Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 03.02.2021 – AN 14 K 19.01598
Titel:

Änderung des Familiennamens, Beigeladene, Kindeswohl, Erforderlichkeit, sorgeberechtigter Elternteil, Interessen Dritter, seelische Belastung, Dritter

Normenketten:
NamÄndG § 3 Abs. 1
BGB § 1618 S. 4
Schlagworte:
Änderung des Familiennamens, Beigeladene, Kindeswohl, Erforderlichkeit, sorgeberechtigter Elternteil, Interessen Dritter, seelische Belastung, Dritter
Rechtsmittelinstanzen:
VGH München, Urteil vom 03.02.2022 – 5 BV 21.964
BVerwG Leipzig, Beschluss vom 26.09.2022 – 6 B 17.22
Fundstelle:
BeckRS 2021, 2470

Tenor

1. Der Bescheid des Landratsamts … vom 16. Juli 2019 wird aufgehoben.
2. Der Beklagte und die Beigeladene haben die Kosten des Verfahrens gesamtschuldnerisch zu tragen.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen die Änderung des Nachnamens der Beigeladenen von „…“ in „…“.
2
Die Beigeladene wurde am … September 2015 geboren. Der Kläger ist der Vater der Beigeladenen und trägt den Nachnamen „…“. Die Mutter, bei der die Beigeladene lebt, trägt den Nachnamen „…“. Die Eltern sind nicht miteinander verheiratet. Nach der Geburt der Beigeladenen wurde eine gemeinsame Sorgeerklärung abgegeben.
3
Mit Urteil des Landgerichts …vom 22. Januar 2018 wurde der Kläger wegen schwerer Vergewaltigung in sieben Fällen, jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, in Tatmehrheit mit schwerem sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen in zehn Fällen, jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, mit schwerer sexueller Nötigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, mit Missbrauch widerstandsunfähiger Personen in fünf Fällen, jeweils in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, mit gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen und mit vorsätzlicher Körperverletzung in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt.
4
Nach Einschätzung des Allgemeinen Sozialdienstes des Landratsamtes …im „Bericht zur Regelung der elterlichen Sorge und zur Namensänderung“ vom 15. März 2018 entspreche die angestrebte Namensänderung dem Wohl der Beigeladenen am besten. Zwar sei sich die Beigeladene über die bestehende Problematik altersbedingt noch nicht bewusst, dennoch werde sie spüren, wenn es ihrer Mutter schlecht gehe, wenn sie beispielsweise mit „Frau …“ angesprochen werde. Es handele sich hier nicht – wie in anderen Fällen – einfach um eine kleine Unannehmlichkeit, sondern um einen auslösenden Faktor für die immer wiederkehrenden Erinnerungen an die erlebten Übergriffe.
5
Mit Beschluss des Amtsgerichts …vom 3. Juli 2018 wurde die alleinige elterliche Sorge auf die Mutter übertragen.
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Am 18. September 2018 beantragte die Mutter für die Beigeladene beim Landratsamt …die Änderung des Nachnamens der Beigeladenen von „…“ in „…“. Der Kläger sei rechtskräftig zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt worden. Zwei der Taten seien zu Lasten der Mutter begangen worden. Nach der Hausdurchsuchung in der damals gemeinsamen Wohnung habe die Mutter die Beziehung abgebrochen. Von den begangenen Straftaten habe sie erst im Zuge ihrer Vernehmung erfahren. Sie leide bis heute unter den auch gegen sie verübten Straftaten und befinde sich seitdem in psychotherapeutischer Behandlung. Vor diesem Hintergrund liege ein wichtiger Grund für eine Namensänderung nach § 3 Abs. 1 NamÄndG vor. Der Nachname „…“ sei untrennbar verknüpft mit dem Kläger und dessen Straftaten und stelle eine erhebliche Belastung für ein heranwachsendes Mädchen dar.
7
Mit Schreiben vom 6. Dezember 2018 widersprach der Kläger im Rahmen der Anhörung der beabsichtigten Namensänderung. Eine Namensänderung würde sich langfristig eher negativ auf die Beigeladene auswirken. Derzeit erstelle eine vom Gericht beauftragte neutrale forensische Psychologin ein Gutachten zur Umgangsrechtsfrage. Dieses sollte abgewartet werden. Zum Tag seiner Haftentlassung werde er für die Beigeladene wieder da sein. Dieser sei spätestens am 21. Dezember 2026. Er rechne jedoch damit, dass er bereits zum 2/3-Zeitpunkt, am 18. August 2023, entlassen werde und schon etwa eineinhalb bis zwei Jahre vorher in den Genuss von Haftlockerungen wie Freigang und Hafturlaub komme. Dann werde er auch wieder in seine Wohnung im Haus seiner Eltern einziehen. Auch Arbeitsangebote habe er schon erhalten. Voraussichtlich in drei Jahren werde er auch die sozialtherapeutische Therapie erfolgreich abschließen. Die Mutter der Beigeladenen schotte diese von der Familie des Klägers ab. Seine Taten hätten niemals etwas mit einem Kind zu tun gehabt. Die Beigeladene müsse vor ihm nicht geschützt werden. Auch sei der Name „…“ im Verfahren wie in der Presse niemals genannt worden. Dass die Beigeladene den Nachnamen „…“ trage, sei derzeit das einzige, stärkste und wichtigste, was den Kläger mit seiner Tochter verbinde. Sie solle sich später mit ihrem leiblichen Vater identifizieren können.
8
Das vom Familiengericht beauftragte psychologische Gutachten vom 20. März 2019 zum Umgangsrecht kam zu dem Ergebnis, dass es dem Wohl der Beigeladenen am besten entspreche, wenn ein Umgang mit ihrem Vater erst dann angestrebt bzw. diese Möglichkeit erneut überprüft werde, wenn dieser einerseits seine Therapie möglichst positiv abgeschlossen habe und die Beigeladene auf der anderen Seite kognitiv in der Lage sei, die anstehende Fragestellung zu verstehen und über die leibliche Vaterschaft aufgeklärt werden könne, was im Allgemeinen mit Beginn des Schulalters der Fall sei.
9
Mit Schreiben vom 11. April 2019 nahm der Allgemeine Sozialdienst des Landratsamtes … erneut zum Antrag auf Namensänderung Stellung. Die vom Familiengericht beauftragte Gutachterin komme zu dem Schluss, die Mutter der Beigeladenen sei nicht nur nicht kooperationsbereit, sondern gar nicht kooperationsfähig. Sie spreche von einer schweren seelischen Erschütterung der Mutter und auch wenn sie gerade dabei sei, ihr Leben wieder neu zu ordnen, sei die Fähigkeit zur Alltagsbewältigung noch sehr leicht störbar. „Jeglicher Zwang, sich erneut mit Herrn …und den Taten auseinanderzusetzen, …wäre für Frau … mit einer erneuten erheblichen Belastung verbunden.“ (Gutachten, S. 56). Wenn die Beigeladene weiter den Namen „…“ trage, werde die Mutter regelmäßig Erklärungen dazu abgeben müssen und gelegentlich wohl auch mit diesem Namen angesprochen werden. Unter diesen Umständen sei davon auszugehen, dass die Konfrontation der Mutter mit dem Namen „…“ eine erhebliche Belastung darstelle, was sich auch negativ auf die Beigeladene auswirken dürfte. Dies sei schwerer zu gewichten als der durchaus auch nachvollziehbare Wunsch des Klägers, über die Beibehaltung des Familiennamens Zugehörigkeit und Herkunft zu definieren. Die Namensänderung werde daher befürwortet und für das Wohl der Beigeladenen als erforderlich angesehen.
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Mit Schreiben vom 8. Juli 2019 bat das Landratsamt … die Stadt … um ihr Einverständnis zur Fortführung des Verfahrens gemäß Art. 3 Abs. 3 BayVwVfG. Die Beigeladene und ihre Mutter seien am 14. März 2019 in den Zuständigkeitsbereich der Stadt … umgezogen. Die Entscheidung im Namensänderungsverfahren sei schon ausgearbeitet. Mit E-Mail vom 16. Juli 2019 stimmte die Stadt … der Fortführung des Verfahrens zu.
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Mit Bescheid vom 16. Juli 2019, dem Kläger zugestellt am 18. Juli 2019, änderte das Landratsamt … den Familiennamen der Beigeladenen von „… in „…“. Ein wichtiger Grund im Sinne von § 3 Abs. 1 NamÄndG liege vor. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei ein solcher in „Scheidungshalbwaisenfällen“ zu bejahen, wenn das Kindeswohl die Namensänderung erfordert (U.v. 20.2.2002 – 6 C 18.01). Dies gelte auch für Fälle, in denen das Kind nach Trennung der nicht miteinander verheirateten Eltern den Familiennamen des sorgeberechtigten Elternteils erhalten solle. Vor dem Hintergrund der Stellungnahme des Allgemeinen Sozialdienstes des Landratsamtes sei vorliegend die Namensänderung für das Kindeswohl der Beigeladenen erforderlich.
12
Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 19. August 2019, bei Gericht per Fax am selben Tage eingegangen, ließ der Kläger Klage gegen den Bescheid vom 16. Juli 2019 erheben.
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Zur Begründung wird mit Schriftsatz vom 6. November 2019 ausgeführt, die Namensänderung sei für das Kindeswohl nicht erforderlich. Vielmehr schade die Zerstörung des Namensbandes dem Kindeswohl. Das Anliegen, sich durch den Mädchennamen der Mutter vom straffällig gewordenen Vater zu distanzieren, stelle keinen wichtigen Grund dar. Die Straffälligkeit eines Familienmitglieds könne nur dann zur Namensänderung berechtigen, wenn es sich um einen seltenen oder auffälligen Namen handele und dieser durch die Berichterstattung über eine Straftat so eng mit Tat und Täter verknüpft sei, dass auch noch nach längerer Zeit in weiten Kreisen der Bevölkerung bei Nennung des Namens ein Zusammenhang mit Tat und Täter hergestellt werde oder wenn der Betroffene ein Sittlichkeitsdelikt zu Lasten des von der Namensänderung betroffenen Kindes schuldhaft begangen habe. Beides sei vorliegend jedoch nicht der Fall. Das Bekunden der Mutter, jeglicher Kontakt mit dem Kläger gefährde ihre psychische Stabilität sowie der Vortrag, sie gehe von einer Gefährdung des Kindeswohles bei Kontakten zu dem Kläger aus, seien nicht zutreffend. Nach den im Verfahren vor dem Familiengericht getätigten Äußerungen könne nicht davon gesprochen werden, dass die Beigeladene den Kläger aus ihrem Bewusstsein verdrängt habe. Briefe der Mutter belegten, dass das Kind den Kläger als Vater vergegenwärtige. Die Mutter habe den Kläger zusammen mit der Beigeladenen in der Haft besucht. Von seelischen Belastungen, welche durch diesen Kontakt hervorgerufen worden seien, sei keine Rede gewesen. Erst mit Hinzutreten des neuen Lebenspartners der Mutter im März 2017 habe sich dies schlagartig geändert. Eine schwere seelische Belastung sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dann als wichtiger Grund anzusehen, wenn sie unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände nach allgemeiner Verkehrsauffassung verständlich und begründet sei. Es fehle bereits an Einzelheiten zur Art und zum Ausmaß der behaupteten seelischen Belastungen.
14
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 16. Juli 2019 aufzuheben.
15
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
16
Die schwere seelische Belastung der Mutter der Beigeladenen ergebe sich aus dem psychologischen Gutachten sowie der Stellungnahme des Kreisjugendamtes. Die vom Kläger vorgelegten Briefe stammten aus der Zeit unmittelbar nach der Inhaftierung und zeigten deutlich, dass die Belastungen der Mutter im Verlauf der Zeit zunähmen, insbesondere als noch neue Erkenntnisse wie die Kamera im Bad oder die Weigerung des Klägers, ihr gewisse Gebrauchsgegenstände zu überlassen, hinzugekommen seien. Weiter verkenne der Bevollmächtigte des Klägers das kollektive Gedächtnis einer Dorfgemeinschaft und seiner Nachbargemeinden. In der Presse sei zumindest „…“ und das BRK … genannt. Beim Internetauftritt des BRK …existierten Bilder aus 2016 mit dem Kläger. Rückschlüsse seien durchaus möglich.
17
Mit Beschluss vom 29. November 2019 wurde die Tochter des Klägers, vertreten durch ihre Mutter, beigeladen.
18
Mit Schreiben vom 28. Januar 2020 trug der Bevollmächtigte der Beigeladenen vor, die körperlichen und seelischen Schmerzen, die der Kläger der Mutter der Beigeladenen angetan habe, wirkten sich in vielerlei Hinsicht belastend für Kind und Mutter aus. Die Beigeladene leide bereits, trotz des jungen Alters, unter der Namensverschiedenheit zu ihrer Mutter. Entsprechende Anzeichen erlebe die Mutter vermehrt. Die Mutter werde häufig bei Behördengängen oder Arztbesuchen als „…“ angesprochen oder müsse die Namensunterschiede erläutern. Entsprechendes gelte auch im Kindergarten. Der Bevollmächtigte verweist auf OVG Schleswig-Holstein, B.v. 9.9.2019 – 4 O 25/19 – sowie OVG Rheinland-Pfalz, U.v. 6.5.2019 – 7 A 10074/19.
19
Die Beigeladene beantragt,
die Klage abzuweisen.
20
Mit Schreiben vom 1. Oktober 2020 reichte der Bevollmächtigte der Beigeladenen eine Stellungnahme der Mutter der Beigeladenen ein. Diese führte in ihrer Stellungnahme aus, die Situation mit dem Nachnamen ihrer Tochter sei für sie unerträglich, sie müsse sich oft mit dem Nachnamen ihrer Tochter anreden lassen. Es sei außerordentlich belastend für sie und für die Mutter-Kind-Beziehung, mit dem Namen eines verurteilten Sexualstraftäters angesprochen zu werden, der ihr selbst und vielen anderen Frauen Leid angetan habe.
21
Von ihrer Tochter werde sie inzwischen darauf angesprochen, warum sie unterschiedliche Nachnamen hätten und warum es ihr schlecht gehe, wenn sie, die Mutter, mit dem falschen Nachnamen angesprochen werde. Sie sei nicht in der Lage, diese Situationen kindgerecht zu lösen. Zudem legte die Mutter eine Liste mit insgesamt 21 Ereignissen seit dem 28. Januar 2020 vor, bei welchen sie mit dem falschen Nachnamen in Verbindung gebracht worden sei.
22
Der Klägerbevollmächtigte nahm mit Schreiben vom 23. November 2020, bei Gericht eingegangen am 24. November 2020, zu den Ausführungen der Mutter der Beigeladenen Stellung.
23
Die Namensänderung diene bestenfalls dem Wohl der Kindesmutter und solle zur Vermeidung bloßer Unannehmlichkeiten beitragen. Es sei vielmehr dem Kindeswohl abträglich, der Mutter durch eine Gewährung der Namensänderung zu suggerieren, sie sei berechtigt das Band zwischen der Beigeladenen und dem Kläger zu durchtrennen. Sofern sich die Mutter der Beigeladenen auf eine Traumatisierung berufe, sei dies eine unzutreffende Behauptung. Wenn bereits die Nennung des Namens des Kindsvaters genügen solle, um bei der Mutter Auswirkungen auf die Beziehung zu ihrem Kind hervorzurufen, stelle sich die Frage, welches Verhalten der Mutter gegenüber der Beigeladenen generell zu erwarten sei, nachdem deren bloße Existenz die Mutter an den Kindsvater erinnern könne.
24
Zudem sei nach höchstrichterlicher Rechtsprechung für die Namensänderung eines Kindes erforderlich, dass schwerwiegende Nachteile für das betroffene Kind bestehen müssten oder die Namensänderung für das Kind solche erheblichen Vorteile mit sich bringen müsse, dass eine Aufrechterhaltung des Namensbandes zu dem sorgeberechtigten Elternteil nicht mehr zumutbar erscheine (unter Verweis auf BGH, B.v. 24.11.01 – XII ZB 88/99 – NJW 2002,300; BVerwG, U.v. 20.2.2002). Überdies wies der Klägerbevollmächtigte darauf hin, dass der Kläger eine Wiederaufnahme des Strafverfahrens anstrebe. Im Wiederaufnahmeantrag habe der Kläger sein Geständnis widerrufen. Aus dem Geständniswiderruf gehe hervor, dass die vermeintlich zu Lasten der Mutter begangenen Taten tatsächlich mit ihrem Einverständnis stattgefunden hätten. Auch habe die Mutter Kenntnis von den Taten des Klägers zu Lasten anderer Personen gehabt. Der Kläger habe dies in der Hauptverhandlung nicht angegeben, aus Sorge, dass die Mutter der Beigeladenen ihm dann seine Tochter entziehen würde und um der Mutter unangenehme Aussagen zu ersparen.
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In der mündlichen Verhandlung vom 3. Februar 2021 führte die Mutter der Beigeladenen unter anderem aus, die Ansprache mit dem Familiennamen des Klägers verursache bei ihr Stress, den sie natürlich nicht an der Beigeladenen auslasse. Die Beigeladene spüre dies aber. Auch, dass die Mutter vor dem Umzug nach … auf die Taten des Klägers angesprochen worden sei, habe die Beigeladene mitbekommen. Zudem frage die Beigeladene, warum sie einen anderen Familiennamen als die Mutter habe. Auch wisse sie nicht, wie sie der Beigeladenen später erklären solle, warum sie den Familiennamen eines Mannes trage, der ihre Mutter vergewaltigt habe.
26
Auf den Hinweis des Klägerbevollmächtigten hin, dass das strafrechtliche Geschehen mittlerweile länger her und der Kläger nicht namentlich in der Presse genannt worden sei, führte der Bevollmächtigte der Beigeladenen aus, der erste Buchstabe des Familiennamens des Klägers lasse sich in der Presse finden.
27
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die Behördenakte sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 3. Februar 2021 verwiesen.

Entscheidungsgründe

28
Die Klage ist zulässig (I.) und begründet (II.), der streitgegenständliche Bescheid des Landratsamts …vom 17. Juli 2019 ist demgemäß aufzuheben.
29
I. Die statthafte Anfechtungsklage im Sinne des § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO ist fristgerecht erhoben worden und auch sonst zulässig. Der Kläger ist klagebefugt im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO, da er durch den streitgegenständlichen Bescheid und die diesbezüglich gewährte Änderung des Familiennamens der Beigeladenen von „…“ in „…“ möglicherweise in seinem Elternrecht nach Art. 6 Abs. 2 GG verletzt ist (ständige Rechtsprechung der Kammer, vgl. U.v. 21.10.2019 – AN 14 K 18.1805). Die Klagebefugnis ergibt sich auch aus § 3 Abs. 1 NamÄndG, der das Interesse des Klägers an der Übereinstimmung seines Familiennamens mit dem Familiennamen der Beigeladenen schützt (vgl. OVG NW, B.v. 13.7.2007 – juris; VG Karlsruhe, U.v. 7.3.2018 – 5 K 727/16 – juris Rn. 24; VG Ansbach, U.v. 22.10.2008 – AN 25 K 08.00545 – juris Rn. 29).
30
II. Die Klage ist begründet, denn der Bescheid vom 17. Juli 2019 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
31
1. Der Bescheid ist zunächst formell rechtmäßig. Das Landratsamt …war im Zeitpunkt der Antragstellung sachlich und örtlich gemäß § 6 NamÄndV, § 6 Nr. 2 Zuständigkeitsverordnung (ZustV) i.V.m. Art. 3 Abs. 1 BayVwVfG für den Namensänderungsantrag der Beigeladenen zuständig, nach dem Umzug der Beigeladenen mit ihrer Mutter nach … hat das Landratsamt … das Verfahren nach Zustimmung der Stadt … gemäß Art. 3 Abs. 3 BayVwVfG fortgesetzt.
32
2. Der Bescheid ist jedoch materiell rechtswidrig, da die Beigeladene keinen Anspruch auf die Änderung ihres Familiennamens von „…“ in „…“ gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 des Gesetzes über die Änderung von Familiennamen und Vornamen (NamÄndG – zuletzt geändert durch Gesetz vom 17.12.2008, BGBl I 2.586) hat.
33
Die Rechtsgrundlage für den Anspruch der Änderung eines Familiennamens findet sich in § 3 Abs. 1 NamÄndG, wonach ein „wichtiger Grund“ die Änderung des Familiennamens rechtfertigen muss.
34
Bei dem Begriff des „wichtigen Grundes“ handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der in vollem Umfang der verwaltungsgerichtlichen Nachprüfung unterliegt (vgl. BVerwG, U. v. 29.9.1972 – VII C 77.70 – juris Rn. 20 ff.). Anhaltspunkte für das Vorliegen eines die Namensänderung rechtfertigenden Grundes bieten die Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen (NamÄndVwV), denen insofern eine wichtige Maßstabs- und Hinweisfunktion zukommt (vgl. VGH BW, U.v. 19.2.2014 – 1 S 1335/13 – juris Rn. 18; VG Karlsruhe, U.v. 7.3.2018 – 5 K 727/16 – juris Rn. 27).
35
Ein die Änderung des Familiennamens rechtfertigender wichtiger Grund im Sinne des § 3 Abs. 1 NamÄndG liegt vor, wenn die Abwägung aller für und gegen die Namensänderung streitenden schutzwürdigen Belange ein Übergewicht der für die Änderung sprechenden Interessen ergibt (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2002 – 6 C 18.01 – juris Rn. 29 m.w.N.; VG Karlsruhe, U.v. 7.3.2018 – 5 K 727/16 – juris Rn. 27; vgl. auch Nr. 28 NamÄndVwV). Da die öffentlich-rechtliche Namensänderung Ausnahmecharakter hat, wird ein besonderes, die eigene Situation des Namensträgers prägendes Interesse verlangt, das als solches nicht schon in die allgemeine gesetzliche Wertung eingeflossen ist, auf der der Name beruht (vgl. OVG RhPf, U.v. 6.5.2019 – 7 A 10074/19 – juris Rn. 35). Andernfalls liefe die im Verwaltungsweg zulässige Namensänderung den Wertentscheidungen zuwider, die im Familienrecht getroffen worden sind (vgl. BVerwG, U. v. 8.12.2014 – 6 C 16.14 – juris Rn. 11).
36
Es besteht vorliegend kein wichtiger Grund im Sinne des § 3 Abs. 1 NamÄndG, der die Namensänderung der Beigeladenen rechtfertigen könnte.
37
a. Unter Berücksichtigung der gesetzgeberischen Wertung des § 1618 Satz 4 BGB ist ein wichtiger Grund in den Fällen der öffentlich-rechtlichen Änderung des Familiennamens von Kindern aus geschiedenen Ehen gegeben, wenn die Namensänderung für das Kindeswohl erforderlich ist (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2002 – 6 C 18/01 – juris Rn. 33; OVG RhPf, U.v. 6.5.2019 – 7 A 10074/19 – juris Rn. 36; vgl. auch Nr. 40 Abs. 2 NamÄndVwV). Hierbei muss das Wohl des Kindes die Namensänderung auch unter angemessener Berücksichtigung der für die Beibehaltung des bisherigen Namens sprechenden Gründe gebieten (vgl. OVG Saarl, B.v. 13.12.2018 – 2 A 867/17 – juris Rn.10).
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Anders als etwa bei der Namensänderung von Pflegekindern ist bei einer Namensänderung im Falle sogenannter „Scheidungshalbwaisen“ eine bloße Förderlichkeit der Namensänderung für das Kindeswohl als wichtiger Grund nicht ausreichend, sondern es ist der strenge Maßstab der Erforderlichkeit für das Kindeswohl anzulegen (vgl. BayVGH, B.v. 21.8.2020 – 5 ZB 19.1233 – juris Rn. 10; OVG SH, U.v. 9.9.2019 – 4 O 25/19 – juris Rn. 6). Der Gesetzgeber hat im Rahmen der Neufassung des § 1618 Satz 4 BGB bewusst zwischen der bloßen „Förderlichkeit“ und der „Erforderlichkeit“ für das Kindeswohl differenziert und sich für die strengeren Anforderungen an eine Namensänderung gegen den Willen des anderen Elternteils entschieden (vgl. BayVGH, U.v. 6.6.2008 – 5 B 06.832 – juris Rn. 28). Damit soll der Grundsatz der Namenskontinuität, der ebenfalls einen wichtigen Kindesbelang darstellt, gestärkt und der möglichen Absicht des sorgeberechtigten Elternteils begegnet werden, das Kind namensrechtlich von dem anderen Elternteil zu trennen (vgl. BayVGH, U.v. 6.6.2008, a.a.O.).
39
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu dem Maßstab der Erforderlichkeit für eine Namensänderung soll diese nicht schon dann gerechtfertigt sein, wenn sie nur dazu dient, dem Kind mit der Namensverschiedenheit zum sorgeberechtigten Elternteil verbundene Unannehmlichkeiten zu ersparen, die ohnehin nur altersbedingt und damit vorübergehender Natur sind, die gedeihliche Entwicklung des Kindes aber nicht ernstlich beeinflussen (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2002 – 6 C 18/01 – juris Rn. 43). Das Bundesverwaltungsgericht geht dabei davon aus, dass Kinder nicht völlig konfliktfrei ins Leben treten können, sie müssen in gewissem Umfang mit den mit einer Scheidung bzw. Trennung ihrer Eltern verbundenen Problemen – so auch mit einer etwaigen Namensverschiedenheit – zu leben lernen (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2002 – 6 C 18/01 – juris Rn. 43). Dabei soll das Kriterium der Erforderlichkeit der Namensänderung im Hinblick auf das Kindeswohl nicht so zu verstehen sein, dass damit eine Grenze markiert wird, jenseits derer das Wohl des Kindes ernsthaft und dauerhaft gefährdet erscheint. Die Erforderlichkeit ist nicht daran zu messen, ob die Grenze der Belastbarkeit des Kindes erreicht ist oder nicht (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2002 – 6 C 18/01 – juris Rn. 44). Für die Annahme einer Namensänderung, die für das Wohl des Kindes erforderlich ist, müssen schwerwiegende Nachteile zu gewärtigen sein oder die Namensänderung für das Kind solche erheblichen Vorteile mit sich bringen, dass verständigerweise die Aufrechterhaltung des Namensbandes zu dem nicht sorgeberechtigten Elternteil nicht zumutbar erscheint (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2002 – 6 C 18/01 – juris Rn. 44).
40
Für Kinder, deren Eltern – wie vorliegend – nicht verheiratet waren (sog. Trennungshalbwaisenfälle), ist die Interessenlage keine andere, so dass auch bei ihnen diese Maßstäbe anzuwenden sind (vgl. OVG RhPf, U.v. 6.5.2019 – 7 A 10074/19 – juris Rn. 36 m.w.N.).
41
Unter Anwendung dieser Grundsätze bestehen vorliegend keine schwerwiegenden Nachteile für die Beigeladene oder solche erheblichen Vorteile, die eine Aufrechterhaltung des Namensbandes zu dem nicht sorgeberechtigten Elternteil nicht zumutbar erscheinen lassen.
42
Zweifelsohne ist die Namensänderung für das Wohl der Beigeladenen förderlich. Die hohe Schwelle der Erforderlichkeit für das Kindeswohl wird jedoch nach Auffassung der Kammer im Falle der Beigeladenen nicht erreicht.
43
Dabei kann vorliegend dahinstehen, auf welchen Zeitpunkt im Hinblick auf die gerichtliche Beurteilung der Anfechtungsklage des nicht sorgeberechtigten Elternteils gegen die behördlich verfügte Namensänderung abzustellen ist (vgl. BayVGH, U.v. 6.6.2008 – 5 B 06.832 – juris Rn. 30 f.). Denn weder im Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids noch im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung war die durch das Landratsamt Fürth gewährte Namensänderung für das Wohl der Beigeladenen erforderlich.
44
aa. Sowohl aus den durch das Landratsamt …vorgelegten Behördenakten und Schriftsätzen, als auch aus dem Vortrag des Bevollmächtigten der Beigeladenen ist deutlich geworden, wie sehr die Mutter der Beigeladenen aufgrund der Taten des Klägers immer noch belastet ist. Es wurde überzeugend ausgeführt, dass eine Konfrontation der Mutter der Beigeladenen mit dem Familiennamen „Engelhardt“ unweigerlich in einem Zusammenhang mit dem für die Mutter äußerst belastenden Geschehenen aufgrund der Taten des Klägers steht. Dieser Eindruck wurde auch durch die Darstellungen der Mutter der Beigeladenen und deren Bevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung bestätigt.
45
Dennoch stellt diese bereits im Zeitpunkt des Bescheidserlasses und zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung nach wie vor bestehende erhebliche Belastung ihrer Mutter für die Beigeladene als Namensträgerin selbst keinen schwerwiegenden Nachteil oder derartigen Vorteil dar, der eine Namensänderung zu ihrem – der Beigeladenen – Wohl erforderlich machen würde.
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Der streitgegenständliche Bescheid bezieht sich zur Begründung der Erforderlichkeit der Namensänderung für das Kindeswohl auf die Stellungnahme des Allgemeinen Sozialdienstes, der wiederum das dem Amtsgericht … vorgelegte psychologische Gutachten zur elterlichen Sorge vom 20. März 2019 zugrunde liegt. In diesem Gutachten wird ausgeführt, dass jeglicher Zwang der Mutter der Beigeladenen, sich mit dem Kläger und dessen Taten auseinanderzusetzen, für sie, die Mutter, mit einer erheblichen Belastung verbunden wäre. Hierbei sei davon auszugehen, dass diese Auseinandersetzung die Belastungssymptomatik der Mutter erneut in Gang setzen werde. Dies würde sich dann wiederum negativ auf die Beigeladene und auf die wiedergewonnene Stabilität des aktuellen Lebensumfelds auswirken, was dem Kindeswohl nicht zuträglich wäre. In der Stellungnahme des Allgemeinen Sozialdienstes des Landratsamtes … wird daraufhin der Schluss gezogen, dass die Mutter der Beigeladenen, sofern die Beigeladene weiterhin den Familiennamen „…“ trage, regelmäßig mit dem Familiennamen des Klägers konfrontiert werde. Es sei davon auszugehen, dass dies eine erhebliche Belastung der Mutter der Beigeladenen darstelle, was sich auch negativ auf die Beigeladene auswirken dürfe, insbesondere wenn die Mutter der Beigeladenen dadurch in ihrer Alltagsbewältigung eingeschränkt sei. Es lassen sich jedoch weder in den vorgelegten Behördenakten noch in dem Vortrag aus der mündlichen Verhandlung Anknüpfungspunkte dafür finden, dass sich diese Belastung der Mutter tatsächlich in einem derart erheblichen und belastenden Maße auf ihre Tochter und deren Entwicklung auswirkt bzw. ausgewirkt hat, dass eine Namensänderung zum Wohle der Beigeladenen nicht lediglich förderlich, sondern erforderlich ist.
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(1) Eine häufige Konfrontation der Mutter der Beigeladenen mit dem Familiennamen „…“ sowie entsprechende Nachfragen der Beigeladenen zu der bestehenden Namensverschiedenheit zu ihrer Mutter wurden ausführlich dargelegt. Diese für die Mutter der Beigeladenen belastenden Ereignisse stellen für ihre Tochter dennoch keinen derartigen schwerwiegenden Nachteil dar bzw. eine Namensänderung könnte in diesem Zusammenhang keinen derart erheblichen Vorteil für die Beigeladene begründen, der zum Wohle des Kindes die Namensänderung erforderlich machen würde. Denn Anhaltspunkte dafür, dass sich die Namensdifferenz und die dadurch bedingte Konfrontation der Mutter mit dem Familiennamen „…“ erheblich und nachteilig auf die Beziehung zwischen der Beigeladenen und ihrer Mutter auswirkt oder ausgewirkt hat und die eine diesbezügliche weitere Ermittlung erforderlich gemacht hätten, sind nicht ersichtlich geworden.
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(2) Weiterhin bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Belastung der Mutter aufgrund der Konfrontation mit dem Familiennamen „…“ sich in dem Maße auf ihre Tochter überträgt, dass dies auch eine erhebliche Belastung der Beigeladenen hervorrufen würde.
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Keine der Ausführungen im Verfahren lassen darauf schließen, dass die inzwischen fünfjährige Beigeladene sich in einem höheren Maße mit der Namensdifferenz zu ihrer Mutter und den damit verbundenen Schwierigkeiten auseinandersetzt oder auseinandergesetzt hat, als das bei anderen Kindern, die im Laufe ihrer Entwicklung eine solche Namensverschiedenheit erleben, üblich ist.
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Mag die Namensdifferenz zu ihrer Tochter und gerade auch ihr Familienname „Engelhardt“ für die Mutter der Beigeladenen sehr belastend sein; hinsichtlich der Beigeladenen, auf deren Kindeswohl es bei der Beurteilung des Vorliegens eines wichtigen Grundes für die beantragte Namensänderung ankommt, ist nicht dargetan worden, dass diese Namensdifferenz für die Beigeladene selbst eine überdurchschnittliche Belastung darstellt.
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Eine Namensänderung soll gerade nicht deswegen erfolgen, um dem Kind solche Unannehmlichkeiten und Schwierigkeiten ersparen, welche sich aus der Namensverschiedenheit zu dem sorgeberechtigten Elternteil ergeben (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2002 – 6 C 18/01 – juris Rn. 43; siehe auch Nr. 40 Abs. 2 Satz 2 NamÄndVwV). Zudem ist die Verschiedenheit von Nachnamen zwischen Eltern und Kindern in der heutigen Zeit, in der es vermehrt Patchwork-Familien gibt, nichts Ungewöhnliches mehr (vgl. OVG Saarl, B.v. 13.12.2018 – 2 A 867/17 – juris Rn. 11). Dementsprechend ist die Beibehaltung des bisherigen Familiennamens für die Beigeladene selbst nicht mit schwerwiegenden Nachteilen verbunden, auch sind keine erheblichen Vorteile für die Beigeladene durch die gewährte Namensänderung ersichtlich.
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(3) Schließlich kann nicht festgestellt werden, dass die künftige Auseinandersetzung der Beigeladenen mit ihrem Familiennamen eine derart maßgebliche Belastung für die Beigeladene darstellen wird, dass hierdurch bereits jetzt eine Änderung des Familiennamens gerechtfertigt werden könnte. Es lässt sich nicht beurteilen, wie die Beigeladene zukünftig mit der Namensdifferenz, auch nach möglichen Erklärungen der Mutter, umgeht und ob die Belastung erheblich über diejenigen Unannehmlichkeiten und Schwierigkeiten hinausgehen wird, die für Kinder mit einer Namensverschiedenheit zum sorgeberechtigten Elternteil verbunden sind.
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Jedenfalls bestehen im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung keine Anhaltspunkte dafür, dass die zukünftige Auseinandersetzung der Beigeladenen mit ihrem Familiennamen in eine derartige Belastung der Beigeladenen münden wird, die eine Namensänderung zu ihrem Wohl und entgegen den Interessen des Klägers an einer Beibehaltung des Familiennamens „…“ erforderlich machen würde.
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(4) Eine Namensänderung gemäß § 3 Abs. 1 NamÄndG i.V.m. Nr. 40 Abs. 2 Satz 1 NamÄndVwV ist folglich nicht aufgrund einer Gefährdung des Wohls der Beigeladenen erforderlich.
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bb. Darüber hinaus kann das dargelegte erhebliche Interesse der Mutter der Beigeladenen keine Namensänderung zum Wohl des Kindes rechtfertigen. Denn im Hinblick auf die Rechtfertigung der gewährten Namensänderung im Sinne des § 3 Abs. 1 NamÄndG zum Wohl der Beigeladenen ist, in Anlehnung an die Vorgaben der familienrechtlichen Einbenennung gemäß § 1618 Satz 4 BGB, maßgeblich auf die Erforderlichkeit für das Wohl des Kindes abzustellen.
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Sofern – wie vorliegend – eine Namensänderung zum Wohle des Kindes nicht erforderlich ist, besteht keine Möglichkeit der Gewährung einer ausnahmsweisen öffentlich-rechtlichen Namensänderung aufgrund einer ansonsten bestehenden Belastung des sorgeberechtigten Elternteils und gegen den Willen des bisher namensgebenden Elternteils.
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(1) Der im Rahmen des Kindschaftsrechtsreformgesetzes gebildete materielle Maßstab des § 1618 Satz 4 BGB sieht hinsichtlich des Umbenennungsbegehrens eines Kindes vor, dass die verweigerte Zustimmung des Elternteils, dessen Namen das Kind bisher geführt hat, durch das Familiengericht nur ersetzt werden kann, wenn die Erteilung des neuen Namens zum Wohl des Kindes erforderlich ist (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2002 – 6 C 18/01 – juris Rn. 32). Aufgrund des Maßstabs der Erforderlichkeit für das Kindeswohl sollen auch die Belange des nicht sorgeberechtigten Elternteils stärker Berücksichtigung finden und dessen Bindung an das Kind unterstrichen werden, um so der möglichen Absicht des sorgeberechtigten Elternteils zu begegnen, das Kind namensrechtlich von dem anderen namensgebenden Elternteil zu trennen (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2002 – 6 C 18/01 – juris Rn. 35). Das Namensband zu dem Elternteil, dessen Familienname das Kind antragsgemäß ablegen soll, soll nur unter erschwerten Voraussetzungen durchtrennt werden können, um dadurch auch einen Ausgleich in Bezug auf einen Verlust des Sorgerechts zu schaffen (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2002 – 6 C 18/01 – juris Rn. 37). Sofern das Wohl des Kindes eine Namensänderung erforderlich macht, sind im Rahmen der sich daran anschließenden Interessenabwägung bedeutsame gegenläufige Belange zu berücksichtigten (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2002 – 6 C 18/01 – juris Rn. 36). Dementsprechend ist eine Erforderlichkeit der Namensänderung gegeben, wenn das Wohl des Kindes die Änderung des Familiennamens auch bei angemessener Berücksichtigung der für die Beibehaltung des bisherigen Namens sprechenden Gründe gebietet; die insoweit zu stellenden Anforderungen bestimmen sich auch nach dem Gewicht der jeweils im Einzelfall entgegenstehenden Belange (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2002 – 6 C 18/01 – juris Rn. 42).
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(2) In Anbetracht dieser erheblichen Anforderungen, welche nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits an eine Interessenabwägung bezüglich der Namensänderung zum Wohle des Kindes gestellt werden, ist nicht ersichtlich, dass eine Namensänderung unabhängig vom Wohl des Kindes allein aufgrund eines erheblichen Interesses des sorgeberechtigten Elternteils gerechtfertigt sein kann.
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Der sorgeberechtigte Elternteil bringt bereits durch die Stellung des Antrags auf die Namensänderung des Kindes sein bestehendes Interesse an der Namensänderung hinreichend und umfassend zum Ausdruck. Wenn insoweit, unter Berücksichtigung der Möglichkeit des Bestehens schwerwiegender Nachteile oder erheblicher Vorteile, die Namensänderung für das Wohl des Kindes nicht erforderlich ist, entspricht eine dennoch gewährte Namensänderung allein im Interesse des sorgeberechtigten Elternteils gerade nicht dem Kindeswohl. Denn auch das, in Bezug auf die junge Beigeladene ebenfalls zu berücksichtigende, öffentliche Interesse an einer Namenskontinuität und die Beibehaltung des Namens des Kindes als äußeres Zeichen der Aufrechterhaltung der Beziehung zu dem namensgebenden Elternteil stellen im Rahmen des § 1618 Satz 4 BGB berücksichtigungsfähige Belange des Kindeswohles dar (vgl. BGH, B.v. 30.1.2002 – XII ZB 94/00 – juris Rn. 8 f.; BayVGH, U.v. 6.6.2008 – 5 B 06.832 – juris Rn. 28). Gerade diese Belange des Kindes können nur aufgrund eines für das Kind mit dem Tragen des bisherigen Familiennamens ansonsten verbundenen schwerwiegenden Nachteils oder erheblichen Vorteils durchbrochen werden. Wenn aber keine Erforderlichkeit für das Kindeswohl eine Durchbrechung der Namenskontinuität und der Verbindung zu dem namensgebenden Elternteil und damit die die gewährte Namensänderung rechtfertigen kann, würde sich diese Namensänderung im Interesse des sorgeberechtigten Elternteils gerade unter einer Beeinträchtigung anderweitiger Kindeswohlbelange ereignen. Dies steht sowohl der im Hinblick auf den Maßstab des § 1618 Satz 4 BGB ergangenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts als auch den Anforderungen der Nr. 40 Abs. 2 Satz 1 NamÄndVwV entgegen.
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Die Kammer sieht sich folglich daran gehindert, das dargelegte erhebliche Interesse der Mutter der Beigeladenen an der Namensänderung ihrer Tochter aufgrund einer eigenen mit dem Familiennamen „…“ verbundenen Belastung in Ermangelung einer ansonsten bestehenden Erforderlichkeit der Namensänderung zum Wohle der Beigeladenen als einen die Namensänderung rechtfertigenden Grund im Sinne des § 3 Abs. 1 NamÄndG i.V.m. Nr. 40 Abs. 2 Satz 1 NamÄndVwV weitergehend zu berücksichtigen.
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cc. Schließlich macht auch der derzeit fehlende Kontakt zwischen dem Kläger und der Beigeladenen keine Änderung des Familiennamens der Beigeladenen zu ihrem Wohle erforderlich. Denn bei der Beurteilung der Erforderlichkeit der Namensänderung für das Kindeswohl ist die Aufrechterhaltung der Beziehung zu dem nicht sorgeberechtigten Elternteil ebenfalls in den Blick zu nehmen, auch wenn der Kontakt bereits seit längerer Zeit nicht mehr besteht und dieser Zustand durch die Namensänderung als Zeichen einer nach außen sichtbaren endgültigen Ablösung weitgehend verfestigt würde (vgl. OVG Saarl, B.v. 13.12.2018 – 2 A 867/17 – juris Rn. 11). Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn bei längerfristiger prognostischer Bewertung die Annahme gerechtfertigt ist, dass eine Wiederaufnahme einer tragfähigen Eltern-Kind-Beziehung nicht mehr zu erwarten ist, mangelnde Umgangskontakte sind dabei für sich genommen nicht hinreichend, um die Erforderlichkeit einer Namensänderung zu begründen (vgl. OVG Saarl, B.v. 13.12.2018 a.a.O.). Wegen der Wandelbarkeit zwischenmenschlicher Beziehungen und der dadurch bedingten Möglichkeit einer zukünftigen Veränderung kann es entscheidend nur darauf ankommen, ob bei prognostischer Bewertung die Annahme gerechtfertigt ist, dass der namensgebende Elternteil dauerhaft kein Interesse mehr an einer tragfähigen Beziehung zu seinem Kind hat; nur dann ist die namensrechtliche Bindung des Kindes zu diesem namensgebenden Elternteil ausnahmsweise nicht schutzwürdig (vgl. OVG Saarl B.v. 13.12.2018 a.a.O.).
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Ein solches Desinteresse des Klägers an einem Aufrechterhalten der Beziehung zu der Beigeladenen kann nicht festgestellt werden. Das durch die Haft bedingte Ausbleiben des Umgangskontakts zwischen dem Kläger und der Beigeladenen kann nicht darauf zurückgeführt werden, dass der Kläger kein Interesse an einer Beziehung zu der Beigeladenen hat. Die Ausführungen des Klägers in seiner Stellungnahme zu der Namensänderung der Beigeladenen zeigen, dass er sich spätestens nach seiner Haftentlassung wieder um Kontakt zu der Beigeladenen bemühen möchte und auch bisher diesbezügliche Bemühungen angestrengt hat, um den Kontakt weiter aufrecht zu erhalten. Auch ergibt sich aus dem Gutachten zu der elterlichen Sorge, dass ein Umgang des Klägers mit der Beigeladenen nach dessen Haftentlassung und mit entsprechender fachkundiger Begleitung nicht völlig ausgeschlossen ist. Diese zukünftige Möglichkeit der Wiederaufnahme der Eltern-Kind-Beziehung zwischen dem Kläger und der Beigeladenen führt dazu, dass die derzeitigen mangelnden Umgangskontakte keine Erforderlichkeit der Namensänderung begründen.
63
b. Ein wichtiger Grund für eine Namensänderung kann auch in einer seelischen Belastung gesehen werden, jedoch muss die seelische Belastung nach allgemeiner Verkehrsauffassung verständlich und begründet sein. Ist die seelische Belastung lediglich als übertriebene Empfindlichkeit zu werten, liegt kein wichtiger Grund für eine Namensänderung vor (vgl. BVerwG, B.v. 11.1.2001 – 6 B 65/10 – juris Rn. 5). Geht die seelische Belastung über eine übertriebene Empfindlichkeit hinaus und ist sie nach allgemeiner Verkehrsauffassung verständlich und begründet, muss mit der Anerkennung eines wichtigen Grundes für die Namensänderung nicht zugewartet werden, bis die seelische Belastung den Grad einer behandlungsbedürftigen Krankheit oder Krise erreicht hat (vgl. BVerwG, B.v. 11.1.2011 – 6 B 65/10 – juris Rn. 6). Es kann eine Namensänderung rechtfertigen, den Namensträger gerade vor solchen Folgen zu bewahren (vgl. BVerwG, B.v. 11.1.2011 – 6 B 65/10 – juris Rn. 5; OVG RhPf, U.v. 6.5.2019 – 7 A 10074/19 – juris Rn. 38).
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aa. Eine derartige seelische Belastung der Beigeladenen durch die Namensgleichheit zum Kläger ist nicht ersichtlich geworden. Wie bereits dargestellt ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine schwerwiegende Belastung der Beigeladenen selbst. Auch sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich geworden, dass sich die Auseinandersetzung der Beigeladenen mit ihrem Familiennamen oder die Belastung der Mutter der Beigeladenen mittelbar in einem solchen Maße auf die Beigeladene auswirken wird, dass von einer die Namensänderung rechtfertigenden seelischen Belastung der Beigeladenen ausgegangen werden könnte.
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bb. Die seelische Belastung der Mutter der Beigeladenen ist auch nicht geeignet, eine Namensänderung der Beigeladenen als wichtiger Grund zu rechtfertigen.
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Zwar liegt ein die Abänderung des Namens rechtfertigender Grund im Sinne von § 3 Abs. 1 NamÄndG vor, wenn eine Abwägung aller für und gegen die Namensänderung streitenden Umstände ein Übergewicht der für die Änderung sprechenden Interessen ergibt (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2002 – 6 C 18/01 – juris Rn. 29). In diese Interessenabwägung grundsätzlich mit einzubeziehen sind neben dem schutzwürdigen Interesse des Namensträgers an der Ablegung des bisherigen Namens und der Führung des neuen Namens auch die schutzwürdigen Interessen etwaiger weiterer durch die Namensänderung betroffenen Träger des bisherigen und des neuen Namens (vgl. OVG RhPf, U.v. 6.5.2019 – 7 A 10074/19 – juris Rn. 35).
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Allein die seelische Belastung eines Dritten als Träger des neuen Familiennamens kann aber die Änderung des Familiennamens des bisherigen Namensträgers nicht rechtfertigen, wenn bereits keine seelische Belastung des Namensträgers aufgrund der bisherigen Namensführung besteht. Der Namensträger soll vor den nachteiligen Folgen einer Namensänderung bewahrt werden (vgl. OVG RhPf, U.v. 6.5.2019 – 7 A 10074/19 – juris Rn. 38 f.). Eine solche Erweiterung des durch die Namensführung des Namensträgers belasteten Personenkreises auf Dritte würde auch im Widerspruch zu dem Ausnahmecharakter der öffentlich-rechtlichen Namensänderung stehen.
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c. Letztendlich besteht keine Erforderlichkeit einer Namensänderung zum Wohle der Beigeladenen und kein wichtiger Grund für eine Namensänderung gemäß § 3 Abs. 1 NamÄndG dadurch, dass der Name des Klägers mit dem durch ihn begangenen Taten insbesondere am ehemaligen Wohnort des Klägers und der Beigeladenen in Verbindung gebracht werden kann. Gemäß Nr. 39 Abs. 2 Satz 1 NamÄndVwV kann der Familienname von Angehörigen eines Straftäters geändert werden, wenn dies, etwa im Zusammenhang mit einem Wohnungswechsel, zur Vermeidung von Belästigungen sinnvoll erscheint. Nach Nr. 39 Abs. 2 Satz 2 NamÄndVwV ist eine Namensänderung im Allgemeinen nicht gerechtfertigt, wenn eine objektive Behinderung nicht besteht und der Angehörige nur den Wunsch hat, sich von dem Täter loszusagen oder zu distanzieren.
69
Es ist nicht ersichtlich, dass aufgrund des Familiennamens der Beigeladenen „…“ nach dem Umzug der Beigeladenen und ihrer Mutter unmittelbar ein Zusammenhang zu den Taten des Klägers hergestellt werden kann und dadurch die Gefahr von Belästigungen besteht. In der Berichterstattung zu dem Strafprozess wurde der Familienname des Klägers mit „*.“ abgekürzt. Selbst wenn durch eine entsprechende Nachforschung der Familienname „…“ des Klägers ermittelt werden kann, ist „…“ ein in Mittelfranken häufig vorkommender Familienname. Die Beigeladene und ihre Mutter leben inzwischen in …, es kann nicht davon ausgegangen werden, dass aufgrund des Familiennamens „…“ der Beigeladenen ein unmittelbarer Bezug zu den Taten des Klägers hergestellt wird und die Beigeladene diesbezüglich entsprechenden Nachfragen ausgesetzt sein wird.
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3. Der in Ermangelung eines wichtigen Grundes für eine Namensänderung der Beigeladenen materiell rechtswidrige Bescheid des Landratsamtes … vom 17. Juli 2019 verletzt den Kläger in seinem Elternrecht aus Art. 6 Abs. 2 GG, denn durch die aufgrund des Bescheids gewährte Namensänderung des Familiennamens der Beigeladenen von „…“ in „…“ wird sein eigenes Interesse am Fortbestand des Kindesnamens beeinträchtigt (vgl. OVG SH, B.v. 9.9.2019 – 4 O 25/19 – BeckRS 2019, 22169; VG Karlsruhe, U.v. 7,3.2018 – 5 K 727/16 – juris Rn. 24).
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III. Nach alldem war der Klage stattzugeben.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 und Abs. 3 VwGO. Die anwaltlich vertretene Beigeladene hat in der mündlichen Verhandlung einen Antrag auf Klageabweisung gestellt und sich folglich dem Kostenrisiko unterworfen.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 VwGO.
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Die Berufung war gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.
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Die Frage, ob das Interesse des allein sorgeberechtigten Elternteils aufgrund einer eigenen, mit dem Familiennamen des Kindes verbundenen erheblichen seelischen Belastung eine öffentlich-rechtliche Namensänderung gemäß § 3 Abs. 1 NamÄndG rechtfertigen kann, auch wenn ansonsten keine Erforderlichkeit einer Namensänderung allein zum Wohle des Kindes ersichtlich geworden ist, hat über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung.