Inhalt

LG München I, Beschluss v. 18.08.2021 – 1 S 2103/20 WEG
Titel:

Versäumung der Berufungsbegründungsfrist wegen Verschuldens des Prozessbevollmächtigten

Normenketten:
ZPO § 85 Abs. 2, § 233, § 520 Abs. 2
BGB § 1004
WEG 14 Abs. 1 Nr. 1
Leitsätze:
1. Die Anfertigung von Rechtsmittelschrift und -begründung ist eine rein anwaltliche Tätigkeit, an die ein strenger Sorgfaltsmaßstab anzulegen ist. Der Rechtsanwalt muss dabei sicherstellen, dass das maßgebliche Datum der Urteilszustellung in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise ermittelt wurde. Bei der Fristberechnung muss er sich an dem allein maßgeblichen Zustellungsvermerk orientieren. Im Fall eines Anwaltswechsels zwischen den Instanzen darf sich der Rechtsmittelanwalt nicht auf die ihm von dem vorinstanzlichen Anwalt mitgeteilte Frist verlassen, sondern muss sie selbst nachprüfen. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es besteht keine Verpflichtung des Gerichts, die Richtigkeit der Angabe des Zustellungsdatums in der Berufungsschrift und deren Übernahme im Rahmen eines gerichtsinternen Fristenvermerks zu überprüfen. Denn die Angabe des Zustellungsdatums der angefochtenen Entscheidung gehört nicht zu den notwendigen und damit alsbald zu überprüfenden Bestandteilen einer Berufungsschrift. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Bezeichnung von Räumlichkeiten als „Laden“ in einer Teilungserklärung bedeutet nicht, dass die Räume uneingeschränkt gewerblich genutzt werden dürfen, sondern enthält für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter des Inhalts, dass sich der einzelne Erwerber von Wohnungseigentum oder Teileigentum jedenfalls darauf verlassen kann, dass keine gewerbliche Nutzung zugelassen wird, die mehr als ein Laden stört oder sonst beeinträchtigt. (Rn. 55) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Rechtsmittelschrift, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Berufungsbegründungsfrist, Fristberechnung, prozessuale Fürsorgepflicht, Teilungserklärung, gewerbliche Nutzung
Vorinstanz:
AG München, Endurteil vom 22.01.2020 – 485 C 11775/19 WEG
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 12.05.2022 – V ZB 58/21
Fundstellen:
ZfIR 2021, 554
BeckRS 2021, 23723
LSK 2021, 23723
ZMR 2022, 148
ZWE 2022, 87

Tenor

1. Der Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist wird zurückgewiesen.
2. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 22.01.2020, Aktenzeichen 485 C 11775/19 WEG, wird als unzulässig verworfen.
3. Die Beklagten haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
4. Das in Ziffer 2 genannte Urteil des Amtsgerichts München ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Klägerin, der Verband der Wohnungseigentümer G. Straße 45-51/W. straße 77-79 in M., begehrt von den drei Miteigentümern der Teileigentumseinheit Nummer 49 (Beklagte zu 1-3), die Nutzung dieser Einheit als Gebetsraum, Kultur- und/oder Begegnungsstätte zu unterlassen bzw. die Nutzung zu unterbinden, und von dem Mieter der Teileigentumseinheit Nummer 49 (Beklagter zu 4), die Nutzung dieser Einheit als Gebets, Kultur- und/oder Begegnungsstätte zu unterlassen.
2
Die Eigentümergemeinschaft besteht aus Wohnungen und einer Ladenzeile mit Teileigentumseinheiten, jeweils verbunden mit Miteigentumsanteilen am Grundstück gemäß Teil I § 1 der Teilungserklärung vom 10.12.1968. Zwischen den Wohngebäuden W2. straße 77-79 und G. Straße 45-49 liegt ein Flachbau (G. Straße 51), in welchem sich 5 Teileigentumseinheiten, unter anderem die gegenständliche Teileigentumseinheit Nummer 49, befinden. Diese Einheit grenzt an das Wohnhaus W2. straße 77-79, wobei sich die Balkone des Wohngebäudes ebenso wie eine Türe der Teileigentumseinheit Nummer 49 auf der Westseite befinden. Eine weitere Tür der Einheit Nummer 49 öffnet zum gemeinsamen begrünten Innenhof der Anlage. Hinsichtlich der weiteren örtlichen Gegebenheiten wird auf die vom Amtsgericht in der mündlichen Verhandlung vom 08.01.2020 in Augenschein genommenen Lichtbilder (Anlage B1 bis B6 des Schriftsatzes vom 29.08.2019) Bezug genommen.
3
In Teil I § 1 der Teilungserklärung vom 10.12.1968 findet sich für die Teileigentumseinheit Nummer 49 folgende Regelung:
„Miteigentumsanteil von 20,619/1000
verbunden mit dem Sondereigentum an dem
im Aufteilungsplan mit Nr. 49 bezeichneten
Laden - Teileigentum -
im Hause G. Straße 51 X
Erdgeschoß und Kellergeschoß, erste Ladeneingangstüre links mit Blickrichtung
nach Westen
bestehend aus:
1 Bankarbeits-/Kundenraum, 1 Sprechzimmer,
1 Tresorraum, 1 Vorraum, im Erdgeschoß;
1 Registraturraum, 1 Lagerraum, 1 Saferaum,
1 Maschinenraum, 1 D.WC, 1 H.WC,
1 Vorraum, im Kellergeschoß (…)“
4
Die Teileigentumseinheit Nr. 49 ist an den Beklagten zu 4), einen deutsch-kurdischen Kulturverein, vermietet und wird derzeit von diesem als Gebetshaus und Begegnungsstätte für Mitglieder des islamischen Glaubens genutzt. Die Nutzung als kulturelle Begegnungsstätte wurde mit Bescheid vom 25.05.2019 baurechtlichrechtlich genehmigt.“
5
In der Eigentümerversammlung vom 20.03.2019 zu TOP 7.2 wurde beschlossen, dass der Verband der Wohnungseigentümer die Unterlassungsansprüche der Miteigentümer bezüglich der Nutzung der Ladeneinheit Nr. 49 als Sitz eines islamischen Kulturvereins an sich zieht und diese unter Mandatierung eines Rechtsanwalts außergerichtlich und sofern notwendig gerichtlich durchsetzt. Zum Beschlusswortlaut wird im Einzelnen auf das Versammlungsprotokoll (Anlage K5) Bezug genommen.
6
Die Klägerin ist der Ansicht, dass die in der Teilungserklärung enthaltene Bestimmung „Laden“ eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter sei, und die derzeitige Nutzung der Teileigentumseinheit Nr. 49 bei typisierender Betrachtungsweise mehr störe als eine Nutzung als „Ladengeschäft“.
7
Die Klägerin beantragte erstinstanzlich:
8
Die Beklagten zu 1-3 werden gesamtschuldnerisch verurteilt, die Nutzung der Räumlichkeiten der Teileigentumseinheit Nummer 49 im Anwesen G. Straße 45-51/W. straße 77-79 in 8… M1. zu gesellschaftlichen oder religiösen Zusammenkünften (als Kulturzentrum, Kultur- und Begegnungsstätte, Moschee) zu unterlassen und/oder die Nutzung zu solchen Zwecken durch Dritte zu unterbinden.
9
Der Beklagte zu 4 wird verurteilt, die Nutzung der Teileigentumseinheit Nummer 49 im Anwesen G. Straße 45-51/W. straße 77-79, 8… M1. zu gesellschaftlichen oder religiösen Zusammenkünften als Kulturzentrum, Kultur- und Begegnungsstätte, Moschee) zu unterlassen.
10
Die Beklagten beantragten
Klageabweisung.
11
Sie sind der Auffassung, der Begriff „Laden“ beziehe sich nur auf eine bestimmte Bauweise (Räume mit direkten Zugang von der Straße mit Schaufenster), aus der Teilungserklärung ergebe sich jedoch keine eindeutige Beschränkung der Nutzung auf einen bestimmten Zweck.
12
Hinsichtlich des weiteren Sachverhalts wird auf das erstinstanzliche Urteil sowie sämtliche Schriftsätze der Parteien samt Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht vom 08.01.2020 Bezug genommen.
13
Das Amtsgericht München hat der Klage mit Urteil vom 22.01.2020 stattgegeben. Das Urteil wurde dem erstinstanzlichen Beklagtenvertreter, Rechtsanwalt M2., am 23.01.2020 per beA zugestellt.
14
Mit Schriftsatz vom 19.02.2020, eingegangen am selben Tag, hat der zweitinstanzliche Beklagtenvertreter gegen dieses Urteil, „[den Beklagten] zugestellt am 24.01.2020“ Berufung eingelegt und die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist „um einen Monat gem. § 520 Abs. 2 S. 3 ZPO“ beantragt (Bl. 63/64). Beigefügt war der Berufungseinlegung eine Urteilsabschrift, die über dem Rubrum in der rechten oberen Ecke den handschriftlichen Vermerk. „Berufungsfrist. 24.02.20“ und „Begründungsfrist 23.03.2020“ enthält.
15
Die beantragte Verlängerung wurde mit Verfügung vom 03.03.2020 antragsgemäß bewilligt (Bl. 63).
16
Mit Verfügung vom 27.02.2020 (Bl. 65) vermerkte die Geschäftsstelle des Landgerichts München I - vor Eingang der Akten und auf Basis der Angaben in der Berufungsschrift - den Eingang der Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts München, „zugestellt am 24.01.2020“, forderte die Akten der Vorinstanz an, teilte die Berufungseinlegung dem Klägervertreter mit und bestätigte dem Beklagtenvertreter den Eingang der Berufung. Anschließend wurde entsprechend Ziffer 5 dieser Verfügung auf Basis der Angaben der Berufungsschrift als Fristablauf für die Berufungsbegründung der 24.03.2020 vermerkt.
17
Der Beklagtenvertreter beantragte und erhielt anschließend Akteneinsicht.
18
Mit Schriftsatz vom 24.04.2020, eingegangen am selben Tag, begründeten die Beklagten die Berufung und beantragten die Aufhebung des Urteils und Klageabweisung, hilfsweise die Zurückverweisung an das Amtsgericht (Bl. 72).
19
Zur Begründung wird ausgeführt, bei dem Beklagten zu 4 handele es sich um eine sehr kleine, kurdische Gemeinde, die innerhalb der islamischen Glaubensgemeinschaft zu einer Minderheit gehöre (Schafii-Kurden) und die in München nur aus einigen wenigen Familien bestehe. Die Öffnungszeiten seien auf 14:00 bis 20.00 Uhr beschränkt. Es sei unvorstellbar, dass die Klagepartei denselben rechtlichen Anspruch auf Unterlassung durchgesetzt hätte, wenn in denselben Räumlichkeiten die katholische oder evangelische Kirche ein Begegnungszentrum eingerichtet und betrieben hätte. Die auf der WEG-Versammlung vom 20.03.2019, in der beschlossen wurde, die verfahrensgegenständliche Ansprüche geltend zu machen, anwesenden Miteigentümer hätten keine nähere Kenntnis vom Verein und dessen konkreter Nutzung gehabt und teilweise auf einem anschließend vom Beklagten zu 4 veranstalteten Tag der offenen Tür ihr Bedauern kundgetan, dass in den Beschluss Vorurteile gegenüber einer islamischen Gemeinde eingeflossen seien.
20
Die Klägerin sei weder prozessführungsbefugt noch aktivlegitimiert, weil der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 20.03.2019 nichtig sei.
21
Der Beschluss sei gefasst worden, ohne dass den Beklagten zuvor mitgeteilt worden sei, dass ein Rechtsanwalt in der Versammlung anwesend sein werde, um den Anspruch auf Nutzungsuntersagung zu würdigen.
22
Es bestehe zudem keine Beschlusskompetenz für die Begründung einer Unterlassungspflicht durch Beschluss; dies gelte auch dann, wenn es nach Gesetz oder Vereinbarung bereits einen Anspruch auf Unterlassung der Nutzung gebe, die durch den Beschluss - bei objektiver Beschlussauslegung konstitutiv - untersagt werde. Der Beschluss sei zudem zu unbestimmt, weil nicht klar sei, ob sich die Formulierung der „ungenehmigten Nutzung“ auf das Fehlen einer öffentlich-rechtlichen oder das Fehlen einer zivilrechtlichen Genehmigung der Nutzungsänderung beziehe.
23
Die Teilungserklärung sei nicht streng wörtlich dahingehend auszulegen, dass sie eine Zweckbestimmung als „Laden“ enthalte. Denn dieser Begriff schließe auch die vorherige Nutzung des Objekts als physiotherapeutische Praxis aus. Die Einheit sei in der Teilungserklärung zudem als Bankfiliale definiert worden, was ebenfalls nicht dem Vertrieb von Waren diene. Die in der WEG geübte Praxis zeige daher, dass die Bestimmungen der Teilungserklärung nicht eng am Wortlaut orientiert auszulegen seien.
24
Das Amtsgericht habe ferner unzutreffenderweise angenommen, die Zweckbeschreibung der Teileigentumseinheit als Laden stehe der Nutzung als Sitz eines Kulturvereins und Begegnungsstätte entgegen. Aus der Teilungserklärung ergebe sich vielmehr, dass die Einheit stets als Bankfiliale o. ä. Gewerbe genutzt werden müsse. Bereits die Nutzung als Bank entspreche nicht der Nutzung als Laden. Auch die ehemalige Nutzung als Physiotherapiepraxis zeige, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft schon früher davon abgewichen sei, auf der der Teilungserklärung ausgewiesenen verbindlichen Nutzung der Räumlichkeiten als Bankfiliale zu bestehen. Sondereigentum dürfe gemäß § 3 Nr. 4 der Teilungserklärung nach Belieben innerhalb der gesetzlichen und satzungsgemäße Beschränkungen genutzt werden.
25
Insoweit hätte das Amtsgericht durch Augenschein und informatorische Anhörung der Parteien feststellen müssen, inwieweit vor Ort die in der Teilungserklärung definierten Zweckbestimmungen und die nunmehr durch die Beklagten umgesetzte Nutzung tatsächlich nicht miteinander vereinbar seien. Zudem habe das Amtsgericht das rechtliche Gehör der Beklagten verletzt, weil eine informatorische Anhörung der Beklagten zur tatsächlichen und satzungsrechtlichen Nutzung nicht stattgefunden habe. Das Amtsgericht habe es unterlassen, zu prüfen, ob eine Beeinträchtigung der berechtigten Interessen der Miteigentümer droht, sofern die Nutzung des streitgegenständlichen Objekts als Begegnungsstätte von 14:00 bis 20:00 Uhr umgesetzt wird.
26
Es treffe auch nicht zu, dass das Abhalten religiöser Veranstaltungen gleich welchen Glaubens in Innenräumen in München oder Deutschland per se zur Anwesenheit einer Vielzahl von Menschen und damit zu höheren Lärmemissionen führe. Weder das gemeinsame Verrichten eines Gebets noch die Ansammlung von Gläubigen vor einem Gotteshaus störe mehr als das ständige Ein- und Ausgehen hunderter Kunden über den Tag verteilt. Die Gemeinschaft bestehe nur aus wenigen Familien. Größere Ansammlungen, zum Beispiel von Familienangehörigen aus Anlass eines Todesfalls, seien als Ausnahme zu dulden. Das Amtsgericht habe zudem nicht gewürdigt, dass die Öffnungszeiten des Vereins von 14.00 bis 20.00 Uhr verbindlich stets eingehalten worden seien. Dass das Vereinsleben z.B. während des Ramadans bis in die Nacht hinein stattgefunden habe, sei schriftsätzlich erstinstanzlich bestritten worden. Auch nutze die Gemeinde nicht den Ausgang in Richtung Innenhof. Vereinzelt werde der Spielplatz zwar durch Gemeindemitglieder genutzt. Die stelle keine unzumutbare Belästigung der Miteigentümer da. Der Verein erteile Nachhilfeunterricht, führe Seminare zur Stärkung der Rechte der Frau und Religionsunterricht durch, eine Störung der Nachbarn vergleichbar einer Gaststätte oder eines Vereinslokals sei angesichts des absoluten Alkoholverbots aus religiösen Gründen auszuschließen. Im übrigen schlage man eine Mediation vor.
27
Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Berufung. Mit einer Mediation bestehe kein Einverständnis. Eine Beweisaufnahme zu Art und Umfang der Nutzung des streitgegenständlichen Objekts als Begegnungsstätte war und sei nicht geboten. Vielmehr sei zur Auslegung von Zweckbestimmungen lediglich eine typisierende Betrachtungsweise vorzunehmen.
28
Im Einladungsschreiben zur Versammlung vom 20.03.2019 sei ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass der Beklagtenvertreter zur Beantwortung von rechtlichen Fragen an der Versammlung zu diesem Tagesordnungspunkt teilnehmen werde. Die Prozessführungsbefugnis der Klägerin sei gegeben. Der Beschluss beinhalte keine konstitutive Begründung eines Ge- oder Verbots, sondern die Vergemeinschaftung der Individualansprüche der Mitglieder des Verbandes und die Beauftragung eines Anwalts mit dessen Vertretung.
29
Ein Tatbestandsberichtigungsantrag bezüglich der nunmehr bestrittenen Nutzung der Räumlichkeiten während der Nachtstunden des Ramadans sei nicht gestellt worden. Eine informatorische Anhörung der Parteien oder ein richterlicher Augenschein habe nicht durchgeführt werden müssen, da das Amtsgericht zutreffend auf eine generalisierende Betrachtungsweise abgestellt habe.
30
Mit Verfügung vom 04.11.2020 wurde der ursprünglich festgesetzte Termin zur mündlichen Verhandlung mit dem Hinweis aufgehoben, dass die Frist zur Antragstellung und Berufungsbegründung am 23.04.2020 abgelaufen sei.
31
Der Beklagtenvertreter nahm hierzu mit Schriftsatz vom 04.11.2020 dahingehend Stellung, dass diese Fristberechnung nicht zutreffe. Hilfsweise werde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt, da kein Verschulden des Prozessvertreters der Berufungskläger vorliege. In der Verfügung vom 27.02.2020 sei der 24.03.2020 als Berufungsbegründungsfristende vermerkt. Auf dieser Grundlage sei kanzleiintern die Fristnotiz durchgeführt und im Fristenkalender notiert worden. Die Ursache der unrichtigen anwaltlichen Notierung der Frist liege in der Sphäre des Gerichts.
32
Die Kammer hat mit Beschluss vom 05.11.2020 darauf hingewiesen, dass beabsichtigt ist, die Berufung gemäß § 522 Abs. 1 ZPO zu verwerfen. Auf den Inhalt dieses Beschlusses wird Bezug genommen.
33
Mit Stellungnahme vom 18.11.2020 begründete der Beklagtenvertreter den Wiedereinsetzungsantrag ergänzend dahingehend, er habe auf die Berechnung der Frist durch das Berufungsgericht vertrauen dürfen, die durch den Vorsitzenden der Kammer gegengezeichnet worden sei. Dies sei rechtlich einer Auskunft durch das Gericht gleichzusetzen. Der erstmals in zweiter Instanz bestellte Prozessvertreter habe keinen Anlass gehabt, die durch Akteneinsicht gewonnene Erkenntnis zu hinterfragen. In seinem Fristenkalender sei ursprünglich 23.03.2020 notiert gewesen. Nach der bewilligten Fristverlängerung um einen Monat habe der Beklagtenvertreter sich infolge der vom Kammervorsitzenden gegengezeichneten Fristendes als neues Fristende den 24.04.2020 notiert. Die mit der Berufung vorgelegte Urteilsabschrift des Urteils der ersten Instanz enthalte handschriftliche Vermerke, die nicht vom zweitinstanzlichen Beklagtenvertreter stammen. Diese Abschrift des erstinstanzlichen Urteils sei dem Beklagtenvertreter von den Berufungsklägern übergeben worden. Weitere Schriftsätze und verfahrensrelevante Dokumente hätten nicht vorgelegen. Zur Ermittlung der Frist habe der Beklagtenvertreter Akteneinsicht in die gesamte Verfahrensakte genommen. In dem Zusammenhang sei er berechtigt gewesen, die Verfügung vom 27.02.2020 als Auskunft des Gerichts zu verarbeiten. Der Anwalt dürfe auch auf telefonische Auskünfte der Geschäftsstelle vertrauen. Es handele sich nicht lediglich um eine interne Notiz der Geschäftsstelle, zumal diese vom Vorsitzenden gegengezeichnet worden sei. Vom Gericht mitverursachte Unklarheiten dürften nicht zu Nachteilen für die Verfahrensbeteiligten führen. Auf die handschriftliche Notiz auf der Urteilsabschrift habe sich der Beklagtenvertreter demgegenüber nicht verlassen dürfen. Er sei vielmehr verpflichtet gewesen, Auskunft beim Gericht einzuholen, was durch Akteneinsicht geschehen sei. Diesbezüglich dürfe er nicht schlechter stehen als bei einem Anruf auf der Geschäftsstelle. Zudem sei auch die Kammer bis zum 04.11.2020 der Auffassung gewesen, dass die Berufungsbegründungsfrist eingehalten worden sei.
34
Die Klägerin beantragte mit Schriftsatz vom 09.12.2020 Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags. Offenkundig habe es der Beklagtenvertreter verabsäumt, anlässlich der Akteneinsicht das richtige Datum der Urteilszustellung durch Überprüfung des vom erstinstanzlichen Vertreter der Berufungsführer unterzeichneten Empfangsbekenntnisses festzustellen. Zu einer solchen Kontrolle hätte allein deswegen Veranlassung bestanden, weil er selbst der Berufungsschrift eine Urteilsabschrift beigefügt habe, in der der korrekte Fristablauf notiert gewesen sei. Insofern habe der Beklagtenvertreter nicht unbesehen den gerichtsinternen Vermerk in sein Fristenregime übernehmen dürfen.
35
Zum Sachverhalt wird im übrigen auf die Schriftsätze der Parteien inklusive Anlagen, das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht, die erstinstanzliche Entscheidung und die Hinweise der Kammer Bezug genommen.
II.
36
A. Die Berufung ist als unzulässig zu verwerfen, da die Berufungsbegründungsfrist des § 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht eingehalten wurde und der Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 233 ZPO als unbegründet zurückzuweisen ist.
37
1. Die Berufungsbegründungsfrist beträgt nach genehmigter einmonatiger Verlängerung gemäß § 520 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 ZPO drei Monate ab Urteilszustellung. Das amtsgerichtliche Urteil wurde dem erstinstanzlichen Beklagtenvertreter am 23.01.2020 zugestellt. Die Berufungsbegründungsfrist endete daher zunächst am Montag, dem 23.03.2020 und nach Verlängerung am Donnerstag, dem 23.04.2020. Die Berufungsbegründung ist jedoch erst am 24.04.2020 eingegangen.
38
2. Der Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht gemäß §§ 234, 236 ZPO eingelegt worden. Er ist jedoch unbegründet, da die Beklagten nicht ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert waren.
39
Ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten muss sich die Partei gemäß § 85 Abs. 2 ZPO wie eigenes Verschulden zurechnen lassen (vgl. Wendtland, BeckOK ZPO, Vorwerk/Wolf 41. Edition, Stand: 01.07.2021 § 233 Rn. 21; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO 41 Auflage § 233 Rn. 12). Ein solches zurechenbares Verschulden des Prozessbevollmächtigten liegt hier in einer fehlerhaften Berechnung der Berufungsbegründungsfrist, beruhend auf einer unsorgfältigen Ermittlung des Fristbeginns.
40
Der für die Rechtsmittelinstanz beauftragte Rechtsanwalt hat die Rechtsmittelfristen eigenständig zu prüfen, und zwar unabhängig davon, ob ihm das Datum der Zustellung der anzufechtenden Entscheidung durch die Partei oder den im vorangegangenen Rechtszug beauftragten Rechtsanwalt mitgeteilt worden ist (BGH NJW-RR 1991, 91). Denn die Anfertigung von Rechtsmittelschrift und -begründung ist eine rein anwaltliche Tätigkeit, an die ein strenger Sorgfaltsmaßstab anzulegen ist (vgl. Beck OK ZPO a.a.O., Rn 37 f.). Der Rechtsanwalt muss dabei sicherstellen, dass das maßgebliche Datum der Urteilszustellung in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise ermittelt wurde (BGH NJW 2010, 2205; Hüßtege in Thomas/Putzo a.a.O. Rn. 16a). Bei der Fristberechnung muss er sich an dem allein maßgeblichen Zustellungsvermerk orientieren (BGH NJW 2003, 2460; NJW 2001, 1579; VersR 1965, 1077 = BeckRS 1965, 30403584; Stackmann, Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Auflage 2020, § 233 Rn. 129). Im Fall eines Anwaltswechsels zwischen den Instanzen darf sich der Rechtsmittelanwalt nicht auf die ihm von dem vorinstanzlichen Anwalt mitgeteilte Frist verlassen, sondern muss sie selbst nachprüfen (Stackmann, Münchener Kommentar zur ZPO a.a.O.).
41
Im vorliegenden Fall hatte der Beklagtenvertreter eigenen Angaben zufolge sogar selbst - wohl auf Basis des auf der ihm von den Beklagten übergebenen Urteilsabschrift enthaltenen handschriftlichen Vermerks über die Urteilszustellung - das nicht verlängerte Fristende korrekt mit „23.03.2020“ im Fristenkalender vermerkt. Allerdings hat er dann aus nicht näher nachvollziehbaren Gründen dem Landgericht gegenüber in der Berufungsschrift angegeben, die Zustellung sei am 24.01.2020 erfolgt. Bereits diese fehlerhafte Angabe begründet ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten, denn sie führte zu dem methodisch korrekten, aber sachlich falschen Fristenvermerk der Geschäftsstelle auf der Verfügung vom 27.02.2020. Dieser gerichtsinterne Fristenvermerk, der sich mangels Vorliegens der Akten zum damaligen Zeitpunkt allein auf die Angaben des Berufungsführers selbst stützen konnte, entfaltet weder eine verbindliche Feststellungswirkung, noch einen einer gerichtlichen Auskunft vergleichbaren Vertrauensschutz. Es handelt sich hierbei auch nicht, wie der Berufungsführer meint, um eine „richterliche Verfügung“. Zwar ist das Dokument, auf dem sich der Vermerk befindet, insgesamt mit „Verfügung“ überschrieben. Dies bedeutet aber nicht, dass sämtliche darin vorgenommenen Eintragungen Verfügungen sind. Es handelt sich vielmehr um eine von der Geschäftsstelle unterzeichnete Urkunde, die Verfügungen (wie die Bestätigung des Berufungseingangs und dessen Mitteilung an den Berufungsbeklagten) und hinsichtlich der Fristberechnung einen (internen, nicht an die Beteiligten weiterzuleitenden) Vermerk enthält. Die Zuleitung dieser Urkunde an den Kammervorsitzenden dient dabei lediglich dessen Inkenntnissetzung vom Berufungseingang und nicht der Überprüfung und Bestätgigung der Richtigkeit der der Fristberechnung zugrundeliegenden Daten durch den Vorsitzenden (die diesem im übrigen, ebenso wie der Geschäfsstelle, vor Akteneingang auch gar nicht möglich wäre). Dieser Vermerk begründet dementsprechend auch keinen „Fehler“ des Gesichts in dem Sinn, dass das Gericht gehalten gewesen wäre, die Angaben des Berufungsführers zum Zustellungsdatum und deren Übernahme in den Vermerk nach Eingang der Akten bzw. vor Gewährung von Akteneinsicht zu überprüfen und diesen anschließend auf eine drohende Versäumung der Berufungsbegründungsfrist hinzuweisen.
42
Aus dem Gebot eines fairen Verfahrens folgt zwar unter anderem, dass das Gericht aus eigenen oder ihm zuzurechnenden Fehlern, Unklarheiten oder Versäumnissen keine Verfahrensnachteile ableiten darf (vgl. BVerfGE 78, 123 [126] = NJW 1988, 2787). Beruht eine Fristversäumung auch auf einem Fehler des Gerichts, sind die Anforderungen an eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit „besonderer Fairness“ zu handhaben (so ausdr. BVerfG, NJW 2004, 2887). In gerichtlichen Verfahren ist demgemäß die Wiedereinsetzung trotz vorwerfbaren Verhaltens des Betroffenen auch dann zu gewähren, wenn zu der Fristversäumung eine Verletzung der prozessualen Fürsorgepflicht des Gerichts (vgl. dazu BVerfGE 75, 183 [189] = NJW 1987, 2003; BVerfGE 75, 302 [318] = NJW 1987, 2733; BVerfGE 81, 264 [273] = NJW 1990, 2373; BVerfGE 93, 99 [114] = NJW 1995, 3173; BGH, NJW 1997, 1989; NJW-RR 2004, 1655) wesentlich beigetragen hat (BGH, NJW-RR 1997, 1289: „überholende Kausalität“). Eine Verletzung der Fürsorgepflicht liegt hier aber nicht vor.
43
Die prozessuale Fürsorgepflicht bedeutet im Zusammenhang mit einzuhaltenden Fristen nämlich nicht, dass ein Gericht Vorkehrungen zu treffen hat, damit eine Partei oder ihr Prozessbevollmächtigter davor bewahrt wird, einen fristschädlichen Fehler überhaupt erst zu begehen. Es ist allgemein anerkannt, dass ein Gericht keine Rechtspflicht trifft, außer den vorgeschriebenen Rechtsmittelbelehrungen durch vorsorgliche Hinweise oder andere geeignete Maßnahmen von vornherein ein Fristversäumnis zu vermeiden (BGH, NJW 1987, 440; Thomas/Putzo, § 233 Rdnr. 14). Eine prozessuale Fürsorgepflicht des Gerichts besteht vielmehr nur dort, wo es darum geht, eine Partei oder ihren Prozessbevollmächtigten nach Möglichkeit vor den fristbezogenen Folgen eines bereits begangenen Fehlers zu bewahren. Ein Prozessbeteiligter kann daher erwarten, dass offenkundige Versehen wie zum Beispiel das Fehlen einer zur Fristwahrung erforderlichen Unterschrift (vgl. dazu auch § 106 I SGG: Hinweispflicht des Vorsitzenden bei Formfehlem), die irrtümliche Einreichung eines korrekt adressierten Schriftsatzes bei einem anderen Gericht oder die Einlegung eines Rechtsmittels bei einem unzuständigen Gericht in angemessener Zeit bemerkt und innerhalb eines ordnungsgemäßen Geschäftsgangs die notwendigen Maßnahmen getroffen werden, um eine drohende Fristversäumnis zu vermeiden (vgl. Zum Ganzen: BSG, Beschluß vom 7.10.2004 - B 3 KR 14/04 R (LSG München); BSGE [GS] 38, 248 = SozR 1500 § 67 Nr. 1; BSG, SozR 3-1500 § 67 Nr. 21; BGH, NJW 1987, 440; NJW 2000, 3649; Rechtsprechungsübersicht bei Zöller/Greger, § 233 Rdnrn. 22a, 22b).
44
Hieraus ergibt sich jedoch keine Verpflichtung des Gerichts, die Richtigkeit der Angabe des Zustellungsdatums in der Berufungsschrift und deren Übernahme im Rahmen eines gerichtsinternen Fristenvermerks zu überprüfen. Denn die Angabe des Zustellungsdatums der angefochtenen Entscheidung gehört nicht zu den notwendigen und damit alsbald zu überprüfenden Bestandteilen einer Berufungsschrift (§ 519 Abs. 2 ZPO). Eine Überprüfung konnte frühestens mit dem Eingang der vorinstanzlichen Akten erfolgen. Aber auch dann bestand zunächst nur Anlass, die Rechtzeitigkeit der Berufungseinlegung zu überprüfen, die hier gewahrt war. Die drohende Versäumung der Begründungsfrist war nicht offensichtlich. Es war schon nicht ersichtlich, ob die Angabe des 24.01.2020 als Zustellungsdatum auf einer falschen Notiz des Fristbeginns, die die Gefahr einer falschen Fristberechnung und damit der Fristversäumnis begründet, oder schlicht auf einem Schreibfehler im Schriftsatz beruhte. Dies hätte weiterer Nachforschungen bedurft und steht deshalb der Annahme der Offenkundigkeit des Versehens und seiner Folgen entgegen (vgl. hierzu auch für die Revisionseinlegung BSG, Beschluss vom 7.10.2004 - B 3 KR 14/04 R; Stackmann in Münchener Kommentar zur ZPO a.a.O., § 233 Rn. 82).
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Die Kammer traf also keine Verpflichtung, die in den Vermerk übernommenen Angaben des Berufungsführers nach Eingang der Akten zu überprüfen, um ihn selbst vor einer durch seine eigenen fehlerhaften Angaben verursachten Falschberechnung zu schützen. Der Berufungsführer, den wie dargelegt eine umfassende anwaltliche Sorgfaltspflicht zur Ermittlung des Fristbeginns trifft, wäre vielmehr gehalten gewesen, sich das Zustellungsdatum entweder selbst vom Prozessbevollmächtigen des ersten Rechtszugs anwaltlich bestätigen zu lassen oder die erforderlichen Feststellungen durch Auskunftsersuchen an das Gericht (in deren Folge das Gericht gehalten gewesen wäre, das Zustellungsdatum anhand des Empfangsbekenntnisses zu überprüfen) oder Akteneinsicht selbst zu treffen. Im Rahmen dieser Akteneinsicht entspricht es allerdings wiederum anwaltlicher Sorgfaltspflicht, das Zustellungsdatum nicht einem gerichtsinternen Vermerk, sondern direkt dem dem Urteil beigehefteten Empfangsbekenntnis zu entnehmen, welches allein geeignet ist, die Zustellung verbindlich festzustellen. Der Berufungsführer durfte sich also nicht auf den gerichtlichen Vermerk verlassen, sondern er hätte das Zustellungsdatum selbst anhand des Empfangsbekenntnisses ermitteln müssen. Dieser zweite Fehler erscheint im übrigen umso gravierender, als der Berufungsführer selbst angibt, er habe seine eigene ursprüngliche (korrekte) Berechnung nach Fristenkalender im Hinblick auf den Vermerk des Gerichts nach hinten korrigiert. Allerspätestens im Hinblick auf diese Diskrepanz wäre der Prozessbevollmächtigte gehalten gewesen, das Zustellungsdatum dort zu überprüfen, wo es vom erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten verbindlich niedergelegt worden ist, nämlich auf dem Empfangsbekenntnis. Er kann sich insofern also nicht darauf berufen, er habe sich nach der Akteneinsicht auf die infolge seiner eigenen fehlerhaften Angaben unrichtig erfolgte Festsetzung durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle verlassen.
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B. Die Berufung ist darüber hinaus im übrigen auch offensichtlich unbegründet.
47
1. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die Klägerin prozessführungsbefugt. Auf die Wirksamkeit des Beschlusses der Eigentümerversammlung vom 20.03.2019, in dem die Klägerin als Verband der Wohnungseigentümer den Anspruch der übrigen Miteigentümer auf Nutzungsunterlassung an sich gezogen hat, kommt es in diesem Zusammenhang bereits deshalb nicht mehr an, weil die Ansprüche der Wohnungseigentümer nach § 1004 Abs. 1 BGB, mit denen eine Störung des Gemeinschaftseigentums durch einen eigentumsbeeinträchtigenden Gebrauch abgewehrt werden soll, seit Inkrafttreten der WEG-Reform am 01.12.2020 von Gesetzes wegen von der Gemeinschaft geltend zu machen sind. Im übrigen sind für den Beschluss zu TOP 7.2. b) der Eigentümerversammlung vom 20.03.201 auch keinerlei Nichtigkeitsgründe ersichtlich.
48
1.1. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts zum Zwecke der Beratung der gesamten Wohnungseigentümergemeinschaft ist grundsätzlich zulässig (vergleiche Schultzky in Jennißen, WEG, 4. Aufl., § 24 Rn. 90, LG Frankfurt a. M. v. 21.09.2011 - 2 - 13 S118/10), ebenso eine Beratung wegen eines konkreten Interessengegensatzes zwischen einem einzelnen Wohnungseigentümer und der Gesamtheit der übrigen Wohnungseigentümer. (Schultzky in Jennißen a.a.O.). Nicht einmal die von der Klägerin dargelegte und von den Beklagten nicht mehr bestrittene Aufnahme dieses Umstands in die Einladung zur Eigentümerversammlung wäre erforderlich gewesen (BayObLG v. 19.02.2004, 2 Z BR 212/03, Schultzky in Jennißen a.a.O. § 24 Rn. 91). Die Teilnahme eines Rechtsanwalts in beratender Funktion führt daher nicht zu einem Verstoß gegen den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit. Selbst wenn ein solcher Verstoß vorgelegen hätte, hätte dies allenfalls die Anfechtbarkeit, nicht aber die Nichtigkeit des Beschlusses begründet (vgl. OLG Hamburg vom 11.04.2007 - 2Wx2/07; BayObLG v. 19.02.2004 - 2Z Br212/03; Schultzky a.a.O. § 24 Rn. 110 m.w.N.).
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1.2. Die Beschlusskompetenz für den Ansichziehungsbeschluss ergab sich aus § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG a.F. Anders als vom Berufungsführer unter Bezugnahme auf das Urteil des Amtsgerichts Heidelberg, Urteil vom 13. Mai 2015 - 45 C 5/15 -, dargelegt, wird mit diesem Beschluss auch nicht, wie im Bezugsfall, konstitutiv eine Unterlassungspflicht begründet. Vielmehr soll mit dem Beschluss eine bestehende Pflicht zur Unterlassung einer teilungserklärungswidrigen Nutzung rechtlich durchgesetzt werden.
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1.3. Der Beschluss ist auch nicht zu unbestimmt. Die Anknüpfung an eine „ungenehmigte“ Nutzung der Ladeneinheit in Satz 2 des Beschlusstexts bezieht sich nach der gebotenen objektiv normativen Auslegung aus Sicht des verständigen Wohnungseigentümers (vgl. hierzu Spielbauer, WEG, 3. Auflage, § 23 Rn. 26 und Bärmann, Wohnungseigentumsgesetz, 14. Auflage 2018, § 23 Rn. 62 jeweils m.w.N.) eindeutig auf die in Satz 1 erwähnte Nutzungsänderung der Ladeneinheit als islamischer Kulturverein, also auf die fehlende zivilrechtliche Genehmigung der Wohnungseigentumsgemeinschaft für die Nutzungsänderung und nicht etwa auf öffentliches Baurecht. Dies ergibt sich ferner eindeutig auch aus dem Umstand, dass ein entsprechender Genehmigungsbeschluss in Buchst. a) zu TOP 7.2 abgelehnt wurde.
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2. Die Klage ist auch begründet.
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2.1. Anders als von den Beklagten dargelegt, enthält die verfahrensgegenständliche Teilungserklärung für die Einheit Nummer 49 eine Zweckbestimmung als „Laden“.
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Teilungserklärungen sind als im Grundbuch eingetragene Vereinbarungen stets objektiv-normativ auszulegen. Maßgebend sind dabei der Wortlaut der Eintragung und ihr Sinn, wie er sich aus unbefangener Sicht als nächstliegende Bedeutung des Wortlauts ergibt. Umstände außerhalb der Teilungserklärung und der Gemeinschaftsordnung dürfen nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne weiteres erkennbar sind. Vorliegend findet sich die Bezeichnung als Laden in der Teilungserklärung selbst und nicht lediglich im Aufteilungsplan. Bereits dies legt nahe, dass insofern eine Zweckbestimmung geregelt werden sollte und mit der Bezeichnung nicht die nähere Lage der Räumlichkeiten beschrieben werden sollte. Hierfür spricht auch, dass sämtliche der Teileigentumseinheiten der WEG als Laden bezeichnet werden. Die anschließende nähere Beschreibung der zum Teileigentum gehörenden Räume (als Bankarbeitsraum, Tresorraum etc.) dient demgegenüber ganz offensichtlich zur näheren Beschreibung des räumlichen Umfangs der verfahrensgegenständlichen Teileigentumseinheit. Dass es sich bei dieser näheren Beschreibung der Räumlichkeiten - anders als bei der die ganze Teileigentumseinheit charakterisierenden Bezeichnung als Laden - nicht um eine Zweckbestimmung handelt, ergibt sich schon allein aus dem Umstand, dass es nicht nächstliegender Betrachtungsweise entspricht, anzunehmen, dass für jeden einzelnen Raum eine Zweckbestimmung nicht nur des auszuführenden Gewerbes (Bankgeschäfte), sondern auch noch der konkreten Raumnutzung vorgesehen sein soll. Die Teilungserklärung nimmt somit mit dieser Bezeichnung eindeutig allein deswegen auf die bei Gründung der WEG bestehenden Räumlichkeiten und deren Nutzung Bezug, um den räumlichen Bereich der Teileigentumseinheit näher zu umreißen. Dies ergibt sich auch aus einem Vergleich mit den übrigen Teileigentumseinheiten, die ebenfalls jeweils in ihrer Gesamtheit als Laden bezeichnet sind, wobei anschließend die Räume entsprechend der damaligen Nutzung beschrieben werden (zum Beispiel bei der Teileigentumseinheit Nummer 50 Räume einer Apotheke, bei der Teileigentumseinheit Nummer 51 Räumlichkeiten einer Eisdiele, bei der Teileigentumseinheit Nummer 52 Räume einer Parfümerie usw.). Anzunehmen, dass sämtliche dieser Einheiten nur als Eisdiele, Parfümerie oder Apotheke genutzt werden dürfen, ist völlig femliegend. Maßstab der Zweckbestimmung für die Teileigentumseinheit 49 ist somit der Begriff des „Ladens“ und nicht der einer Bank oder eines einer Bank vergleichbaren Gewerbes.
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Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von den Beklagten zitierten Entscheidung des BGH, Urteil vom 08. März 2019 - V ZR 330/17 -, jurisAz. V ZR 330/17: Denn anders als in diesem Bezugsfall, in dem die Teilungserklärung keine eindeutige Zweckbestimmung als Laden enthielt, weil die dortigen Einheiten lediglich im Zusammenhang mit der Aufteilung und der räumlichen Lage und ohne weitere Erläuterung als Laden bezeichnet wurden (sodass dies auch so zu verstehen sein könnte, dass lediglich auf die in der Teilungserklärung beschriebene, zur Zeit der Aufteilung ausgeübte Nutzung Bezug genommen wird, um zu verdeutlichen, welche Räume zu welcher Einheit gehören) ergibt sich der räumliche Umfang und die Lage der Teileigentumseinheiten hier gerade aus den anschließend näher detailliert beschriebenen Räumen, während die Bezeichnung als „Laden“ sich auf die gesamte Teileigentumseinheit bezieht und der Aufzählung der Räume vorangestellt ist. Eine Unklarheit der Teilungserklärung wie im Bezugsfall besteht sich hier also gerade nicht.
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2.2. Unter einem Laden ist eine Verkaufsstätte zum Vertrieb von Waren an jedermann zu verstehen (Schultzky in: Jennißen, Wohnungseigentumsgesetz, 6. Aufl. 2019, § 15 WEG Rn 348.145; KG Berlin, Beschluss vom 13. Februar 2007 - 24 W 347/06 -). Nach BGH V ZR 169/14, besteht ein Laden aus Geschäftsräumen, in denen Waren zum Verkauf angeboten werden, in denen aber der Charakter einer bloßen Verkaufsstätte im Vordergrund steht. Die Bezeichnung von Räumlichkeiten als „Laden“ in einer Teilungserklärung bedeutet nicht, dass die Räume uneingeschränkt gewerblich genutzt werden dürfen, sondern enthält für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung eine Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter des Inhalts, dass sich der einzelne Erwerber von Wohnungseigentum oder Teileigentum jedenfalls darauf verlassen kann, dass keine gewerbliche Nutzung zugelassen wird, die mehr als ein Laden stört oder sonst beeinträchtigt (KG Berlin a.a.O.). Da die Teilungserklärung aus sich heraus, also objektiv - normativ, zu verstehen ist, verbietet sich bei der Auslegung des Begriffs „Laden“ auch ein Rückgriff auf einem dem im wörtlichen Sinn womöglich zuwiderlaufende vorangegangene und von den Wohnungseigentümem geduldete Nutzung als physiotherapeutische Praxis oder auf die frühere Existenz einer Bank.
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2.3. Dieser Zweckbestimmung als „Laden“ steht einer Nutzung der betreffenden Räumlichkeiten als „Kulturzentrum- und Begegnungsstätte“ entgegen, wenn bei einer typisierenden Betrachtungsweise davon auszugehen ist, dass die von der Begegnungsstätte ausgehenden Geräuschemissionen die anderen Wohnungseigentümer in stärkerem Maße beeinträchtigen, als dies bei einer Ladennutzung der Fall wäre (KG Berlin, Beschluss vom 13. Februar 2007 - 24 W 347/06; Spielbauer in: Spielbauer/Then, WEG, 3. Aufl. 2017, § 14 Pflichten des Wohnungseigentümers, Rn. 25).
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Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung ist also eine typisierende bzw. generalisierende Betrachtung maßgeblich (OLG Hamm, 12.4.2005, AZ: 15 W 29/05 zur Umwandlung eines Ladens in Räume eines religiösen Vereins; OLG Frankfurt, 21.7.2005, AZ: 20 W 284/03; BayObLG, 9.5.1994, AZ: 2Z BR 23/94, juris). Für diese Betrachtung ist der Gebrauch nach Art und Durchführung zu konkretisieren und auf die örtlichen (Umfeld, Lage im Gebäude) und zeitlichen (etwa Öffnungszeiten) Verhältnisse zu beziehen. Auf die Erweislichkeit konkreter Beeinträchtigungen kommt es nicht an, es genügt, dass mit ihnen beim gewöhnlichen Gang der Dinge zu rechnen ist (LG Wiesbaden, Beschluss vom 20. Dezember 2007 - 4 T 300/07; OLG Frankfurt, Beschluss vom 01. November 2012 - 20 W 12/08 -; BayObLG, 15.7.1999, AZ: 2Z BR 94/99; KG Berlin, 13.2.2007, AZ: 24 W 347/06). Insoweit war auch keine informatorische Anhörung der Parteien zu den konkret auftretenden Belastungen geboten.
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2.4. Im vorliegenden Fall kommt es bei Abwägung sämtlicher Umstände im Rahmen der typisierenden Betrachtung durch die Nutzung als Gebetsraum bzw. Gemeindezentrum zu einer höheren Belastung der umliegenden Wohnungseigentümer als durch die Nutzung als Laden. Für die typisierende Betrachtung hat ein Vergleich zwischen der Belastung der Wohnungseigentümer durch das Betreiben eines Ladens mit der Belastung durch Betreiben eines Gebetshauses und Gemeindezentrums zu erfolgen. Nur wenn die Beeinträchtigung der Wohnungseigentümer durch die Nutzung als Gebetshaus und Gemeindezentrum größer ist und es daher zu einer Mehrbelastung der Wohnungseigentümer kommt, handelt es sich um einen von der Gemeinschaftsordnung nicht mehr gedeckten Gebrauch. Bereits die von den Beklagten nunmehr satzungsgemäß festgelegten Öffnungszeiten (täglich von 14 bis 20 Uhr) sind typischerweise geeignet, zu einer Mehrbelastung gegenüber der Nutzung als Laden zu führen, der sonntags und feiertags nicht genutzt werden darf. Bei einem Gemeindezentrum ist anders als bei einem Laden damit zu rechnen, dass auch an Sonn- und Feiertagen Veranstaltungen stattfinden. Da genau an diesen Tagen aber die meisten Wohnungseigentümer zu Hause sind, kommt es durch die ankommenden und den Ort wieder verlassenden Menschen zu einer deutlichen Mehrbelastung der Wohnungseigentümer. Darüber hinaus wird es in der Regel auch an normalen Wochentagen zu Mehrbelastungen kommen, da sich die Gemeindemitglieder neben den Gebetszeiten zu Veranstaltungen treffen werden (LG Freiburg, 11.2.2005, AZ: 2 O 451/04, juris). Die Nutzung als Gemeindezentrum beinhaltet, dass Veranstaltungen stattfinden. Veranstaltungen haben aber zumeist fixe Anfangs- und Endzeiten, zu denen dann auch gruppenweise große Menschenmengen an- und abreisen. Es kommt dann zu einer erheblich höheren Lärmemission als bei einem Laden, bei dem einander in der Regel unbekannte Menschen einzeln oder zu zweit und nur in sehr seltenen Fällen in einer größeren Anzahl ein- und ausgehen. Durch die grundsätzlich andere Besucherstruktur ist bei einem Laden, anders als bei einem Kulturzentrum, vor dem Gebäude nicht mit größeren, sich unterhaltenden und länger verweilenden Menschenansammlungen zu rechnen. Es ist Sinn und Zweck eines Gemeindezentrums, eine Begegnungsstätte für verschiedene Gruppen und Generationen innerhalb derselben Glaubensrichtung zu sein. Dies beinhaltet aber gerade, dass Menschen miteinander in Kontakt treten, um sich gedanklich auszutauschen, einander zu verstehen, Kontakte zu knüpfen und sich sozial zu integrieren. Daneben sollen auch Nachhilfeunterricht und weitere Kurse angeboten werden, sodass mit einer vermehrten Anzahl von Jugendlichen zu rechnen ist, die nach der Schule das Gemeindezentrum und die dort angebotenen Aktivitäten nutzen. Demgegenüber ist ein Laden eher von einer unpersönlichen und unkommunikativen Atmosphäre geprägt, die nicht zum Verweilen und Gespräch animiert. Gespräche zwischen mehreren Menschen stellen bei einem Ladengeschäft im Vergleich zu einer Begegnungsstätte eher eine Randerscheinung dar (vgl. LG Wiesbaden a.a.O.; KG Berlin, 13.2.2007, AZ: 24 W 347/06). Zudem ist die Verweildauer in einem Laden typischerweise wesentlich kürzer als in einem Kulturzentrum. Auch wenn die Gemeinde im verfahrensgegenständlichen Fall vergleichsweise klein ist, ist dennoch typischerweise, anders als bei teilungserklärungsgemäßer Nutzung somit mit einer längeren Verweildauer größerer, sich unterhaltender Gruppen in und vor dem Gebäude zu rechnen. Dass kein Alkohol ausgeschenkt wird, ist kein Abgrenzungskriterium, denn normalerweise wird auch beim Einkaufen kein Alkohol konsumiert.
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Die Umgebung der verfahrensgegenständlichen Einheit ist auch nicht schwerpunktmäßig gewerblich geprägt; vielmehr besteht der klägerische Verband mit 112 Einheiten ausweislich der Teilungserklärung neben den neun als „Läden“ ausgewiesenen Teileigentumseinheiten (Nr. 49 bis 57) ausschließlich und weit überwiegenden aus Wohnungen und Kellerräumen.
60
Wie die Abwägung sämtlicher Gesichtspunkte zeigt, ist die Beeinträchtigung durch die Nutzung als Gebetshaus und Gemeindezentrum typischerweise für die umliegenden Anwohner der Wohngemeinschaft erheblich höher als eine Nutzung als Laden und daher nicht mehr von der Teilungserklärung gedeckt. Die Klägerin hat daher einen Anspruch auf Unterlassen dieses Gebrauchs nach § 1004 BGB i.V.m. 14 Abs. 1 Nr. 1 WEG), gegen die Beklagten zu 1) bis 3) als Miteigentümer und gegen den Beklagten zu 4) als Mieter der Einheit (vgl. zu letzterem Falkner in beck-online.GROSSKOMMENTAR GesamtHrsg: Gsell/Krüger/Lorenz/Reymann Hrsg: Krüger Stand: 01.12.2020, § 13 Rn. 87 ff.).
III.
61
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
62
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10 ZPO.
63
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.