Titel:
Beurteilung einer Rechtspflegerin nach Beförderung im Beurteilungszeitraum
Normenketten:
LlbG Art. 54
GG Art. 33 Abs. 2
VwGO § 113 Abs. 5 S. 1, § 117 Abs. 5
Leitsätze:
1. Dienstliche Beurteilungen sind ihrem Wesen nach persönlichkeitsbedingte Werturteile, die verwaltungsgerichtlich nur beschränkt überprüfbar sind (stRspr BVerwG BeckRS 2021, 47866). (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Soweit der Dienstherr Richtlinien für die Erstellung dienstlicher Beurteilungen erlassen hat, ist vom Gericht auch zu prüfen, ob die Richtlinien eingehalten sind und ob sie mit den gesetzlichen Regelungen über die dienstliche Beurteilung und auch sonst mit gesetzlichen Vorschriften in Einklang stehen (stRspr BVerwG BeckRS 1999, 30081659). (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
3. Nach einer Beförderung muss sich der Beamte an dem höheren Statusamt und somit an gestiegenen Anforderungen messen lassen; hat der beförderte Beamte seine bisher gezeigten Leistungen nicht weiter gesteigert, sondern beibehalten, so führt dies regelmäßig dazu, dass die Beurteilung im neuen Amt schlechter ausfällt als diejenige im vorangegangenen, niedriger eingestuften Amt. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
4. Beurteilungsbeiträge müssen grundsätzlich bei der Ausübung des Beurteilungsspielraums berücksichtigt, dh zur Kenntnis genommen und bedacht werden; der Beurteiler ist an die Feststellungen und Bewertungen Dritter jedoch nicht in der Weise gebunden, dass er sie in seiner Beurteilung blind übernehmen müsste, sondern er kann zu abweichenden Erkenntnissen gelangen. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Dienstliche Beurteilung 2018 (* Hellip2015 bis Hellip2018), Rechtspflegeoberinspektorin, Beförderung während des Beurteilungszeitraums, Zurückstellung der Beurteilung, Richtlinien für die Erstellung dienstlicher Beurteilungen, höheres Statusamt, gestiegene Anforderungen, Beurteilungsbeitrag, Beurteilungsspielraum, abweichende Erkenntnisse
Fundstelle:
BeckRS 2021, 23877
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die am … August 1989 geborene Klägerin steht als Rechtspflegeoberinspektorin (Besoldungsgruppe A 10) in Diensten des Beklagten; sie ist beim Landgericht München I tätig. Für den Beurteilungszeitraum ... 2015 bis ... 2018 erhielt sie am … Oktober 2018 eine Beurteilung mit einem Gesamturteil von neun Punkten. Die Klägerin ist im Beurteilungszeitraum mit Wirkung zum … Juni 2017 in ein Amt der Besoldungsgruppe A 10 befördert worden. Vom … Dezember 2017 bis … August 2018 war die Klägerin im Rahmen eines Sabbatjahres vom Dienst freigestellt.
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Mit Schreiben vom … sowie … Oktober 2018 machte die Klägerin Einwendungen gegen die dienstliche Beurteilung geltend. Insbesondere führte sie aus, dass die Beurteilung von neun auf 11 Punkte abzuändern sei, da die Klägerin durch die zwei-Punkte-Abzug-Regelung offensichtlich gegenüber anderen Kollegen benachteiligt worden sei. Auch der Punkt Führungspotential bzw. der Wortbeitrag zur Führungseignung sei abzuändern. Darüber hinaus dürfte eine Benachteiligung aufgrund der Personalratstätigkeit vorliegen.
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Die Einwendungen der Klägerin wurden mit Schreiben des Präsidenten des Oberlandesgerichts München vom … Januar 2019 zurückgewiesen. Darin ist insbesondere ausgeführt, dass die Vizepräsidentin in der periodischen Beurteilung ein zutreffendes, umfassendes und ausgewogenes Bild von den Leistungen und Fähigkeiten der Klägerin zeichne und diese zutreffend ihrer besonderen Vergleichsgruppe einordne. Die Selbsteinschätzung der Klägerin sei nicht maßgeblich. Dass die Vizepräsidentin von dem Beurteilungsentwurf des unmittelbaren Vorgesetzten abweiche, sei nicht zu beanstanden. Die Ausführungen der Vizepräsidentin seien plausibel. Die Klägerin sei in ihrem neuen Statusamt unter Berücksichtigung der neuen erhöhten Anforderungen bewertet worden. Das Gesamturteil entspreche in keiner Weise einer "Herabstufung", sondern sei dem im Statusamt geltenden neuen Beurteilungsmaßstab geschuldet. Zur Wahrung eines einheitlichen Beurteilungsmaßstabs gelte grundsätzlich, dass bei gleich gebliebener Leistung das Gesamturteil nach einer Beförderung in der Regel um zwei Punkte niedriger liege im Vergleich zur vorherigen Beurteilung. Im Vergleich zur Vorbeurteilung werde der Klägerin eine klare Leistungssteigerung in sämtlichen Einzelmerkmalen attestiert. Bei einigen Einzelmerkmalen sei die Klägerin trotz der Beförderung mit einem höheren Punktwert beurteilt worden. Ein Vergleich mit Kollegen aus anderen Statusämtern sei nicht statthaft. Die ergänzenden Bemerkungen und die vergebenen Einzelmerkmale stünden miteinander in Einklang und würden das Gesamtergebnis tragen. Das Merkmal "Führungspotential" sei als gut durchschnittlich mit leichter Tendenz zu überdurchschnittlich beurteilt worden. Es hätten sich keine Anhaltspunkte für eine Benachteiligung der Klägerin aufgrund ihrer Tätigkeit im Personalrat ergeben. Es sei nicht erkennbar, dass bei der Erstellung von einem unrichtigen und unvollständigen Sachverhalt ausgegangen worden sei oder sachfremde Erwägungen vorgenommen worden seien. Ermessensfehler seien nicht ersichtlich.
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Mit Schreiben vom … Februar 2019 legte die Klägerin Widerspruch ein. Die Klägerin wiederholt im Wesentlichen das in den Einwendungsschreiben Vorgetragene und führt Ergänzend aus: Das Oberlandesgericht München attestiere der Klägerin eine immense Leistungssteigerung. Diese spiegle sich in dem Gesamturteil jedoch nicht wieder. Eine Benachteiligung aufgrund der Personalratstätigkeit könne insoweit vorliegen als ihre dortige Tätigkeit teilweise der Tätigkeit als Gruppenleitervertretung zugerechnet worden sei. Sie sei aufgrund des Sabbatjahres benachteiligt worden.
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Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichts vom … Mai 2019 zurückgewiesen. Im Wesentlichen wurden die Ausführungen des Schreibens vom … Januar 2019 wiederholt. Darüber hinaus wird vorgetragen, dass die Klägerin bei der Einschätzung ihrer Leistungen einen unrichtigen Bewertungsmaßstab zugrunde lege und die an eine Beamtin/einen Beamten der Vergleichsgruppe A 10 Rechtspfleger zu stellenden Anforderungen falsch definiere. Ein Vergleich mit allen Beamtinnen und Beamten der 3. Qualifikationsebene beim Landgericht München I verbiete sich. Es könnten keinerlei Anhaltspunkte für eine Diskriminierung der Klägerin aufgrund ihres "Sabbatjahres" gesehen werden.
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Mit Schriftsatz vom 12. Juni 2019, eingegangen bei Gericht am 14. Juni 2019, hat die Klägerin Klage erhoben und beantragt,
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den Beklagten unter Aufhebung der dienstlichen Beurteilung der Klägerin zum Stichtag 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Präsidenten des Oberlandesgerichts München vom … Mai 2019 zu verpflichten, die Klägerin erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts für den Zeitraum ... 2015 bis ... 2018 periodisch zu beurteilen.
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Die periodische Beurteilung vom … Oktober 2018 sei rechtswidrig. Die im Beurteilungszeitraum erfolgte Beförderung wirke sich zu Ungunsten der Klägerin aus. Es wäre richtig gewesen, der Klägerin ein um einen Punkt höheres Gesamturteil zu erteilen. Davon Abstand zu nehmen, da dies mit einem aufwendigen Verfahren verbunden sei, sei nicht gerechtfertigt. Wenn die von einem Beamten oder einer Beamtin gezeigte Leistung trotz Beförderung eine Beurteilung rechtfertige, die um einen Punkt höher liege als die Vorbeurteilung, müsse diese Bewertung vergeben werden. Eine generelle Regelung, wonach nach einer Beförderung eine schlechtere Beurteilung (im Vergleich zur vorangegangen Beurteilung) zu erteilen sei, erscheine rechtlich problematisch. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe in einem ähnlichen Fall entschieden, dass ein solcher Grundsatz wegen seiner Pauschalität und seiner generellen Verbindlichkeit rechtswidrig sei. Auch der bei der Klägerin angewandte Grundsatz sei rechtswidrig und die Beurteilung daher aufzuheben. Ohne Berücksichtigung dieses Grundsatzes hätte die Klägerin mit Sicherheit ein höheres Gesamtprädikat erreicht. Der angewandte Grundsatz sei auch deshalb fragwürdig, da Beurteilungen grundsätzlich unabhängig voneinander seien. Auch für im Beurteilungszeitraum beförderte Beamte müsse gelten, dass sie ausschließlich nach der im Beurteilungszeitraum gezeigten Leistung im Vergleich zu den Beamten ihrer Vergleichsgruppe bewertet würden. Dies sei bei der Klägerin nicht der Fall gewesen.
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Mit Schriftsatz vom 23. September 2019 hat der Präsident des Oberlandesgerichts München für den Beklagten beantragt,
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Zur Begründung wurde das bisherige Vorbringen im Verwaltungsverfahren wiederholt und ergänzend ausgeführt: Eine Benachteiligung aufgrund der Regelung der Beurteilungsrichtlinie liege nicht vor. Die Vorgaben des Initialschreibens vom … November 2017 seien lediglich eine unverbindliche Orientierungshilfe. Diese diene der Findung eines bayernweit einheitlichen Beurteilungsmaßstabs und stelle mitnichten eine verbindliche Regelung der Punktevergabe im Verhältnis zur Vorbeurteilung dar. Die Vorgabe habe zum Ziel, der Beurteilerin anlässlich der periodischen Beurteilung auch zu vergegenwärtigen, dass mit jedem Aufsteigen in ein höheres Statusamt auch die Anforderungen an die Beamtin/den Beamten steigen, was sich folglich auf die Bewertung der individuellen Leistung im Rahmen der dienstlichen Beurteilung auswirken müsse. Dies sei umso wichtiger, da im Geschäftsbereich der Justiz eine durchgängige Dienstpostenbewertung nicht existiere. Die Beurteilerin sei auf Grund des Gleichheitssatzes an die Beurteilungsrichtlinien gebunden. Die Regelung suggeriere nicht per se, dass der Beurteiler gezwungen sei, auch bei gerechtfertigten Abweichungen nicht entsprechend der tatsächlichen Eignung und Befähigung zu beurteilen. Denn es sei ausdrücklich geregelt worden, dass Abweichungen möglich seien. Eine generalisierende Regelung liege daher nicht vor. Der Klägerin sei eine klare Leistungssteigerung ausgewiesen worden. Die Einzelbewertungen und ergänzenden Bemerkungen würden das Gesamturteil schlüssig tragen.
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Mit Beschluss vom 6. Mai 2021 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.
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Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung am 23. Juli 2021 Beweis erhoben über das Zustandekommen der dienstlichen Beurteilung für die Klägerin vom *. Oktober 2018 durch Einvernahme von Ministerialdirigentin Dr. S. (Beurteilerin) und Rechtspflegerat L. (unmittelbarer Vorgesetzter) als Zeugen.
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Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten sowie insbesondere zum Ergebnis der Beweisaufnahme auf die Niederschrift vom 23. Juli 2021 verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Aufhebung ihrer periodischen Beurteilung vom *. Oktober 2018 für den Beurteilungszeitraum vom ... 2015 bis ... 2018 sowie des Widerspruchsbescheids vom … Mai 2019 und Erstellung einer neuen periodischen Beurteilung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Denn die angefochtene Beurteilung ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO analog, da eine dienstliche Beurteilung keinen Verwaltungsakt darstellt).
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Dienstliche Beurteilungen sind ihrem Wesen nach persönlichkeitsbedingte Werturteile, die verwaltungsgerichtlich nur beschränkt überprüfbar sind (BVerwG, U.v. 13.5.1965 - 2 C 146.62 - BVerwGE 21, 127/129; U.v. 26.6.1980 - 2 C 8/78 - BVerwGE 60, 245 ständige Rechtsprechung).
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Nach dem erkennbaren Sinn der Regelung über die dienstliche Beurteilung soll nur der Dienstherr oder der für ihn handelnde Beurteiler ein persönliches Werturteil darüber abgeben, ob und inwiefern der Beamte den vom Dienstherrn zu bestimmenden, zahlreichen fachlichen und persönlichen Anforderungen des konkreten Amtes entspricht. Bei einem derartigen, dem Dienstherrn vorbehaltenen Akt wertender Erkenntnis steht diesem eine der gesetzlichen Regelung immanente Beurteilungsermächtigung zu.
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Demgegenüber hat sich die verwaltungsgerichtliche Rechtmäßigkeitskontrolle darauf zu beschränken, ob der Beurteiler den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt hat, oder ob er von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat.
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Soweit der Dienstherr Richtlinien für die Erstellung dienstlicher Beurteilungen erlassen hat, ist vom Gericht auch zu prüfen, ob die Richtlinien eingehalten sind und ob sie mit den gesetzlichen Regelungen über die dienstliche Beurteilung und auch sonst mit gesetzlichen Vorschriften in Einklang stehen (BVerwG, U.v. 11.1.1999 - 2 A 6/98 - ZBR 2000, 269).
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Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle kann dagegen nicht dazu führen, dass das Gericht die fachliche oder persönliche Beurteilung des Beamten durch den Dienstherrn in vollem Umfang nachvollzieht oder diese gar durch eine eigene Beurteilung ersetzt (BVerwG, U.v. 26.6.1980, a.a.O.).
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Innerhalb des durch die Art. 54 ff. Gesetz über die Leistungslaufbahn und die Fachlaubahnen der bayerischen Beamten und Beamtinnen (Leistungslaufbahngesetz - LlbG) gezogenen Rahmens unterliegt es grundsätzlich dem pflichtgemäßen Ermessen des Dienstherrn, wie er die ihm aufgegebene, für zukünftige Personalentscheidungen verwertbare Aussage zu den einzelnen Beurteilungsmerkmalen gestalten und begründen und worauf er im einzelnen sein Gesamturteil stützen will (BVerwG, U.v. 17.12.1981 - 2 C 69/81 - BayVBl 1982, 348). Tatsächliche Grundlagen, auf denen Werturteile beruhen, sind nicht notwendig in die dienstliche Beurteilung aufzunehmen (BVerwG, U.v. vom 16.10.1967 - VI C 44.64 - Buchholz 232, § 15 BBG Nr. 1; U.v. 26.6.1980, a.a.O.). Der Dienstherr kann einerseits einzelne Tatsachen oder Vorkommnisse im Beurteilungszeitraum aufgreifen und aus ihnen wertende Schlussfolgerungen ziehen, wenn er sie etwa zur Charakterisierung des Beamten für besonders typisch hält oder für eine überzeugende Aussage zu einzelnen Beurteilungsmerkmalen für wesentlich erachtet. Er kann sich andererseits aber auch auf die Angabe zusammenfassender Werturteile aufgrund einer unbestimmten Vielzahl nicht benannter Einzeleindrücke beschränken. Schließlich kann er die aufgezeigten verschiedenen Möglichkeiten, über die Eignung und Leistung des Beamten ein aussagekräftiges, auch für Dritte verständliches Urteil abzugeben, in abgestufter Form miteinander verwenden bzw. miteinander verbinden. Alle diese Gestaltungsformen einer dienstlichen Beurteilung halten sich in dem von den Laufbahnvorschriften vorgezeichneten rechtlichen Rahmen (vgl. BayVGH, U.v. 23.5.1990 - 3 B 89.02832 m.w.N.; vgl. zum Ganzen auch: VG München, U.v. 11.1.2017 - M 5 K 16.2729 - juris Rn. 15).
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Maßgebend ist, welches Beurteilungssystem und welche Regelungen zum Beurteilungsstichtag gegolten haben (vgl. BVerwG, U.v. 2.3.2000 - 2 C 7/99 - NVwZ-RR 2000, 621 unter Hinweis auf BVerwG, B.v. 14.2.1990 - 1 WB 181/88 - BVerwGE 86, 240).
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Zugrunde zu legen sind hier Art. 54 ff. LlbG, die Verwaltungsvorschriften zum Beamtenrecht (Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen v. 18.11.2010 - VV-BeamtR, Abschnitt 3: Dienstliche Beurteilung - allgemeine Beurteilungsrichtlinien), die Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz über die Beurteilung und Leistungsfeststellung für die Beamten und Beamtinnen im Geschäftsbereich des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz mit Ausnahme der Staatsanwälte und Staatsanwältinnen vom 25. September 2013 (Beurteilungsbekanntmachung Justiz - JuBeurteilBek; Stand: 4.12.2017, JMBl. S. 106) sowie das Initialschreiben des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom 8. November 2017, Gz. A 2 - 2012 - V - 5859/16 (Initialschreiben).
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2. Gemessen an diesen Grundsätzen ist die angefochtene dienstliche Beurteilung vom *. Oktober 2018 rechtlich nicht zu beanstanden.
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Zur Begründung wird auf den ausführlich begründeten Widerspruchsbescheid des Beklagten vom *. Mai 2019 verwiesen (§ 117 Abs. 5 VwGO). Ergänzend wird ausgeführt:
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a) Gegen den der Beurteilung der Klägerin zugrunde liegenden Beurteilungszeitraum ist rechtlich nichts zu erinnern. Die Klägerin ist zum … Juni 2017 befördert worden, d.h. während des Beurteilungszeitraums. Nach Nr. 3.3.1 JuBeurteilBek wird die Beurteilung der Beamten und Beamtinnen, die weniger als ein Jahr vor dem allgemeinen Beurteilungsstichtag befördert wurden, zurückgestellt. Der Beurteilungszeitraum endet in diesen Fällen mit dem Ablauf des Kalenderhalbjahres, in dem ein Jahr Dienstleistung seit dem die Zurückstellung auslösenden Ereignis erreicht wird. Beurteilungsstichtag für die Beurteilungen 2018 ist der … Dezember 2017 gewesen (vgl. 3.1.3 JuBeurteilBek), sodass die Beurteilung bis … Juni 2018 zurückzustellen war. Soweit die Klagepartei vorträgt, dass die Beurteilung bereits im Januar 2018 erstellt worden sei und der Zeitraum bis … Juni 2018 daher für die Bewertung nicht mehr abgewartet worden sei, kann sie damit nicht durchdringen. Nach Aussage des Zeugen L. - an dessen Glaubhaftigkeit das Gericht keinen Anlass zu Zweifeln sieht - ist die Beurteilung der Klägerin zwar bereits im Januar 2018 diskutiert und im Vergleich mit den Beamtinnen ihrer Vergleichsgruppe eine Prognose für das Gesamtergebnis von neun Punkten festgelegt worden. Diese Einordnung war jedoch gerade nicht endgültig und verbindlich, sondern hätte bei Bedarf angepasst werden können, wenn sich in der Zeit danach Änderungen in der Leistungseinschätzung der Klägerin ergeben hätten.
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b) Soweit die Klagepartei vorträgt, dass der auf die Beurteilung der Klägerin angewandte Grundsatz, wonach nach einer Beförderung eine um zwei Punkte schlechtere Beurteilung (im Vergleich zur vorangegangen Beurteilung) zu erteilen sei, rechtswidrig sei, kann sie damit nicht durchdringen. Nach Nr. 2.2 des Initialschreibens des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz vom 8. November 2017 (Gz. A 2 - 2012 - V - 5859/16) sind die höheren Anforderungen des neuen Statusamts zu berücksichtigen, wenn die Beurteilung in einem um eine Besoldungsgruppe höheren Statusamt erstellt wird als die letzte Beurteilung. Zur Wahrung eines landesweit einheitlichen Beurteilungsmaßstabs gilt, dass bei gleich gebliebener Leistung das Gesamturteil in der Regel um zwei Punkte niedriger liegt.
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Nach einer Beförderung während des Beurteilungszeitraums muss sich der Beamte an dem höheren Statusamt und somit an gestiegenen Anforderungen messen lassen. Es ist daher nicht ungewöhnlich, dass ein Beamter sodann ein im Vergleich zur Vorbeurteilung schlechteres Gesamturteil erhält. Denn der Beamte muss sich mit den Beamten des höheren Statusamtes vergleichen lassen, die dieses in aller Regel schon längere Zeit innehaben und dadurch einen Erfahrungsvorsprung aufweisen. Hat der beförderte Beamte seine bisher gezeigten Leistungen nicht weiter gesteigert, sondern beibehalten, so führt dies regelmäßig dazu, dass die Beurteilung im neuen Amt schlechter ausfällt als diejenige im vorangegangenen, niedriger eingestuften Amt (BayVGH, B.v. 27.8.1999 - 3 B 96.4077 - juris Rn. 21; VG München, U.v. 31.1.2006 - M 5 K 04.6371 - juris Rn. 25; OVG RhPf, B.v. 12.9.2000 - 10 A 11056/00 - juris Rn. 2).
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Nr. 2.2 des Initialschreibens formuliert diesen allgemeine Grundsatz zur Wahrung eines bayernweit einheitlichen Beurteilungsergebnisses. Dies stellt jedoch keine verbindliche, das Beurteilungsermessen der Beurteilerin einschränkende, Regelung dar. Vielmehr soll dies einen Orientierungsrahmen vorgeben. Nach dem Vortrag des Beklagten hat die Vorgabe das Ziel, der Beurteilerin anlässlich der periodischen Beurteilung zu vergegenwärtigen, dass mit jedem Aufsteigen in ein höheres Statusamt auch die Anforderungen an die Beamtin/den Beamten steigen, was sich folglich auf die Bewertung der individuellen Leistung im Rahmen der dienstlichen Beurteilung auswirken müsse. Eine generalisierende Regelung liegt jedoch gerade nicht vor. Es ist auch ausdrücklich geregelt, dass Abweichungen möglich sind. Vorliegend ist die Beurteilerin von dieser Regelung auch insoweit abgewichen, als dass die Klägerin im neuen Statusamt ein Gesamturteil von neun Punkten erhalten hat und damit das gleiche Gesamturteil wie in der Vorbeurteilung im niedrigeren Statusamt, was ihr folglich eine Leistungssteigerung attestiert.
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Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, dass die Leistung der Klägerin - wie diese meint - nicht im Vergleich mit den anderen Beamtinnen der Vergleichsgruppe, sondern nur anhand der Vorbeurteilung bewertet worden ist. Die als Zeugin einvernommene Beurteilerin - an deren Glaubhaftigkeit das Gericht keinen Anlass zu Zweifeln sieht - hat in der mündlichen Verhandlung plausibel dargestellt, wie sie zu der Beurteilung gekommen ist und hat insbesondere angegeben, die Klägerin mit der streitgegenständlichen Beurteilung als "gerecht" beurteilt anzusehen. Die Klägerin sei aufgrund ihrer Leistungen auf dem zweiten Platz gesehen worden. An erster Stelle sei eine erfahrene Kollegin, die schon mit Führungsaufgaben betraut sei und sich in Krisenzeiten bewährt habe, gesetzt worden. Die andere Kollegin aus der Vergleichsgruppe sei als etwas leistungsschwächer eingeschätzt und damit auf den dritten Platz gesetzt worden. Der Kollegin auf dem ersten Platz sei ein Gesamturteil von 11 Punkten, der Kollegin auf dem dritten Platz ein Gesamturteil von acht Punkten vergeben worden. Zwischen der Erstplatzierten und der Klägerin sei es keine enge Entscheidung gewesen. An die Vorgabe des Initialschreibens sei sie nicht stur gebunden gewesen. In besonderen Fällen könnten nach Absprache auch mehr Punkte vergeben werden. Eine solche Absprache habe es hier nicht gegeben, da die Leistungssteigerung als nicht so enorm angesehen worden sei. Dennoch sei die sehr starke Leistungssteigerung der Klägerin mit einem Gesamtergebnis von neun Punkten gewürdigt worden. Dagegen ist rechtlich nichts zu erinnern.
32
c) Der Vortrag der Klägerin, das Merkmal Führungspotential bzw. Führungseignung müsse besser bewertet werden bzw. der unmittelbare Vorgesetzte habe ihr ein besseres Ergebnis zugesagt, kann nicht durchdringen. Soweit die Klägerin meint, dass eine höhere Bewertung gerechtfertigt sei, liegt darin eine unmaßgebliche Selbsteinschätzung. Die Beurteilung der Klägerin obliegt allein dem zuständigen Beurteiler. Dass die Beurteilerin von dem Vorschlag des unmittelbaren Beurteilers hinsichtlich der Bewertung der Merkmale Führungspotential bzw. Führungseignung abgewichen ist, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
33
Beurteilungsbeiträge müssen grundsätzlich bei der Ausübung des Beurteilungsspielraums berücksichtigt, d.h. zur Kenntnis genommen und bedacht werden. Sie sind ebenso wie eigene Beobachtungen des Beurteilers unverzichtbare Grundlage der Beurteilung. Der Beurteiler ist an die Feststellungen und Bewertungen Dritter jedoch nicht in der Weise gebunden, dass er sie in seiner Beurteilung blind übernehmen müsste, sondern er kann zu abweichenden Erkenntnissen gelangen. Er übt seinen Beurteilungsspielraum jedoch nur dann rechtmäßig aus, wenn er die Beurteilungsbeiträge in seine Überlegungen einbezieht und Abweichungen nachvollziehbar begründet. Diese Anforderungen stellen sicher, dass Werturteile auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruhen und sich an den von Art. 33 Abs. 2 GG vorgegebenen Kriterien orientieren (vgl. BVerwG, U.v. 27.11.2014 - 2 A 10/13 - BVerwGE 150, 359 - juris Rn. 24). Der Beurteiler trifft seine Bewertung in eigener Verantwortung auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung, die auch die durch den Beurteilungsbeitrag vermittelten Kenntnisse einzubeziehen hat (vgl. BVerwG, U.v. 5.11.1998 - 2 A 3/97 - BVerwGE 107, 360 - juris Rn. 14). Hier hat die Beurteilerin in Kenntnis der Stellungnahme des unmittelbaren Vorgesetzten die Leistungen der Klägerin gewürdigt und abweichend bewertet. Die als Zeugin einvernommene Beurteilerin - an deren Glaubhaftigkeit das Gericht keinen Anlass zu Zweifeln sieht - hat in der mündlichen Verhandlung plausibel dargestellt, warum sie von dem Vorschlag des unmittelbaren Vorgesetzten abgewichen ist. So hat sie insbesondere angegeben, dass die Vertretung des Vorgesetzten durch die Klägerin für eine Dauer von acht Wochen ihr zu wenig gewesen sei, um eine weitreichende Führungserfahrung daraus abzuleiten. Es habe in dieser Zeit auch keine besonderen Vorkommnisse gegeben. Darüber hinaus sei das Verhalten der Klägerin nach Stellen der Überlastungsanzeige als Schwäche in der Führungsverantwortung gesehen worden. Dagegen ist rechtlich nichts zu erinnern. Insbesondere ist es vom Beurteilungsspielraum der Beurteilerin umfasst, welches Gewicht sie der Einschätzung des unmittelbaren Vorgesetzten beimisst. Auch ist es der Beurteilerin überlassen, in welcher Art und Weise sie sich Kenntnisse und Beurteilungsgrundlagen über den jeweiligen Beamten verschafft (vgl. BayVGH, B.v. 16.4.2012 - 3 ZB 10.1939 - juris Rn. 4 und 11).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung hat ihre Rechtsgrundlage in § 167 Abs. 2, Abs. 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 Zivilprozessordnung (ZPO).