Inhalt

VG Regensburg, Urteil v. 08.06.2021 – RO 6 K 20.2775
Titel:

Corona-Pflegebonus, ambulante Behinderteneinrichtung, Subventionen, Förderrichtlinien, Abgrenzung des begünstigten Personenkreises, Verwaltungspraxis, Substitutionsfunktion Pflegender

Normenketten:
Corona-Pflegebonusrichtlinie - CoBoR, 23, 44 BayHO
BayVwVfG Art. 48, 49a
GG Art. 3 Abs. 1
Leitsatz:
Beschäftigte in ambulanten und teilstationären Behinderteneinrichtungen haben keinen Anspruch auf Gewährung des Corona-Pflegebonus.
Schlagworte:
Corona-Pflegebonus, ambulante Behinderteneinrichtung, Subventionen, Förderrichtlinien, Abgrenzung des begünstigten Personenkreises, Verwaltungspraxis, Substitutionsfunktion Pflegender
Fundstelle:
BeckRS 2021, 24486

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

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Der Kläger wendet sich gegen einen Bescheid des Beklagten, mit dem die Gewährung eines Bonus für Pflege- und Rettungskräfte in Bayern (Corona-Pflegebonus) abgelehnt worden ist und begehrt die Verpflichtung des Beklagten zur Bewilligung des Corona-Pflegebonus in Höhe von 500 EUR.
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Am 28. Mai 2020 beantragte der Kläger mittels Onlineformblättern unter Beifügung eines Identitätsnachweises und einer Arbeitgeberbescheinigung vom 26. Mai 2020 die Gewährung des Corona-Pflegebonus. Nach der Arbeitgeberbestätigung sei der Kläger bei der …, welche anerkannte Werkstätten für behinderte Menschen im Sinne des § 136 SGB IX betreibt (vgl. die Beschreibung der Betriebsstruktur auf der Homepage …*), mit einer regelmäßigen Wochenarbeitszeit von über 25 Stunden als „Gruppenleiter handwerklicher Erziehungsdienst“ beschäftigt. In den Onlineformblättern trug der Kläger im Feld „Art der Einrichtung“ den Begriff „ambulante Behinderteneinrichtung“ ein.
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Mit Bescheid vom 3. November 2020 lehnte der Beklagte den Antrag auf Gewährung des Corona-Pflegebonus ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Zuwendung in Ausübung billigen Ermessens als freiwillige Leistung ohne Rechtsanspruch und im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel erfolge. Dies sei in den Vorbemerkungen der Richtlinie über die Gewährung eines Bonus für Pflege- und Rettungskräfte in Bayern (Corona-Pflegebonusrichtlinie - CoBoR) klargestellt. Die einschlägige Förderrichtlinie sei Grundlage für die behördliche Ermessensentscheidung und für die Ausübung der den Gleichheitssatz wahrenden Verwaltungspraxis maßgeblich. Der Kläger erfülle nicht die in der Richtlinie vorgesehenen Voraussetzungen für die Bewilligung des Corona-Pflegebonus. Begünstigte im Sinne der Richtlinie seien Pflegende in Krankenhäusern, Rehabilitationskliniken, stationären Alten- und Pflege- und Behinderteneinrichtungen sowie ambulanten Pflegediensten. Daneben seien Rettungssanitäter, Rettungsassistenten, Notfallsanitäter und nichtärztliche Einsatzkräfte im Rettungsdienst Begünstigte. Das Beschäftigungsverhältnis müsse nach Nr. 2 der CoBoR am 7. April 2020 bestanden haben und nach seiner vertraglichen Bestimmung überwiegend im Freistaat Bayern ausgeübt worden sein. Den Antragsunterlagen des Klägers sei zu entnehmen, dass dieser zum relevanten Datum nicht in einer der genannten Einrichtungen tätig gewesen sei.
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Mit am 13. November 2020 bei Gericht eingegangenem Telefax seines Bevollmächtigten hat der Kläger Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg erheben lassen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass Kollegen des Klägers, die den gleichen Dienst in der Behindertenarbeit dieser Einrichtung hätten, im Gegensatz zum Kläger einen positiven Bescheid mit Bewilligung des beantragten Corona-Pflegebonus erhalten hätten. Diese Ungleichbehandlung sei für den Kläger nicht nachvollziehbar. In der Zeit vom 2. April 2020 bis zum 16. April 2020 habe sich der Kläger nach positivem Test in häuslicher Quarantäne befunden. Seit Beginn der Covid-19-Pandemie habe der Kläger, mit Ausnahme der Quarantänezeit, seinen Dienst in der Behinderteneinrichtung versehen. Begünstigte im Sinne der geänderten Förderrichtlinien, Richtlinie über die Gewährung eines Bonus für Pflege- und Rettungskräfte in Bayern (CoronaPflegebonusrichtlinie - CoBoR), Bekanntmachung des bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 30. April 2020, Az. G21-K9000-2020/176-36, geändert durch Bekanntmachung vom 15. Mai 2020, Az. G21-K9000-2020/969, seien Pflegende in Krankenhäusern, Rehabilitationskliniken, stationären Alten-, Pflege- und Behinderteneinrichtungen sowie ambulanten Pflegediensten. In stationären Einrichtungen für Menschen mit Behinderung seien alle Beschäftigten begünstigt, die körperlich eng an und mit Menschen mit Behinderung arbeiteten. Dies sei beim Kläger der Fall, sodass bei ihm die Voraussetzungen gemäß geänderter Förderrichtlinie gegeben seien.
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Für den Kläger wird sinngemäß beantragt,
den Bescheid des Beklagten vom 3. November 2020 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger den beantragten Corona-Pflegebonus zu bewilligen.
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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger angesichts der Einrichtung bzw. des Tätigkeitsbereichs, in dem er die behauptete berufliche Tätigkeit ausübe, nicht die Anspruchsvoraussetzungen der Richtlinie erfülle. Er sei daher nicht Begünstigter im Sinne der Richtlinie und habe damit keinen Anspruch auf die beantragte Zahlung. Es seien gemäß Nr. 2 Satz 1, 2 und 5 CoBoR i.V.m. den Anlagen 1 und 2 der CoBoR Pflegende, die tatsächlich einen der dort beispielhaft gelisteten Berufe (Vergleich Anlagen 1-3) ausübten sowie Personen, die eine der Pflege vergleichbare und entsprechende Tätigkeit ausübten, dann begünstigt, wenn sie im relevanten Zeitraum unter anderem in einer stationären Einrichtung der Behindertenhilfe tätig gewesen seien. Dabei seien in stationären Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen zudem alle Beschäftigten begünstigt, die körperlich eng an und mit Menschen mit Behinderung arbeiteten, Nr. 2 Satz 3 CoBoR. Die Aufzählung der begünstigten Einrichtungen erfolge, anders als die der begünstigten Berufsqualifikationen, abschließend. Keine der begünstigten Einrichtungen im Sinne der CoBoR seien ambulante und teilstationäre Einrichtungen der Behindertenhilfe. Lediglich stationäre Behinderteneinrichtungen seien begünstigt. Dies bestätige Nr. 2 Satz 9 CoBoR, wonach Beschäftigte, deren Tätigkeitsschwerpunkt in den Bereichen der Eingliederungshilfe und der Therapie liege, die aber nicht in Einrichtungen der stationären Behindertenhilfe, der stationären Langzeitpflege und dem ambulanten Pflegedienst tätig seien, nicht Begünstigte seien. Bei der Einrichtung, in der der Kläger am
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7. April 2020 nach eigenen Angaben beschäftigt gewesen sei, handle es sich nicht um eine stationäre Einrichtung der Behindertenhilfe und damit um keine der begünstigten Einrichtungen. Warum es zu einer positiven Verbescheidung bei Kollegen des Klägers gekommen sei, könne nicht mehr mit abschließender Sicherheit nachvollzogen werden. Maßgeblich für die Entscheidung über die Bewilligung seien Arbeitgeberbescheinigung und Angaben der Antragsteller im Online-Antrag. Es sei unter anderem möglich, dass zwei Antragsteller einen nicht begünstigten Tätigkeitsbereich angegeben hätten. Werde einer der beiden jedoch außerhalb seines originären Tätigkeitsbereichs tätig und sei ihm dies vom Arbeitgeber bescheinigt worden, so komme möglicherweise eine Begünstigung in Betracht. Dies sei etwa dann der Fall, wenn ein Werkstattmitarbeiter in einem Wohnbereich tätig werde. … betreibe auch 2 Wohnheime. Zudem bestehe die Möglichkeit, dass zwei Antragsteller zwar im gleichen Bereich eingesetzt gewesen seien, jedoch unterschiedliche Angaben hinsichtlich der Einrichtung oder des konkreten Einsatzbereichs gemacht hätten. Beispielsweise könne ein Antragsteller als aktuelle Tätigkeit „Mitarbeiter in der Werkstatt“ angegeben haben, ein anderer Antragsteller hingegen eine allgemeine Berufsbezeichnung, die nicht auf den Einsatzort hinweise. Der unterschiedliche Einsatzbereich könne sich aus der Arbeitgeberbescheinigung ergeben, da es vorkommen könne, dass eine Arbeitgeberbescheinigung lediglich den Träger der Einrichtung nenne, eine andere hingegen den konkreten Tätigkeitsbereich. In ersterem Falle könne es dazu führen, dass der Sachbearbeiter irrtümlicherweise von einem anderen Einsatzbereich als dem tatsächlichen ausginge. Zuletzt könne es auch zu Fehlentscheidungen durch die Sachbearbeiter gekommen sein. Auch dann könne die richtlinienwidrige Bewilligung des Corona-Pflegebonus zugunsten von Kollegen jedoch keine Bewilligung zugunsten des Klägers rechtfertigen.
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Mit Schreiben vom 11. Januar 2021 und vom 19. Februar 2021 erklärte der Bevollmächtigte des Klägers, der Kläger arbeite unstreitig in einer Behinderteneinrichtung. Als Gruppenleiter des handwerklichen Erziehungsdienstes der betreffenden Behindertenwerkstätte arbeite der Kläger auch körperlich eng an und mit Menschen mit Behinderung. Nachdem den Wohnheimen auch die Werkstätte angeschlossen sei und in dieser auch Menschen mit Behinderung arbeiteten, die im Wohnheim untergebracht seien, handele es sich um eine stationäre Einrichtung für Menschen mit Behinderungen, sodass der Kläger gemäß der Richtlinie als Beschäftigter begünstigt sei. Ferner sei darauf hinzuweisen, dass die Menschen mit Behinderungen, die in der Werkstätte arbeiteten, im Wohnheim und auch in der Werkstätte der Pflege bedürften, sodass eine strikte Trennung gar nicht möglich sei. In der Zeit, in der sich die Menschen mit Behinderungen in der Werkstätte aufhielten, benötigten diese im Wohnheim keiner Pflege. Es bestehe kein Grund, weshalb dennoch Beschäftigte in der Werkstätte für diese geleistete Arbeit keine Leistungen erhalten sollten. Nach dem SGB IX gebe es auch viele Schnittstellen zwischen Pflege und Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen. Die Tatsache, dass Arbeitskollegen des Klägers in gleich gelagerten Fällen Leistungen in Form eines Corona-Pflegebonusses erhalten hätten, zeige, dass der Tätigkeitsbereich des Klägers auch anders beurteilt werden könne. Der Kläger habe, obwohl er in der Werkstatt beschäftigt sei, auch pflegerische Aspekte zu erfüllen. So sei er unter anderem dafür zuständig, die behinderten Menschen in diversen Situationen dabei zu unterstützen, sich zu waschen, daneben auch beispielsweise für die Essens- und Medikamentenausgabe.
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Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze, den vorgelegten Behördenakt sowie auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung am 8. Juni 2021 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Landesamtes für Pflege vom 26. August 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten gemäß § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Bewilligung des Corona-Pflegebonus, weil er die Voraussetzungen der einschlägigen Richtlinie in der vom Beklagten ausgeübten Verwaltungspraxis nicht erfüllt.
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1. Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Bewilligung des Corona-Pflegebonus und maßgeblich für die Prüfung der Zuwendungsvoraussetzungen ist die Corona-Pflegebonusrichtlinie (CoBoR) vom 30. April 2020, geändert durch Bekanntmachung vom 15. Mai 2020.
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Bei der vorliegend begehrten Zuwendung handelt es sich um eine freiwillige Leistung, die der Freistaat Bayern auf der Grundlage von und im Einklang mit Art. 44 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 23 der Bayerischen Haushaltsordnung (BayHO) und den einschlägigen Förderrichtlinien gewährt. Nach der Vorbemerkung der CoBoR wird ausdrücklich klargestellt, dass der Corona-Pflegebonus eine freiwillige Leistung ist und nach Maßgabe der Richtlinie und der allgemeinen haushaltsrechtlichen Bestimmungen des Freistaates Bayern als Billigkeitsleistung ohne Rechtsanspruch im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel gewährt wird.
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Sind die Fördervoraussetzungen - wie hier - zulässigerweise in Förderrichtlinien geregelt, so müssen diese von der zuständigen Bewilligungsbehörde gleichmäßig (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV), im Einklang mit Art. 23 und 44 BayHO, ohne Verstoß gegen andere Rechtsvorschriften und gemäß dem Förderzweck angewendet werden, wie dieser in den selbst gegebenen Richtlinien zum Ausdruck kommt. Die Verwaltungsgerichte haben sich auf die Prüfung zu beschränken, ob bei der Anwendung einer solchen Richtlinie im Einzelfall der Gleichheitssatz verletzt wurde oder ein sonstiger Verstoß gegen einschlägige materielle Rechtsvorschriften vorliegt. Entscheidend ist daher allein, wie die zuständige Behörde die Richtlinie im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger, zu einer Selbstbindung führenden Verwaltungspraxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen durch den Gleichheitssatz gebunden ist. Dabei darf eine solche Richtlinie nicht - wie Gesetze oder Rechtsverordnungen - gerichtlich ausgelegt werden, sondern sie dient nur dazu, einem dem Gleichheitsgrundsatz entsprechende Ermessensausübung der Behörde zu gewährleisten (vgl. BVerwG, B.v. 11.11.2008 - 7 B 38.08 - juris, Rn. 9; BayVGH, B.v. 7.4.2020 - 6 ZB 19.1647 - BeckRS 2020, 9635; U.v. 11.10.2019 - 22 B 19.1840 - juris, Rn. 26).
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Ein Anspruch auf die Zuwendung kann im Einzelfall aus dem Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung und dem Gleichheitssatz hergeleitet werden, wenn die in den Richtlinien dargelegten Fördervoraussetzungen vorliegen und vergleichbare Anträge in ständiger Förderpraxis des Beklagten auch positiv verbeschieden werden. Die rechtliche Prüfung im vorliegenden Fall hat demnach nicht daran anzusetzen, wie die für die Zuwendungen maßgeblichen Förderrichtlinien auszulegen wären, sondern daran, welche Förderpraxis des Beklagten dem Zuwendungsbescheid zugrunde lag (vgl. BayVGH, U.v. 11.10.2019 - 22 B 19.840 - juris, Rn. 27). Sollen sie vor dem Gleichheitssatz Bestand haben, müssen sich Zuwendungen aber gemeinwohlbezogen rechtfertigen lassen. Dem Norm- und Richtliniengeber stehen jedoch sachbezogene Gesichtspunkte zur Differenzierung in sehr weitem Umfang zu; solange die Regelung sich auf eine der Lebenserfahrung nicht geradezu widersprechende Würdigung der jeweiligen Lebensverhältnisse stützt, insbesondere der Kreis der von der Maßnahme Begünstigten sachgerecht abgegrenzt ist, kann sie verfassungsrechtlich nicht beanstandet werden (VG München, U.v. 17.2.2021 - 31 K 20.4309 - BeckRS 2021, 3585 mit Verweis auf stRspr; vgl. z.B. BVerfG, U.v. 20.4.2004 - 1 BvR 905/00, 1 BvR 1748/99 - juris, Rn. 61; Wollenschläger, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 3, Rn. 255).
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2. Nach den dargelegten Grundsätzen steht dem Kläger kein Anspruch auf Gewährung des Corona-Pflegebonus zu. Weder die Richtlinie selbst noch ihr hier zur Ablehnung führender Vollzug sind vorliegend zu beanstanden.
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a) Die Abgrenzung des zuwendungsberechtigten Personenkreises in der durch die CoBoR vorgenommenen Art und Weise, namentlich durch eine Beschränkung auf bestimmte Einrichtungen einerseits und eine tätigkeitsbezogene Komponente andererseits, begegnet grundsätzlich keinen Bedenken, sondern erscheint vielmehr sachgerecht. Der Kreis der durch die Corona-Pflegebonusrichtlinie begünstigten Personen ist in Nr. 2 der Richtlinie näher beschrieben. Begünstigte im Sinne der Richtlinie sind danach Pflegende in Krankenhäusern, Rehabilitationskliniken, stationären Alten-, Pflege- und Behinderteneinrichtungen sowie ambulanten Pflegediensten. Ebenso begünstigt sind tatsächlich in der Pflege Tätige, deren ausgeübte berufliche Tätigkeit der Pflege entspricht und mit dieser vergleichbar ist. In stationären Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen sind alle Beschäftigten begünstigt, die körperlich eng an und mit Menschen mit Behinderung arbeiten. Auch Rettungssanitäter, Rettungsassistenten, Notfallsanitäter und nichtärztliche Einsatzkräfte im Rettungsdienst sind Begünstigte. Eine beispielhafte Auflistung der Begünstigten, orientiert an den jeweiligen Einrichtungen, findet sich in den Anlagen 1, 2 und 3 zur Richtlinie.
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Bei der Festlegung des begünstigten Personenkreises verfolgte der Richtliniengeber den legitimen Zweck, welcher in der Richtlinie in Nr. 1 Sätze 2 bis 7 der CoBoR niedergelegt ist und zum Ziel hat, dass mit der Gewährung des Corona-Pflegebonus das überdurchschnittliche Engagement der in Bayern in der professionellen Pflege und im Rettungsdienst und in den stationären Einrichtung der Behindertenhilfe Tätigen auch im Hinblick auf die aktuelle Corona-Pandemie auch für die Zukunft besonders gewürdigt und anerkannt werde. Das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege als Richtliniengeber hat dies weitergehend wie folgt präzisiert und ergänzt: „Der Corona-Pflegebonus erkennt das Engagement der Pflegekräfte an, die in besonderer Weise dauerhaft und intensiv mit den Herausforderungen der Corona-Pandemie konfrontiert waren. Die Pflegekräfte mussten hierbei insbesondere versuchen, die Präsenz von Angehörigen zu ersetzen, die wegen Besuchsverboten in den begünstigten Einrichtungen nicht emotional und sozial für die Betroffenen sorgen konnten. Vor allem auch dieses besondere menschliche Engagement sollte mit dem Bonus des Freistaates gewürdigt werden“ (Antwort des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege auf eine Schriftliche Anfrage des Abg. Krahl, LT-Drs. 18/11079 vom 15.1.2021, S. 2).
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Es steht im Einklang mit dieser Zielsetzung, dass der Richtliniengeber den Kreis der Begünstigten anhand bestimmter Einrichtungen und näher umrissener Qualifikationen bzw. Berufsbilder entsprechend den Ausführungen des Beklagten in der mündlichen Verhandlung abgrenzt, die er mit Blick auf die beschriebene Zielsetzung für besonders relevant erachten durfte. Bei den nach der Richtlinie begünstigten stationären Einrichtungen, namentlich Krankenhäusern, Rehabilitationskliniken, stationären Alten-‍, Pflege- und Behinderteneinrichtungen handelt es sich sämtlich um solche, in denen der vorgenannte Grundgedanke einer Substitution der Präsenz naher Angehöriger in der Zeit pandemiebedingter, umfassender Besuchseinschränkungen ohne weiteres greift.
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Insgesamt ist daher der sehr weite Spielraum des Richtliniengebers, den Kreis der Begünstigten der finanziellen Zuwendung nach sachlichen Gesichtspunkten abzugrenzen, nicht überschritten. Der Richtliniengeber und mit ihm die Vollzugsbehörde sind daher insbesondere auch befugt, die mit der Zuwendung in besonderer Weise zu würdigende soziale Substitutionsfunktion der Pflegenden gerade auch typisierend-einrichtungsbezogen und weiterhin an bestimmten Qualifikationen orientiert zu erfassen und darauf in ihrer Abgrenzung der Zuwendungsberechtigten abzustellen (zu Vorstehendem: VG München, U.v. 17.2.2021 - 31 K 20.4309 - BeckRS 2021, 3585). Für die Begünstigung kommt es damit nicht auf ein erhöhtes Infektionsrisiko oder die Erschwernisse bzw. Herausforderungen, welchen sich Pflegende oder sonstige in den entsprechenden Einrichtungen Tätige aufgrund der pandemiebedingten Situation gegenübersahen, wie etwa erhöhte Vorsichts- oder Hygienemaßnahmen, sondern vielmehr auf die zusätzlich zu leistende Substitution sozialer Kontakte im stationären Bereich der Pflege an.
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b) Auch die Förderpraxis des Beklagten auf Grundlage der Richtlinie begegnet keinen Bedenken. Dies gilt insbesondere auch für die Abgrenzung des begünstigten Personenkreises aufgrund dessen Beschäftigung in vom Richtliniengeber konkret benannten Einrichtungen (Nr. 2 Satz 1 CoBoR). Dies führt hier letztlich dazu, dass der Kläger keinen Anspruch auf die Zuerkennung und Auszahlung des Pflegebonus geltend machen kann.
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Nach der schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung dargelegten Förderpraxis des Beklagten ergibt sich eine Begünstigung nach der CoBoR bei Vorliegen von zwei kumulativ zu erfüllenden Kriterien: In einem ersten Schritt müssen pflegende Personen für eine Begünstigung in bestimmten abschließend aufgezählten Einrichtungen tätig sein (Nr. 2 Satz 1 CoBoR). Ist dies der Fall müssen bestimmte tätigkeitsbezogene Merkmale erfüllt werden, d.h. die Personen müssen - differenziert nach Einrichtungstyp - eine bestimmte Qualifikation aufweisen oder jedenfalls in einem bestimmten Berufsbild konkret tätig sein (Nr. 2 Satz 3 bis 5, Anlagen 1 bis 3 CoBoR). Ergänzend sind in dieser Stufe gemäß Nr. 2 Satz 2 CoBoR tatsächlich in der Pflege Tätige ebenso begünstigt, deren ausgeübte berufliche Tätigkeit der Pflege entspricht und mit dieser vergleichbar ist.
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Gemessen an diesen Maßstäben kann der Kläger keinen Anspruch auf die Zuerkennung und Auszahlung des Pflegebonus geltend machen. Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger nach der Art seiner tatsächlich ausgeübten Tätigkeit zumindest eine der pflegerischen Tätigkeit vergleichbare Arbeit ausführt, da er schon in keiner Einrichtung tätig ist, die zu den begünstigten Einrichtungen im Sinne der Richtlinie zählt.
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Unter Berücksichtigung des Vorbringens des Beklagten wurden nach Überzeugung des Gerichts in der Förderpraxis ambulante sowie teilstationäre Behinderteneinrichtungen als solche bewusst und der CoBoR folgend gerade im Hinblick auf die oben dargestellte, typisierend-einrichtungsbezogene besondere Substitutionsfunktion Pflegender insbesondere in stationären Einrichtungen und im Bereich ambulanter Pflegedienste sowie im Bereich des Rettungsdienstes nicht mit dem Corona-Pflegebonus bedacht. Der Beklagte hat zudem in nicht zu beanstandender Weise seine Förderpraxis in der Art und Weise geschildert, dass in Fällen, in denen ein Betreiber mehrere, teils stationäre und teils nicht-stationäre Einrichtungen betreibt, mit Blick auf den jeweiligen Einzelfall des Betroffenen betrachtet werde, in welcher der beiden genannten Stationsarten dieser arbeite und dass im konkreten Falle der Werkstätte, in der der Kläger arbeite, das Vorliegen einer stationären Einrichtung verneint werden müsse, da sich die betreuten Personen nur tagsüber dort aufhielten und ihr maßgebliches soziales Umfeld dann entweder die Familie sei, in die sie abends zurückkehrten oder das Wohnheim, in dem sie untergebracht seien.
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Der Umstand, dass in Einzelfällen offenbar andere Mitarbeiter der Einrichtung im Widerspruch zur Richtlinie und zur gängigen Förderpraxis den Bonus erhalten haben, begründet keine andere Förderpraxis. Denn es ist nicht erkennbar, dass der Urheber der CoBoR eine solche richtlinienwidrige Abweichung gebilligt oder geduldet hätte. Die Verwaltungsvorschriften antizipieren die Verwaltungspraxis insoweit, als sie eine generalisierende Willenserklärung der die Richtlinien erlassenden Behörde enthalten, eine unbestimmte Vielzahl künftiger Fälle in einer bestimmten Weise zu behandeln. Weichen die Behörden in Einzelfällen ohne rechtfertigenden Grund von einer Richtlinie ab, könnte eine stillschweigende Aufgabe oder eine Änderung der Verwaltungspraxis nur angenommen werden, wenn dies von der für die Richtlinie verantwortlichen Stelle - hier dem zuständigen Ministerium (Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit und Pflege) - in seinem Willen aufgenommen und von diesem bewusst gebilligt und geduldet worden wäre (NdsOVG, U.v. 3.2.2021 - 10 LC 149/20 - juris, Rn. 44). Hierfür ist nichts ersichtlich oder vorgetragen.
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Vielmehr hat der Beklagte nachvollziehbar dargestellt, dass entsprechende von Richtlinienvorgaben und einhergehender Verwaltungspraxis abweichende Entscheidungen entweder auf unterschiedlichen Angaben bei der Antragstellung oder auf Fehlern der Bewilligungsstelle beruhen könnten. Diese Vorgehensweise ist nicht zu beanstanden und lässt jedenfalls nicht die Schlussfolgerung zu, dass sich eine richtlinienabweichende Verwaltungspraxis herausgebildet hätte, da Voraussetzung für eine solche stets ein bewusster und willentlicher Vollzug der einschlägigen Förderrichtlinien in eine bestimmte Richtung wäre. Durch die Praxis muss in ausreichendem Maße verdeutlicht werden, dass die Behörde ihr Ermessen in bestimmten Fällen in einer bestimmten Weise ausüben will, entsprechende gleichlautende Anträge also regelmäßig positiv verbeschieden werden (vgl. VG Würzburg, U.v. 26.4.20 - W 8 K 20.1487 - juris, Rn. 39; Aschke in BeckOK, VwVfG, 50. Edition, Stand: 1.1.2021, § 40 Rn. 65; BayVGH, U.v. 11.10.2019 - 22 B 19.840 - juris, Rn. 26). Dies ergibt sich gerade nicht aus einer vom Förderungsgeber selbst im Nachhinein als rechtsfehlerhaft erkannten Anwendung in Einzelfällen.
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Dem Gericht ist über die festgestellte Verwaltungspraxis hinaus eine erweiternde Auslegung der Richtlinie versagt. Für die Entscheidung kommt es nicht darauf an, ob es zu der festgestellten Verwaltungspraxis Alternativen gäbe und auch die Tätigkeit in ambulanten oder teilstationären Behinderteneinrichtungen hätte gefördert werden können. Bildet - wie hier - die Willkürgrenze den gerichtlichen Prüfungsmaßstab, kommt es nicht darauf an, ob es zu der festgestellten Verwaltungspraxis Alternativen gibt. Willkür ist aber bereits dann zu verneinen, wenn sich der Beklagte bei der Festlegung der Förderfälle von sachlichen Erwägungen hat leiten lassen. Dies ist wie ausgeführt hier der Fall, weil die Unterscheidung zwischen grundsätzlich zu fördernden stationären und grundsätzlich nicht zu fördernden ambulanten oder teilstationären Behinderteneinrichtungen vertretbar und angesichts des Förderzwecks nachvollziehbar ist (vgl. etwa VG München, U.v. 17.2.2021 - M 31 K 20.4944 - juris, Rn. 39; M 31 K 20.4504 - juris, Rn. 34; M 31 K 20.5587 - juris, Rn. 33, vgl. auch schon VG Würzburg, U.v. 8.2.2021 - W 8 K 20.1567 - BeckRS 2021, 2886). Für den Schluss auf eine willkürliche Fassung oder Handhabung der Förderrichtlinien bestehen unter Berücksichtigung des Vorbringens des Beklagten keine triftigen Anhaltspunkte. Die Nichtförderung des Klägers mangels Einsatzes in einer stationären Behinderteneinrichtung ist gemessen an den Vorgaben der CoBoR nicht sachwidrig.
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Gerade unter Heranziehung des Gleichbehandlungsgrundsatzes verbietet sich vorliegend sogar die Gewährung des Corona-Pflegebonus zu Gunsten des Klägers.
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Der Beklagte hat nämlich durch die regelmäßige Wiederholung dieser Förderentscheidung eine bestimmte Förderpraxis entwickelt und vergleichbare Anträge, die aufgrund der Arbeitgeberbescheinigung lediglich eine Tätigkeit in einer nicht stationären Behinderteneinrichtung nachweisen konnten, ebenfalls negativ verbeschieden. Diese Praxis bindet ihn bei vergleichbaren Entscheidungen auch in Parallelverfahren und ist Maßstab für deren gerichtliche Kontrolle. Dabei kann das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 Abs. 1 GG eben auch zu Lasten von Zuwendungsempfängern Anwendung finden. Versagt eine Behörde - wie hier regelmäßig - die Bewilligung bei einer nicht von der Richtlinie umfassten Tätigkeit, so verletzt sie das Gleichbehandlungsgebot in seiner objektiv-rechtlichen Funktion, wenn sie sich im Einzelfall über diese Praxis hinwegsetzt und trotz Fehlens der ansonsten geforderten Voraussetzungen die Leistung gewährt, so dass in einem solchen Fall die Entscheidung wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG rechtswidrig wäre (BVerwG, U.v. 23.4.2003 - 3 C 25/02 - NVwZ 2003, 1384).
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Damit liegen beim Kläger die in der CoBoR dargelegten Zuwendungsvoraussetzungen, wie sie vom Beklagten in ständiger Verwaltungspraxis vollzogen werden, nicht vor.
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Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
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Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.