Inhalt

ArbG Nürnberg, Beschluss v. 23.04.2021 – 8 BV 24/21
Titel:

Einigungsstelle – Corona Sonderzahlung

Normenkette:
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10
Leitsätze:
1. Die Einleitung des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens und die Beauftragung des für ihn auftretenden Rechtsanwalts bedarf eines Beschlusses des Betriebsrats. Ist eine Beschlussfassung zunächst unterblieben oder fehlerhaft erfolgt, ist der Betriebsrat in dem Beschlussverfahren nicht ordnungsgemäß vertreten. Der für den Betriebsrat gestellte Antrag ist als unzulässig abzuweisen. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ist ein Betriebsratsmitglied verhindert, so ist bei der Ladung eines falschen Ersatzmitglieds der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß besetzt mit der Folge, dass die auf dieser Sitzung gefassten Beschlüsse keine Wirksamkeit entfalten. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Antrag auf Bestellung eines Einigungsstellenvorsitzenden und auf Festsetzung der Zahl der Beisitzer kann wegen fehlender Zuständigkeit der Einigungsstelle nur dann zurückgewiesen werden, wenn die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist. Das ist nur dann der Fall, wenn bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht sofort erkennbar ist, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates in der fraglichen Angelegenheit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Frage kommt, sich also die Streitigkeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erkennbar nicht unter einem mitbestimmungspflichtigen Tatbestand subsumieren lässt. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Zahl der Beisitzer der Einigungsstelle richtet sich nach den Besonderheiten des Einzelfalles. Außer in einfach gelagerten Fällen ist in der Regel anzunehmen, dass mindestens der Betriebsrat die fachkundige Unterstützung durch einen Rechtsanwalt oder einen Verbandsvertreter benötigt. Daraus folgt, dass im Regelfall zwei Beisitzer für jede Seite ausreichend sind. Eine größere Anzahl von Beisitzern kommt in Betracht, wenn es sich um schwierige oder besonders komplexe Regelungsfragen handelt, bei denen besondere Fachkenntnisse oder Fertigkeiten erforderlich sind oder die Regelungsgegenstände weitreichende Auswirkungen haben. (Rn. 55) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Einigungsstelle, Einigungsstellenbesetzungsverfahren, Besetzung, Betriebsrat, Mitbestimmungsrecht, Corona, Sonderzahlung, freiwillige Leistung, Covid 19
Rechtsmittelinstanz:
LArbG Nürnberg, Beschluss vom 21.06.2021 – 1 TaBV 11/21
Fundstelle:
BeckRS 2021, 24373

Tenor

1. Zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand „Entlohnungsgrundsätze für die Corona-Sonderzahlung als Einmalzahlung in Höhe von 500,00 €“ wird Herr RiArbG T… bestellt.
2. Die Zahl der von den Beteiligten jeweils zu benennenden Beisitzer wird auf 2 festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Beteiligten streiten über die Errichtung einer Einigungsstelle und über deren Besetzung.
2
Der Beteiligte zu 1.) ist der für die Betriebe der Beteiligten zu 2.) in Z…, D…, H… und S… ordnungsgemäß konstituierte Betriebsrat, mit aktuell 21 Mitgliedern.
3
Die Beteiligte zu 2.) ist ein in der Spielzeugherstellung tätiges Unternehmen. Weltweit werden bei der Beteiligten zu 2.) in ca. 100 Ländern rund 4.600 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigt. Deutschlandweit bestehen etwa 20 Stores. Im Betrieb in Z… waren zuletzt 1.018 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigt, in D… 1.089, in H… 268 und in S… 30. Die Beteiligte zu 2.) ist tarifgebunden.
4
Die Komplementärin der - rechtlich selbständigen - Beteiligten zu 2.) ist die B. Unternehmensstiftung. Deren Gegenstand ist der Erhalt und die Förderung der B. Unternehmensgruppe, die Unterstützung von aktiven, ehemaligen Mitarbeitern der ehemaligen Unternehmensgruppe B. und/oder deren Familien in Not, die Versorgung der Grabstätte des Stifters und Ehrung des Andenkens an den Stifter. Organe der Stiftung sind der Vorstand und der Beirat. Nach § 9 Abs. 2 der Stiftungssatzung obliegt die Ausübung der Gesellschafterrecht in Gesellschaften, an denen die Stiftung beteiligt ist, dem Stiftungsbeirat. Der Stiftungsbeirat kann dem Vorstand bei der Verfolgung des Stiftungszwecks jederzeit Weisungen erteilen.
5
Die Beteiligte zu 2.) ist eine von 15 Gruppengesellschaften der B. Unternehmensstiftung. Neben der Stellung der Stiftung als Komplementärin ist diese mittelbar über die B. GmbH, die 98,2% des Festkapitals der Beteiligten zu 2.) hält, an der Beteiligten zu 2.) beteiligt, da die Stiftung über eine Stimmenmehrheit von 100% an der Holding verfügt. Die Holding hält an den 15 Gruppengesellschaften jeweils die Stimmen- bzw. Anteilsmehrheit.
6
In einer Mitarbeiterinformation vom 01.12.2020 informierte die Beteiligte zu 2.) ihre Mitarbeiter über einen Beschluss des Stiftungsbeirats der B. Unternehmensstiftung über eine „Corona Sonderzahlung“ in Höhe von 500,00 € brutto an alle Arbeitnehmer der Gesellschaften der B. Unternehmensgruppe. Die Beteiligte zu 2.) zahlte die Corona Sonderzahlung an einen bestimmten Personenkreis aus. Der Beteiligte zu 1.) wurde darüber weder im Vorfeld informiert noch um Zustimmung gebeten.
7
Mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Beteiligten zu 1.) wurde die Beteiligte zu 2) aufgefordert, Verhandlungen zu der Thematik aufzunehmen und den Betriebsrat im Hinblick auf die Verteilungskriterien einzubinden. Mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 10.03.2021 lehnte die Beteiligte zu 2.) die Aufnahme von Verhandlungen ab.
8
Der Beteiligte zu 1.) trägt vor, dass er in seiner ordentlichen Sitzung am 01. März 2021 ordnungsgemäß beschlossen habe, die Verhandlungen für gescheitert zu erklären und das Einigungsstellenbesetzungsverfahren einzuleiten sowie seine Prozessbevollmächtigten mit der Durchführung des Beschlussverfahrens zu beauftragen. Der Beteiligte zu 1.) legt dazu die Einladung zur Betriebsratssitzung vom 25.02.2021, die Beschlussfassung vom 01.03.2021, die Teilnehmerlisten, eine Übersicht über die Eingeladenen nebst Lesebestätigung, eine Empfangsbestätigung des nachgeladenen Ersatzmitglieds und eines ordentlichen Betriebsratsmitglieds, eine Bestätigung zweier per Telefon zugeschalteter Betriebsratsmitglieder sowie das Sitzungsprotokoll vom 01.03.2021 als Anlagen 7 bis 13 (vgl. Bl. 123 ff. d.A.) vor.
9
Für das verhinderte ordentliche Mitglied D. sei das Betriebsratsmitglied E. nachgeladen worden. Das Betriebsratsmitglied F. sei, nach ordnungsgemäßer Ladung, nicht erschienen. Das Betriebsratsmitglied G. habe auf der Teilnehmerliste versehentlich in der Spalte „Ersatz für“ unterschrieben. Die Einladung des Betriebsratsmitglieds G. sei aus technischen Gründen gesondert erfolgt. Die Angabe „17 Vollmitglieder“ im Sitzungsprotokoll bedeute, dass 17 ordentliche Mitglieder präsent gewesen seien, zwei ordentliche Mitglieder seien per Telefon zugeschaltet gewesen, außerdem sei ein Ersatzmitglied präsent gewesen. Mit Schriftsatz vom 23.04.2021 hat der Beteiligte zu 1.) außerdem vorgetragen, dass die Sitzung als Hybridsitzung in verschiedenen Räumen stattgefunden habe, woraus sich auch das Vorliegen der verschiedenen Teilnehmerlisten ergäbe. Die Einladungsfrist sei angemessen gewesen. Da das Thema bereits mehrfach Gegenstand von Besprechungen des Betriebsrats gewesen sei, sei kein größerer, vermutlich sogar gar kein, Vorbereitungsaufwand nötig gewesen.
10
Die Einigungsstelle sei jedenfalls nicht offensichtlich unzuständig. Dem Betriebsrat stehe im Hinblick auf die Verteilungsgrundsätze der Corona-Sonderzahlung grundsätzlich ein Mitbestimmungsrecht zu. Die Beteiligte zu 2.) könne sich nicht darauf berufen, dass aufgrund der Vorgaben des Stiftungsbeirats der B. Unternehmensstiftung kein Gestaltungsspielraum bestehen würde. Der Beirat sei ein Gremium mit grundsätzlich beratender Funktion, er habe grundsätzlich keine Befugnis, dem Vorstand Anweisungen für das operative Geschäft zu geben. Der Beschluss des Beirats sei offenbar direkt im Anschluss auf eine Initiative des Betriebsrats zur Zahlung einer Corona Prämie gefasst worden, was nahelege, dass dadurch die Mitbestimmung des Betriebsrats bewusst umgangen werden habe sollen.
11
Der vorgeschlagene Einigungsstellenvorsitzende sei unparteiisch und für den Vorsitz dieser Einigungsstelle geeignet. Er verfüge über jahrelange Erfahrung als Einigungsstellenvorsitzender bei der Aufstellung betrieblicher Entgeltgrundsätze. Angesichts der Schwierigkeit, der Bedeutung und des Umfangs der Angelegenheit seien drei Beisitzer je Seite erforderlich. Dies gelte umso mehr, als der Beteiligte zu 1.) für vier Standorte zuständig sei, an denen zum Teil unterschiedliche betriebliche Voraussetzungen vorlägen. Die Komplexität der Angelegenheit ergebe sich außerdem bereits daraus, dass die Zuständigkeit in Frage gestellt werde.
12
Der Beteiligte zu 1.) beantragt,
1.
Zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand „Entlohnungsgrundsätze für die Corona-Sonderzahlung als Einmalzahlung in Höhe von 500,00 €“ wird Herr VorsRiBAG a.D. K… bestellt.
2.
Die Zahl der von den Beteiligten jeweils zu benennenden Beisitzer wird auf drei festgesetzt.
13
Die Beteiligte zu 2.) beantragt,
1.
die Anträge zurückzuweisen.
2.
Höchst hilfsweise und nur für den Fall, dass das Gericht beschließt, die Einigungsstelle einzusetzen, wird Herr Dr. E…, Präsident des Arbeitsgerichts H…, … straße, H…, zum Vorsitzenden der Einigungsstelle, die über die Entlohnungsgrundsätze für die Corona-Sonderzahlung als Einmalzahlung verhandeln soll, bestellt.
3.
Höchst hilfsweise und nur für den Fall, dass das Gericht beschließt, die Einigungsstelle einzusetzen und seitens des Gerichts Bedenken gegen die Bestellung von Herrn E… zum Einigungsstellenvorsitzenden bestehen, wird Herr Richter am Arbeitsgericht T…, … straße, N…, zum Vorsitzenden der Einigungsstelle, die über die Entlohnungsgrundsätze für die Corona-Sonderzahlung als Einmalzahlung verhandeln soll, bestellt.
4.
Höchst hilfsweise und nur für den Fall, dass das Gericht beschließt, die Einigungsstelle einzusetzen und seitens des Gerichts Bedenken gegen die Bestellung von Herrn Dr. E… oder Herrn T… zum Einigungsstellenvorsitzenden bestehen, wird Herr Richter am Arbeitsgericht Dr. Ho…, … straße, N…, zum Vorsitzenden der Einigungsstelle, die über die Entlohnungsgrundsätze für die Corona-Sonderzahlung als Einmalzahlung verhandeln soll, bestellt.
5.
Höchst hilfsweise und nur für den Fall, dass das Gericht beschließt, die Einigungsstelle einzusetzen, wird die Zahl der von jeder Seite zu benennenden Beisitzer auf zwei festgesetzt.
14
Die Beteiligte zu 2.) trägt vor, dass der Stiftungsbeirat für die Festlegung der Corona Sonderzahlung an die Arbeitnehmer der Gesellschaften der B. Unternehmensgruppe im In- und Ausland zuständig sei. Der Beschluss der Stiftung als Oberunternehmen sei für die konzernangehörigen Tochtergesellschaften bindend, was sich aus der Satzung der Stiftung ergebe, wonach der Vorstand die laufenden Geschäfte entsprechend der Richtlinien und Beschlüsse des Stiftungsbeirats führe. Da durch die Regelung einer weltweit einheitlichen Corona-Sonderzahlung der Stiftungszweck betroffen sei, nämlich die Förderung der B. Unternehmensgruppe, habe auch der Stiftungsbeirat den Beschluss fassen müssen. An der Beschlussfassung hätten alle Mitglieder des Stiftungsbeirats mitgewirkt, der Beschluss sei einstimmig gefasst worden.
15
In dem Beschluss würden die Verteilungsgrundsätze vollumfänglich und abschließend sowie weltweit einheitlich geregelt. Es ergebe sich eindeutig der persönliche Anwendungsbereich, die Höhe und der Zeitpunkt der Auszahlung sowie eine bei Krankheit vorzunehmende Kürzung. Hinsichtlich der Verteilungskriterien verbleibe damit keinerlei Gestaltungsspielraum. Im Beiratsbeschluss sei explizit angeordnet, dass bei den Gesellschaften der B. Unternehmensgruppe kein Umsetzungsspielraum bestehe. Die Beteiligte zu 2.) handle bei der Auszahlung an die jeweiligen Vertragsarbeitnehmer lediglich als ausführendes Organ. Der Stiftungsbeirat habe den Stiftungsvorstand, als gesetzlichen Vertreter der Stiftung angewiesen, die jeweiligen geschäftsführenden Organe der Gesellschaften der Unternehmensgruppe verpflichtend anzuweisen, die im Beschluss getroffenen Maßnahmen umzusetzen. Entsprechend der Stiftungssatzung habe der Vorstand die Entscheidungen und Weisungen des Stiftungsbeirats nur noch umzusetzen, er habe dabei keinerlei Ermessensspielraum. Die Doppelfunktion des Vorstands, als gesetzlich vertretendes Organ der Stiftung für sich selbst und als gesetzlicher Vertreter in der Eigenschaft als Komplementärin der Beteiligten zu 2.) spiele keine Rolle für die Anweisung der verbindlichen Entscheidung der Stiftung. Grund und Ursache für die Corona Sonderzahlung sei gerade nicht die gleichzeitige Komplementär-Stellung der Stiftung, sondern, wie bei den anderen Gruppengesellschaften, die mittelbare Beteiligung über die Holding.
16
Die Corona Sonderzahlung sei bei den 15 Gruppengesellschaften der B. Unternehmensgruppe in 15 Ländern entsprechend dem Beschluss des Stiftungsbeirats umgesetzt worden.
17
Die Beteiligte zu 2.) meint, dass die Anträge bereits deshalb abzulehnen seien, weil der Beteiligte zu 1.) das Beschlussverfahren nicht ordnungsgemäß eingeleitet habe. Aus den vorgelegten Anlagen ergebe sich nicht, an welchen Adressatenkreis die Einladung gerichtet worden sei, weiter sei nicht ersichtlich, ob zu einer Sitzung mit virtueller oder physischer Anwesenheit geladen worden sei. Zudem sei die Ladungsfrist zu kurz bemessen. Bei einer Frist von weniger als zwei Werktagen könne nicht von einer rechtzeitigen Ladung ausgegangen werden. Auch eine Heilung dieses Formmangels sei in der Sitzung nicht einstimmig beschlossen worden. Es werde bestritten, dass das Betriebsratsmitglied D. aufgrund tatsächlicher oder rechtlicher Gründe an der Teilnahme verhindert gewesen sei und, dass es sich bei dem Betriebsratsmitglied E. um das zuständige Ersatzmitglied gehandelt habe. Weiterhin sei nicht ersichtlich, dass die über Telefon zugeschalteten Betriebsratsmitglieder sicherstellen konnten, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen konnten, es sei auch nicht ersichtlich, dass die beiden Betriebsratsmitglieder ihre Teilnahme gegenüber dem Vorsitzenden in Textform bestätig gehabt hätten. Aus den drei Teilnehmerlisten, auf denen sich jeweils weniger als zehn Unterschriften befänden, ergebe sich zudem nicht, dass der Betriebsrat beschlussfähig gewesen sei. Weiter sei nicht ersichtlich, ob die ab 10:50 Uhr abwesenden Betriebsratsmitglieder an der Beschlussfassung mitgewirkt hätten. Nachdem, ausweislich des Sitzungsprotokolls 17 Vollmitglieder an der Sitzung teilgenommen hätten, sei die Teilnahme von 20 Mitgliedern an der Beschlussfassung unstimmig. Da der Beschluss nicht, wie das Sitzungsprotokoll, vom Vorsitzenden unterschrieben sei, sei nicht ersichtlich, dass der Beschluss in dieser Form in der Sitzung gefasst worden sei.
18
Zudem sei die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig. Die seitens der B. Unternehmensstiftung als Komplementärin und Gesellschafterin der Beteiligten zu 2.) festgelegte Gewährung sowie Aufstellung der Verteilungskriterien hinsichtlich der Corona-Sonderzahlung für die Gesellschaften der B. Unternehmensgruppe im In- und Ausland löse keinen mitbestimmungspflichtigen Sachverhalt bei der Beteiligten zu 2.) aus. Diese „3-Parteien Konstellation“ sei nach der langjährigen und unbestrittenen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts mitbestimmungsfrei und stelle auch keine bewusste Umgehung eines etwaigen Mitbestimmungsrechts des Beteiligten zu 1.) dar.
19
Dem Beteiligte zu 1.), als lokalem Betriebsrat bei der Beteiligten zu 2.) fehle hinsichtlich der getroffenen Entscheidung die Zuständigkeit, da er nur für die Beteiligte zu 2.) zuständig sei. Die Beteiligte zu 2.) habe als Arbeitgeberin selbst hinsichtlich der Entlohnungsgrundsätze für die Corona-Sonderzahlung keine Gestaltungsmöglichkeit. Daher fehle es generell auch an einem Ansatz für eine eigenständige Regelung durch die Betriebspartner. Fehle es an einer eigenen Entscheidung des Arbeitgebers oder zumindest an dessen Mitwirkung bei einer durch Dritte getroffenen Entscheidung, besteht kein Raum für eine Mitbestimmung des Betriebsrats. Der Beteiligte zu 1.) lege auch nicht dar, aus welchen Anhaltspunkten folgen solle, dass die Beteiligte zu 2.) Einfluss auf die Entscheidung der Stiftung hätte nehmen können.
20
In dem Beschluss des Stiftungsbeirats, sei eine für die Beteiligte zu 2.) bindende Vorschrift zu sehen. Eine Umgehung des Mitbestimmungsrechts des Beteiligten zu 2.) liege bereits deshalb nicht vor, weil der Stiftungsbeirat die Verteilungskriterien einheitlich für alle Gesellschaften festgelegt habe.
21
Den Vorschlag des Beteiligten zu 1.) zur Person des Vorsitzenden der Einigungsstelle lehnt die Beteiligte zu 2.) ab. Der vorgeschlagenen Person werde seitens der Beteiligten zu 2.) kein Vertrauen entgegengebracht. Für den Fall einer Einsetzung der Einigungsstelle schlägt die Beteiligte zu 2.) den Präsidenten des Arbeitsgerichts H… vor, der als neutrale und unparteiische Person geeignet sei, das Verfahren vor der Einigungsstelle als Vorsitzender zu führen. Hilfsweise schlägt die Beteiligte zu 2.) Herrn Richter am Arbeitsgericht T… und wiederum hilfsweise Herrn Richter am Arbeitsgericht Dr. Ho…, die bereits Verhandlungen vor einer Einigungsstelle zwischen den Beteiligten geführt hätten, vor. Eine Abweichung von der Regelbesetzung mit zwei Beisitzern komme nicht in Betracht, da keine besonders komplexen Regelungsfragen zu entscheiden seien.
II.
22
Die Anträge sind zulässig und überwiegend begründet.
23
1. Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist gemäß §§ 2a Abs. 1 Nr. 1, 80 Abs. 1, 100 ArbGG eröffnet. Zwischen den Beteiligten ist eine betriebsverfassungsrechtliche Angelegenheit streitig, nämlich die Einrichtung einer Einigungsstelle nach den §§ 76 BetrVG, 100 ArbGG.
24
Die Anträge sind zulässig. Das Arbeitsgericht Nürnberg ist gemäß §§ 100 Abs. 1 S. 3, 82 Abs. 1 S. 1, ArbGG örtlich zuständig. Die Antragsbefugnis ergibt sich aus §§ 10, 83 Abs. 3 ArbGG.
25
Das Einigungsstellenverfahren wurde ordnungsgemäß bei Gericht eingeleitet.
26
a) Die Einleitung des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens und die Beauftragung des für ihn auftretenden Rechtsanwalts bedarf eines Beschlusses des Betriebsrats. Ist eine Beschlussfassung zunächst unterblieben oder fehlerhaft erfolgt, ist der Betriebsrat in dem Beschlussverfahren nicht ordnungsgemäß vertreten. Der für den Betriebsrat gestellte Antrag ist als unzulässig abzuweisen (vgl. BAG 16.11.2005 - 7 ABR 12/05).
27
b) Auf die Rüge der ordnungsgemäßen Beschlussfassung in der Anhörung vom 14.04.2021 hat der Beteiligte zu 1.) innerhalb der gesetzten Frist die Einladung zur Betriebsratssitzung vom 25.02.2021, die Beschlussfassung vom 01.03.2021, die Teilnehmerlisten, eine Übersicht über die Eingeladenen nebst Lesebestätigung, eine Empfangsbestätigung des nachgeladenen Ersatzmitglieds und eines ordentlichen Betriebsratsmitglieds, eine Bestätigung zweier per Telefon zugeschalteter Betriebsratsmitglieder sowie das Sitzungsprotokoll vom 01.03.2021 vorgelegt.
28
aa) Aus der vorgelegten Empfängerliste ergeben sich 21 Personen. Dabei handelt es sich um 20 Betriebsratsmitglieder und die Schwerbehindertenvertreterin. Ein weiteres Mitglied des Betriebsrats wurde gesondert geladen. Dieses Betriebsratsmitglied hat die Ladung gesondert bestätigt. Hieraus ergibt sich aus Sicht des Gerichts die Ladung der 21 ordentlichen Betriebsratsmitglieder. Anhaltspunkte dafür, dass ein Mitglied die Ladung nicht erhalten hätte sind nicht ersichtlich. Einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts bedurfte es daher nicht. Nach dem weiteren Vortrag des Beteiligten zu 1.) waren zwei Mitglieder per Telefon zugeschaltet. Dies hat die Beteiligte zu 2.) nicht angezweifelt. Damit erübrigt sich aus Sicht des Gerichts der Hinweis, dass bei einer, unter Anwesenheit sämtlicher Betriebsratsmitglieder, stattfindenden Sitzung die Corona-Hygiene Maßnahmen nicht beachtet worden wären. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, dass die Nichteinhaltung dieser Maßnahmen einen wesentlichen Verstoß gegen Verfahrensvorschriften darstellen würden, der zur Unwirksamkeit des gefassten Beschlusses führen würde.
29
bb) Die Beteiligte zu 2.) weist grundsätzlich zutreffend darauf hin, dass der Beteiligte zu 1.) zu der behaupteten Verhinderung des Betriebsratsmitglieds für das ein Ersatzmitglied geladen wurde nicht weiter vorträgt. Für die Frage der ordnungsgemäßen Beschlussfassung kann vorliegend dahinstehen, ob eine Verhinderung tatsächlich vorlag oder ob die Ladung eines Ersatzmitglieds mangels Verhinderung nicht erforderlich gewesen wäre. Eine ordnungsgemäße Ladung auch des ordentlichen Mitgliedes liegt vor. Der Fehler läge darin, dass ein Mitglied zu viel an der Sitzung teilgenommen hätte. In diesem Fall darf bei einer Beschlussfassung des Betriebsrates die Stimme des zu Unrecht anwesenden Ersatzmitgliedes nicht gewertet werden. Bleibt trotz des Abzuges dieser Stimme die Mehrheit der Stimmen der Anwesenden für den Beschluss erhalten, bleibt der Beschluss auch wirksam (vgl. Vetter/Nebeling/Tschäge in: Kunz/Henssler/Brand/Nebeling, Praxis des Arbeitsrechts, 6. Aufl. 2018, § 43 Mitbestimmung des Betriebsrates Rn. 409). Die Beschlussfassung ist vorliegend mit 12 Ja-Stimmen, keiner Nein-Stimme und acht Enthaltungen erfolgt. Der Abzug einer Stimme ändert am Abstimmungsergebnis nichts.
30
cc) Die Beteiligte zu 2.) weist außerdem zutreffend darauf hin, dass der Vorsitzende gehalten ist, das richtige Ersatzmitglied zu laden. Bei der Ladung eines falschen Ersatzmitglieds ist der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß besetzt mit der Folge, dass die auf dieser Sitzung gefassten Beschlüsse keine Wirksamkeit entfalten (vgl. Vetter/Nebeling/Tschäge in: Kunz/ Henssler/Brand/Nebeling, Praxis des Arbeitsrechts, 6. Aufl. 2018, § 43 Mitbestimmung des Betriebsrates Rn. 409). Im Hinblick darauf, dass sowohl das verhinderte Betriebsratsmitglied wie auch das Ersatzmitglied männlich sind, blieben etwaige Anforderungen an eine ausreichende Vertretung des Geschlechts in der Minderheit (§ 15 Abs. 2 BetrVG) jedenfalls gewahrt. Anhaltspunkte dafür, dass das Ersatzmitglied nicht von der betreffenden Vorschlagsliste herangezogen wurde sind nicht ersichtlich.
31
dd) Aus Sicht des Gerichts ist die Ladung vorliegend noch rechtzeitig erfolgt.
32
Nach § 29 Abs. 2 Satz 3 BetrVG hat der Betriebsratsvorsitzende die Pflicht, zu den Sitzungen rechtzeitig unter Mitteilung der Tagesordnung zu laden. Eine Einladungsfrist und eine Form der Einladung sind im Gesetz nicht vorgesehen. Eine rechtzeitige Ladung erfordert eine angemessene Frist, die so bemessen ist, dass sich die Betriebsratsmitglieder im Vorfeld der Betriebsratssitzung sachgerecht vorbereiten können. Die Frist soll den Betriebsratsmitgliedern Gelegenheit geben, sich ein Bild über die in der Sitzung zu treffenden Entscheidungen zu machen und es ihnen ermöglichen, sich auf die Beratung der einzelnen Tagesordnungspunkte ordnungsgemäß vorzubereiten. Damit wird eine demokratischen Grundprinzipien gerecht werdende Willensbildung des Betriebsrats gewährleistet und der Gefahr einer Überrumpelung einzelner Betriebsratsmitglieder bei der Beratung und anschließenden Abstimmung entgegengewirkt (vgl. Hessisches Landesarbeitsgericht 12.03.2015 - 5 TaBV 124/14).
33
Die Beteiligte zu 2.) weist zutreffend darauf hin, dass zwischen der Ladung vom Donnerstag, dem 25.02.2021 und der Sitzung am Montag, den 01.03.2021 lediglich ein Freitag und ein Wochenende lagen. Anhaltspunkte dafür, dass eine unvorhersehbare Eilbedürftigkeit bestand, die eine kurzfristige Ladung rechtfertigt, sind nicht ersichtlich. Die Tagesordnung umfasste neben dem Tagesordnungspunkt der Beratung und Beschlussfassung über die Einforderung der Mitbestimmung über die Corona-Sonderzahlung, dem Protokoll der vorhergehenden Sitzung und dem Punkt „Aktuelles“ noch sechs weitere Punkte, so dass von dem Erfordernis einer gewissen Vorbereitungszeit auszugehen war.
34
Dennoch kann aus Sicht des Gerichts nicht pauschal das Erfordernis einer Mindestvorbereitungsdauer von mindestens zwei Werktagen angenommen werden. Anhaltspunkte dafür, dass die Vorbereitungszeit vorliegend tatsächlich zu kurz bemessen war, sind nicht ersichtlich. Auf den Vortrag des Beteiligten zu 2.) im Schriftsatz vom 23.04.2021, wonach für das Thema aufgrund vorangehender Besprechungen lediglich ein geringer oder möglicherweise gar kein Vorbereitungsaufwand notwendig gewesen sei, kommt es damit nicht entscheidend an.
35
ee) Zum Nachweis der Beschlussfähigkeit des Betriebsrats hat der Beteiligte zu 1.) drei Teilnehmerlisten vorgelegt, aus denen sich insgesamt - wie behauptet - die Anwesenheit von 18 Personen ergibt. Weshalb sich die Unterschriften auf drei unterschiedlichen Listen über die Teilnahme an der Sitzung vom 01.03.2021 befinden hat der Beteiligte zu 1.) zwar ebenfalls erst mit Schriftsatz vom 23.04.2020 erläutert, jedoch ergeben sich auch ohne diese Erläuterung, allein aus dem Vorliegen von drei „Teil-Listen“ keine Anhaltspunkte dafür, dass eine der 18 Personen nicht an der Sitzung teilgenommen hätte. Danach kommt es auch auf diese Ausführungen des Beteiligten zu 1.) nicht entscheidend an.
36
ff) Weiterhin haben Teilnehmer, die telefonisch zugeschaltet sind, gemäß § 129 Abs. 1 Satz 3 BetrVG iVm. § 34 Abs. 1 Satz 3 BetrVG ihre Anwesenheit gegenüber dem Vorsitzenden in Textform zu bestätigen. Die Bestätigung ersetzt die eigenhändige Unterschrift auf der Anwesenheitsliste. Soweit die beiden telefonisch zugeschalteten Betriebsratsmitglieder ihre Anwesenheit erstmals am 15.04.2021 bestätigt haben, läge diesbezüglich eine unvollständige Teilnehmerliste vor. Dieser Protokollierungsfehler führt vorliegend jedoch nicht zur Unwirksamkeit des gefassten Beschlusses.
37
gg) Gleiches gilt hinsichtlich der Frage, ob die beiden Mitglieder sicherstellen konnten, dass Dritte vom Inhalt der Sitzung keine Kenntnis nehmen konnten (§ 129 Abs. 1 Satz 1 BetrVG). Die Sitzungen des Betriebsrats sind nach § 30 Satz 4 BetrVG nicht öffentlich. Von einem die Unwirksamkeit des Beschlusses begründenden Verstoß gegen das Gebot der Nichtöffentlichkeit ist allerdings nur dann auszugehen, wenn zumindest ein Betriebsratsmitglied vor der Behandlung eines Tagungsordnungspunkts die Anwesenheit einer nicht teilnahmeberechtigten Person ausdrücklich beanstandet hat und diese anwesend bleibt. Auch dann, wenn feststeht, dass der Beschluss des Betriebsrats bei Einhaltung des Gebotes der Nichtöffentlichkeit anders ausgefallen wäre, ist von seiner Unwirksamkeit auszugehen (vgl. Fitting, 30. Aufl. 2020, BetrVG § 30 Rn. 22 f.). Aus der nicht dokumentierten Nichtöffentlichkeit ergeben sich indes keine Anhaltspunkte dafür, dass Dritte von der Sitzung Kenntnis nehmen konnten.
38
hh) Anhaltspunkte dafür, dass die beiden, ab 10.50 Uhr abwesenden Betriebsratsmitglieder an der Beschlussfassung nicht teilgenommen hätten, ergeben sich aus den vorgelegten Unterlagen ebenfalls nicht. Das Sitzungsprotokoll weist 20 Personen aus, die an der Beschlussfassung beteiligt waren, so dass vielmehr davon auszugehen ist, dass auch diese beiden Mitglieder beteiligt waren.
39
ii) Daraus, dass der gefasste Beschluss keine gesonderte Unterschrift des Betriebsratsvorsitzenden trägt, ergeben sich aus Sicht des Gerichts ebenfalls keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass der Beschluss nicht in dieser Form gefasst wurde. Es mag sicher sinnvoll sein auch den Beschluss zu unterschreiben, ohne weitere Anhaltspunkte, ist indes nicht ersichtlich, dass hier eine Änderung oder Ähnliches stattgefunden haben könnte.
40
jj) Die im Sitzungsprotokoll aufgeführte Anzahl von 17 Vollmitgliedern unter dem Punkt „Teilnehmer“ hat der Beteiligte zu 1.) erläutert. Er hat ausgeführt, dass sich diese Anzahl auf die anwesenden ordentlichen Betriebsratsmitglieder bezieht und das anwesende Ersatzmitglied sowie die beiden, per Telefon zugeschalteten, Mitglieder hier nicht aufgeführt sind. Zwar ist die Zahl „17“ - ohne weitere Erläuterung - im Vergleich zu den, an der Beschlussfassung teilnehmenden, Mitglieder tatsächlich unstimmig, jedoch hat der Beteiligte zu 1.) diese Abweichung schlüssig erläutert. Es erscheint hier durchaus sinnvoll, bereits das Protokoll um diese Informationen zu erweitern, diese Unstimmigkeit führt indes ebenfalls nicht zur Unwirksamkeit des gefassten Beschlusses.
41
2. Die Anträge sind überwiegend begründet.
42
a) Ein Antrag auf Bestellung eines Einigungsstellenvorsitzenden und auf Festsetzung der Zahl der Beisitzer kann wegen fehlender Zuständigkeit der Einigungsstelle nur dann zurückgewiesen werden, wenn die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist. Offensichtlich unzuständig ist eine Einigungsstelle nur dann, wenn bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht sofort erkennbar ist, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates in der fraglichen Angelegenheit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Frage kommt, sich also die Streitigkeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erkennbar nicht unter einem mitbestimmungspflichtigen Tatbestand subsumieren lässt (vgl. LAG Hamm 16.12.2014 - 7 TaBV 73/14). Dieser eingeschränkte Prüfungsmaßstab korrespondiert damit, dass die Einigungsstelle die Vorfrage ihrer Zuständigkeit selbst prüft und sich gegebenenfalls für unzuständig erklären kann (BAG 30.01.1990 - 1 ABR 2/89). Das Einigungsstellenbesetzungsverfahren bindet die zu bildende Einigungsstelle insoweit nicht.
43
b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist das Gericht der Ansicht, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Festlegung der Verteilungsgrundsätze der Corona Sonderzahlung nicht offensichtlich ausgeschlossen ist.
44
aa) Nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG hat der Betriebsrat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere bei der Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und der Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden sowie deren Änderung, mitzubestimmen.
45
Bei der Corona Sonderzahlung handelt es sich um eine freiwillige Leistung, zu der die tarifgebundene Beteiligte zu 2.) weder aufgrund des Tarifvertrags noch aufgrund gesetzlicher Regelungen verpflichtet ist, so dass grundsätzlich ein Mitbestimmungsrecht in Betracht kommt (vgl. Fitting, 30. Aufl. 2020, BetrVG § 87 Rn. 443 ff.). Zwar sind der Dotierungsrahmen, die Festlegung des Leistungszweckes und die Festlegung des Personenkreises, für den die Leistung gedacht ist mitbestimmungsfrei, jedoch bleibt auch bei freiwilligen Leistungen des tarifgebundenen Arbeitgebers für das Mitbestimmungsrecht nach Nr. 10 noch ein Anwendungsbereich. Das Mitbestimmungsrecht bei der Gewährung von freiwilligen Leistungen wird auch nicht dadurch eingeschränkt, dass der tarifgebundene Arbeitgeber bereits vor der Beteiligung des Betriebsrats Zahlungen leistet, die er nicht mehr zurückfordern kann. Kommt es später zu einer abweichenden Einigung oder zum Spruch der Einigungsstelle über eine andere Verteilung, können Mehrkosten entstehen, weil der Arbeitgeber die mitbestimmungswidrig gezahlte Leistung aus rechtlichen oder faktischen Gründen nicht mehr zurückfordern kann (vgl. Fitting aaO.).
46
bb) Die Mitbestimmung ist nicht deswegen offensichtlich ausgeschlossen, weil die Beteiligte zu 2.) offensichtlich keinerlei Mitwirkungsmöglichkeiten bei der Festlegung der Verteilungsgrundsätze der Corona-Sonderzahlung gehabt hätte.
47
(1) Unabhängig davon, ob eine gesellschaftsrechtliche Bindung über die herrschende Beteiligung der Holding, an der die Stiftung 100% der Stimmanteile hält oder darüber, dass die Stiftung die Komplementärin der Beteiligten zu 2.) ist, vermittelt wird, handelt es sich bei der juristischen Person, die die Entscheidung getroffen hat, auch um die Komplementärin der Beteiligten zu 2.) und damit um eine Gesellschafterin der Beteiligten zu 2.). Eine Entscheidung ihrer Gesellschafter muss sich die Gesellschaft zurechnen lassen (vgl. LAG Nürnberg 13.01.2021 - 6 TaBV 1/21). Unabhängig davon, ob dies bewusst oder unbewusst geschieht, würden gesellschaftsrechtliche Regelungen, die, wie hier die Stiftungssatzung, die Entscheidungskompetenz einem Gesellschafter zuweist, sonst zu einer Umgehung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats der Gesellschaft führen.
48
(2) Zwar ist zutreffend, dass die Entscheidung des Unternehmens, eine freiwillige Leistung nur unternehmensweit erbringen zu wollen, eine Zuständigkeit der jeweiligen örtlichen Betriebsräte über § 50 Satz 1 BetrVG ausschließt (vgl. LAG Nürnberg aaO. mwN.). Die Mitbestimmung würde bezüglich der Entscheidungen, die auf Konzernebene getroffen werden, in erster Linie einem Konzernbetriebsrat zustehen.
49
(3) Ob dies in jedem Fall - und vor allem unter Berücksichtigung des Maßstabs der Offensichtlichkeit - auch dann gilt, wenn kein Konzernbetriebsrat gebildet ist, ist aber von der Rechtsprechung nicht abschließend geklärt. Voraussetzung für die Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats ist nach der gesetzlichen Zuständigkeitsverteilung in § 58 Abs. 1 BetrVG, dass eine Regelung durch die auf niedrigerer Ebene gebildeten Gremien nicht sinnvoll möglich ist. Dies schließt schon denklogisch in vielen Konstellationen die Regelung durch andere Gremien als eben den Konzernbetriebsrat aus. Ob bei der Gewährung von zusätzlichen freiwilligen Geldleistungen ein solcher denklogischer Ausschluss angenommen werden kann, ist in der Rechtsprechung nicht abschließend geklärt - ebenso wenig wie die grundsätzliche Frage, ob tatsächlich in einem solchen Fall die nachgeordneten Gremien die Mitbestimmungsrechte wahrnehmen können (vgl. LAG Nürnberg aaO. mwN.).
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(4) Die offensichtliche Unzuständigkeit ergibt sich unter Berücksichtigung dieser möglichen ersatzweisen Zuständigkeit des Beteiligten zu 1.) auch nicht daraus, dass die Beteiligte zu 2.) keinerlei Einflussmöglichkeiten auf Festlegung der Verteilungsgrundsätze der Sonderzahlung gehabt hat. In der Konstellation über die das BAG mit Beschluss vom 12.06.2019 (1 ABR 57/17) entschieden hat, ging es nicht um Geldmittel, sondern um Aktienoptionen. Eine gefestigte Rechtsprechung aufgrund dieser Entscheidung auch für Fälle der Zuteilung von Geldzahlungen ist hierdurch nicht zu erkennen (vgl. LAG Nürnberg aaO.). Auch die Konstellation, über die das LAG München mit Beschluss vom 11.08.2017 (9 TaBV 34/17) entschieden hat, ist aus Sicht des Gerichts mit der vorliegenden Konstellation gerade nicht vergleichbar. Hier erfolgte die Zuteilung von Mitarbeiterbeteiligungen an der amerikanischen Muttergesellschaft durch diese und nicht durch die Arbeitgeberin. Allein die Muttergesellschaft schloss mit den einzelnen Arbeitnehmern, die Mitarbeiterbeteiligungen an ihr erhalten haben, Verträge hierüber ab und hat sodann die Mitarbeiterbeteiligungen übertragen. An diesem Vorgang war die Arbeitgeberin nicht beteiligt. Vorliegend stehen die Arbeitnehmer jedoch in keinem vertraglichen Verhältnis zu der Stiftung als Obergesellschaft, es liegt auch kein gesondertes vertragliches Verhältnis bezüglich der Sonderzahlung zwischen der Stiftung und den Arbeitnehmern der Gesellschaft(en) vor. Zudem sind die einzelnen Gesellschaften, nach dem Vortrag der Beteiligten zu 2.), gerade an der Abwicklung beteiligt. Diese nehmen die Auszahlung entsprechend dem Beschluss des Stiftungsrates vor.
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Wenn die ersatzweise Beteiligung der auf niedrigerer Ebene angesiedelten Vertretungsgremien in einem Konzern möglich ist, in welchem kein Konzernbetriebsrat besteht oder gebildet werden kann, dann kann damit eine Verpflichtung korrespondieren, diese Betriebsräte einzuschalten und ihnen die Mitbestimmung zu ermöglichen - ähnlich wie sich das Unternehmen dann, wenn Gesellschafter die maßgebliche Entscheidung treffen, auch nicht darauf zurückziehen kann, eine Mitbestimmung sei nicht möglich, weil das Unternehmen selbst keine Entscheidungsbefugnis gehabt habe. Insoweit ist eine etwaige Zurechnung ebenfalls denkbar und nicht ausgeschlossen (vgl. LAG Nürnberg aaO.).
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c) Ist die Einigungsstelle nicht offensichtlich unzuständig, hat das Gericht einen unparteiischen Vorsitzenden und die Zahl der Beisitzer zu bestimmen. Eine Bindung an Vorschläge der Beteiligten besteht nicht (vgl. GMP/Schlewing, 9. Aufl. 2017, ArbGG § 100 Rn. 24). Können sich Arbeitgeber und Betriebsrat nicht auf die Person des Vorsitzenden verständigen, wird dieser auf Antrag durch das Arbeitsgericht bestellt. Bei dieser Entscheidung des Arbeitsgerichts handelt es sich um einen richterlichen Akt, der in seinem materiellen Gehalt der Bestellung des Vereinsvorstands durch das Amtsgericht entspricht (Fitting, 30. Aufl. 2020, BetrVG § 76 Rn. 25). Im vorliegenden Fall hat die Beteiligte zu 2.) den Vorschlag des Beteiligten zu 1.) abgelehnt. Das Gericht hatte nicht zu entscheiden, ob die Ablehnung des Antragsgegners berechtigt ist oder nicht. Vielmehr ist auch dann, wenn keine konkreten Einwendungen gegen den Kandidaten der jeweiligen Gegenseite vorgebracht werden, regelmäßig ein Dritter zu bestellen, um eine Belastung des nachfolgenden Einigungsstellenverfahrens zu vermeiden (Fitting, a.a.O.).
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Zwar hat der Beteiligte zu 1.) keine Einwendungen gegen ersten Alternativvorschlag der Beteiligten zu 2.) erhoben. Jedoch hat die Beteiligte zu 2.) außer der Reihenfolge der Vorschläge eine etwaige Priorisierung nicht konkretisiert. Auch gegen den Vorschlag Herrn Richter am Arbeitsgericht T… als Vorsitzenden zu bestellen, hat der Beteiligte zu 1.) keine Einwendungen erhoben. Im Hinblick darauf, dass sich die Beteiligten in dem zuletzt vor dem Arbeitsgericht geführten Rechtsstreit über die Einsetzung einer Einigungsstelle (Az. 8 BV 5/21) für den Fall des Scheiterns der Verhandlungen auf Herrn Richter am Arbeitsgericht T… als Vorsitzenden verständigt haben, ist aus Sicht des Gerichts im Hinblick auf seine Person von einem grundsätzlichen Konsens der Beteiligten auszugehen, weshalb das Gericht die Bestimmung von Herrn Richter am Arbeitsgericht T… als Vorsitzenden für sachgerecht erachtet.
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d) Die Zahl der von den Beteiligten jeweils zu benennenden Beisitzer war auf zwei festzusetzen.
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aa) Die Zahl der Beisitzer richtet sich nach den Besonderheiten des Einzelfalles. Außer in einfach gelagerten Fällen ist in der Regel anzunehmen, dass mindestens der Betriebsrat die fachkundige Unterstützung durch einen Rechtsanwalt oder einen Verbandsvertreter benötigt. Daraus folgt, dass im Regelfall zwei Beisitzer für jede Seite ausreichend sind (ErfK/ Koch, 21. Aufl. 2021, § 100 ArbGG Rn. 6 mwN.). Eine größere Anzahl von Beisitzern kommt in Betracht, wenn es sich um schwierige oder besonders komplexe Regelungsfragen handelt, bei denen besondere Fachkenntnisse oder Fertigkeiten erforderlich sind oder die Regelungsgegenstände weitreichende Auswirkungen haben (Fitting, 30. Aufl. 2020, § 76 BetrVG Rn. 19 ff. mwN.).
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bb) Vorliegend besteht keine Notwendigkeit, von der Regelbesetzung einer Einigungsstelle abzuweichen. Es liegen keine Anhaltspunkte für einen überdurchschnittlichen Schwierigkeitsgrad oder besonders komplexer Regelungsfragen vor. Solche ergeben sich insbesondere nicht bereits daraus, dass die Zuständigkeit in Frage gestellt wird. Auch aus der Zuständigkeit des Beteiligten zu 1.) für vier Standorte ergeben sich auch, wenn an den Standorten zum Teil unterschiedliche betriebliche Voraussetzungen vorliegen, keine besonders komplexen Regelungsfragen. Der Regelungsgegenstand umfasst die Verteilungsgrundsätze einer einmaligen freiwilligen Sonderzahlung. Es handelt sich damit um einen grundsätzlich überschaubaren Regelungsgegenstand. Zwar mag die Frage der Zuständigkeit im Hinblick auf die gesellschaftsrechtlichen Fragen und die Beurteilung der Konzernstruktur schwieriger sein, eine überdurchschnittliche Schwierigkeit, die eine Abweichung von der Regelbesetzung erforderlich macht, wird hierdurch jedoch nicht begründet.