Titel:
Widerruf einer waffenrechtlichen Erlaubnis (kleiner Waffenschein)
Normenketten:
WaffG § 4 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, § 45 Abs. 2 S. 1
WaffV § 4 Abs. 1, Abs. 6
BayVwVfG Art. 24 Abs. 1 S. 1
Leitsätze:
1. Zwar gehen verbleibende Zweifel an der gesundheitlichen Eignung eines Betroffenen zum Umgang mit Waffen zu dessen Lasten, dies gilt jedoch erst dann, wenn die Behörde ihre grundsätzlich bestehende Verpflichtung zur Aufklärung eines Sachverhalts (Art. 24 Abs. 1 S. 1 BayVwVfG) ausreichend wahrgenommen hat. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. An die Anlassbezogenheit und Verhältnismäßigkeit einer Gutachtensanordnung nach § 6 Abs. 2 WaffG, § 4 Abs. 1 WaffV sind im Hinblick darauf, dass diese nicht selbständig anfechtbar ist, strenge Anforderungen zu stellen. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Rückschluss auf die mangelnde Eignung zum Umgang mit Waffen aufgrund der Nichtbeibringung eines Gutachtens ist nur gerechtfertigt, wenn die Aufforderung, ein solches beizubringen, selbst rechtmäßig war. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
4. Bloße unsubstantiierte Andeutungen Dritter über die geistige und körperliche Verfassung des Betroffenen sind keine Tatsachen iSd § 6 Abs. 2 WaffG. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis (kleiner Waffenschein), Annahme der fehlenden persönlichen Eignung, unklarer Sachverhalt, Amtsermittlungsgrundsatz, Gutachtensanordnung, Depressionen, Suizidgedanken, Diagnose vom Hörensagen
Fundstelle:
BeckRS 2021, 22572
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 23. März 2021 wird aufgehoben.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf der ihm erteilten waffenrechtlichen Erlaubnis und gegen die hierzu ergangenen Nebenentscheidungen.
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Der Kläger ist seit November 2003 Inhaber eines kleinen Waffenscheins. Im September 2020 erfuhr die Beklagte durch eine polizeiliche Auskunft, dass die Mutter des Klägers am 26. Januar 2020 die Polizei gerufen hatte, weil der Kläger ihr gegenüber geäußert habe, er werde sich ein Messer ins Herz rammen. Ihr Sohn sei schizophren und habe zur Zeit Schlafprobleme, weshalb er bei ihr im Keller untergekommen sei. Er hätte beim Psychologen vorstellig werden sollen, habe dies jedoch unterlassen, weil er die Fehler nicht bei sich, sondern bei anderen sehe. Deshalb sei es zu einem verbalen Streit gekommen, bei dem der Kläger die Suizidgedanken geäußert habe. Die Polizeibeamten hatten daraufhin mit dem Kläger gesprochen, der sich von der Suizidäußerung sofort distanziert und angeben hatte, dies aus Ärger auf seine Mutter im Affekt gesagt zu haben. Nach Auskunft der Polizei hatte der Kläger auf die Streife vernünftig und gefasst gewirkt, eine akute Fremd- bzw. Eigengefährdung sei nicht erkennbar gewesen. Der Kläger sei jedoch psychisch angeschlagen und schiebe die Schuld daran erkennbar auf andere. Die Mutter des Klägers sei bereits seit längerer Zeit mit dem Gesundheitsamt im Kontakt. Laut ihrer Aussage werde das Gesundheitsamt jedoch nicht tätig.
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Die Beklagte hörte den Kläger mit Schreiben vom 11. Dezember 2020 zum beabsichtigten Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis an, gab diesen Gelegenheit, sich bis zum 28. Dezember 2020 zu äußern und wies darauf hin, dass der Kläger die Annahme mangelnder persönlicher Eignung ausräumen könne, indem er auf seine Kosten ein amts- oder fachärztliches oder fachpsychologisches Gutachten über seine geistige und körperliche Eignung beibringe.
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Der Kläger teilte der Beklagte mit Schreiben vom 16. Dezember 2020 mit, er habe keinerlei Suizidgedanken, was er bereits den Polizeibeamten mitgeteilt habe, als seine Mutter diese gerufen habe. Seine Mutter leide, seitdem sein Vater vor zehn Jahren plötzlich verstorben sei, nach seiner Ansicht unter Depressionen. Er könne nicht nachvollziehen, warum man ihm den kleinen Waffenschein entziehen wolle, obwohl er keinerlei Vorstrafen habe und keine sonstigen Polizeieinträge außer dem genannten Vorfall vorlägen.
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Mit E-Mail vom 22. März 2021 fragte der Kläger bei der Beklagten nach dem Sachstand. In der Behördenakte befindet sich ein Aktenvermerk des Sachbearbeiters vom gleichen Tag, wonach dieser mit einer Frau … vom Gesundheitsamt (sozialpsychiatrischer Dienst) der Stadt telefoniert und sich bezüglich des psychischen Zustands des Klägers und der Einschätzung des Gesundheitsamtes hierzu erkundigt habe. Frau … habe ihm mitgeteilt, dass es beim Kläger bereits eine sehr lange Akte gebe und dieser an einer chronischen psychischen Krankheit leide. Der Kläger suche den Grund seiner psychischen Probleme meist bei anderen Personen und mache diese dafür verantwortlich. Abschließend habe Frau … geäußert, dass es sich bei der Person des Klägers um eine instabile und unverlässliche Persönlichkeit mit einer potentiellen Selbstgefährdung handle.
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Mit Bescheid vom 23. März 2021 widerrief die Beklagte die waffenrechtliche Erlaubnis (kleiner Waffenschein Nummer 989/2003) des Klägers (Ziffer 1) und verpflichtete diesen, die Erlaubnis bis spätestens 20. April 2021 der Beklagte auszuhändigen (Ziffer 2). Unter Ziffer 3 des Bescheides wurde die sofortige Vollziehung der sich aus Ziffer 2 ergebenden Verpflichtung angeordnet und unter Ziffer 4 für den Fall der Nichterfüllung der Verpflichtung aus Ziffer 2 ein Zwangsgeld in Höhe von 250 EUR angedroht. Zur Begründung wurde unter Bezugnahme auf die polizeiliche Meldung über den Vorfall vom 26. Januar 2020 ausgeführt, dem Kläger fehle die waffenrechtliche persönliche Eignung nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG. Eine solche sei nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 3 WaffG nicht gegeben, wenn bei einer Person eine konkrete Gefahr der Selbstgefährdung vorliege. Beim Kläger liege eine psychische Krankheit vor, welche nach Einschätzung des Gesundheitsamts eine potentielle Selbstgefährdung mit sich bringe. Er habe bereits bei dem genannten Vorfall einen Suizidgedanken im Affekt geäußert. Dies lasse auf die hinreichende Wahrscheinlichkeit der Selbstgefährdung schlussfolgern, auch wenn er sich von der Äußerung distanziert habe. Eine konkrete Gefahr der Selbstgefährdung sei demnach gegeben und stelle einen Versagungsgrund der waffenrechtlichen Erlaubnis dar. Gründe für eine abweichende Beurteilung seien nicht ersichtlich. Dem Kläger sei die Gelegenheit gegeben worden, durch Vorlage eines amts- oder fachärztlichen oder fachpsychologischen Gutachtens seine geistige und körperliche Eignung zu belegen. Ein solches Gutachten sei nicht vorgelegt worden. Die Anordnung der Rückgabe des Waffenscheins beruhe auf § 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG. Das Interesse des Klägers an der aufschiebenden Wirkung einer Klage habe gegenüber dem öffentlichen Interesse, dem Schutz der Allgemeinheit vor missbräuchlicher Verwendung von Waffen und Munition, untergeordnete Bedeutung. Die Erkenntnisse würden zeigen, dass es im Interesse der öffentlichen Sicherheit keine andere Möglichkeit gebe, als durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung sicherzustellen, dass er auch während einer möglichen Dauer des Verwaltungsstreits über die getroffenen Entscheidungen nicht mehr in der Lage sei, den Besitz über Waffen, welche eines kleinen Waffenscheins bedürften, auszuüben.
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Hiergegen richtet sich die vom Kläger erhobene Klage. Er rügt, dass die im Anhörungsschreiben gesetzte Frist zu kurz gewesen sei, um das gewünschte Gutachten zu erbringen. Er habe sich von jeglichen Suizidgedanken distanziert, da diese nicht vorliegen würden. Im Gespräch mit seiner Mutter sei es um ein anderes Thema gegangen. Ein ähnlich klingender Satz sei von ihm ausgesprochen worden, nicht jedoch, dass er sich umbringen werde. Weshalb seine Mutter dann die Polizei gerufen habe, könne er nicht beantworten, weil er seit diesem Vorfall keinen Kontakt mehr zu ihr pflege. Auch gegenüber den Polizeibeamten habe er erwähnt, dass er keinerlei Suizidgedanken habe, worauf diese zum nächsten Einsatz gefahren seien. Die Einschätzung des Gesundheitsamts bezüglich einer potentiellen Selbstgefährdung weise er zurück. Er sei am 27. Dezember 2019 vom Gesundheitsamt vorgeladen worden, weil sich angeblich Angehörige Sorgen um ihn machen würden. Zu diesem Termin sei er erschienen. Trotz mehrerer Nachfragen habe man ihm nicht gesagt, um welche Angehörigen es sich gehandelt habe. Den kleinen Waffenschein habe er nur beantragt, damit er sich an Silvester mit seiner Schreckschusspistole legal bei Freunden aufhalten könne. Er sei nicht bereit, für das geforderte Gutachten, welches letztendlich nur auf Aussagen seiner Mutter basierend erstellt werden solle, aufzukommen. Gerne biete er an, sich auf Kosten der Beklagte untersuchen zu lassen, um seine Zuverlässigkeit zu belegen.
den Bescheid vom 23. März 2021 aufzuheben.
Klageabweisung und verweist auf die Ausführungen im Bescheid vom 23. März 2021.
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Es bestünden weiter Zweifel an der waffenrechtlichen Eignung des Klägers, die dieser nicht durch Beibringung eines Gutachtens ausgeräumt habe. Terminliche Schwierigkeit, eine solche Begutachtung im „Lockdown“ und vor Weihnachten zu veranlassen, spielten keine Rolle. Überdies sei der Bescheid erst am 23. März 2021 ergngen.
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Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Behördenakte sowie der Gerichtsakte mit dem Protokoll über die mündliche Verhandlung verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig und begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 23. März 2021 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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1. Der unter Ziffer 1 des Bescheids verfügte Widerruf der dem Kläger erteilten waffenrechtlichen Erlaubnis entspricht nicht den gesetzlichen Vorgaben. Da er einen den Kläger belastenden Verwaltungsakt darstellt, wird dieser hierdurch in seinen Rechten verletzt.
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Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist eine waffenrechtliche Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Dies ist dann der Fall, wenn eine oder mehrere Erlaubnisvoraussetzungen nach § 4 Abs. 1 WaffG nicht mehr erfüllt sind. Vorliegend hat die Beklagte zu Unrecht den Wegfall der nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG für die Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis erforderlichen persönlichen Eignung des Klägers damit begründet, dass bei ihm die konkrete Gefahr der Selbstgefährdung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 3 WaffG besteht.
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Soweit die Beklagte diese Annahme auf die polizeiliche Meldung über den Vorfall vom 26. Januar 2020 stützt, verkennt sie, dass diese allein nicht ausreicht, um das Vorliegen der Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 3 WaffG zu bejahen. Denn aus der Mitteilung der Polizei geht lediglich hervor, dass die Mutter des Klägers behauptet hat, dieser habe Suizidgedanken geäußert. Von den Polizeibeamten darauf angesprochen, hat sich der Kläger hiervon sofort ausdrücklich distanziert und plausibel erläutert, dies lediglich im Affekt und aus Ärger über seine Mutter gesagt zu haben. Er machte dabei ausweislich der Polizeimeldung einen vernünftigen und gefassten Eindruck, eine akute Fremd- bzw. Eigengefährdung war für die Streife nicht erkennbar. Soweit in der Mitteilung weiter festgehalten ist, dass der Kläger psychisch angeschlagen sei und die Schuld daran erkennbar auf andere schiebe, wird schon nicht deutlich, ob es sich hierbei um eine eigene Feststellung der Polizeibeamten handelt oder ob lediglich die Angaben der Mutter des Klägers wiedergegeben werden, wofür der Umstand sprechen könnte, dass der Kläger als „vernünftig“ und „gefasst“ beschrieben wird. Unabhängig davon ist diese Aussage allein noch keine Grundlage für die Feststellung einer Selbstgefährdung.
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Auch der Aktenvermerk vom 22. März 2021 über die telefonische Auskunft der Mitarbeiterin des sozialpsychiatrischen Dienstes des Gesundheitsamtes ist nicht geeignet, die Annahme, beim Kläger bestehe die konkrete Gefahr einer Selbstgefährdung, zu begründen. Zwar geht aus dem Vermerk hervor, dass die Gesundheitsamtsmitarbeiterin mitgeteilt habe, der Kläger leide an einer chronischen psychischen Krankheit, es gebe bereits eine „sehr lange Akte“ „beim“ (gemeint war wohl: über den) Kläger. Träfe diese Aussage zu, wäre die waffenrechtliche Eignung des Klägers bereits nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Alt. 3 WaffG nicht gegeben. Aus dem Aktenvermerk geht jedoch nicht hervor, worauf die Angaben der Mitarbeiterin des Gesundheitsamts beruhen. Insbesondere wird hieraus nicht ersichtlich, ob dem Gesundheitsamt Untersuchungsberichte über den Kläger vorliegen oder ob dieser vom Gesundheitsamt untersucht worden ist. Das hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung bestritten. Nach seiner Einlassung war er lediglich einmal, nämlich im Dezember 2019, beim Gesundheitsamt vorstellig, nachdem er vorgeladen worden war, weil „sich Angehörige um ihn Sorgen machen“. Bei dieser Vorsprache will er ein einstündiges Gespräch mit einem Arzt und einer weiteren Frau geführt und seitdem nichts mehr von dem Amt gehört haben. Die Richtigkeit dieser Aussage unterstellt, besteht die Möglichkeit, dass die im Aktenvermerk festgehaltenen Feststellungen der Gesundheitsamtsmitarbeiterin lediglich auf den Angaben der Mutter des Klägers beruhen, wofür spricht, dass diese nach der polizeilichen Auskunft zum Vorfall am 26. Januar 2020 gegenüber den Beamten erklärt hatte, dass sie wegen des Klägers in Kontakt mit dem Gesundheitsamt stehe. Es liegt auf der Hand, dass eine derartige „Diagnose vom Hörensagen“ keine hinreichende Grundlage wäre, um die Annahme einer fehlenden waffenrechtlichen Eignung zu begründen. Da der Aktenvermerk hierzu keine Feststellungen trifft, ist auch die darin festgehaltene Aussage, der Kläger sei „eine instabile und unverlässliche Persönlichkeit mit einer potentiellen Selbstgefährdung“, nicht ausreichend, um den Widerruf der Waffenbesitzkarte zu begründen. Zwar gehen verbleibende Zweifel an der gesundheitlichen Eignung eines Betroffenen zum Umgang mit Waffen zu dessen Lasten, dies gilt jedoch erst dann, wenn die Behörde ihre grundsätzlich bestehende Verpflichtung zur Aufklärung eines Sachverhalts (Art. 24 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG) ausreichend wahrgenommen hat (BayVGH, B.v. 2.12.2020 - 24 CS 20.2211 - juris Rn. 23). Das ist hier aus vorgenannten Gründen nicht der Fall.
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Der Widerruf erweist sich auch nicht deshalb als rechtmäßig, weil der Kläger kein amts- oder fachärztliches oder fachpsychologisches Gutachten über seine geistige und körperliche Eignung vorgelegt hat. § 6 Abs. 2 WaffG, § 4 Abs. 1 WaffV sieht zwar vor, dass die Behörde der betroffenen Person aufzugeben hat, auf eigene Kosten ein amts- oder fachärztliches oder fachpsychologisches Zeugnis über ihre geistige oder körperliche Eignung vorzulegen, wenn Tatsachen bekannt sind, die Bedenken gegen die persönliche Eignung nach § 6 Abs. 1 WaffG begründen. Gemäß § 4 Abs. 6 WaffV darf die Behörde im Falle einer Weigerung oder nicht fristgerechten Vorlage des geforderten Gutachtens bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung der betroffenen Person schließen, soweit hierauf in der Anordnung hingewiesen worden war. An die Anlassbezogenheit und Verhältnismäßigkeit einer derartigen Gutachtensanordnung sind jedoch im Hinblick darauf, dass diese nicht selbständig anfechtbar ist, strenge Anforderungen zu stellen (vgl. Brunner in Adolph/Brunner/Bannach, Waffenrecht, Stand Oktober 2020, § 6 WaffG Rn. 19 m.w.N.). Ein Rückschluss auf die mangelnde Eignung zum Umgang mit Waffen aufgrund der Nichtbeibringung eines Gutachtens ist nur gerechtfertigt, wenn die Aufforderung, ein solches beizubringen, selbst rechtmäßig war (BayVGH, B.v. 2.12.2020 - 24 CS 20.2211 - juris Rn. 22 m.w.N.). Vorliegend erscheint es bereits zweifelhaft, ob die Ereignismeldung der Polizei über den Vorfall am 26 Januar 2020 alleine überhaupt ausreicht, eine derartige Aufforderung zur amts- oder fachärztlichen oder fachpsychologischen Untersuchung zu begründen. Bloße unsubstantiierte Andeutungen Dritter über die geistige und körperliche Verfassung des Betroffenen sind keine Tatsachen im Sinne des § 6 Abs. 2 WaffG (vgl. Brunner a.a.O. Rn. 16). Wie oben ausgeführt ergibt sich aus der polizeilichen Meldung kein klares Bild, ob die Polizeibeamten selbst Feststellungen über die psychische Verfassung des Klägers getroffen haben oder ob die Auskunft lediglich die Aussagen der Mutter des Klägers widergibt. Da der Kläger diese bestreitet, hätte die Behörde zunächst im Rahmen der Amtsermittlung (Art. 24 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG) den Sachverhalt selbst aufklären und dies auch in dem Vorgang festhalten müssen, bevor sie dem Kläger aufgeben kann, selbst ein amts- oder fachärztliches bzw. fachpsychologisches Gutachten vorzulegen. Dies hätte auch durch die Einholung einer Auskunft des Gesundheitsamtes erfolgen können, soweit dieses über eigene Erkenntnisse verfügt, was dann aber auch entsprechend zu dokumentieren wäre. Hinzu kommt, dass die Gutachtensanforderung bereits mit dem Anhörungsschreiben vom 11. Dezember 2020 erfolgte, während die Nachfrage beim Gesundheitsamt erst am 22. März 2021 stattfand. Darüber hinaus ist, wie der Kläger zu Recht rügt, die Gutachtensanforderung auch deshalb rechtswidrig, weil die ihm für die Vorlage gesetzte Frist zu kurz und daher unverhältnismäßig ist. Es liegt auf der Hand, dass es dem Kläger nicht möglich war, innerhalb weniger Werktage einen Termin für eine amts- oder fachärztliche oder fachpsychologische Untersuchung zu bekommen, zumal in der Weihnachtszeit und darüber hinaus in einer Phase mit den höchsten Inzidenzwerten der Corona-Pandemie. Der Umstand, dass der Kläger auch in der Folgezeit kein entsprechendes Gutachten vorgelegt hat, führt zu keinem anderen Ergebnis.
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2. Die Rechtswidrigkeit des Widerrufs der Waffenbesitzkarte hat zur Folge, dass auch die in Ziffern 2 bis 6 getroffenen Anordnungen keinen Bestand haben können, da es sich bei diesen Verfügungen um Folgeentscheidungen zu dem in Ziffer 1 ausgesprochenen Widerruf handelt. Der Bescheid war daher vollumfänglich aufzuheben.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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4. Das Gericht hat die Berufung gegen dieses Urteil nicht zugelassen, weil die Gründe dafür nicht vorliegen (§ 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO).