Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 06.08.2021 – AN 17 K 21.30365
Titel:

Offensichtlich unbegründete Klage bei Ausreisegründen aus dem privaten Bereich (Kuba)

Normenketten:
AsylG § 3, § 3b, § 4, § 30 Abs. 1
VwGO § 113 Abs. 1, Abs. 5 S. 1
Leitsätze:
1. Gegen gegebenenfalls drohende private Gefahren kann der Kläger Schutz durch die kubanische Polizei in Anspruch nehmen. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Asylantragstellung in Europa stellt keinen Nachfluchtgrund für das Herkunftsland Kuba dar.  (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Abschiebungsverbot ergibt sich auch nicht aus der gegenwärtigen Pandemie-Lage durch das Corona-Virus mit hohen Infektionszahlen in Kuba. Die Infektionslage und die daraus folgende allgemeine Ansteckungsgefahr ist jedenfalls nicht berücksichtigungsfähig.  (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Asylantragsteller aus Kuba, Rein private Probleme des Klägers im Heimatland (Ausreise aus Kuba zum Besuch bzw. Nachzug zur Freundin, Streit mit Vater der Ex-Freundin), Abweisung als offensichtlich unbegründet durch das Gericht nach Abweisung des Asylbegehrens als offensichtlich unbegründet durch das Bundesamt, keine Nachfluchtgründe, keine Anknüpfung an Verfolgungsgründe, Corona, Covid-19
Fundstelle:
BeckRS 2021, 24556

Tenor

1. Die Klage wird als offensichtlich unbegründet abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

1
Der 1981 geborene Kläger ist kubanischer Staatsangehöriger. Er reiste am 10. Juni 2019 aus Kuba kommend auf dem Luftweg mit einem von Italien ausgestellten Schengenvisum erstmals in die Bundesrepublik Deutschland ein. Einen Tag später reiste er, ebenfalls mit dem Flugzeug, nach Italien aus und kehrte noch am gleichen Tag nach Deutschland zurück. Er stellte in der Bundesrepublik Deutschland am 20. Februar 2020 einen Asylantrag.
2
Bei Anhörungen vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) über das persönliche Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates vom 20. Februar 2020 gab der Kläger an, dass sein Zielland Italien gewesen sei, wo seine Freundin, die ihn eingeladen habe, lebe. Da diese ihn am Flughafen nicht abgeholt habe, sei er nach Deutschland zurückgekehrt.
3
Bei seiner Anhörung nach § 25 AsylG am 20. Mai 2020 gab der Kläger an, seinen Reisepass in Deutschland verloren zu haben, aber eine Kopie gemacht zu haben, weil man ihm das geraten habe. Er sei ledig, getrennt lebend und habe zwei Kinder (sein Sohn sei am Tag vor der Anhörung an Blutkrebs gestorben). Er habe bis zu seiner Ausreise mit seiner Mutter und zwei Geschwistern in einem Haus gelebt. Er habe in Kuba als Maurer gearbeitet, so dass seine wirtschaftliche Situation ganz gut gewesen sei. Zu seinen Asylgründen gab er an, dass er Probleme mit der Mutter seiner jüngeren Tochter und deren Vater gehabt habe. Seine Ex-Freundin sei sehr eifersüchtig gewesen und ihr Vater, der eine Bande von zehn Männern gehabt habe, sehr streitlustig. Weil er eine neue Beziehung begonnen habe (mit der Freundin, die ihn nach Italien eingeladen habe), sei es im Rahmen der Trennung zu heftigem Streit gekommen. Er habe seine Freundin dabei mit einem Stück Holz an der Schulter geschlagen, sie habe ihn angezeigt und ausgesagt, dass er eine Machete benutzt habe. Die Polizei habe ihn festgenommen und er sei acht Tage in Einzelhaft gewesen. Nachdem ein Sachverständiger festgestellt habe, dass es keine Machete gewesen sei, sei er auf Kaution und unter Zahlung einer Strafe freigekommen. Er sei nicht nach Hause nach … gegangen, weil der Vater seiner Freundin ihn umgebracht hätte, sondern nach …, wo er ein Zimmer gemietet habe und auch als Maurer gearbeitet habe. Als nach vier Monaten die Einladung aus Italien gekommen sei, habe er das Visum beantragt und die Ausreise organisiert. Seine Mutter habe ihm erzählt, dass der Vater seiner Ex-Freundin sich mit seiner Bande immer in der Nähe des Hauses aufhalte und ihn umbringen würde. Der Streit habe im August 2018 stattgefunden, die Verhaftung am gleichen Tag. Eine Gerichtsverhandlung habe es nicht gegeben. Nach der Feststellung des Sachverständigen sei eine Umwandlung in eine Geldstrafe erfolgt. Mit den Behörden habe er keine Schwierigkeiten gehabt. Der Vater seiner Ex-Freundin habe aufgrund der Anzeige seiner Mutter eine kleine Geldstrafe bekommen. Die Bande heiße "…". Er sei nach der Freilassung erst für einen Tag zu einem Freund, dann nach …, wo er ungefähr zehn Monate bis zu seiner Ausreise gewesen sei. Zu seiner Mutter sei er nicht zurückgekehrt. Der Vater seiner Ex-Freundin habe zwar gewusst, dass er in … gewesen sei, ihm sei dort aber nichts passiert. Nachdem er die Einladung der Freundin aus Italien erhalten habe, habe er gedacht, dass es eine gute Lösung sei, alles hinter sich zu lassen. Weil seine Freundin ihn in Italien nicht am Flughafen abgeholt habe, sei er sehr verloren gewesen und nach Deutschland zurückgekehrt, wo seine Schwester lebe. In Kuba würde ihn die Bande des Vaters der Ex-Freundin, die auch mit der Polizei zusammenarbeite, umbringen. Sie haben sogar bei der Beerdigung seiner Großmutter, die während seines Aufenthalts in Deutschland gestorben sei, auf ihn gewartet, um ihn zu schlagen.
4
Mit Bescheid vom 20. April 2021 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet ab (Ziffer 1). Ebenso wurden der Antrag auf Asylanerkennung und der Antrag auf Gewährung subsidiären Schutzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt (Ziffern 2 und 3). Weiter stellte das Bundesamt fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen (Ziffer 4) und drohte dem Kläger die Abschiebung innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheides - in erster Linie - nach Kuba an, falls er nicht freiwillig ausreise und setzte dabei den Lauf der Ausreisefrist bis zum Ablauf der einwöchigen Klagefrist aus und im Falle der rechtzeitigen Antragstellung darüber hinaus bis zur Bekanntgabe der Ablehnung des gerichtlichen Eilantrags (Ziffer 5). Es ordnete ein Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG an und befristete dieses auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 6).
5
Zur Begründung ist im Bescheid ausgeführt, dass der Kläger im Sinne vom § 30 Abs. 1 AsylG offensichtlich kein Flüchtling sei, weil weder eine Betroffenheit in asylrechtlich geschützten Belangen noch eine Verfolgungshandlung von Intensität erkennbar sei. Es sei auch nicht ersichtlich, dass der kubanische Staat nicht willens oder in der Lage wäre, wirksamen Schutz vor der kriminellen Bande zu bieten. Die Ausreise aus rein privaten Gründen, ohne im Heimatland Schutz bei den Behörden gesucht zu haben, rechtfertige die Ablehnung als offensichtlich unbegründet.
6
Zur Niederschrift der Rechtsantragstelle des Verwaltungsgericht Ansbach erhob der Kläger am 27. April 2021 hiergegen Klage und beantragte,
den Bescheid des Bundesamtes vom 20. April 2021 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen, ihm die Flüchtlingseigenschaft und den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen sowie festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 bis 7 Abs. 1 AufenthG vorliegen.
7
Der Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 3. Mai 2021,
die Klage abzuweisen.
8
Mit Beschluss vom 11. Mai 2021 lehnte das Verwaltungsgericht den mit der Klage gestellten Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ab (AN 17 S 21.30364).
9
Eine Begründung der Klage erfolgt nicht.
10
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird auf die Gerichtsakte und Behördenakte Bezug genommen. Für den Verlauf der mündlichen Verhandlung auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

11
Über die Klage kann trotz des Ausbleibens der Beteiligten entschieden werden, nachdem diese hierauf in der Ladung hingewiesen worden sind, § 102 Abs. 2 VwGO.
12
Die Klage ist zulässig, aber offensichtlich unbegründet und deshalb als solches abzuweisen, § 78 Abs. 1 Satz 1 AsylG. Der Bescheid vom 20. April 2021 ist einschließlich des vom Bundesamt getroffenen Offensichtlichkeitsurteils rechtmäßig und verletzt den Kläger ganz offensichtlich nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 und Abs. 5 VwGO). Dem Kläger steht, was sich dem Gericht geradezu aufdrängt, ein Anspruch auf Asylanerkennung, auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 AsylG, auf subsidiären Schutz nach § 4 AsylG sowie auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG offensichtlich nicht zu. Auch die getroffenen Nebenentscheidungen in Ziffer 5 und 6 begegnen keinerlei Bedenken.
13
Das Gericht nimmt zur Begründung des Urteils gemäß § 77 Abs. 2 AsylG Bezug auf die in jeder Hinsicht zutreffende Begründung des Bescheides vom 20. April 2021 durch das Bundesamt. Den Erwägungen hat der Kläger weder schriftsätzlich etwas entgegengesetzt, noch ist er in der mündlichen Verhandlung erschienen und hat damit auch dort die Gelegenheit zur Substantiierung, Ergänzung oder Richtigstellung seines Vorbringens nicht wahrgenommen.
14
Die geschilderten Ausreisegründe liegen allesamt im privaten Bereich (Zuzug zur Freundin in Italien, Streit mit der Familie der Ex-Freundin in Kuba) und haben keinerlei Bezug zu den Verfolgungsgründen i.S.v. §§ 3 Abs. 1, 3b Abs. 1 AsylG bzw. Bedrohungen i.S.v. § 4 AsylG. Gegen gegebenenfalls drohende private Gefahren, für die aber nach Aktenlage keinerlei valide Anhaltspunkte sprechen, nachdem der Kläger selbst angegeben hat, dass - obwohl der Vater seiner Ex-Freundin seinen neuen Aufenthaltsort gekannt hat - dieser ihm dort nicht nachgestellt hat, kann der Kläger Schutz durch die kubanische Polizei in Anspruch nehmen, wie ihm dies auch vor seiner Ausreise gelungen ist. Wie er angegeben hat, ist gegen den Vater der Ex-Freundin eine Geldstrafe verhängt worden.
15
Auch Nachfluchtgründe des unverfolgt ausgereisten Klägers sind nicht ersichtlich. Er ist nicht politisch tätig gewesen und kann deshalb nicht ins Blickfeld der kubanischen Behörden gerückt sein. Nachfluchtgründe ergeben sich nach der Rechtsprechung der Kammer auch weder aus der Asylantragstellung in Europa als solche, noch aus einem gegebenenfalls eingetretenen Verlust der Rückkehrberechtigung aufgrund seiner Ausreise aus Kuba vor über 24 Monaten (vgl. zum Ganzen im einzelnen VG Ansbach, B.v. 6.10.2020 - AN 17 K 20.30350; B.v. 8.3.2021 - AN 17 K 20.30979 - juris).
16
Auch für nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 AufenthG oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG bestehen keinerlei Anhaltspunkte. Ein solches ergibt sich auch aus der gegenwärtigen Pandemie-Lage durch das Corona-Virus mit hohen Infektionszahlen in Kuba nicht. Die Infektionslage und die daraus folgende allgemeine Ansteckungsgefahr ist jedenfalls aufgrund der Regelung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG nicht berücksichtigungsfähig.
17
Die Abschiebungsandrohung mit Ausreiseaufforderung und Fristsetzung von einer Woche entspricht §§ 34 Abs. 1, 36 Abs. 1 AsylG. Durch die Aussetzung der Abschiebung bis zum Ablauf der Klagefrist bzw. der Bekanntgabe des ablehnenden gerichtlichen Eilbeschlusses in Ziffer 5 des angefochtenen Bescheids ist auch der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, U.v. 19.6.2018 - C-181/16 - NVwZ 2018, 1625 - "Gnandi"; BVerwG, U.v. 20.2.2020 - 1 C 1.19 - BeckRS 2020, 8202) Genüge getan.
18
Die Klage war somit mit der Kostenfolge aus §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen, wobei Gerichtskosten gemäß § 83b AsylG nicht erhoben werden.
19
Die Entscheidung ist gemäß § 78 Abs. 1 Satz 1 AsylG unanfechtbar.