Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 05.08.2021 – AN 3 K 20.01224
Titel:

Versagung der Zweckentfremdung von Wohnraum

Normenketten:
BayZwEWG Art. 1, Art. 2, Art. 3
BayBO Art. 68 Abs. 1 S. 1 Hs. 1
Leitsätze:
1. Zur Änderung der subjektiven Zweckbestimmung von Räumen ist ein nach außen erkennbarer und auf Dauer angelegter Umwidmungsakt nötig. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Baugenehmigung bildet nach bayerischem Bauordnungsrecht nicht den „Schlusspunkt“ der öffentlich-rechtlichen Zulässigkeitsprüfung eines Vorhabens (vgl. Art. 68 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 BayBO); sie darf auch erteilt werden, wenn noch offen ist, ob eine andere öffentlich-rechtliche Gestattung erteilt werden kann, die für das Vorhaben neben der Baugenehmigung erforderlich ist. (Rn. 50) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Entscheidung über die Erteilung einer Zweckentfremdungsgenehmigung ist eine nur der Rechtsaufsicht unterliegende Selbstverwaltungsaufgabe der Gemeinden; dabei eröffnet das verfassungsrechtlich eingeräumte Selbstverwaltungsrecht ihnen einen Gestaltungsspielraum in wohnungspolitischen Fragen, den sie mit dem Recht des Verbots der Zweckentfremdung von Wohnraum eigenverantwortlich ausschöpfen können. (Rn. 52) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
inzidente Normenkontrolle im Eilverfahren, Zweckentfremdung von Wohnraum, Bauantrag vor Inkrafttreten der Satzung, Vertrauensschutz, Übergangsregelung, Zweckentfremdungsverbotssatzung der Stadt ..., Nutzungsuntersagung und Rückführungsverpflichtung, Konzentrationswirkung einer Baugenehmigung, Zweckentfremdungsverbotssatzung, Schlusspunkt, Selbstverwaltungsrecht
Fundstelle:
BeckRS 2021, 22585

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht die Kostengläubigerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Klägerin wendet sich gegen die auf Grundlage der Zweckentfremdungsverbotssatzung der Beklagten mit Bescheid 28. Mai 2020 unter Zwangsgeldandrohungen angeordnete Nutzungsuntersagung und Rückführungsverpflichtung sowie Versagung der beantragten Zweckentfremdungsgenehmigung für eine als Ferienwohnung genutzte Wohnung ( …, zweites Obergeschoss).
2
Die Klägerin ist - neben Herrn … und Herrn … - Miteigentümerin des im unbeplanten Innenbereich gelegenen Anwesens … in … (FlNr. … der Gemarkung …).
3
Mit Bescheid der Bauordnungsbehörde der Beklagten vom 10. Mai 1954 wurde die Aufstockung des im Jahre 1864 errichteten Gebäudes genehmigt. Dabei wurden sämtliche Räume des neuerrichteten zweiten Obergeschosses als Wohnung deklariert.
4
Mit Bescheid vom 12. August 2015 erteilte die Beklagte der Klägerin eine Baugenehmigung für das Vorhaben „Nutzungsänderung und Umbau einer Bäckerei mit Wohnung zu Wohnung im Erdgeschoss sowie Grundrissänderung im zweiten Obergeschoss mit Dachgeschossausbau zu einer Maisonettewohnung und Einbau einer Loggia“. Ausweislich des der Baugenehmigung zugrundeliegenden Grundrissplans betreffend das zweite Obergeschoss ist neben den Räumen der Maisonettewohnung (Küche, Schlafzimmer und Bad) ein durch das Treppenhaus erreichbares Appartement mit Bad vorgesehen. In der Wand zwischen dem Appartement und dem Flur der Maisonettewohnung ist hinter dem dort eingezeichneten Schrankelement mit gestrichelten Linien ein Türelement eingezeichnet.
5
Das im zweiten Obergeschoss rechts befindliche Appartment mit Bad wurde von der Klägerin sodann auf dem Buchungsportal Airbnb als Ferienwohnung angeboten, deren Profil im September 2020 über 143 Bewertungen verfügte.
6
Mit Bauantrag vom 3. Mai 2019, eingegangen bei der Beklagten am gleichen Tag, beantragte die Klägerin die Erteilung einer Baugenehmigung für die „Nutzungsänderung einer Wohnung im 2. Obergeschoss zu einer Ferienwohnung im Gebäude …, …“.
7
Am 30. Mai 2019 trat die am 29. Mai 2019 bekannt gemachte „Satzung der Stadt … über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum (Zweckentfremdungsverbotssatzung - ZwEVS)“ vom 27. Mai 2019 (Amtsblatt S. 185) in Kraft.
8
Mit Bescheid vom 5. Juli 2019 erteilte die Beklagte der Klägerin die beantragte Baugenehmigung unter Gewährung einer Ausnahme wegen der Art der baulichen Nutzung „sonstiger nicht störender Gewerbebetrieb“ im Allgemeinen Wohngebiet. In den Hinweisen hierzu ist unter Ziffer 2 Folgendes ausgeführt: „Die Genehmigung […] lässt aufgrund anderer Vorschriften bestehende Verpflichtungen zum Einholen von Genehmigungen und Bewilligungen, Erlaubnissen oder Erstatten von Anzeigen unberührt. Hier ist insbesondere eine Zweckentfremdungsgenehmigung […] erforderlich.“ Diesbezüglich wurde auf die Kontaktdaten des zuständigen Stab Wohnen verwiesen.
9
Mit Schreiben an den Stab Wohnen vom 12. Juli 2019 teilte die Klägerin mit, dass sie die Information erhalten habe, dass die Abteilung noch der Nutzungsänderung zustimmen müsse. Der Antrag auf Nutzungsänderung sei vor der Gesetzesänderung eingereicht worden, aufgrund des hohen Arbeitsaufkommens der Bauordnungsbehörde sei die Baugenehmigung jedoch erst nach der Gesetzesänderung erteilt worden. Nachdem die Klägerin nichts für die zeitaufwändige Genehmigung könne, wolle sie daher „Vertrauensschutz“ geltend machen.
10
Mit Formblatt datiert vom 11. Juli 2019, eingegangen bei der Beklagten am 26. November 2019, beantragte die Klägerin eine Zweckentfremdungsgenehmigung für die streitgegenständliche Wohnung im zweiten Obergeschoss (rechts). Unter dem Punkt „Angaben zum Ersatzwohnraum“ wurde ausgeführt, dass bereits im Jahre 2015 die Umwandlung einer Bäckerei im Erdgeschoss in eine Wohngemeinschaft mit vier Zimmern erfolgt sei. Alternativ wurde nach Ersatzzahlungen gefragt sowie um eine „Einzelfallentscheidung laut Herren Rettenbacher“ gebeten.
11
Mit E-Mail vom 26. November 2019 teilte Herr … der Beklagten mit, dass Herr …, ein Mitarbeiter des Stab Wohnen, der Klägerin am 11. Juli 2019 eine Zusage signalisiert hätte.
12
Mit Schreiben vom 24. Februar 2020 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass derzeit davon auszugehen sei, dass die beantragte Nutzungsänderungsgenehmigung nicht erteilt werden könne und beabsichtigt sei, die Nutzung zu anderen als Wohnzwecken zu untersagen sowie die Rückführung zu Wohnzwecken anzuordnen. Insbesondere greife der Ausnahmetatbestand des § 2 Abs. 3 Nr. 2 ZwEVS nicht, nachdem zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Zweckentfremdungsverbotssatzung der Beklagten eine Baugenehmigung noch nicht erteilt worden sei. Die in dem Antrag erwähnte Umwandlung der Bäckerei in Wohnraum könne indes nicht als Ausgleichsmaßnahme gewertet werden, da dieses Vorhaben bereits im Jahre 2015 und damit gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 2 ZwEVS nicht in einem zeitlichen Zusammenhang mit der Zweckentfremdung durchgeführt worden sei. Gründe für die ausnahmsweise Erteilung einer Genehmigung gegen Entrichtung von Ausgleichszahlungen seien nicht ersichtlich.
13
Mit Schreiben vom 11. März 2020 teilte der Klägervertreter hierzu mit, dass die Klägerin mit der Bauantragstellung noch vor Inkrafttreten der inmitten stehenden Satzung die subjektive Bestimmung zur Ferienwohnung gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 ZwEVS eindeutig erkennbar zum Ausdruck gebracht habe. Die Bauordnungsbehörde habe die baurechtlich genehmigte Nutzungsänderung formal falsch noch von einer Genehmigung nach der Zweckentfremdungssatzung abhängig gemacht. Im Übrigen enthalte die Satzung keine Übergangsvorschriften.
14
Mit Schreiben vom 22. April 2020 verwies die Beklagte auf die explizite Bestandsschutzregelung in § 2 Abs. 3 Nr. 2 ZwEVS sowie auf den Sinn und Zweck der Zweckentfremdungsverbotssatzung, welchem es zuwiderliefe, wenn die Wohnraumeigenschaft immer dann zu verneinen wäre, wenn schon ein Antrag auf bauordnungsrechtliche Nutzungsänderung eingereicht wurde.
15
Mit Schreiben vom 27. April 2020 nahm der Klägervertreter Bezug auf den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 22. August 2019 (M 9 S 18.3233), wonach ein vorausgegangener Antrag sehr wohl maßgeblich sei.
16
Mit Bescheid der Beklagten vom 28. Mai 2020 wurden der inmitten stehende Antrag auf Erteilung einer Genehmigung zur Zweckentfremdung von Wohnraum abgelehnt (Ziffer 1) und der Klägerin die Nutzung des Wohnraumes im zweiten Obergeschoss (rechts) des Anwesens … in … zu anderen als Wohnzwecken untersagt (Ziffer 2) sowie die unverzügliche Rückführung des Wohnraumes zu Wohnzwecken angeordnet (Ziffer 3). In den Ziffern 4 und 5 wurde für den Fall, dass der Anordnung unter Ziffer 2 nicht innerhalb eines Monats bzw. der Anordnung unter Ziffer 3 nicht innerhalb von vier Monaten ab Zustellung des Bescheides Folge geleistet wird, jeweils ein Zwangsgeld in Höhe von 3.500,00 EUR angedroht.
17
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass es sich bei den streitgegenständlichen Räumen um Wohnraum im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 ZwEVS handele, nachdem diese zu Wohnzwecken bestimmt seien und die Führung eines selbständigen Haushalts aufgrund der vorhandenen Ausstattung ohne Weiteres möglich sei. Die Räume seien auch zu Wohnzwecken bestimmt worden. Hierzu wird auf den Bescheid der Bauordnungsbehörde vom 10. Mai 1954 betreffend die Neuerrichtung des zweiten Obergeschosses verwiesen. Die bloße Einreichung eines bauordnungsrechtlichen Nutzungsänderungsantrages könne zu keiner Umwidmung führen. Die bauordnungsrechtliche Genehmigung hingegen sei erst am 5. Juli 2019 und damit nach Inkrafttreten der Zweckentfremdungsverbotssatzung der Beklagten am 30. Mai 2019 erteilt worden. Die genannte Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtes München sei im vorliegenden Fall nicht einschlägig, da hier gerade keine Umwidmung bis zur Bezugsfertigkeit vorliege. Die bereits fast vier Jahre zuvor erfolgte Nutzungsänderung der Bäckerei im Erdgeschoss in Wohnraum stelle mangels zeitlichen Zusammenhangs keine Schaffung von Ersatzwohnraum dar. Weshalb die Leistung von Ausgleichszahlungen ausnahmsweise dem Interesse an der Wohnraumerhaltung angemessen gerecht werden würde, sei weder vorgetragen noch erkennbar. Ausweislich des Inserates auf dem Buchungsportal Airbnb werde die Wohnung derzeit für kurzzeitige Aufenthalte angeboten. Die Anordnungen in den Ziffern 2 und 3 seien unter Ausübung pflichtgemäßen Ermessens erfolgt. Sie seien geeignet, die rechtswidrige Nutzung der Wohnung zu beenden und den schutzwürdigen Wohnraum zu erhalten. Mildere Mittel seien nicht ersichtlich, insbesondere sei die Möglichkeit der freiwilligen Beendigung der Zweckentfremdung sowie der Rückführung der Wohnung zu Wohnzwecken nicht wahrgenommen worden. Das Interesse am Erhalt des betroffenen Wohnraumes überwiege das Interesse am Fortbestehen der Nutzung als Ferienwohnung und die damit verbundene Gewinnmaximierung. Der Wegfall dieser Einnahmequelle hätte lediglich geringe wirtschaftliche Folgen für die Klägerin, nachdem durch die dauerhafte Vermietung der Wohnung zu Wohnzwecken ebenfalls regelmäßige Einkünfte generiert werden könnten.
18
Die Höhe der Zwangsgelder sei angemessen im Hinblick auf das Wohnraumerhaltungsinteresse und den wirtschaftlichen Vorteil aus der Nichtbeachtung der Anordnungen. Auch sei es möglich, den Anordnungen innerhalb der angemessenen Fristsetzungen nachzukommen.
19
Am 26. Juni 2020 ließ die Klägerin gegen diesen ihrem Bevollmächtigten am 9. Juni 2020 zugestellten Bescheid Klage erheben. Das Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO erklärten die Beteiligten übereinstimmend für erledigt, nachdem die Beklagte zugesichert hat, von einer Vollstreckung des streitgegenständlichen Bescheides bis zu einer Entscheidung im Klageverfahren abzusehen.
20
Zur Begründung wird auf die Schreiben an die Beklagte vom 11. März 1010 sowie vom 27. April 2020 verwiesen.
21
Die Klägerin beantragt,
1. Der Bescheid der Beklagten vom 28. Mai 2020 wird aufgehoben.
2. Es wird festgestellt, dass die Nutzung der Ferienwohnung im Objekt …, 2. OG rechts, als Ferienwohnung nicht der ZwEVS der Beklagten widerspricht.
Hilfsweise zu 2.: Die Beklagte wird verpflichtet, die Nutzung der Ferienwohnung im Objekt …, 2. OG rechts, als Ferienwohnung zu genehmigen.
22
Die Beklagte beantragt
Klageabweisung.
23
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, dass sich die Klägerseite, welche auf den vorgerichtlichen Schriftverkehr verwiesen habe, mit den Argumenten der Beklagten und insbesondere mit der für den vorliegenden Fall entscheidenden und eindeutigen Vorschrift des § 2 Abs. 3 Nr. 2 ZwEVS nicht auseinandergesetzt habe. Dass die inmitten stehende Satzung auch für bereits vor deren Inkrafttreten begonnene Zweckentfremdungen gelten soll, sei von der Beklagten nicht nur politisch gewollt, sondern zugleich in einer dem Bestimmtheitsgrundsatz entsprechenden Weise satzungsrechtlich umgesetzt worden. Die von dem Klägervertreter angeführte Rechtsprechung betreffe eine anders formulierte Übergangsregelung und befasse sich hauptsächlich mit der hier nicht erheblichen Frage, ob bis zur Bezugsfertigkeit eine nachträgliche Änderung der Zweckbestimmung möglich sei. Ob mit dem streitgegenständlichen Bescheid eine unechte Rückwirkung verbunden sei, könne dahingestellt bleiben, da diese in jedem Fall durch die mit der Zweckentfremdungsverbotssatzung verfolgten Gemeinwohlzwecke gerechtfertigt wäre. Hinzu komme, dass die Nutzung als Ferienwohnung formell baurechtswidrig erfolgt sei und damit ein wie auch immer gearteter Vertrauens- oder Bestandsschutz der Klägerin nicht habe entstehen können. Der Antrag auf baurechtliche Genehmigung der Nutzungsänderung ändere hieran nichts, nachdem dieser ersichtlich nur im Hinblick auf die bevorstehende Zweckentfremdungsverbotssatzung gestellt worden sei. Die Bauordnungsbehörde habe über diesen Antrag auch nicht in willkürlicher Weise zu spät entschieden, sondern insbesondere innerhalb des in § 75 Satz 2 VwGO genannten Zeitraums.
24
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 5. August 2021 verwiesen.

Entscheidungsgründe

25
Vorliegend dahingestellt bleiben kann, ob die Klägerin im Hinblick darauf, dass sie bei der Beklagten einen Antrag auf Erteilung einer Zweckentfremdungsgenehmigung gestellt hat, bezüglich der begehrten Feststellung, dass die Nutzung der Ferienwohnung in dem Objekt …, zweites Obergeschoss rechts, als Ferienwohnung nicht der Zweckentfremdungsverbotssatzung der Beklagten widerspricht, überhaupt ein Feststellungsinteresse gemäß § 43 Abs. 1 VwGO hat, da jedenfalls weder die Feststellungsklage noch das hilfsweise beantragte Verpflichtungsbegehren begründet sind.
26
Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten ist formell und materiell rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 sowie Abs. 5 Satz 1 VwGO.
1.
27
Er findet seine Rechtsgrundlage in Art. 3 Abs. 2 ZwEWG i.V.m. § 12 ZwEVS.
28
Vorliegend bestehen keine Zweifel an der Rechtswirksamkeit der hier einschlägigen Zweckentfremdungsverbotssatzung der Beklagten. Insbesondere wurden verfassungsrechtliche Bedenken klägerseits weder in substantiierter Weise geltend gemacht noch sind solche erkennbar.
29
In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass die mit der streitgegenständlichen Zweckentfremdungsverbotssatzung der Beklagten nahezu deckungsgleiche Satzung der Stadt München (ZeS vom 11.12.2017 i.d.F. vom 4.11.2019, MüABl. S. 452) schon in einer Reihe verwaltungsgerichtlicher Verfahren als Rechtsgrundlage inmitten stand, ohne dass dem Grunde nach Zweifel an ihrer Wirksamkeit aufgetreten sind (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 20.5.2020 - 12 B 19.1648 - juris; B.v. 20.12021 - 12 N 20.1706 - juris).
30
Vorliegend ist insbesondere von der Wirksamkeit der Regelung in § 2 Abs. 3 Nr. 2 ZwEVS auszugehen. Aus der Zusammenschau von § 2 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 Nr. 2 ZwEVS ergibt sich, dass die nachträgliche Umwandlung von Wohnraum in gewerbliche Nutzung zum Entfallen des im Rahmen des Art. 3 Abs. 2 ZwEWG tatbestandlich vorausgesetzten Begriffs „Wohnraum“ nur dann führt, wenn dieser Raum bereits vor dem 30. Mai 2019 baurechtlich zu anderen als einer Wohnnutzung genehmigt und ununterbrochen so genutzt wurde.
31
Das heißt, nach dem Willen des Satzungsgebers soll es nicht ausreichen, einen (möglicherweise nicht ernst gemeinten oder offensichtlich nicht zum Erfolg führenden) Bauantrag zu stellen und damit i.S.d. § 2 Abs. 2 ZwEVS eine zum Verlust der ursprünglich gegebenen Wohnraumeigenschaft führende „subjektive Bestimmung durch spätere Umwidmung“ herbeizuführen, sondern diese „spätere Umwidmung“ ist nur dann für den Verlust der Wohnraumeigenschaft relevant, wenn sie über die bloße (gänzlich in der Disposition der Klägerin stehende) Antragstellung hinaus Niederschlag in Gestalt der behördlichen Genehmigung und in der tatsächlichen Nutzungsausübung als „Nichtwohnraum“ gefunden hat.
32
Im Hinblick auf die Rechtsprechung, wonach zur Änderung der subjektiven Zweckbestimmung ein nach außen erkennbarer und auf Dauer angelegter Umwidmungsakt nötig ist (vgl. etwa BayVGH, B.v. 12.12.2004 - 24 ZB 04.941 - juris; B.v. 1.12.1997 - 24 B 95.3612 - juris; B.v. 25.4.1990 - 7 B 89.1121 - juris; VGH BaWÜ, B.v. 6.8.2020 - 3 S 1483/20 - juris), erscheint diese in § 2 Abs. 3 Nr. 2 ZwEVS enthaltene, der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit dienende Konkretisierung des subjektiven Bestimmungsrechts des § 2 Abs. 2 ZwEVS noch vom Normzweck getragen und gedeckt und damit nicht zu beanstanden. Dies gilt insbesondere auch vor dem Hintergrund des ausdrücklichen Willens des Landesgesetzgebers, wonach das Zweckentfremdungsrecht in Gebieten, in denen die Versorgung der Bevölkerung mit ausreichendem Wohnraum zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet ist, einen effektiven Schutz des Wohnraums vor Zweckentfremdung gewährleisten und damit der Erhaltung des Gesamtwohnraumangebotes dienen soll; dabei gebiete das den Gemeinden eingeräumte Selbstverwaltungsrecht, dass die Gemeinden den ihnen zukommenden eigenen wohnungspolitischen Gestaltungsspielraum eigenverantwortlich ausschöpfen dürfen (vgl. hierzu LT-Drs. 17/15781, S. 1 ff. und 7 sowie LT-Drs. 15/8369, S. 1 ff.).
33
Auch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof geht in seiner Entscheidung vom 20. Oktober 2020 - 12 CS 20.2141 weder von offensichtlichen Unwirksamkeitsgründen im Hinblick auf die Regelung in § 2 Abs. 3 Nr. 2 ZwEVS noch von dem Erfordernis einer weitergehenden Übergangsregelung für vor dem Inkrafttreten der Zweckentfremdungsverbotssatzung gestellte Bauanträge aus und äußert sich hierzu unter anderem wie folgt:
„Die Antragsteller können daher mit dem Einwand, sie hätten rechtzeitig vor Inkrafttreten der Zweckentfremdungsverbotssatzung Anträge auf baurechtliche Genehmigung der Nutzungsänderung in Ferienwohnungen gestellt und deshalb nicht nur auf eine zeitnahe positive Verbescheidung, sondern auch auf das Eintreten der Rechtswirkungen des § 2 Abs. 3 Nr. 2 ZwEVS vertrauen dürfen, nicht gehört werden. § 2 Abs. 3 Nr. 2 ZwEVS schützt nur den redlichen Rechtsgenossen, der rechtzeitig vor Aufnahme der Nutzung zu anderen als Wohnzwecken die hierfür erforderliche Baugenehmigung nicht nur beantragt, sondern auch erhalten und die genehmigte Nutzungsänderung im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Zweckentfremdungsverbots auch bereits ins Werk gesetzt hat, nicht aber den Unredlichen, der - wie die Antragsteller - ohne Einholung einer entsprechenden Genehmigung formell baurechtswidrig mit der andersartigen Nutzung begonnen hat. Insoweit besteht keinerlei Bestands- oder Vertrauensschutz. […] Art. 14 Abs. 1 GG schützt lediglich die materielle Baufreiheit, kennt aber keine formelle (genehmigungsfreie) Baufreiheit. Die durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Baufreiheit besteht stets nur nach Maßgabe und im Rahmen der einfachgesetzlichen Ausgestaltung. […) Soweit die Antragsteller in diesem Zusammenhang das Fehlen einer (weitergehenden) „Übergangsregelung“ rügen, greift dies ebenfalls ins Leere. […].“
2.
34
Gemäß Art. 3 Abs. 2 ZwEWG i.V.m. § 12 ZwEVS kann die Beklagte anordnen, dass eine nicht genehmigungsfähige Zweckentfremdung beendet und der Wohnraum wieder Wohnzwecken zugeführt wird.
35
Eine genehmigte oder genehmigungsfähige Zweckentfremdung von Wohnraum liegt hier nicht vor.
36
a) Die streitgegenständlichen Räumlichkeiten stellen Wohnraum im Sinne von Art. 1 Satz 1 ZwEWG, § 2 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 ZwEVS dar.
37
Nach § 2 Abs. 1 und Abs. 2 ZwEVS sind Wohnraum sämtliche Räume, die zu Wohnzwecken objektiv geeignet und subjektiv bestimmt sind. Objektiv geeignet sind Räume dann, wenn sie die Führung eines selbstständigen Haushalts ermöglichen; die subjektive Bestimmung (erstmalige Widmung oder spätere Umwidmung) treffen die Verfügungsberechtigten ausdrücklich oder durch nach außen erkennbares schlüssiges Verhalten.
38
Von der objektiven Eignung zu Wohnzwecken ist - nicht zuletzt ausweislich der in der Behördenakte befindlichen Grundrisse und Auszüge von der Internetpräsenz der Klägerin - offensichtlich auszugehen.
39
Die subjektive (Zweck-) Bestimmung treffen die Verfügungsberechtigten ausdrücklich oder durch nach außen erkennbares schlüssiges Verhalten. Durch einfachen Sinneswandel, der nicht durch einen nach außen erkennbaren und auf Dauer angelegten Umwidmungsakt umgesetzt wird, ändert sich die subjektive Zweckbestimmung nicht.
40
Wie bereits ausgeführt, ergibt sich aus der Zusammenschau von § 2 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 3 Nr. 2 ZwEVS, dass die nachträgliche Umwandlung von Wohnraum in gewerbliche Nutzung nur dann zu bejahen ist, wenn dieser Raum bereits vor dem 30. Mai 2019 baurechtlich zu anderen als einer Wohnnutzung genehmigt und ununterbrochen so genutzt wurde.
41
Vorliegend wurde der streitgegenständliche Wohnraum ausweislich der von der Beklagten übermittelten Baugenehmigungsbescheide vom 10. Mai 1954 sowie vom 12. August 2015 als Wohnraum genehmigt. Erst mit Baugenehmigungsbescheid vom 5. Juli 2019 und damit nach dem Inkrafttreten der inmitten stehenden Satzung wurde die Nutzungsänderung in eine Ferienwohnung genehmigt, so dass im vorliegenden Fall mangels Vorliegen einer Baugenehmigung im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 2 ZwEVS der von der Klägerin am 3. Mai 2019 gestellte Bauantrag keine zum Verlust der ursprünglich gegebenen Wohnraumeigenschaft führende „subjektive Bestimmung durch spätere Umwidmung“ herbeizuführen vermögen.
42
b) Die streitgegenständliche Wohneinheit wird vollständig gewerblich genutzt im Sinne von Art. 1 Satz 2 Nr. 1 ZwEWG i.V.m. § 3 Abs. 1 ZwEVS, was durch die Ermittlungen der Beklagten belegt und im Übrigen zwischen den Beteiligten unstreitig ist.
43
c) Gemäß § 4 Abs. 1 ZwEVS darf Wohnraum nur mit Genehmigung anderen als Wohnzwecken zugeführt werden.
44
Vorliegend ist die Zweckentfremdung des streitgegenständlichen Wohnraumes nicht genehmigungsfähig gemäß § 4 i.V.m. § 5 ZwEVS.
45
aa) Nach § 4 Abs. 2 Alt. 2 i.V.m. § 5 Abs. 2 ZwEVS ist eine Genehmigung zu erteilen, wenn das Interesse an der Erhaltung des betroffenen Wohnraumes durch vorrangige schutzwürdige private Interessen, welche insbesondere bei einer Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz gegeben sind, überwogen wird. Dabei darf die Existenzgefährdung nicht durch das Unterlassen möglicher und gebotener Abwendungsmaßnahmen selbst herbeigeführt werden.
46
Vorliegend erfolgte im Hinblick auf eine etwaige Existenzgefährdung aufgrund des Entfallens der Einnahmequellen aus der Vermietung als Ferienwohnung seitens der Klägerin weder ein substantiierter Vortrag, noch ist eine solche ersichtlich. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Klägerin ohne Weiteres die Möglichkeit hat, die streitgegenständliche Wohnung - wie auch die übrigen 33 Wohnungen in dem Anwesen - dauerhaft als Wohnraum zu vermieten und damit regelmäßige und im Hinblick auf die in der Stadt … üblichen Mietzinsen nicht unerhebliche Einkünfte zu erzielen.
47
Auch aus einem etwaigen, vorliegend nicht zu prüfenden Amtshaftungsanspruch kann kein schutzwürdiges privates Interesse im Sinne des § 5 Abs. 2 ZwEVS und insbesondere kein Recht auf Erteilung einer zweckentfremdungsrechtlichen Genehmigung abgeleitet werden.
48
bb) Nachdem seitens der Klägerin dem Interesse an der Erhaltung des Wohnraumes durch Ausgleichsmaßnahmen in verlässlicher und angemessener Weise, etwa durch die Schaffung von Ersatzwohnraum - die Nutzungsänderung der Bäckerei weist insoweit eindeutig keinerlei zeitlichen, funktionalen oder sonstigen kausalen Zusammenhang auf - oder durch ein konkretes Angebot einer entsprechenden Ausgleichszahlung (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 20.10.2020 - 12 CS 20.2141), nicht Rechnung getragen wurde, kommt des Weiteren vorliegend auch die Erteilung einer Genehmigung gemäß Art. 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZwEWG i.V.m. § 4 Abs. 3 i.V.m. § 6 und § 7 ZwEVS nicht in Betracht.
49
d) Nur der Vollständigkeit wegen ist darauf hinzuweisen, dass die erforderliche Zweckentfremdungsgenehmigung auch nicht in der der Klägerin erteilten Baugenehmigung vom 5. Juli 2019 enthalten ist.
50
Die Baugenehmigung entfaltet keine Konzentrationswirkung. Da die Baugenehmigung nach bayerischem Bauordnungsrecht nicht den „Schlusspunkt“ der öffentlich-rechtlichen Zulässigkeitsprüfung eines Vorhabens bildet (vgl. Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 BayBO), darf sie auch erteilt werden, wenn noch offen ist, ob eine andere öffentlich-rechtliche Gestattung erteilt werden kann, die für das Vorhaben neben der Baugenehmigung erforderlich ist (vgl. etwa BayVGH, B.v. 11.1.2013 - 15 ZB 11.128 - jurisB.v. 18.3.1993 - GrS 1/1992 - 1 B 90.3063 - juris).
51
Im Hinblick auf das Zweckentfremdungsrecht ist im Übrigen auszuführen, dass die Zweckentfremdung von Wohnraum auf dem Gebiet der Beklagten zwar nur gegen eine entsprechende Genehmigung zulässig ist, wie sich aus § 2 Abs. 1 Satz 1 ZwEWG i.V mit § 4 Abs. 1 ZwEVS ergibt. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um Normen, die Anforderungen an das Bauvorhaben enthalten. Kompetenztitel für das Zweckentfremdungsrecht ist weder das Bauordnungs- noch das Bodenrecht, sondern das Recht des Wohnungswesens. Voraussetzung für den Erlass eines Zweckentfremdungsverbotes durch kommunale Satzung sind dementsprechend auch nicht Gesichtspunkte der bauordnungsrechtlichen Gefahrenabwehr oder der Bodenordnung. Maßgeblich ist vielmehr, dass die Versorgung der Bevölkerung mit ausreichendem Wohnraum zu angemessenen Bedingungen i.S. der §§ 1, 2 Abs. 1 ZwEWG besonders gefährdet ist.
52
Über die Erteilung der Zweckentfremdungsgenehmigung einerseits und der Baugenehmigung andererseits entscheidet überdies funktional auch jeweils eine andere Behörde. Entscheidet die Beklagten als kreisfreie Stadt über die Erteilung einer Baugenehmigung, so wird sie im übertragenen Wirkungskreis als untere staatliche Verwaltungsbehörde tätig (Art. 9 Abs. 1 Satz 1 BayGO). Bei der Entscheidung über die Erteilung einer Zweckentfremdungsgenehmigung nimmt die Beklagten hingegen eine nur der Rechtsaufsicht unterliegende Selbstverwaltungsaufgabe wahr; dabei eröffnet das den Gemeinden verfassungsrechtlich eingeräumte Selbstverwaltungsrecht ihnen einen Gestaltungsspielraum in wohnungspolitischen Fragen, den sie mit dem Recht des Verbots der Zweckentfremdung von Wohnraum eigenverantwortlich ausschöpfen können (vgl. hierzu auch VGH BaWÜ, B.v. 6.8.2020 - 3 S 1493/20 - juris).
53
e) Gemäß § 12 ZwEVS steht die Anordnung einer Nutzungsuntersagung und Rückführung im Ermessen der Beklagten. Die streitgegenständlichen Anordnungen erfolgten unter Ausübung ordnungsgemäßen Ermessens; Ermessensfehler gemäß § 114 Satz 1 VwGO sind nicht ersichtlich.
54
f) Auch die verfügten Zwangsgeldandrohungen erweisen sich als rechtmäßig. Sie entsprechen sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach den Vorschriften der Art. 29 ff. VwZVG.
55
Nach alldem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.