Titel:
Erteilung einer Aufnahmezusage als jüdischer Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion
Normenkette:
VwGO § 84 Abs. 1, § 117 Abs. 5
Leitsatz:
Durch die Vorlage gefälschter Urkunden zur Erlangung einer Aufnahmezusage ergeben sich grundsätzlich Zweifel an der Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit des Ausländers, sodass nach geübter Verwaltungspraxis die Erteilung einer Aufnahmezusage grundsätzlich ausscheidet. (Rn. 17 und 5) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Aufnahmezusage für jüdische Zuwanderer, Verfahrensanordnung, Wiederaufgreifen, Fälschungsverdacht, Gerichtsbescheid, Verweis auf Prozesskostenhilfebeschluss, Bezugnahme, gefälschte Urkunden, Aufnahmezusage, jüdischer Zuwanderer
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 16.08.2021 – 19 ZB 21.1323
Fundstelle:
BeckRS 2021, 24943
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand
1
Die Kläger begehren die Erteilung einer Aufnahmezusage als jüdische Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion.
2
Der am … 1944 geborene Kläger zu 1) ist russischer Staatsangehöriger. Er beantragte erstmals am 9. Januar 2001 bei der Botschaft der … in … die Aufnahme als jüdischer Zuwanderer in die Bundesrepublik Deutschland. Der Antrag wurde mit Bescheid vom 16. November 2002 abgelehnt, da die Zugehörigkeit zum zuwanderungsberechtigten Personenkreis nicht nachgewiesen worden war. Auf die erhobene Remonstration des Klägers zu 1) erging am 29. Dezember 2003 ein Remonstrationsbescheid. Hiergegen erhob der Kläger zu 1) durch seinen Bevollmächtigten am 16. Februar 2004 Klage. Durch Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 21. März 2006 wurde die Klage abgewiesen und durch Beschluss des OVG Berlin-Brandenburg vom 4. Mai 2007 der Antrag auf Zulassung der Berufung abgelehnt.
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Am 4. Mai 2010 beantragte der Kläger zu 1) bei der Auslandsvertretung der … in … erneut die Aufnahme als jüdischer Zuwanderer unter Einbeziehung seiner Ehefrau als nicht jüdische Familienangehörige. Der Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 8. November 2011 abgelehnt, da der Nachweis der jüdischen Nationalität oder Abstammung von mindestens einem jüdischen Elternteil gemäß Nr. I 2 lit. a) der Anordnung des BMI nicht nachgewiesen worden war. Es seien Manipulationen an der vorgelegten Geburtsurkunde vom … 1961 festgestellt worden. Die Klage des Klägers zu 1) vom 3. Januar 2012 wurde durch das Verwaltungsgericht Ansbach mit Urteil vom 27. März 2012 abgewiesen, der Antrag auf Zulassung der Berufung wurde mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 18. September 2014 abgelehnt.
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Mit Schreiben vom 4. März 2015 haben der Kläger zu 1) und seine Ehefrau, die Klägerin zu 2), unter Vorlage einer wiederholt ausgestellten, notariell beurkundeten Kopie vom 4. November 2014 des Sterberegisterauszugs betreffend den Vater des Klägers zu 1) und einer wiederholt ausgestellten, notariell beurkundeten Kopie vom 5. November 2014 des Geburtsregisterauszugs betreffend den Kläger zu 1) um Wiederaufgreifen des Verfahrens gebeten.
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Mit Bescheid vom 25. April 2018 lehnte die Beklagte den Antrag auf Erteilung einer Aufnahmezusage ab und führte im Wesentlichen aus, dass der Antrag bereits unzulässig sei. Die Antragstellung sei schon nicht persönlich und bei der zuständigen Auslandsvertretung im Herkunftsland erfolgt, sondern durch die Bevollmächtigten mittels Einschreiben unmittelbar an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge übersandt worden. Trotz entsprechender Hinweise über einzuhaltende Verfahrensregeln und Formalitäten sei der Antrag bislang nicht persönlich gestellt worden, so dass schon kein wirksamer Antrag vorliege. Zudem sei nicht ersichtlich, ob ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz begehrt werde (Nr. II. 7 Satz 1 Verfahrensanordnung des BMI) oder ob es sich um einen erneuten Aufnahmeantrag handeln sollte (Nr. II. 7 Satz 2 Verfahrensanordnung des BMI). Jedenfalls sei der Antrag selbst bei formgerechter Antragstellung als unzulässig abzulehnen, nachdem der Aufnahmeantrag der Kläger bereits rechtskräftig abgelehnt sei. Nach Nr. II 7 Satz 1 der Verfahrensanordnung des BMI werde bei Ablehnung des Aufnahmeantrages wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen nach Nr. I 2 lit. b) oder c) das Verfahren nur unter den Voraussetzungen des VwVfG wiederaufgenommen. Dies sei vorliegend schon nicht der Fall. Bei Ablehnung wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen nach Nr. I 2 lit. a) der Verfahrensanordnung des BMI - wie im Fall der Kläger - bestehe die Möglichkeit, einen erneuten Antrag zu stellen, wenn die Abstammung von einem jüdischen Großelternteil nachgewiesen werden kann. Aber auch dies sei nicht der Fall. Zudem handle es sich bei den vorgelegten Kopien der Geburts- und Sterberegisterauszügen von 2014 nicht um Personenstandsurkunden, auch seien sie nicht vor 1990 ausgestellt. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass der Kläger zu 1) in den vorausgegangenen Aufnahmeverfahren nachweislich eine gefälschte Geburtsurkunde vom 7. Juni 1961 vorgelegt habe. Durch die Vorlage gefälschter Urkunden zur Erlangung einer Aufnahmezusage ergäben sich schon grundsätzlich Zweifel an der Glaubwürdigkeit und Zuverlässigkeit des Klägers zu 1), so dass nach geübter Verwaltungspraxis der Beklagten die Erteilung einer Aufnahmezusage grundsätzlich ausscheide.
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Mit Schriftsatz vom 21. Mai 2018, bei Gericht am 22. Mai 2018 eingegangen, haben die Kläger Klage erhoben und beantragt,
den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 24. April 2018 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Klägern eine Aufnahmezusage zu erteilen.
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Gleichzeitig wurde beantragt,
den Klägern Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt … zu bewilligen.
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Mit Schriftsatz vom 27. Juli 2018, dem Gericht mit Schriftsatz vom 17. Mai 2019 vorgelegt, trug der Klägerbevollmächtigte ergänzend vor, dass es sich um einen Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens gemäß § 51 VwVfG handele, der nicht zwingend bei der Deutschen Botschaft in … zu stellen sei. Die Ende 2014 angefertigten, notariell beglaubigten, Kopien der Registerauszüge seien neue Beweismittel. Es handle sich zwar nicht um Personenstandsurkunden, der Nachweis der jüdischen Nationalität bzw. Abstammung könne jedoch im Rahmen einer Gesamtschau geführt werden. Da sämtliche Kopien von Registerauszügen aufgrund der Eintragungen im Personenstandsregister ausgestellt würden, besäßen sie dieselbe Beweiskraft wie Personenstandsurkunden. In der notariell beglaubigten Kopie der Geburtsurkunde des Klägers zu 1) sei die Nationalität seines Vaters mit Jude angegeben. Das aus dem Jahr 1944 stammende Original habe selbstverständlich nicht herausgegeben werden können. Auch in der notariell beglaubigten Kopie des Eintrags über den Tod des Vaters des Klägers zu 1) sei die Nationalität des Vaters des Klägers zu 1) mit Jude angegeben. Die Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Kläger könnten nicht nachvollzogen werden. Der Kläger zu 1) vermute, dass die Neueintragungen womöglich durch die Mitarbeiter des Standesamtes erfolgt seien.
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Mit Schriftsatz vom 23. August 2019 hat die Beklagte beantragt,
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Ergänzend wurde ausgeführt, dass die Zulässigkeitsvoraussetzung eines Antrages auf Wiederaufgreifen gemäß § 51 Abs. 2 und 3 VwVfG nicht vorlägen. Die vorgelegten wiederholt ausgestellten, notariell beglaubigten Kopien des Geburts- und Sterberegisters von 2014 seien erstmals bereits im Jahr 2001 wiederholt ausgestellt worden. Sie hätten demnach bereits in den früheren Verfahren vorgelegt werden können. Außerdem sei ein Antrag gemäß § 51 Abs. 3 VwVfG binnen drei Monaten nach Kenntnis zu stellen, auch dies sei nicht geschehen. Die wiederholte notarielle Beglaubigung der Kopien sei bereits am 4. und 5. November 2014 erfolgt, der Beklagten seien diese erst mit Schreiben des Klägervertreters am 11. August 2015 und damit deutlich außerhalb der Dreimonatsfrist übermittelt worden.
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Mit Beschluss vom 26. November 2020 wurde der Rechtsstreit auf den Einzelrichter übertragen.
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Mit Beschluss vom 21. Dezember 2020 lehnte das Gericht Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren rechtskräftig ab (AN 5 K 18.00955).
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Mit gerichtlichem Schreiben vom 1. März 2021 erhielten die Beteiligten Gelegenheit, sich zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid zu äußern.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird Bezug genommen auf den Inhalt der Behördenakte und der Gerichtsakte.
Entscheidungsgründe
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Über die Klage konnte durch Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da das Verfahren keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht aufweist, der Sachverhalt geklärt ist und die Beteiligten vorher angehört wurden (§ 84 Abs. 1 VwGO).
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Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 24. April 2018 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1, 5 VwGO).
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Dies hat das Gericht bereits in dem Prozesskostenhilfebeschluss vom 21 Dezember 2020 (AN K 18.00955) ausführlich dargelegt. Insofern wird auf die dortigen Ausführungen sowie die Begründung des streitgegenständlichen Bescheides verwiesen und zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Begründung gemäß § 117 Abs. 5 VwGO abgesehen.
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Die Klage war daher vollumfänglich abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.