Inhalt

VGH München, Urteil v. 05.08.2021 – 4 BV 20.3110
Titel:

Bestattungsrechtliche Zuständigkeit der Sterbeortgemeinde

Normenketten:
BayBestG Art. 1 Abs. 2, Art. 14 Abs. 2 S. 1, S. 2, Art. 15 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1
BayVwVfG Art. 1 Abs. 1 S. 1, Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 lit. a
Leitsätze:
1. Solange sich ein Leichnam auf dem Gebiet der Sterbeortgemeinde befindet, muss diese nach Art. 14 Abs. 1 BestG für die Erfüllung der aus dem Todesfall folgenden Pflichten sorgen und erforderlichenfalls anstelle der bestattungspflichtigen Angehörigen die Aufgaben nach Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BestG wahrnehmen. (Rn. 23)
2. Wenn sich kein anderslautender Wille feststellen lässt, besteht eine tatsächliche Vermutung dahingehend, dass die verstorbene Person in der Gemeinde bestattet werden wollte, in der sie zuletzt gewohnt hat. (Rn. 26)
Schlagworte:
Heranziehung des Bestattungspflichtigen zu Überführungskosten, Auseinanderfallen von Sterbeort und früherem Wohnort, bestattungsrechtliche Zuständigkeit der Sterbeortgemeinde, vermuteter Wille der verstorbenen Person hinsichtlich des Bestattungsorts, subsidiäres Bestimmungsrecht der Gemeinde hinsichtlich der Bestattungsart, Bestattung, Bestattungspflicht, Sterbeort, Bestattungsort, Überführungskosten, Zuständigkeit, früherer Wohnort, Bestattungsart
Vorinstanz:
VG Augsburg, Urteil vom 09.11.2020 – Au 7 K 19.143
Fundstellen:
DVBl 2022, 128
BayVBl 2021, 822
FamRZ 2021, 2004
BeckRS 2021, 22583
LSK 2021, 22583
DÖV 2021, 1087

Tenor

I. Die Klage wird unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 9. November 2020 in vollem Umfang abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Hinterlegung oder Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu Überführungskosten im Zusammenhang mit der Bestattung seiner verstorbenen Mutter.
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Die zuletzt in F. wohnhafte Mutter des Klägers verstarb am 23. August 2018 in einem im Stadtgebiet der Beklagten gelegenen Krankenhaus. Am 31. August 2018 teilten der Kläger und sein Bruder der Beklagten auf Nachfrage mit, dass sie wegen der Bestattung nichts unternehmen würden, da die Verstorbene zu ihnen seit langem keinen Kontakt mehr unterhalten habe.
3
Nachdem die Stadt F. erklärt hatte, keine Sozialbestattung durchführen zu wollen, veranlasste die Beklagte die Überführung der Verstorbenen nach F. durch ein Bestattungsinstitut. Die Stadt F. sorgte daraufhin für die Bestattung und machte die ihr dadurch entstandenen Kosten gegenüber dem Kläger im Wege eines Erstattungsbescheids geltend. Eine hiergegen gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht ab.
4
Das Bestattungsinstitut, das die Leichenschaugebühr (40 Euro) und eine Gebühr für die Bestattungsbescheinigung des Standesamts (10 Euro) beglichen hatte, stellte der Beklagten dafür sowie für die Überführung insgesamt 864,56 Euro in Rechnung. Für die Benutzung der Kühleinrichtung in der Pathologie des Krankenhauses wurden der Beklagten weitere 30 Euro in Rechnung gestellt.
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Auf die formlose Aufforderung der Beklagten, die verauslagten Kosten in Höhe von insgesamt 894,56 Euro zu erstatten, teilte der Kläger mit, er habe die Erbschaft ausgeschlagen. Die Verstorbene habe gegenüber ihren Kindern schwerwiegende Unterhaltspflichtverletzungen begangen; sie habe die Familie verlassen, als der Kläger 12 Monate alt gewesen sei. In der Folgezeit habe sie niemals Kontakt zu ihren Kindern gesucht. Der Kläger sei in einem Kinderheim aufgewachsen. Er sei auch wirtschaftlich nicht in der Lage, die Bestattungskosten zu übernehmen.
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Mit Bescheid vom 2. Januar 2019 verpflichtete die Beklagte den Kläger auf der Grundlage von Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG zur Erstattung eines Betrags von 894,56 Euro.
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Zur Begründung der dagegen erhobenen Anfechtungsklage ließ der Kläger vortragen, ihm sei die Kostentragung für die Bestattung seiner Mutter nicht zumutbar, da diese ihre Kinder verlassen habe, ohne sich um deren Schicksal weiter zu kümmern. Die beiden älteren Brüder des Klägers, von denen einer inzwischen verstorben sei, hätten ihm erzählt, sie seien von der Mutter nicht nur vernachlässigt, sondern auch misshandelt worden; er selbst könne sich daran nicht mehr erinnern.
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Die Beklagte beantragte Klageabweisung und trug u. a. vor, sie sei als Gemeinde des Sterbeorts zuständig gewesen, die Überführung in die Wohnsitzgemeinde zu veranlassen, nachdem der Kläger und sein in der Schweiz lebender Bruder dieser Verpflichtung nicht hätten nachkommen wollen. Bei der Gesamtschuldnerauswahl habe es nahegelegen, eine Vollstreckung im Ausland zu vermeiden. Außergewöhnliche Umstände, die einen Verzicht auf die Rückforderung rechtfertigen könnten, seien nicht gegeben. Diese könnten nur bei einer Straftat zu Lasten des an sich Bestattungspflichtigen angenommen werden; eine Verletzung der Unterhaltspflicht genüge dafür nicht.
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Mit Urteil vom 9. November 2020 hob das Verwaltungsgericht den Bescheid der Beklagten vom 2. Januar 2019 auf, soweit darin eine Kostenerstattung in Höhe von mehr als 80 Euro festgesetzt wurde; im Übrigen wies es die Klage ab. Als Gemeinde des Sterbeorts sei die Beklagte für die Veranlassung der unaufschiebbaren Maßnahmen für die Bestattung örtlich zuständig gewesen (Leichenschau, Kühlung, standesamtliche Todesbescheinigung). Insoweit könne sie Kostenersatz vom Kläger verlangen, da dieser sich gegenüber der öffentlich-rechtlichen Bestattungspflicht weder auf die Ausschlagung der Erbschaft berufen könne noch darauf, dass die Verstorbene sich um ihn und seine Geschwister seit seiner Kinderzeit nicht mehr gekümmert habe. Eine Erstattung der Kosten für die Überführung an den früheren Wohnort zur Beisetzung könne dagegen nicht verlangt werden, da es sich insoweit nicht um notwendige Kosten der Bestattung handle. Zuständig nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BestG für die Überwachung der Einhaltung der bestattungsrechtlichen Vorschriften und dementsprechend auch für die Bestattung in den Fällen des Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BestG seien „die Gemeinden“. Welche Gemeinde hier jeweils angesprochen werde, sei im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Für die Fälle des Auseinanderfallens von Wohnort und Sterbeort habe das Bayerische Staatsministerium des Innern in der Bekanntmachung über die Aufgaben der Gemeinden beim Vollzug des Bestattungsgesetzes vom 12. November 2002 (BestBek) bestimmt, dass die Sterbegemeinde mit dem Eintritt eines Todesfalls die bestattungsrechtliche Pflicht habe, unverzüglich die Leichenschau zu veranlassen und innerhalb der 96 Stunden-Frist nach § 19 Abs. 1 BestV die Überführung in die Wege zu leiten; die bestattungsrechtliche Zuständigkeit der Sterbegemeinde ende mit der Übergabe der Leiche an die Wohnsitzgemeinde; diese müsse nach Art. 8 Abs. 3 Satz 1 BestG die überführte Leiche übernehmen und für die Bestattung sorgen. Eine wirksame Regelung dahingehend, dass die Zuständigkeit für die Bestattung auch dann bei der Wohnsitzgemeinde liege, wenn der Sterbeort nicht zu deren Gebiet gehöre, lasse sich daraus jedoch nicht entnehmen, wie schon der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in einem Urteil vom 21. Juni 1993 unter der Geltung einer früheren Fassung der ministeriellen Bekanntmachung festgestellt habe. An einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung fehle es nach wie vor. Entgegen der Darstellung in der ministeriellen Bekanntmachung sei die Regelung über die Gestattung einer Beisetzung in einem gemeindlichen Friedhof (Art. 8 Abs. 3 Satz 1 BestG) schon aufgrund ihres Wortlauts und des Normzusammenhangs nicht zugleich als Regelung der örtlichen Zuständigkeit für die nach Art. 14 Abs. 2 BestG erforderlichen Maßnahmen anzusehen. Trotz richtlinienkonformen Verhaltens der Beklagten sei daher mangels einer abweichenden gesetzlichen Zuständigkeitsregelung nicht davon auszugehen, dass deren Zuständigkeit für Bestattungsmaßnahmen mit der Überführung der Leiche an die Gemeinde des letzten Wohnorts geendet habe. Die Beklagte sei für die Durchführung der Bestattung in der Heimatgemeinde der Verstorbenen örtlich zuständig gewesen; sie hätte damit zunächst für die - gegenüber der Erdbestattung kostengünstigere - Einäscherung zur Feuerbestattung sorgen müssen, so dass die Leiche aus dem Krankenhaus direkt ins Krematorium überführt worden wäre. Die Kosten für die Überführung der Leiche in den Ort des letzten Wohnsitzes hätten demnach vermieden werden können; sie seien damit nicht notwendig im Sinne des Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG gewesen.
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Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit der vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Berufung. Sie sei nicht verpflichtet gewesen, für die Bestattung der Verstorbenen in der Heimatgemeinde zu sorgen. Dies ergebe sich aus der ministeriellen Bekanntmachung. Für die Zuständigkeitsregelung sei entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts keine gesetzliche Regelung mit Außenwirkung notwendig. Das Problem einer sicherheitsrechtlichen Unzuständigkeit oder sich überschneidender Zuständigkeiten bestehe angesichts des klar definierten Zuständigkeitsübergangs ab Übernahme der Leiche nicht. Im Polizei- und Sicherheitsrecht finde sich die Zuständigkeit mehrerer Behörden im Sinne einer effektiven Gefahrenabwehr etwa bei der „vertikalen Mehrfachkompetenz“ des Art. 6 LStVG oder bei Art. 24 Abs. 4 BayVersG. Es sei kein Grund ersichtlich, warum gerade auf dem Gebiet des Bestattungsrechts anderes gelten solle. Der Bestattungspflichtige habe durch die Regelung ohne Außenwirkung keine Nachteile; einen Anspruch auf gemeindliches Handeln besitze er nicht. Er könne durch die Veröffentlichung der ministeriellen Bekanntmachung im Allgemeinen Ministerialblatt erkennen, welche Behörde ihm gegenüber zu bestimmten Maßnahmen verpflichtet und ermächtigt sei. Die Kosten für die Überführung der Leiche seien notwendige Kosten gewesen und vom Bestattungspflichtigen zu erstatten. Es könne der Beklagten nicht zum Nachteil gereichen, dass sich weder der Bestattungspflichtige noch (zunächst) die Stadt F. um die Bestattung gekümmert habe und allein deshalb die Kosten für die Überführung der Leiche in die Wohnsitzgemeinde angefallen seien. Der Beklagten sei nicht bekannt, wie die Wohnsitzgemeinde derartige Fälle behandle, insbesondere ob im Wege einer Erd- oder Urnenbeisetzung bestattet werde. Es sei kein Grund ersichtlich, weshalb die Beklagte über die Frage der Bestattung in solchen Fällen zu entscheiden habe.
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Die Beklagte beantragt,
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unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage in vollem Umfang abzuweisen.
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Der Kläger hat sich im Berufungsverfahren nicht zur Sache geäußert.
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Die als Vertreter des öffentlichen Interesses am Verfahren beteiligte Landesanwaltschaft Bayern verweist ohne eigene Antragstellung auf eine ministerielle Stellungnahme vom 9. Juli 2021 zur Zuständigkeitsverteilung der Gemeinden beim Auseinanderfallen von letztem Wohnsitz und Sterbeort. Danach sei die Beklagte als Gemeinde des Sterbeorts nach dem Prinzip der Allzuständigkeit in ihrem Gebiet sowie aufgrund des sicherheitsrechtlichen Charakters der Bestattungspflicht im Rahmen der Ersatzzuständigkeit nach Art. 14 Abs. 2 Satz 1 i.V. m. Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BestG zuständig gewesen für die Beauftragung der Überführung; diese habe sie innerhalb der Frist des § 19 Abs. 1 BestV in die Wege leiten müssen. Die Verstorbene sei in der Stadt F. als Gemeinde des letzten Wohnorts zu bestatten gewesen und folglich dorthin zu überführen. Nach Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BestG sei für die Bestimmung von Art und Ort der Bestattung zuvorderst der Wille des Verstorbenen maßgeblich. Im Rahmen der Ersatzzuständigkeit nach Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BestG habe die zuständige Gemeinde im Rahmen des Möglichen Nachforschungen anzustellen. Gerade in den Fällen der Ersatzzuständigkeit seien diese Ermittlungen mangels Unterstützung der Angehörigen häufig erfolglos. Art und Ort der Bestattung lägen dann im Ermessen der Gemeinde, wie sich aus der Wertung des § 17 Abs. 3 Satz 4 BestV ergebe. In der Regel könne angenommen werden, dass eine Bestattung am letzten Wohnort dem Willen des Verstorbenen eher entspreche als eine Bestattung am Sterbeort. Diese Einschätzung stütze auch Art. 8 Abs. 3 Satz 1 BestG, wonach auf Gemeindefriedhöfen die Beisetzung der verstorbenen Gemeindeeinwohner zu gestatten sei. Sei ein Verstorbener im Rahmen der Ersatzzuständigkeit nach Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BestG in der Gemeinde des letzten Wohnsitzes zu bestatten, so sei die Wohnsitzgemeinde für die Durchführung der Bestattung und damit auch für die Bestimmung der Bestattungsart (Erd- oder Feuerbestattung) zuständig. Dies sei zwar nicht in den bestattungsrechtlichen Vorschriften geregelt, ergebe sich aber aus Nr. 3.3 BestBek, die eine die Gemeinden bindende Zuständigkeitsverteilung enthalte. Die Frage der Außenwirkung dieser Bestimmung könne dahinstehen, da sich ihr Inhalt aus der Auslegung des Bestattungsrechts ergebe. Der Zuständigkeitswechsel auf die Wohnsitzgemeinde nach Beendigung der Überführung in deren Gemeindegebiet folge aus dem Prinzip der Allzuständigkeit der Gemeinde in ihrem Gebiet. Er hänge nicht davon ab, ob die Sterbeortgemeinde bereit sei, die Bestattung zu beauftragen. Eine Erstreckung der Zuständigkeit der Sterbeortgemeinde auf die Organisation der Bestattung im Gebiet der Wohnsitzgemeinde sei aus rechtlichen und praktischen Gründen nicht sachgerecht. Dieses Ergebnis entspreche auch der Wertung des Art. 8 Abs. 3 Satz 1 BestG. Die Beklagte als Gemeinde des Sterbeorts habe somit nicht über die Bestattungsform entscheiden dürfen. Insbesondere habe keine Pflicht zu einer Feuerbestattung bestanden, da der zuständigen Gemeinde nach § 17 Abs. 3 Satz 4 BestV insoweit ein Ermessen eingeräumt sei.
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Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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I. Der Senat entscheidet über die Berufung im schriftlichen Verfahren, da die Beteiligten auf mündliche Verhandlung verzichtet haben, § 125 Abs. 1 Satz 1 i.V. m. § 101 Abs. 2 VwGO.
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II. Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Die Anfechtungsklage war entgegen dem erstinstanzlichen Urteil in vollem Umfang abzuweisen, da der Erstattungsbescheid vom 2. Januar 2019 rechtmäßig ist und den Kläger daher nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Nach Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG durfte der Kläger zum Ersatz (auch) der Kosten in Höhe von 814,56 Euro verpflichtet werden, die der Beklagten für die Überführung seiner verstorbenen Mutter in das Gebiet ihrer früheren Wohnsitzgemeinde F. entstanden waren.
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Nach Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG kann die Gemeinde von einem Pflichtigen Ersatz der notwendigen Kosten verlangen, die ihr nach Satz 1 dadurch entstehen, dass sie selbst oder durch vertraglich Beauftragte für die Erfüllung der im Bestattungsrecht vorgesehenen Verpflichtungen sorgt. Die Voraussetzungen für ein solches gemeindliches Tätigwerden waren hier hinsichtlich der durch ein beauftragtes Bestattungsinstitut vorgenommenen Überführung erfüllt. Anstelle des an sich bestattungspflichtigen Klägers (1.) durfte die Beklagte als insoweit zuständige Gemeinde (2.) auch die Überführung des Leichnams in das Gebiet derjenigen Gemeinde veranlassen, in der die Bestattung stattfinden sollte (3.).
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1. Der Kläger war, wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat, als Sohn der Verstorbenen nach Art. 15 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BestG, § 15 Satz 1, § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. b BestV bestattungspflichtig. Er konnte sich dieser öffentlich-rechtlichen Verpflichtung weder unter Hinweis auf seine beengten wirtschaftlichen Verhältnisse noch unter Berufung auf das Fehlen jeder persönlichen Beziehung zu der Verstorbenen entziehen. Dass die Mutter des Klägers ihren Betreuungs- und Unterhaltspflichten während nahezu seiner gesamten Kindheit nicht nachgekommen ist und kein Interesse an seiner persönlichen Entwicklung gezeigt hat, ließ die Erfüllung der Bestattungspflicht für ihn noch nicht als unzumutbar erscheinen. Die dafür notwendigen außergewöhnlichen Umstände, die demgemäß auch der Erstattungspflicht entgegenstehen, setzen nach der Rechtsprechung des Senats in aller Regel eine schwere Straftat des Verstorbenen zu Lasten des bestattungspflichtigen Angehörigen voraus; die bloße Nichterfüllung der elterlichen Pflichten genügt dafür nicht (vgl. BayVGH, B.v. 23.5.2017 - 4 ZB 16.1336 - FamRZ 2017, 1885 Rn. 8; B.v. 14.9.2015 - 4 ZB 15.1029 - juris Rn. 7; B.v. 17.1.2013 - 4 ZB 12.2374 - juris Rn. 7; B.v. 9.6.2008 - 4 ZB 07.2815 - BayVBl 2009, 537 Rn. 7).
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2. Da der Kläger und sein im Ausland lebender Bruder zur Erfüllung ihrer bestattungsrechtlichen Pflichten nicht bereit waren und entsprechende Anordnungen nach Art. 14 Abs. 1 BestG in der Kürze der Zeit keinen Erfolg versprachen, musste gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BestG „die Gemeinde“ für die Leichenschau, die Bestattung und die ihr vorausgehenden Verrichtungen sorgen. Diese Zuständigkeit lag hier bis zum Abschluss der Überführung in das Gebiet der Gemeinde F. bei der Beklagten.
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a) Welche der in Betracht kommenden Gebietskörperschaften als „Gemeinde“ im Sinne des Art. 14 Abs. 2 BestG anzusehen ist, wenn wie hier der Sterbeort nicht mit dem (letzten) Wohnort übereinstimmt, geht aus der Vorschrift nicht unmittelbar hervor. Die zu dieser Frage ergangenen Hinweise in Nr. 3.3 der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 12. November 2002 über „Aufgaben der Gemeinden beim Vollzug des Bestattungsgesetzes“ (BestBek, AllMBl. S. 965) stellen schon mangels Außenwirkung keine verbindliche Zuständigkeitsregelung dar; sie erfassen ohnehin nur die Fälle, in denen sowohl der frühere Wohn- als auch der Sterbeort in Bayern liegen (Wallner, KommP BY 2013, 59/61). Ausgangspunkt für die Ermittlung der örtlichen Zuständigkeit im Bestattungsrecht können somit mangels ausdrücklicher Sondervorschriften nur die allgemeinen Bestimmungen im Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetz sein. Dieses Gesetz gilt nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG auch für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit der Gemeinden, soweit nicht Rechtsvorschriften des Freistaates Bayern inhaltsgleiche oder entgegenstehende Bestimmungen enthalten.
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Nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a BayVwVfG ist in Angelegenheiten, die eine natürliche Person betreffen, die Behörde örtlich zuständig, in deren Bezirk die Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt, also in der Regel ihren Hauptwohnsitz, entweder noch hat oder „zuletzt hatte“. Der letzte gewöhnliche Aufenthalt ist auch maßgeblich, wenn die betreffende Person inzwischen gestorben ist (Kastner in Fehling/Kastner/Störmer, HK-VerwR, 5. Aufl. 2021, § 3 VwVfG Rn. 22; Schuler-Harms in Schoch/Scheider, VwVfG, Stand Juli 2020, § 3 Rn. 33). Legte man allein diese Zuständigkeitsbestimmung zugrunde, müsste in den Fällen des Art. 14 Abs. 2 BestG die (frühere) Wohnsitzgemeinde von Anfang an für die Erfüllung sämtlicher bestattungsrechtlichen Pflichten sorgen. Die Sterbeortgemeinde könnte sich danach nicht auf die Auffangzuständigkeit nach Art. 3 Abs. 1 Nr. 4 BayVwVfG berufen; die Eilfallkompetenz nach Art. 3 Abs. 4 BayVwVfG für „unaufschiebbare Maßnahmen“ käme hier ebenfalls nicht in Betracht, da nach Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BestG in unaufschiebbaren Fällen statt der Gemeinde die Polizei einschreiten muss.
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b) Ein so strikter Zuständigkeitsausschluss derjenigen Gemeinde, in der die betreffende Person gestorben ist, stünde jedoch teilweise im Widerspruch zur Regelungssystematik und zum Regelungszweck der bestattungsrechtlichen Vorschriften, die insoweit als „entgegenstehende Bestimmungen“ im Sinne des Art. 1 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG den allgemeinen Zuständigkeitsvorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes vorgehen. Das Bestattungsrecht stellt in seinem Kern eine Sondermaterie des Sicherheitsrechts dar (vgl. BayVGH, U.v. 21.6.1993 - 12 B 91.2999 - VGH n.F. 47, 1/3 = BayVBl 1994, 94); es ist auf einen zügigen und unkomplizierten Vollzug angelegt. Daher muss zunächst die für den Sterbeort zuständige Gemeinde, solange sich der Leichnam auf ihrem Gemeindegebiet befindet, dafür Sorge tragen, dass die aus dem Todesfall folgenden gesetzlichen Pflichten erfüllt werden. Sie ist schon aufgrund Bundesrechts verpflichtet, dem Standesamt, in dessen Zuständigkeitsbereich der betreffende Mensch gestorben ist (§ 28 PStG), den Sterbefall anzuzeigen, falls ein sonstiger Anzeigepflichtiger nicht vorhanden bzw. nicht ermittelbar ist (§ 30 Abs. 2 PStG). Auch die den Gemeinden nach Art. 14 Abs. 1 BestG übertragene Aufgabe, die Einhaltung der bestattungsrechtlichen Vorschriften zu überwachen und zu gewährleisten, kann im ersten Zugriff unter dem Gesichtspunkt der Ortsnähe nur von der Sterbeortgemeinde mit der gebotenen Effizienz wahrgenommen werden.
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Zu diesem auf den Sterbeort bezogenen gemeindlichen Aufgabenkreis gehört, sofern sich noch kein Angehöriger gemeldet hat, die Ermittlung und Benachrichtigung der bestattungspflichtigen Personen sowie - bei deren Untätigkeit - die unverzügliche Veranlassung der Totenschau, die im Regelfall noch an Ort und Stelle durch einen zugezogenen Arzt bzw. einen Arzt des örtlich zuständigen Gesundheitsamts stattfindet (vgl. Art. 3 Abs. 1 BestG; § 2, § 3, § 5 Abs. 1 BestV). Ergeben die Ermittlungen, dass keine Angehörigen im Sinne des § 15 i.V. m. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BestV existieren oder dass keine dieser Personen zur Erfüllung der Bestattungspflicht bereit ist, so hat die Sterbeortgemeinde zunächst zu prüfen, ob die dann nach Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BestG behördlich zu veranlassende Bestattung in ihrem eigenen Gemeindegebiet oder am letzten Wohnort erfolgen soll. Fehlen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Sterbeort zugleich der gewünschte Bestattungsort ist, so kann nach Art. 1 Abs. 2 BestG regelmäßig angenommen werden, dass es dem Willen der verstorbenen Person entspricht, am letzten Wohnort bestattet zu werden, wo dies nach Art. 8 Abs. 3 Satz 1 BestG in jedem Fall sichergestellt ist. Bedarf es hiernach der Überführung in eine andere Gemeinde, so muss diese, auch wenn sie in einem anderen Bundesland liegt, umgehend informiert werden.
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Allein die Feststellung, dass die Bestattung nicht im Gebiet der Sterbeortgemeinde stattfinden wird, lässt allerdings noch nicht deren örtliche Zuständigkeit nach Art. 14 Abs. 2 BestG entfallen. Die Überführung in die Obhut der (zur Übernahme bereiten) früheren Wohnsitzgemeinde nach den Vorschriften der §§ 8 ff. BestV kann sinnvollerweise nur dort organisiert werden, wo sich der Leichnam befindet; zuständig bleibt daher auch insoweit die Sterbeortgemeinde (ebenso BayVGH, U.v. 1.6.1993 - 12 B 91.2999 - VGH n.F. 47, 1/4 = BayVBl 1994, 94). Sie hat dafür zu sorgen, dass die Leiche innerhalb der in § 19 Abs. 1 BestV genannten Frist ordnungsgemäß mit allen notwendigen Unterlagen (§ 10 BestV) auf den Weg gebracht wird. Erst wenn der Leichnam an die frühere Wohnsitzgemeinde übergeben oder (oder auf deren Bitte hin) in eine Feuerbestattungsanlage verbracht worden ist, endet die Zuständigkeit der Sterbeortgemeinde und wird nach der allgemeinen Vorschrift des Art. 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a BayVwVfG die Gemeinde des letzten gewöhnlichen Aufenthalts örtlich zuständig (ebenso i. E. Nr. 3.3. BestBek; a. A. insoweit noch BayVGH, a.a.O.).
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3. Ausgehend von den vorgenannten Grundsätzen bestand hier eine (ungeschriebene) bestattungsrechtliche Zuständigkeit der Beklagten als Sterbeortgemeinde, die Überführung des Leichnams der verstorbenen Mutter des Klägers in das Gebiet der Gemeinde F. als deren früheren Wohnort zu veranlassen. Es bestand mangels anderslautender Willensäußerungen eine tatsächliche Vermutung dahingehend, dass die Verstorbene in einem dort gelegenen Friedhof bestattet werden wollte. Diesem Anliegen, das im allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 1 Abs. 1 i.V. m. Art. 2 Abs. 1 GG) wurzelt (vgl. BayVGH, U.v. 17.10.1975 - 2 V 75 - VGH n.F. 28, 136/138 = BayVBl 1976, 310), musste die Beklagte Rechnung tragen und die Überführung in das Gemeindegebiet von F. veranlassen. Es handelte sich im Sinne des Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BestG um eine der Bestattung „vorausgehende notwendige Verrichtung“.
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Die Notwendigkeit der Überführung (zunächst) in das dortige Gemeindegebiet kann entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts nicht mit dem Argument in Frage gestellt werden, dass diese Überführungskosten sich hätten vermeiden lassen, wenn die Beklagte den Leichnam sogleich in ein Krematorium überführt hätte, um eine gegenüber der Erdbestattung kostengünstigere Feuerbestattung zu ermöglichen. In der außerbayerischen Rechtsprechung wird zwar teilweise die Ansicht vertreten, in Fällen der Ersatzvornahme müsse sich die Behörde bei Fehlen entgegenstehender Willensbekundungen des Verstorbenen oder seiner Angehörigen aus Kostengründen für die Feuerbestattung entscheiden (OVG NW, U.v. 10.5.1996 - 19 A 4684/95 - NWVBl 1998, 347/349; VG Gießen, U.v. 5.4.2000 - 8 E 1777/98 - NVwZ-RR 2000, 795/797; a. A. aber beispielsweise VGH BW, U.v. 25.9.2001 - 1 S 974/01 - NVwZ 2002, 995; vgl. auch Stelkens/Cohrs, NVwZ 2002, 917/922 f.). Dieser Auffassung kann jedoch aus Sicht des bayerischen Rechts nicht gefolgt werden (vgl. Thimet in Klingshirn, Bestattungsrecht in Bayern, Stand 3/2021, B 23 Rn. 25; kritisch auch Gaedke, Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, 12. Aufl. 2019, Kap. 5 Rn. 99). Nach § 17 Abs. 3 Satz 4 BestV bestimmt die Gemeinde, wenn sie für die Bestattung nach Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BestG zu sorgen hat, im Wege pflichtgemäßen Ermessens auch die Art der Bestattung, falls ein diesbezüglicher Wille der verstorbenen Person oder ihrer Angehörigen nicht nachweisbar ist. Das Gleiche muss gelten, wenn die Angehörigen ihrer Bestattungspflicht nicht nachkommen und damit von vornherein auf das Recht verzichten, die Bestattungsart zu bestimmen (Thimet, a.a.O., Rn. 26).
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Hiernach bestand für die Beklagte zum maßgeblichen Zeitpunkt der Beauftragung des Bestattungsinstituts keine Verpflichtung, den Leichnam der Mutter des Klägers unmittelbar in ein Krematorium bringen zu lassen. Für einen entsprechenden Wunsch der Verstorbenen gab es keinerlei Anhaltspunkte; auch ihre Söhne hatten sich dazu nicht geäußert, wobei es auf deren eigene Vorstellung aus den genannten Gründen ohnehin nicht angekommen wäre. Die für die Durchführung der Bestattung zuständige Gemeinde F. hatte sich, wie aus den Behördenakten hervorgeht, lediglich allgemein zur Übernahme des Leichnams bereit erklärt, ohne erkennen zu lassen, ob sie in Ausübung ihres subsidiären Bestimmungsrechts nach § 17 Abs. 3 Satz 4 BestV eine Erd- oder Feuerbestattung beabsichtigte. Der Beklagten war es danach verwehrt, die Entscheidung über die Bestattungsart durch die Verbringung in ein Krematorium vorwegzunehmen; sie musste sich auf die Überführung in das Gebiet der Gemeinde F. beschränken. Die damit verbundenen Kosten, deren Höhe vom Kläger nicht in Zweifel gezogen worden ist, durften daher von ihm nach Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BestG zurückgefordert werden.
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III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Die Revision ist nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.