Abs. 1
BayDSchG Art. 1 Abs. 3, Art. 6 Abs. 1, Abs. 2, Art. 15 Abs. 4, Abs. 5
BayLStVG Art. 9
BayBO Art. 76 S. 3
Leitsätze:
1. Zum Wiederaufbau eines ohne Erlaubnis abgebrochenen Einzelbaudenkmals in einem Ensemble.
2. Die Störerauswahl bei einer Wiederherstellungsanordnung nach Art. 15 Abs. 4 BayDSchG erfolgt entsprechend den allgemeinen sicherheitsrechtlichen Vorschriften (vgl. Art. 9 LStVG). (Rn. 69)
1. Voraussetzung für den Wiederaufbau eines Gebäudes als Bestandteil eines Ensembles ist im Rahmen eines Wiederherstellungsverlangens nach Art. 15 Abs. 4 BayDSchG, dass der ursprüngliche Zustand wieder hergestellt wird, soweit dies noch möglich ist. (Rn. 63) (red. LS Andreas Decker)
2. Bei einer Wiederherstellungsverfügung auf der Grundlage des Art. 15 Abs. 4 BayDSchG ist zumindest iRd Verhältnismäßigkeitsprüfung zu klären, ob der Eigentümer einen Anspruch auf eine Abbrucherlaubnis hinsichtlich des beseitigten Gebäudes gehabt hätte. (Rn. 67) (red. LS Andreas Decker)
3. Anordnungen der Denkmalschutzbehörde zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands eines Denkmals nach Art. 15 Abs. 4 BayDSchG kommen auch gegenüber dem Zustandsstörer in Betracht. (Rn. 69) (red. LS Andreas Decker)
Schlagworte:
Einzelbaudenkmal, Abbruch ohne Erlaubnis, Ensemble, Wiederherstellungsanordnung, Störerauswahl, Denkmalschutzrecht, Zerstörung, Wiederherstellung, Wiedergutmachung, Verhältnismäßigkeit, gewichtige Gründe des Denkmalschutzes, Zustandsstörer, Bauantrag
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 15.07.2019 – M 8 K 18.1841
Fundstellen:
BayVBl 2022, 19
BauR 2021, 1807
BeckRS 2021, 24947
LSK 2021, 24947

Tenor

I. Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 15. Juli 2019 werden die Ziffern 2. und 3. sowie 5., soweit Zwangsgelder hinsichtlich der Ziffern 2. und 3. angedroht werden, des Bescheids der Beklagten vom 5. April 2018 aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen tragen der Kläger zwei Drittel und die Beklagte ein Drittel.
IV. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1
Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks O … …str., FlNr. …, Gemarkung M …, … …, das er im Jahr 2016 erwarb. Er wendet sich gegen eine denkmalschutzrechtliche Wiederherstellungsverfügung der Beklagten.
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Das bis zum 1. September 2017 auf dem Grundstück stehende Gebäude ist als Einzelbaudenkmal in die Denkmalliste eingetragen und gehört nach dieser auch zum Ensemble „…siedlung“. Nach den Eintragungen in der Denkmalliste ist das Gebäude für das Ensemble „…siedung“ mitprägend, da es in sehr wesentlichen Teilen aus der Gründungszeit der Siedlung stammt und mit seiner ablesbaren Zweiteilung die Kleinstbebauung auf kleinen Grundstücken, die für die um 1840/45 entstandene „…siedlung“ typisch ist, anschaulich erkennen lässt.
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1. Am 10. Juli 2017 beantragte die von dem Eigentümer beauftragte Baufirma, … GmbH, die Baugenehmigung für die Sanierung und den Umbau eines Wohnhauses nach Plan Nr. 17-19646. Nach dem dazugehörigen Plan war bei dem südlichen Gebäude die Neuerrichtung des Daches vorgesehen, wobei der mittlere Teil der hochgezogenen straßenseitigen Fassade insoweit erhalten bleiben sollte Die Dachkonstruktion ist hier allerdings nicht als Bestand, sondern anders als bei dem nördlichen Gebäude, als Neukonstruktion dargestellt. Der Plan Nr. 17-19646 trägt keinen Genehmigungsstempel.
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Aufgrund des Antrags vom 10. Juli 2017 mit Änderungsantrag vom 20. Juli 2017 wurde gegenüber der … … GmbH am 28. Juli 2017 eine denkmalschutzrechtliche Erlaubnis nach Plan Nr. 17-15547 erteilt. Zu dieser denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis wurde von der Beklagten ein Plan Nr. 2017-19646 übermittelt, der Grundriss, Ansichten Schnitte und Lageplan beinhaltete. Ein Genehmigungs- oder Erlaubnisstempel findet sich aber auf keinem der übersandten Pläne.
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Die Beklagte hat hierzu mit Schreiben vom 26. Juni 2019 auf entsprechende Anfrage mitgeteilt, dass sie auf ihre Aktenvorlage vom 29. Mai 2019 - die den oben genannten Plan enthielt - verweise. Der Originalakt zum Erlaubnisverfahren 2017-15547, das mit Bescheid vom 28. Juli 2017 abgeschlossen worden sei, sei leider verschollen. Der überlassene Akt stelle lediglich einen rekonstruierten Ersatzakt dar; insoweit seien leider auch keine gestempelten Pläne vorhanden.
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Am 31. August 2017 schlug ein Mitarbeiter der … … GmbH mit einem Schaufelbagger ein Loch in die straßenseitige Außenfassade des nördlichen Gebäudeteils, das einen wesentlichen Teil dieser Wand zerstörte.
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Daraufhin wurde noch am gleichen Tag gegenüber dem Geschäftsführer des Bauherrn, der … … GmbH, mündlich (telefonisch) die sofortige Baueinstellung für sämtliche weiteren Arbeiten am Gebäude gemäß Art. 75 BayBO verfügt und ebenso am gleichen Tag schriftlich bestätigt.
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Am 1. September 2017 meldeten Nachbarn den Abbruch des denkmalgeschützten Gebäudes O … …str. ... und gaben an, dass die Bauarbeiter unter Zurücklassung des Baggers geflohen seien. Die etwa um 17.50 Uhr am Einsatzort eintreffende Feuerwehr und Polizei konnte laut Aktenvermerk vom 4. September 2017 feststellen, dass das Gebäude nahezu vollständig eingestürzt bzw. abgebrochen war und lediglich in der südöstlichen Ecke noch verbleibende Gebäudereste existierten. Die ausführende Baufirma sei telefonisch nicht zu erreichen gewesen; mit Hilfe der Polizei habe man den Grundstückseigentümer ausfindig gemacht und telefonisch über die Vorkommnisse und den Einsatz des THW informiert. Das THW hatte noch am 1. September 2017, da nicht auszuschließen war, das Gebäudereste einstürzten, das Grundstück soweit nötig geräumt.
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Unter dem 7. September 2017 erging gegenüber dem Kläger eine Verfügung, in der dieser verpflichtet wurde, die auf dem Grundstück verbliebenen Baumaterialen bis zu einer Entscheidung über die Wiederherstellung des Baudenkmals, längstens jedoch bis zum 31. März 2018, zu belassen und durch geeignete Maßnahmen vor Witterungseinflüssen und Feuchtigkeit zu sichern sowie das Grundstück gegen unbefugtes Betreten mit einem Bauzaun abzusperren. Für den Fall der Nichterfüllung wurden jeweils Zwangsgelder in Höhe von 50.000,- EUR angedroht.
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Eine entsprechende Kopie des Bescheides vom 7. September 2017 erging auch an die … … GmbH.
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Unter dem 27. September 2017 findet sich ein Aktenvermerk des Sozialreferats, wonach es sich bei dem streitgegenständlichen Anwesen nicht um Wohnraum im Sinne der Zweckentfremdungssatzung der Beklagten handele, da eine städtebauliche Beurteilung des Anwesens im Jahre 2016 ergeben habe, dass die Wiederherstellung der Bewohnbarkeit nicht mit objektiv-wirtschaftlichem und zumutbarem Aufwand möglich sei.
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Unter dem 24. Oktober 2017 erließ die Beklagte eine weitere Verfügung zur Sicherung der noch vorhandenen Baumaterialien und der verbliebenden Giebelwände sowie sonstigen Mauerresten.
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Gegen die mit Postzustellungsurkunde am 3. November 2017 zugestellte Verfügung leitete der Kläger ebenso wenig rechtliche Schritte ein wie gegen die am 9. September 2017 zugestellte Verfügung vom 7. September 2017.
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Mit Schreiben vom 27. Oktober 2017, dem Kläger am 4. November 2017 zugestellt, wurde der Kläger zum beabsichtigten Erlass einer Wiederherstellungsverfügung angehört.
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Ein gleichlautendes Schreiben erging unter dem 27. Oktober 2017 gegenüber der … GmbH, das dieser am 3. November 2017 zugestellt wurde.
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Mit Schreiben vom 13. November 2017 nahmen die Bevollmächtigten der … GmbH zum Schreiben der Beklagten vom 27. Oktober 2017 Stellung und führten aus: Die … sei vom Eigentümer des Grundstücks O … …str. ... beauftragt worden, das darauf befindliche Gebäude zu renovieren. Leider habe die … GmbH aufgrund eines Unfalls ohne Anweisung des Eigentümers Arbeiten am Gebäude durchgeführt, die letztendlich zum totalen Einsturz des Gebäudes geführt hätten. Die … habe aber keinen Einfluss darauf, wie weiter mit dem auf dem Grundstück befindlichen Schutt und Restgebäude umgegangen werden solle. Die … GmbH sei bereit, sich um alles zu kümmern, was zur Schadensminimierung und -wiedergutmachung gehöre, dies sei jedoch nur mit Zustimmung des Eigentümers möglich. Auch wenn sich die … GmbH in der Verantwortung sehe, gebe ihr das nicht das Recht, eigenständig ohne Einwilligung und Genehmigung des Eigentümers Maßnahmen durchzuführen.
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Mit Schriftsatz vom 7. Dezember 2017 nahmen die Bevollmächtigten des Klägers zum Schreiben der Beklagten vom 27. Oktober 2017 Stellung. Hierbei führten sie aus: Nach Erteilung der denkmalrechtlichen Erlaubnis am 28. Juli 2017 und einer Zahlung des Eigentümers an die … GmbH in Höhe von 80.000,- EUR sei seitens der … GmbH Anfang August mit den Bauarbeiten begonnen worden. Am 31. August 2017 sei es im Rahmen der Bauarbeiten zu einer irrtümlichen Beschädigung des Anwesens durch einen angestellten Arbeiter der … gekommen. Am darauffolgenden 1. September 2017 habe sodann der Geschäftsführer der … GmbH, Herr C … C …, wohl aufgrund mehrerer Umstände, die soweit bekannt auch im privaten Bereich dieses Geschäftsführers zu verorten seien, das Anwesen mit einem Bagger vollständig zerstört. Der Kläger, der sich urlaubsbedingt im Ausland aufgehalten habe, habe erst am Abend des 1. September 2017 von dem Vorfall Kenntnis erlangt. Die Anordnung zur Wiederherstellung des zerstörten Denkmals komme gegenüber dem Kläger schon deshalb nicht in Betracht, weil er nicht Störer im Sinne des Art. 15 Abs. 4 DSchG sei. Der Kläger habe nie einen Auftrag zum Abriss des Denkmals erteilt und habe daran auch kein Interesse. Im Übrigen existiere kein Denkmal oder Ensemble mehr, dessen Wiederherstellung angeordnet werden könne. Das Einzelbaudenkmal sei zerstört, im Bereich des Baugrundstücks bestehe auch kein Ensemble mehr, da spätestens nach der Zerstörung des Gebäudes (O … …str. ...) sich das Ensemble „…siedlung“ auf den Bereich westlich der O … … straße verkleinert habe.
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Am 5. April 2018 erließ die Beklagte gegenüber dem Kläger folgende Verfügung:
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1. Das nahezu vollständig beseitigte Einzelbaudenkmal auf dem Grundstück O… …str. ... in M … ist als Teil des „Ensembles …siedlung“ unter Einbeziehung der beigefügten Planunterlagen Nr. 17-19646 in Form eines zusammengesetzten Baukörpers mit ablesbarer Zweiteilung,
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die nördliche Haushälfte in den Maßen 7,25 m breit und 6,90 m tief, mit Satteldach und jeweils einer Einzelgaube (Breite: 1,40 m) pro Dachseite und
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die südliche Haushälfte in den Maßen 6,42 m breit an der Straßenfassade, in der Tiefe 8,50 m, mit einem Mansarddach mit jeweils einem breiteren Gaubenband (5 m zur Straßenseite und 3,80 m zur Hofseite)
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und mit den in den Planunterlagen dargestellten Fassaden innerhalb von zwei Jahren nach Erteilung der hierfür erforderlichen Baugenehmigung wiederherzustellen.
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2. Im Zusammenhang mit der Wiederherstellung des Gebäudes sind die auf dem Grundstück noch vorhandenen beiden Giebelwände und der verbliebene Keller zu erhalten, in Stand zu setzen, gegebenenfalls zu ergänzen und in das zu errichtende Bauwerk zu integrieren.
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3. Die bei der Grundstücksräumung gesicherten historischen Mauerziegel sind für den Wiederaufbau zu verwenden und in Abstimmung mit der Unteren Denkmalschutzbehörde an geeigneter Stelle in das zu errichtende Bauwerk einzubauen.
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4. Vor Beginn der Wiederherstellungsmaßnahme ist dem Referat für Stadtplanung und Bauordnung - HA IV, Lokalbaukommission - unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von 6 Monaten nach Zustellung dieser Verfügung ein auch hinsichtlich den denkmalpflegerischen Belangen genehmigungsfähiger Bauantrag nach den Vorschriften der Bauvorlagenverordnung (BauVorlV) zur baurechtlichen Genehmigung vorzulegen. Für die Wiederherstellung des Gebäudes sind handwerkliche fachgerecht verarbeitete Baumaterialien wie Rauputz, naturrote Dachziegel, Holzfenster und Holztüren zu verwenden.
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5. Für den Fall, dass den Anordnungen der Ziff. 1. - 4. dieser Verfügung nicht oder nicht fristgerecht nachgekommen wird, wird hiermit hinsichtlich der
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Ziff. 1 ein Zwangsgeld in Höhe von 100.000,- EUR,
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Ziff. 2 (Giebelwände, Keller) ein Zwangsgeld von je 50.000,- EUR,
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Ziff. 3 bei Nichtabstimmung mit der Unteren Denkmalschutzbehörde ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,- EUR
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und bei Nichteinbau von Originalteilen in Höhe von 10.000,- EUR,
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Ziff. 4 ein Zwangsgeld in Höhe von 3.000,- EUR angedroht.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt:
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Bei dem nahezu vollständig beseitigten Gebäude O … …str. ... handle es sich um ein Einzelbaudenkmal, das zu dem Bestandteil des Ensembles „…siedlung“ gehöre. Hierzu wurde ausführlich auf die Beschreibung in der Denkmalliste - sowohl in Bezug auf das Einzelbaudenkmal als auch das Ensemble - hingewiesen. Rechtsgrundlage für den Erlass der Anordnungen Ziff. 1 - 4 sei Art. 15 Abs. 4 BayDSchG. Das Gebäude O… …str. ... sei für das Ensemble „…siedlung“ mitprägend. Zusammen mit den gegenüberliegenden Kleinstwohnhäusern stelle es den überlieferten Charakter der ehemaligen Tagelöhnersiedlung im Bereich der O … … straße dar. Diese sei Zeugnis für eine ungewöhnlich frühe Arbeitersiedlung im Vorstadtbereich der heutigen … M … und Dokument der planmäßigen Anlage für arme und ärmste Bevölkerungsschichten bereits in der Zeit König Ludwigs I. Sie sei als gut erhaltenes Kleinstquartier aus den 1840er-Jahren eine stadt- und siedlungsgeschichtliche Besonderheit in Bayern und bilde darin eine Seltenheit. Des Weiteren sei sie ein Beleg für die Urbanisierung der Vorstädte und der Großstadtwerdung M …s im 19. Jahrhundert und weise damit auch sozial- sowie stadtgeschichtliche und städtebauliche Bedeutung auf. Beide Wesenszüge des Ensembles würden durch die fast vollständige Zerstörung des Gebäudes O … …str. ... beeinträchtigt. Die Größe der Siedlung, die sich ursprünglich bis zur heutigen T … … straße ausgedehnt habe, würde mit Herausnahme des Anwesens O… …str. ... um das Karree O … … straße/T … … straße verschmälert. Die aufgrund der Verstädterung heute nicht mehr zusammenhängend vorhandene Kernhaussiedlung werde mit dem Wegfall eines jeden einzelnen Hauses verkleinert und drohe dadurch eines Tages ihren Schutzcharakter zu verlieren. Es bestünden daher gewichtige Gründe des Denkmalschutzes, das Wesen und das Erscheinungsbild des Ensembles „…siedlung“ durch die Wiedererrichtung des Gebäudes O … …str. ... in seiner überlieferten Form und Größe und unter Einbeziehung der Giebelwände und des Kellers wieder zu vervollständigen. Die Herausnahme des Grundstücks aus dem Ensemblebereich würde nicht nur das Ensemble verkleinern, sondern auch einen Bezugsfall dafür liefern, das Ensemble durch eine ähnliche Vorgehensweise nach und nach ganz verschwinden zu lassen.
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Die Wiederherstellung sei auch noch möglich; dem Ensembleschutz des Bayerischen Denkmalschutzgesetzes seien ensemblegerechte Neubauten nicht fremd. Die Entscheidung, die Wiederherstellung zu fordern, sei auch ermessensgerecht. Zwar bestehe auf dem Grundstück - abgeleitet aus der maßgeblichen Umgebungsbebauung - rein baurechtlich betrachtet nach § 34 BauGB ein höheres Baurecht als es mit dem bisher fast vollständig abgebrochenen Haus verwirklicht worden sei. Dennoch seien die gewichtigen Gründe des Denkmalschutzes höher zu bewerten, da hier nicht nur eine Lücke entstanden, sondern das Ensemble empfindlich gestört worden sei. Diese Auswirkungen könnten jedoch durch einen ensemblegerechten Wiederaufbau ohne Weiteres ausgeglichen werden; hierbei falle ins Gewicht, dass der Ensembleschutz gerade auf die äußere Kubatur und Erscheinungsform abstelle, weshalb auch Rekonstruktionen ensemblegerecht seien. Die Grundstücke im Schutzgebiet „…siedlung“ seien situationsgebunden mit dem Ensembleschutz verbunden; die Gewinnerzielungsinteressen des Grundstückseigentümers seien demgegenüber als nachrangig einzustufen. Dem Eigentümer sei die Situation auch bei Erwerb des Grundstücks bekannt gewesen. Der Kläger sei als verantwortlicher Eigentümer und Zustandsstörer auch der richtige Adressat der Maßnahme.
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Der Bescheid vom 5. April 2018 wurde den Bevollmächtigten des Klägers am 12. April 2018 zugestellt.
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Mit einem am gleichen Tage beim Verwaltungsgericht München eingegangenen Schriftsatz vom 17. April 2018 erhoben die Bevollmächtigten des Klägers Klage gegen den Bescheid vom 5. April 2018 mit dem Antrag,
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den Bescheid vom 5. April 2018 aufzuheben.
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Mit Schriftsatz vom 10. Mai 2019 begründeten die Bevollmächtigten die Klage. Die Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 4 DSchG seien schon deshalb nicht erfüllt, da der Kläger nicht Störer im Sinne dieser Vorschrift sei. Er habe den Abriss nicht in Auftrag gegeben und hieran auch kein Interesse. Nur ergänzend werde ausgeführt: Eine Anordnung nach Art. 15 Abs. 4 DSchG sei auch ausgeschlossen, da die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes nicht mehr möglich sei. Gerade dies sei jedoch Voraussetzung des Art. 15 Abs. 4 DSchG. Ein Einzelbaudenkmal sei nicht mehr vorhanden. Im Bereich des Baugrundstücks bestehe auch kein Ensemble mehr. Die Begründung für das Ensemble trage den großzügig gezogenen Umgriff, wie er sich aus dem Denkmalatlas ergebe, nicht. Die Ostseite der O … … straße werde zu Unrecht von dem Ensemble umfasst. Die hier existierenden Baudenkmäler seien deutlich später und im Stil der Neorenaissance errichtet worden, weshalb der Grund des Einbezugs insoweit offenbleibe. Das einzige Baudenkmal, das die Erweiterung des Ensembleumgriffs auf die Ostseite der O … … straße zu begründen vermocht habe, sei zerstört. Deshalb könne das Ensemble in diesem Bereich auch nicht im Sinne einer Wiedergutmachung wiederhergestellt werden. Anders würde es sich nur dann verhalten, wenn ein Gebäude inmitten eines insgesamt schützenswerten Orts- oder Straßenbildes zerstört worden wäre. Nur in diesem Fall würde die freigewordene Fläche nach wie vor von dem über das weggefallene Gebäude hinausgehenden Ensemble erfasst sein. Die Verfügung des Wiederaufbaus könne auch nicht auf Art. 15 Abs. 5 DSchG gestützt werden.
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Am 27. Juni 2019 legten die Bevollmächtigten des Klägers den Bauvertrag zwischen dem Kläger und der … GmbH sowie eine eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers der … GmbH, Herrn C … C …, vom 16. Oktober 2017 vor. In dieser eidesstattlichen Versicherung erklärt Herr C …, dass der Kläger ihn nicht beauftragt habe, das Gebäude O … …str. ... abzureißen. Er habe das Gebäude ohne jegliche Zustimmung des Klägers zerstört. Er sei zu diesem Zeitpunkt aufgrund seiner psychischen Verfassung unzurechnungsfähig gewesen.
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Mit Urteil vom 15 Juli 2019 hat das Verwaltungsgericht den Bescheid der Beklagten vom 5. April 2018 aufgehoben. Die Beklagte habe die Tatsache, dass der Abriss des Gebäudes O … …str. ... durch den Geschäftsführer der beauftragten Baufirma vorgenommen worden sei, bei der Adressatenauswahl völlig ausgeblendet.
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2. Der Senat hat mit Beschluss vom 17. Mai 2021 die Berufung zugelassen.
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Zur Begründung ihrer Berufung führt die Beklagte aus, das Erstgericht kritisiere zu Unrecht das Fehlen gewichtiger Gründe des Denkmalschutzes für einen kubaturgleichen Wiederaufbau des abgebrochenen Gebäudes. Es sei bereits fraglich, ob Art. 15 Abs. 4 BayDSchG tatsächlich das Vorliegen gewichtiger Gründe des Denkmalschutzes nach Art. 6 Abs. 2 BayDSchG fordere.
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Jedenfalls seien gewichtige Gründe des Denkmalschutzes nach Art. 6 Abs. 2 Satz 2 BayDSchG vorliegend gegeben. Gegenüber der Denkmalbedeutung gesteigerte Gründe des Denkmalschutzes seien im Rahmen des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG nicht erforderlich. Die Auffassung des Erstgerichts, infolge der Änderung des Art. 1 Abs. 3 BayDSchG könne es im Ensemble nur auf das äußere Erscheinungsbild und daher nicht auf die vorhandenen Giebel- oder Keller- bzw. Baumaterialien ankommen, weil diese nicht sichtbar seien, greife zu kurz. Gerade durch die Gesetzesänderung, die einen Ensembleschutz auch unabhängig von der in der Umgebung vorhandenen Baudenkmälern ermögliche, sei ein Erhalt historischer Bausubstanz, die nicht die Denkmalschwelle erreiche, in größerem Umfang bezweckt und möglich. Dem angefochtenen Bescheid sei auch die besondere Bedeutung der gesicherten und noch vorhandenen Giebelwände und des Kellers zu entnehmen. Die gesicherten Baumaterialien, unter anderem die Mauerziegel, spielten eine entscheidende Rolle für zumindest einen teilweisen Substanzerhalt der originalen, bauzeitlichen Materialien auch im Ensemble.
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Dem Bescheid und dem Hinweis auf die Ausführungen des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege sei auch die besondere Bedeutung des strittigen Gebäudes innerhalb der durch zeitlich späteren Geschosswohnungsbau bestimmten Ostseite der O… … straße zu entnehmen, die besonders in dessen Geschossigkeit liege. Das Gebäude veranschauliche beide Gesichtspunkte des Ensembles „…siedlung“: niedrige, kleine, bauzeitliche Gebäude für Handwerker und Tagelöhner als bayernweit einzigartiges Beispiel für Kleinstwohnungen in einer einheitlichen Siedlung ab den 1840er Jahren und die ab den 1850er Jahren einsetzende, zunehmende Verstädterung M …s, die auch die diesem Bereich zu einem Ersetzen bzw. Schließen der verbleibenden Baulücken durch höheren Geschosswohnungsbau führte.
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Die Ausführungen des Erstgerichts zu der von der Beklagten vorgenommenen Adressatenauswahl seien ebenso wenig richtig. Der als Rechtsgrundlage herangezogene Art. 15 Abs. 4 BayDSchG diene dazu, schnell und effektiv die durch eine Beschädigung bzw. Zerstörung eines Baudenkmals eingetretene Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu beseitigen. Dies sei in erster Linie durch die Inanspruchnahme des Grundstückseigentümers gewährleistet. Dieser habe die tatsächliche und rechtliche Verfügungsgewalt über sein Grundstück und könne die eingetretene Störung umgehend beseitigen.
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Das Erstgericht vermische hier die allgemeinen Grundsätze der Störerauswahl mit Fragen des Strafrechts und einer von ihm gesehenen Stufenfolge zwischen Art. 15 Abs. 5 und Abs. 4 BayDSchG durch unterschiedliche Rechtsfolgen. Die Ausführungen des Erstgerichts, die eine vorrangige Inanspruchnahme des ehemaligen Geschäftsführers der Baufirma insinuieren, seien unbehelflich. Dessen Inanspruchnahme sei von Anfang an nicht erfolgsversprechend gewesen.
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Die Beklagte beantragt,
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unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 15. Juli 2019 die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Der Bescheid vom 5. April 2018 mit der Anordnung der Wiederherstellung könne nicht auf Art. 15 Abs. 4 BayDSchG gestützt werden. Vorliegend existiere weder ein Denkmal noch ein Ensemble, dessen Wiederherstellung angeordnet werden könnte. Die Zerstörung eines Gebäudes führe zum Untergang des Baudenkmals. Das Ensemble umfasse vorliegend auf der Ostseite der O … … straße lediglich das ehemalige Baudenkmal O … … straße, welches wie eine Nase des Ensembles auskragt. Der Umgriff des Ensembles sei wegen Wegfalls jeder nach dem Schutzzweck des Ensembles relevanten Anlage östlich der O … … straße auf den Bereich westlich der O … … straße zurückgefallen. Das Ensemble könne östlich der O … … straße nicht mehr wiederhergestellt werden, weil ein Ensemble in diesem Bereich nicht mehr vorhanden sei.
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Hilfsweise sei darauf hinzuweisen, dass es in einem Ensemble ebenso wenig wie bei einem Baudenkmal relevant sein könne, dass für das zerstörte Gebäude eine Rekonstruktion oder eine Kopie erstellt werde. Vielmehr sei die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands so zu verstehen, dass das Gebäude lediglich ensemblegerecht wiederaufzubauen sei. Vorliegend wäre es deshalb ausreichend, wenn das Gebäude entsprechend den das Ensemble prägenden Gebäuden, also auch zweigeschossigen Gebäuden, wiedererrichtet werde. Zumindest würde ein Bescheid, der die exakte Kopie eines Gebäudes auf der Grundlage des Art. 15 Abs. 4 BayDSchG fordere, ermessensfehlerhaft sein.
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Das Ermessen sei insgesamt fehlerhaft ausgeübt worden. Die Beklagte habe nicht berücksichtigt, dass bei einem Antrag auf eine denkmalrechtliche Abbrucherlaubnis ein Anspruch auf Abbruch des Gebäudes O … … straße ... bestanden hätte. Dem liege die Tatsache zugrunde, dass das Sozialreferat der Beklagten bereits im Jahr 2017 im Rahmen des Zweckentfremdungsverfahrens zur Entscheidung gelangt sei, dass die Bewohnbarkeit nicht mit objektivwirtschaftlichem und zumutbarem Aufwand wiederhergestellt werden könne. Es werde auf einen Aktenvermerk des Sozialreferats vom 29. Juli 2017 verwiesen. Es müsse Berücksichtigung finden, wenn die Erhaltung des Denkmals dem Eigentümer objektiv wirtschaftlich nicht zuzumuten sei.
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Das Erstgericht habe zurecht für die Anordnung eines kubaturgleichen Wiederaufbaus gewichtige Gründe des Denkmalschutzes gefordert. Diese seien im Rahmen des Ermessens unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen. Wie vom Erstgericht festgestellt lägen hier keine gewichtigen Gründe des Denkmalschutzes für einen kubaturgleichen Wiederaufbau und Erhalt der Giebelwände und Einsatz der gesicherten Baumaterialien vor.
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Die Adressatenauswahl sei hier ebenso ermessensfehlerhaft, weil die Beklagte die Tatsache, dass der Abriss des Gebäudes O … … straße ... durch den Geschäftsführer der beauftragten Baufirma vorgenommen worden sei, bei der Adressatenauswahl völlig ausgeblendet habe. Die nachgeschobene Ermessensausübung mit Schriftsatz vom 24. Juni 2019 habe den Ermessensfehler nicht ausräumen können, da es sich nicht lediglich um Ergänzungen der Ermessenserwägungen gehandelt habe, sondern vielmehr um erstmalige Ermessenserwägungen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegten Behördenakten sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 22. Juli 2021 verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung der Beklagten (§ 124 Abs. 1 VwGO) hat zum Teil Erfolg.
58
Das Urteil des Erstgerichts vom 15. Juli 2019, mit dem der Bescheid der Beklagten vom 5. April 2018 vollständig aufgehoben wird, ist abzuändern. Der angefochtene Bescheid ist zwar hinsichtlich seiner Ziffern 2. und 3. sowie 5., soweit Zwangsgelder in Bezug auf die Ziffern 2. und 3. angedroht werden, rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Insoweit ist die Berufung der Beklagten zurückzuweisen. Im Übrigen ist der Bescheid vom 5. April 2018 aber rechtmäßig und die Klage abzuweisen.
59
1. Die Beklagte hat die strittige Wiederherstellungsverfügung im Bescheid vom 5. April 2018 auf Art. 15 Abs. 4 BayDSchG gestützt. Werden Handlungen nach Art. 6, 7, 8 Abs. 2 oder 10 Abs. 1 BayDSchG ohne die erforderliche Erlaubnis, Baugenehmigung oder abgrabungsaufsichtliche Genehmigung durchgeführt, so kann nach der genannten Vorschrift die Untere Denkmalschutzbehörde verlangen, dass der ursprüngliche Zustand wieder hergestellt wird, soweit dies noch möglich ist, oder dass Bau- und Bodendenkmäler und eingetragene bewegliche Denkmäler auf andere Weise wieder instandgesetzt werden.
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Der Abbruch des Gebäudes „O … … straße ...“ stellt, weil es sich bei dem Gebäude neben seiner Eigenschaft als Einzelbaudenkmal auch um einen Bestandteil des Ensembles „…siedlung“ handelt, einen Verstoß sowohl gegen Art. 6 Abs. 1 Nr. 1 BayDSchG als auch gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayDSchG dar. Hiernach bedarf, wer ein Baudenkmal beseitigen oder ein Ensemble verändern will, wenn die Veränderung eine bauliche Anlage betrifft, die für sich genommen ein Baudenkmal ist, oder wenn sie sich auf das Erscheinungsbild des Ensembles auswirken kann, der Erlaubnis.
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Die Beklagte fordert auf der Rechtsgrundlage von Art. 15 Abs. 4 BayDSchG die Wiederherstellung des Gebäudes „O … … straße ...“ in seiner ursprünglichen Form als Teil des „Ensembles …siedlung“ unter Erhaltung der auf dem Grundstück noch vorhandenen beiden Giebelwände und des verbliebenen Kellers sowie Verwendung der gesicherten historischen Mauerziegel. Damit fordert sie nicht die Wiederherstellung des rechtswidrig beseitigten Einzelbaudenkmals, sondern die Wiederherstellung des Gebäudes als Bestandteil des geschützten Ensembles im Sinn von Art. 1 Abs. 3 BayDSchG. Vorliegend stellt sich somit nicht die umstrittene Frage, ob die Pflicht zur Wiederherstellung eines zerstörten Einzelbaudenkmals auf Art. 15 Abs. 4 BayDSchG bzw. vergleichbare Vorschriften der Länder gestützt werden kann (vgl. hierzu Spennemann in Eberl/Spennemann/Schindler-Friedrich/Gerstner, Bayerisches Denkmalschutzgesetz, 8. Aufl. 2021, Art. 15 Rn. 40; Davydov in Davydov/Hönes/ Otten/Ringbeck, Denkmalschutzgesetz Nordrhein-Westfalen, 3. Aufl. 2012, § 27 Anm. 2.4; BayVGH, U.v. 22.5.2014 - 1 B 14.196 - juris Rn. 30).
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Demgegenüber können beeinträchtigte Ensembles auch durch (teilweise) Rekonstruktion des Fehlenden wieder hergestellt werden. Art. 15 Abs. 4 BayDSchG umfasst alle Arten von Denkmälern unabhängig von ihrem Eintrag in die Denkmalliste. Nachdem das Ensemble als Mehrheit von baulichen Anlagen (Art. 1 Abs. 3 BayDSchG) ein Baudenkmal darstellt, sind hier vollständige Rekonstruktionen zur Wiederherstellung des Erscheinungsbildes des Ensembles nach einhelliger Meinung möglich und gegebenenfalls notwendig (vgl. Spennemann in Eberl/Spennemann/Schindler-Friedrich/ Gerstner, Bayerisches Denkmalschutzgesetz, 8. Aufl. 2021, Art. 15 Rn. 44; Martin, Bayerisches Denkmalschutzgesetz, M … 2019, Art. 15 Rn. 43; Viebrock in Martin/Krautzberger, Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege, 4. Aufl. 2017, Teil E Rn. 128; Davydov in Davydov/Hönes/Otten/Ringbeck, Denkmalschutzgesetz Nordrhein-Westfalen, 3. Aufl. 2012, § 5 Anm. 2.2). Die Grundsätze der Denkmalpflege, die gegen eine Wiederherstellung von Einzelbaudenkmälern angeführt werden, werden hierdurch nicht berührt, da in Ensembles häufig Gebäude, die keine Einzelbaudenkmäler sind, zu deren Bestand gehören und das Erscheinungsbild des Ensembles unabhängig vom etwaigen Vorhandensein einer Originalsubstanz mitprägen. Diese Ansicht wird auch durch die umstrittene neue Fassung des Art. 1 Abs. 3 BayDSchG zum 1. Mai 2017, wonach Ensembles auch ohne jedwedes Einzelbaudenkmal bestehen können sollen, nicht in Frage gestellt.
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Voraussetzung für den Wiederaufbau eines Gebäudes als Bestandteil eines Ensembles ist im Rahmen eines Wiederherstellungsverlangens nach Art. 15 Abs. 4 BayDSchG jedoch, dass der ursprüngliche Zustand wieder hergestellt wird, soweit dies noch möglich ist. Hierbei bedeutet die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands bei der Wiederherstellung eines Ensembles nicht, dass das wiederaufzubauende Gebäude in den Zustand zum Zeitpunkt seiner erstmaligen Errichtung zu versetzen ist. Vielmehr ist die durch einen Abbruch entstandene Baulücke und der damit beeinträchtigte Denkmalbereich durch Errichtung eines angepassten Neubaus wieder auf bestmögliche Weise zu ergänzen (vgl. Viebrock in Martin/Krautzberger, Handbuch Denkmalschutz und Denkmalpflege, 4. Aufl. 2017, Teil E Rn. 128; Martin, BayVBl 2001, 289/ 293). Dem wird die Verfügung der Beklagten vom 5. April 2018 in ihrer Ziffer 1. gerecht, indem der Wiederaufbau des Gebäudes im Umfang seiner früheren Kubatur und unter Einbeziehung der vom Kläger im Jahr 2017 eingereichten Planunterlage (Plan Nr. 2017/19646) gefordert wird.
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Soweit der Kläger demgegenüber einwendet, dass ein Wiederaufbau bereits daran scheitere, dass am Standort des zerstörten Gebäudes nicht nur kein Einzelbaudenkmal, sondern auch kein Ensemble mehr gegeben sei, dringt er damit nicht durch. Denn das Ensemble „…siedlung“ besteht nach wie vor. Durch die Zerstörung eines einzelnen Gebäudes kann nicht das hier vorliegende gesamte Ensemble hinfällig werden. Dies bestätigen die Stellungnahme des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege vom 4. Juni 2020 sowie der in der mündlichen Verhandlung des Senats vorgelegte (bessere) Lageplan. Zum Ensemble gehört auch das Anwesen O … … straße ... Laut den nachvollziehbaren Stellungnahmen des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege vom 19. Februar 2018 und 17. Juni 2019 liegt hier eine ablesbare Zusammensetzung aus ehemals zwei Handwerkerhäusern als anschauliches Beispiel für die Entstehungszeit der …siedlung vor und ist damit für das Straßenbild O … … straße stark mitprägend. Selbst wenn an dieser Stelle das zerstörte Einzelbaudenkmal nicht wiederhergestellt werden kann, kann jedoch ein die Lücke schließender angepasster Neubau zur Erhaltung des Baudenkmals „Ensemble …siedlung“ im Sinn von Art. 1 Abs. 1 BayDSchG beitragen.
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Dem Kläger ist zuzugeben, dass in der Beschreibung des Ensembles „…siedlung“ (E-1-62-000-12) unter anderem ausgeführt wird, dass einige Anwesen im Ensemble erdgeschossig geblieben sind, dass aber die …siedlung in weiten Teilen durch das zweigeschossige Vorstadthaus geprägt ist. Demnach könnte grundsätzlich auch ein angepasster Neubau in zweigeschossiger Form für eine Lückenschließung in diesem Ensemble in Betracht kommen. In der mündlichen Verhandlung des Senats hat jedoch Oberkonservator Dr. K … vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege ausgeführt, dass hier beim Anwesen O … …str. ... erkennbar sei, dass das Gebäude noch vorhanden war und mit dem danach aufgestockten anderen Gebäude zusammengelegt wurde. Ein solches Nebeneinander sei im Ensemble sonst nicht gegeben. Damit wird für den Senat deutlich, dass gegenüber den noch vorhandenen erdgeschossigen Anwesen und den zweigeschossigen Vorstadthäusern nur das Anwesen O … …str. ... in der Lage ist, konkret die Entwicklung vom eingeschossigen Anwesen zum zweigeschossigen Gebäude ablesbar zu machen. Es ist damit nachvollziehbar, dass das Anwesen O … …str. ... ein wesentliches mitprägendes Element im Ensemble „…siedlung“ ist. In diesem Einzelfall kommt somit nach Auffassung des Senats keine Wahlmöglichkeit des Eigentümers in Betracht, ob er ein eingeschossiges oder ein zweigeschossiges Gebäude als die Lücke schließenden angepassten Neubau errichten will. Vielmehr kommt hier nur ein angepasster Neubau in der Kubatur in Betracht, wie sie in Ziffer 1. des Bescheids der Beklagten vom 5. April 2018 beschrieben ist. Ein anderes Element zur Wiederherstellung des Ensembles „…siedlung“ ist an dieser wesentlichen Stelle nicht in Betracht zu ziehen.
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2. Soweit der Kläger behauptet, der angefochtene Bescheid vom 5. April 2018 seit bereits deswegen ermessensfehlerhaft, da keine gewichtigen Gründe des Denkmalschutzes im Sinn von Art. 6 Abs. 2 BayDSchG vorlägen und er einen Anspruch auf eine Abbrucherlaubnis gehabt habe, ist dem nicht zu folgen.
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Bei einer Wiederherstellungsverfügung auf der Grundlage des Art. 15 Abs. 4 BayDSchG ist zumindest im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu klären, ob der Eigentümer einen Anspruch auf eine Abbrucherlaubnis hinsichtlich des beseitigten Gebäudes gehabt hätte (vgl. BayVGH, B.v. 29.7.2013 - 14 ZB 11.398 - juris Rn. 8 - Beseitigung einer Solaranlage). Soweit der Kläger unter Bezugnahme auf einen Aktenvermerk des Sozialreferats der Beklagten vom 29. Juli 2017 ausführt, dass man im Rahmen des Zweckentfremdungsverfahrens zur Entscheidung gelangt sei, dass die Bewohnbarkeit des Anwesens nicht mit objektiv-wirtschaftlichem und zumutbarem Aufwand wiederhergestellt werden könne, ist darauf hinzuweisen, dass ein Zweckentfremdungsverfahren und ein Denkmalschutzverfahren unterschiedlichen rechtlichen Ansätzen folgen. Gegen das Argument des Klägers, dass ihm die Erhaltung des Denkmals objektiv wirtschaftlich nicht zuzumuten sei, spricht bereits, dass im Jahr 2017 sowohl ein Antrag auf eine denkmalschutzrechtliche Erlaubnis als auch auf eine Baugenehmigung zu Sanierung und Umbau des Wohnhauses gestellt wurde. Die denkmalschutzrechtliche Erlaubnis wurde unter dem 28. Juli 2017 erteilt. Hierzu erklärte Oberkonservator Dr. K … vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege in der mündlichen Verhandlung des Senats, dass sich das Anwesen zum Zeitpunkt der denkmalschutzrechtlichen Erlaubnis vom 28. Juli 2017 in einem sanierungsbedürftigen, aber nicht baufälligen Zustand befunden habe. Dies entwertet den nur einen Tag später erfolgten Aktenvermerk des Sozialreferats vom 29. Juli 2017, der auf einer städtebaulichen Beurteilung des Anwesens im Jahr 2016 beruhen soll. Denn die genannten Anträge im Jahr 2017 sowie die denkmalschutzrechtliche Erlaubnis vom 28. Juli 2017 sprechen deutlich für eine zumutbare Sanierungsmöglichkeit.
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Hier sprechen auch gewichtige Gründe des Denkmalschutzes im Sinn von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustands. Gewichtige Gründe des Denkmalschutzes im Sinn von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG sprechen beim beabsichtigten Abbruch eines denkmalgeschützten Gebäudes in der Regel für die unveränderte Beibehaltung des bisherigen Zustands (vgl. BayVGH, U.v. 29.9.2007 - 1 B 00.2474 - juris; U.v. 16.1.2012 - 2 B 11.2408 - juris, B.v. 31.10.2012 - 2 ZB 11.1575 - juris; B.v. 20.12.2019 - 2 ZB 15.1869 - BayVBl 2017, 529). Dies hat auch für den Abbruch eines Gebäudes in einem Ensemble zu gelten, weil Ensembles den gleichen Schutz wie Einzelbaudenkmäler genießen und ensembleprägende Bestandteile - auch wenn sie keine Baudenkmäler sind - grundsätzlich erhalten werden sollen (vgl. U.v. 3.8.2000 - 2 B 97.1119 - juris; U.v. 3.1.2008 - 2 BV 07.67 - juris; B.v. 20.12.2016 - 2 ZB 15.1869 -, BayVBl 2017, 529; B.v. 28.8.2019 - 2 ZB 18.528 - BayVBl 2020, 57). Grundsätzlich ist daher bei Einzelbaudenkmälern und auch bei Ensembles davon auszugehen, dass stets ein Erhaltungsinteresse anzuerkennen ist und damit gewichtige Gründe für die Beibehaltung des bisherigen Zustands bestehen. Hieran hat sich durch die umstrittene Neufassung des Art. 1 Abs. 3 BayDSchG zum 1. Mai 2017, wonach Ensembles auch ohne jedwedes Einzelbaudenkmal bestehen können sollen, jedenfalls insoweit nichts geändert als - wie hier - Ensembles mit Einzelbaudenkmälern vorliegen. Der vom Erstgericht angenommene spezielle Besonderheiten aufweisende Einzelfall ist demgegenüber vorliegend nicht gegeben. Im Gegenteil liegt hier - wie bereits oben unter Ziffer 1. ausgeführt - ein das Ensemble „…siedlung“ stark mitprägendes Anwesen vor. Ein solches Nebeneinander von noch vorhandenem eingeschossigem Gebäude, das mit einem danach aufgestockten anderen Gebäude zusammengelegt wurde, ist im Ensemble sonst nicht gegeben. Ein Teil der Entwicklung der „…siedlung“ ist hieraus deutlich ablesbar.
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3. Die Störerauswahl durch die Beklagte ist ebenso wenig zu beanstanden. Art. 15 Abs. 4 BayDSchG enthält keine eigenständige Regelung zur Störerauswahl (a.A. in einem Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes, VG Ansbach, B.v. 30.7.2001 - AN 9 S 01.01049 - juris). Vielmehr gelten die allgemeinen Regelungen zur Inanspruchnahme eines Störers, wie sie aus dem Sicherheitsrecht bekannt sind. Zwar geht Art. 15 Abs. 4 BayDSchG davon aus, dass Handlungen ohne die erforderliche Erlaubnis, Baugenehmigung oder abgrabungsaufsichtliche Genehmigung durchgeführt wurden. Die Vorschrift knüpft aber die Rechtsfolgen nicht direkt an die Person des Handelnden an, sondern legt fest, dass die Untere Denkmalschutzbehörde verlangen kann, dass der ursprüngliche Zustand wiederhergestellt wird, soweit dies noch möglich ist. Die Verwendung des Begriffs „Handlungen“ ist im Wesentlichen der Bezugnahme der Vorschrift auf die Erlaubnistatbestände der Art. 6, 7, 8 Abs. 2 und 10 Abs. 1 BayDSchG geschuldet. Im Gegensatz dazu erklärt Art. 15 Abs. 5 BayDSchG, wer widerrechtlich Bau- oder Bodendenkmäler oder eingetragene bewegliche Denkmäler vorsätzlich oder grob fahrlässig zerstört oder beschädigt, kann unabhängig von der Verhängung einer Geldbuße zur Wiedergutmachung des von ihm angerichteten Schadens bis zu dessen vollem Umfang verpflichtet werden. Diese Vorschrift geht demnach davon aus, dass derjenige, der eine Handlung begangen oder möglicherweise pflichtwidrig unterlassen hat, als Störer in Anspruch zu nehmen ist. Hierfür wird jedoch zusätzlich Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit verlangt. Zudem ermöglicht Art. 15 Abs. 5 BayDSchG weitergehende Forderungen zur Wiedergutmachung des angerichteten Schadens bis zu dessen vollem Umfang (vgl. Spennemann in Eberl/Spennemann/Schindler-Friedrich/Gerstner, BayDSchG, 8. Aufl. 2021, Art. 15 Rn. 51; Martin, BayDSchG, M … 2019, Art. 15 Rn. 51). Somit lässt Art. 15 Abs. 5 BayDSchG weitergehende Anforderungen gegenüber einem Handlungsstörer zu, während Art. 15 Abs. 4 BayDSchG auch den Zustandsstörer erfassen will. Dies ist auch unabdingbar - wie der vorliegende Fall zeigt -, falls ein Vorgehen gegen den Handlungsstörer nicht erfolgversprechend ist. Damit folgt Art. 15 Abs. 4 und 5 BayDSchG den allgemein aus dem Sicherheitsrecht bekannten unterschiedlichen Störerbegriffen. Somit kommen Anordnungen der Denkmalschutzbehörde zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands eines Denkmals auch gegenüber dem Zustandsstörer in Betracht (vgl. SächsOVG, U.v. 27.9.2018 - 1 A 187/18 - DVBl 2019, 1406 Rn. 90 ff. zu § 11 Abs. 2 SächsDSchG, der ebenfalls keinen bestimmten Störer als Adressaten der Anordnung benennt).
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Erfolgt die Störerauswahl entsprechend den allgemeinen sicherheitsrechtlichen Vorschriften (vgl. Art. 9 LStVG), so gibt es keinen grundsätzlichen Vorrang des Handlungsstörers gegenüber dem Zustandsstörer oder umgekehrt. Auch bei Adressaten von denkmalschutzrechtlichen Maßnahmen ist ein derartiger Vorrang nicht gegeben (vgl. SächsOVG, U.v. 27.9.2018 - 1 A 187/18 - DVBl 2019, 1406 Rn. 93). Der Eigentümer als Zustandsstörer muss nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen stets als nachrangig Haftender angesehen oder wie ein Nichtstörer eingestuft werden, wenn er die Gefahr weder verursacht noch verschuldet hat (vgl. BVerfG, B.v. 16.2.2000 - 1 BvR 242/91, BVerfGE 102, 1).
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Im vorliegenden Fall rügt der Kläger, dass die Beklagte es unterlassen habe, den Handlungsstörer bei der Adressatenauswahl für die denkmalschutzrechtliche Anordnung einzubeziehen. Damit ist der frühere Geschäftsführer der beauftragten Baufirma gemeint, der den Abriss des Gebäudes O … … straße ... offensichtlich selbst vorgenommen hat. Hierin kann jedoch kein Ermessensfehler der Beklagten gesehen werden. Denn der Geschäftsführer der beauftragten Baufirma ist entgegen der Auffassung des Erstgerichts offensichtlich nicht als Adressat der denkmalschutzrechtlichen Wiederherstellungsanordnung in Betracht zu ziehen gewesen. Dieser hat mit einer eidesstattlichen Versicherung vom 16. Oktober 2017 zwar erklärt, dass er nicht vom Kläger zum Abriss des Gebäudes beauftragt worden sei. Gleichzeitig führt er aber aus, dass er zum Zeitpunkt des Abrisses aufgrund seiner psychischen Verfassung unzurechnungsfähig gewesen sei. Es liegt auf der Hand, dass die Beklagte bei ihrer Adressatenauswahl eine solche Person nicht berücksichtigen musste. Für die Behörde war nicht erkennbar, ob gegenüber dieser Person eine denkmalschutzrechtliche Wiederherstellungsanordnung in irgendeiner Form erfolgversprechend gewesen wäre. Zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses war es der Behörde nicht zuzumuten, in einem zeitaufwändigen Verfahren Untersuchungen zur psychischen Verfassung des früheren Geschäftsführers der Baufirma anstellen zu lassen. Hinzu kommt, dass der ehemalige Geschäftsführer der Baufirma nicht solvent ist. Die Firma ist zwischenzeitlich wegen Vermögenslosigkeit aus dem Handelsregister gelöscht worden. Unbestritten ist der ehemalige Geschäftsführer verschuldet und arbeitet mittlerweile als angestellter Maurer. Ebenso wenig musste die Beklagte Nachforschungen betreiben, inwieweit eine Versicherung der Baufirma einspringen könnte. Hiergegen könnte bereits § 103 VVG sprechen, wonach ein Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet ist, wenn der Versicherte vorsätzlich und widerrechtlich den bei dem Dritten entstandenen Schaden herbeigeführt hat. Auch hier würde wieder dessen psychische Verfassung eine Rolle spielen. Nach allem kam der frühere Geschäftsführer der beauftragten Baufirma als Adressat der denkmalschutzrechtlichen Widerherstellungsanordnung grundsätzlich nicht in Betracht. Vielmehr hat die Beklagte ohne Rechtsfehler den Eigentümer des Grundstücks als Zustandsstörer herangezogen. Im vorliegenden Fall bot nur dieser Gewähr dafür, dass zuverlässig die Beendigung der Ensemblestörung durch den Wiederaufbau des fehlenden Gebäudes herbeigeführt werden kann. Die Heranziehung des nicht solventen Nichteigentümers hätte ein effektives Vorgehen beeinträchtigt und die Wiederherstellung in weite Ferne gerückt. Auch der erforderliche Abstimmungsbedarf zwischen Nichteigentümer und Eigentümer des Grundstücks hätte zumindest im vorliegenden Fall zu erheblichen Verzögerungen geführt.
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Entgegen der Auffassung des Erstgerichts sprach auch nicht für die Heranziehung des Handlungsstörers, dass die Behörde dann nach § 15 Abs. 5 BayDSchG hätte vorgehen können. Die Beklagte hat sich vorliegend ohne Rechtsfehler für ein Vorgehen nach § 15 Abs. 4 BayDSchG entschieden. Denn gegenüber dem früheren Geschäftsführer der beauftragten Baufirma hätte die Behörde Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit nachweisen müssen. Dies wäre angesichts seiner Erklärung zu seiner psychischen Verfassung im Zeitpunkt der Zerstörung des Gebäudes mit erheblichen Unwägbarkeiten behaftet gewesen. Eine Vorrangigkeit des Vorgehens nach § 15 Abs. 5 BayDSchG kann damit nicht gesehen werden. Im Zweifel entscheidet die Untere Denkmalschutzbehörde, ob sie eine Wiederherstellung oder eine Wiedergutmachung verlangen will. Hierbei können die Erfolgsaussichten einer entsprechenden Anordnung gegenüber dem jeweiligen Störer eine entscheidende Rolle spielen.
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4. Die Aufforderung gegenüber dem Kläger einen genehmigungsfähigen Bauantrag einzureichen, ist ebenso wenig zu beanstanden (Art. 76 Satz 3 BayBO). Insbesondere im vorliegenden Fall hat die Behörde ein gewichtiges Interesse, die Einhaltung des materiellen Baurechts und des Denkmalschutzrechts kontrollieren zu können. Eine Baugenehmigung nach Art. 68 BayBO ist als Basis für die Errichtung der baulichen Anlage gemäß Art. 55 Abs. 1 BayBO erforderlich. Sie entfällt nicht aufgrund der hier angegriffenen Ziffer 1. der denkmalschutzrechtlichen Anordnung vom 5. April 2018 nach Art. 15 Abs. 4 BayDSchG. Die Wiederherstellungsanordnung in Ziffer 1. deckt nicht alle öffentlich-rechtlichen Anforderungen ab (Art. 59 Satz 1 BayBO). Die Ziffern 2. und 3. der Wiederherstellungsanordnung sind aufgehoben (s.u. Ziffer 5.).
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5. Dagegen sind die Anordnungen in Ziffern 2. und 3. sowie in Ziffer 5., soweit Zwangsgelder hinsichtlich der Ziffern 2. und 3. angedroht werden, des Bescheids vom 5. April 2018 rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Wie oben (Ziffer 1.) festgestellt, kann die Beklagte auf der Grundlage von Art. 15 Abs. 4 BayDSchG nur verlangen, dass der Kläger durch die Errichtung eines angepassten Neubaus die durch den Abbruch entstandene Baulücke füllt und der damit beeinträchtigte Denkmalbereich auf bestmögliche Weise ergänzt wird, wie dies Ziffer 1. des angefochtenen Bescheids vorsieht. Hingegen kann sie den Kläger nicht zwingen, im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau des Gebäudes die auf dem Grundstück noch vorhandenen beiden Giebelwände und den verbliebenen Keller zu erhalten, in Stand zu setzen, gegebenenfalls zu ergänzen und in das zu errichtende Bauwerk zu integrieren (Ziffer 2. des Bescheids) sowie die bei der Grundstücksräumung gesicherten historischen Mauerziegel für den Wiederaufbau zu verwenden und in Abstimmung mit der Unteren Denkmalschutzbehörde an geeigneter Stelle in das zu errichtende Bauwerk einzubauen (Ziffer 3. des Bescheids). Denn dies ist zum ensemblegerechten Wiederaufbau des Gebäudes nicht erforderlich. Vielmehr würden durch die genannten Anordnungen in Ziffern 2. und 3. des Bescheids vom 5. April 2018 Maßnahmen in Richtung einer Wiederherstellung des Einzelbaudenkmals im Sinn von Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayDSchG verlangt. Dies entspricht jedoch nicht der in Ziffer 1. des Bescheids niedergelegten Intention zum Wiederaufbau des Gebäudes lediglich zur Wiederherstellung des Ensembles „…siedlung“. Demgemäß waren die Ziffern 2. und 3. sowie die ihnen zugeordneten Zwangsgeldandrohungen in Ziffer 5. des Bescheids vom 5. April 2018 aufzuheben.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
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Gründe für die Zulassung der Revision im Sinn von § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.