Inhalt

VGH München, Urteil v. 15.07.2021 – 13 A 20.133
Titel:

Grundsätze der Kostenentscheidung nach erledigtem Widerspruch

Normenketten:
FlurbG § 44 Abs. 3 S. 3 Hs. 1, § 63 Abs. 1, § 65, § 144 Abs. 1 Alt. 1, § 147 Abs. 4
BayVwVfG Art. 80 Abs. 1 S. 5
Leitsätze:
1. § 68 Abs. 1 S.2 Nr. 2 VwGO ist auf die Konstellation einer Einstellung des Widerspruchsverfahrens). Im vorliegenden Fall ist allerdings ein das Widerspruchsverfahre analog anwendbar (Anschluss an BayVGH BeckRS 2010, 56782). (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es entspricht in der Regel der Billigkeit, den Verfahrensbeteiligten mit den Kosten zu belasten, der durch eigenen Willensentschluss die Erledigung veranlasst hat, ohne dass es darauf ankäme, ob darin in der Sache ein vollumfängliches Nachgeben zu sehen ist. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei einer Herbeiführung der Erledigung durch die Behörde und Erfolgsaussichten des Widerspruchs mit deutlicher Tendenz zugunsten des Widerspruchsführers kann nur eine vollständige Kostenübernahme der Billigkeit entsprechen. (Rn. 31 – 33) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Kostenentscheidung nach Erledigung im Widerspruchsverfahren, vorläufige Besitzeinweisung, Erschließungsanspruch, Änderung des Bescheids durch das Flurbereinigungsgericht, billiges Ermessen, Ermessensreduzierung auf Null, Kostenentscheidung, Erledigung im Widerspruchsverfahren
Fundstelle:
BeckRS 2021, 22522

Tenor

I. Der Bescheid des Beklagten vom 19. Dezember 2019 wird geändert. Der zweite Absatz der Nummer 2 dieses Bescheids wird wie folgt gefasst: Im Übrigen trägt der Freistaat Bayern die Kosten des Widerspruchsverfahrens.      
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Für die baren Auslagen des Gerichts wird ein Pauschsatz von 15,00 Euro erhoben. Das Verfahren ist gebührenpflichtig.     
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.     
IV. Die Revision wird nicht zugelassen. 

Tatbestand

1
Die Beteiligten streiten über die den Kläger betreffende Kostengrundentscheidung im Bescheid des Beklagten vom 19. Dezember 2019, mit dem das Verfahren über den Widerspruch des Klägers und dessen Ehefrau gegen die zweite Änderung der vorläufigen Besitzeinweisung eingestellt worden war.
2
Der Kläger und dessen Ehefrau sind Teilnehmer des am 17. Mai 1978 nach §§ 1, 4, 37 FlurbG von der damaligen Flurbereinigungsdirektion W. angeordneten Flurbereinigungsverfahrens P* …
3
An diesem Flurbereinigungsverfahren ist der Kläger unter anderem mit Einlageflurstück 583 (Abfindungsflurstück 3363) beteiligt. Auf diesem Grundstück befinden sich eine Wiese, Streuobstbestand und ein Bienenhaus. Zwischen diesem Grundstück und dem südwestlich gelegenen Hausgrundstück des Klägers (Flurnummer 590) befand sich bis zur Neuordnung im Flurbereinigungsverfahren eine Teilfläche des schmalen Flurstücks 589/3 ("Anliegergraben"). Über diesen Anliegergraben bestand von Osten her zumindest tatsächlich eine Zufahrt zum Einlageflurstück 583. Vom rückwärtigen Tor der Scheune auf dem Hausgrundstück führt eine Betonrampe zum Einlageflurstück.
4
Mit Bescheid des Amts für Ländliche Entwicklung U. (ALE) vom 7. Januar 1997 wurde der Wege- und Gewässerplan nach § 41 FlurbG planfestgestellt. Es war vorgesehen, dass über einen Grünweg Abfindungsflurstück 3363/1 unter anderem das klägerische Abfindungsflurstück 3363 erschlossen wird. Der Grünweg sollte zwischen Flurstück 586 (Grundschule) und dem Einlageflurstück 585 (Abfindungsflurstück 3361) zunächst nach Nordosten verlaufen, nach ca. 45 m nach Nordwesten abknicken und sodann unter "Zerschneidung" der Einlageflurstücke 585 (in Abfindungsflurstücke 3361 und 3361/1) und 584 (in Abfindungsflurstücke 3362 und 3362/1) sowie weiter entlang der Nordgrenze des klägerischen Abfindungsflurstücks 3363 verlaufen.
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Mit Bescheid vom 19. November 2009 ordnete das ALE die vorläufige Besitzeinweisung und deren sofortige Vollziehung zum 31. Dezember 2009 an.
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Aufgrund eines Widerspruchs eines anderen Teilnehmers änderte die Teilnehmergemeinschaft P* … (TG) den Neuverteilungsentwurf und den Plan nach § 41 FlurbG: Danach sollte ein öffentlicher Grünweg Flurstück 3363/1 im Bereich des ehemaligen Anliegergrabens FlNr. 589/3 (alt) zur Südostecke von Flurstück 3363 und entlang von dessen Ost- und Nordgrenze bis zu Flurstück 3364 führen. Das ALE erteilt mit Bescheid vom 30. September 2010 die Plangenehmigung für die Änderung des Plans nach § 41 FlurbG. Mit Bescheid vom 18. Oktober 2010 verfügte das ALE unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die erste Änderung der vorläufigen Besitzeinweisung.
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Am 14. Juni 2012 beschloss der Vorstand der TG den Flurbereinigungsplan, wonach das Abfindungsflurstück 3363 entsprechend der ersten Änderung der vorläufigen Besitzeinweisung von Osten über den Grünweg 3363/1 erschlossen werden sollte.
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Aufgrund erneuten Widerspruchs (der Rechtsnachfolger) des anderen Teilnehmers beschloss die TG am 8. Mai 2014, den Weg Flurstück 3363/1 ersatzlos entfallen zu lassen. Die Erschließung des klägerischen Flurstücks 3363 sei durch die Zufahrt über das Hausgrundstück 590 gesichert. Diesen Beschluss beanstandete das ALE mit Schreiben vom 26. November 2014, da nach § 44 Abs. 3 FlurbG Grundstücke durch Wege zugänglich gemacht werden müssten, was auch für das Flurstück 3363 gelte. Daraufhin beschloss die TG am 19. Juni 2015 eine Änderung des Flurbereinigungsplans: Statt des bisher vorgesehenen Wegs Flurstück 3363/1 sollte entlang der Ostgrenze des Abfindungsflurstücks 3387 ein Grünweg ausgewiesen (Flurstück 3387/1), eine Naturfurt über den Bach "… …" (Flurstück 1116) gebaut sowie ein Grünweg nach Süden über die Wiese zur Erschließung der Flurstücke 3363, 3364 und 3362 sowie entlang des Bachs zur Erschließung der Flurstücke 435 und 3359 angelegt werden (Flurstück 3363/1 neu). Zu dieser "Furtlösung" behandelte der Vorstand in der Sitzung am 19. Juni 2015 auch ein Schreiben der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft an den Pächter des Klägers vom 15. Mai 2015. In diesem wurde ausgeführt, dass der nach dieser Planung vorgesehene Weg wegen seiner Steigung und gemessen an den Richtlinien für den ländlichen Wegebau ungeeignet sei. Der Vorstand der TG führte zu dieser Stellungnahme unter anderem aus, dass es im Flurbereinigungsgebiet ähnliche Wege gebe, die teilweise noch steiler seien.
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Zu der in Umsetzung der "Furtlösung" erfolgten Planänderung vom 19. Juni 2015 fand am 17. September 2015 der Anhörungstermin statt, in dem der Kläger und dessen Ehefrau zu Protokoll einen Widerspruch erklärten. Am 25. September 2015 erfolgte ein Widerspruch mit Begründung. Mit Beschluss des Vorstands der TG vom 22. Oktober 2015 wurde der Ausbau mit dem vorstehenden Inhalt nach § 41 FlurbG beschlossen. Die Planänderung wurde vom ALE mit Bescheid vom 18. November 2015 genehmigt. Zudem passte das ALE die vorläufige Besitzeinweisung mit Bescheid vom 18. November 2015 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung zum 22. Dezember 2015 an den geänderten Flurbereinigungsplan an (zweite Änderung der vorläufigen Besitzeinweisung). Gegen diese zweite Änderung der vorläufigen Besitzeinweisung legten der Kläger und dessen Ehefrau am 16. Dezember 2015 Widerspruch ein.
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Mit Schriftsatz vom 16. Dezember 2016 erhoben der Kläger und dessen Ehefrau gegen die zweite Änderung der vorläufigen Besitzeinweisung vom 18. November 2016 Untätigkeitsklage (13 A 16.2547) sowie Untätigkeitsklage gegen die Änderung des Flurbereinigungsplans (13 A 16.2548). Ferner beantragten Sie hinsichtlich der zweiten Änderung der vorläufigen Besitzeinweisung die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs nach § 80 Abs. 5 VwGO (13 AS 16.2546).
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Mit Beschluss vom 23. Juni 2017 (13 AS 16.2546 - juris) stellte der Verwaltungsgerichtshof die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Klägers gegen die zweite Änderung der vorläufigen Besitzeinweisung vom 18. November 2015 im Bereich der Abfindungsflurstücke 3361, 3362 und 3363/1 wieder her. Werde einem Abfindungsflurstück die nach § 44 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 FlurbG erforderliche Erschließung verwehrt, könne dies vom Teilnehmer bereits im Rahmen der Anfechtung der vorläufigen Besitzeinweisung geltend gemacht werden. Die Erfolgsaussichten in der Hauptsache ließen sich ohne eine Inaugenscheinnahme der örtlichen Verhältnisse nicht hinreichend genau abschätzen. Es sprächen allerdings diverse Gründe dagegen, dass das klägerische Abfindungsflurstück 3363 über das Einlage-/Abfindungsflurstück 590 bzw. den Grünweg auf Abfindungsflurstücken 3363/1 und 3387/1 und die Furt erschlossen sei. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Beschluss vom 23. Juni 2017 (13 AS 16.2546 - juris) verwiesen, der den Beteiligen bekannt ist.
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Mit Beschluss vom 4. Januar 2018 wurde hinsichtlich der Untätigkeitsklage gegen die zweite Änderung der vorläufigen Besitzeinweisung (13 A 16.2547) sowie mit Beschluss vom 23. Januar 2018 hinsichtlich der Untätigkeitsklage gegen die Änderung des Flurbereinigungsplans (13 A 16.2548) jeweils das Ruhen des Verfahrens angeordnet, nachdem der Beklagte mitgeteilt hatte, es sei noch nicht absehbar, bis wann über die Widersprüche entschieden werde.
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Mit (bestandskräftigem) Beschluss vom 14. August 2018 ordnete das ALE unter Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 63 Abs. 1 FlurbG die vorzeitige Ausführung des Flurbereinigungsplans mit Wirkung zum 1. Oktober 2018 an. In Bezug auf den Kläger und seine Ehefrau wurde bestimmt, dass für diejenigen Flächen, für die der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 23. Juni 2017 (13 AS 16.2646) die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die zweite Änderung der vorläufigen Besitzeinweisung wiederhergestellt hatte, die bisherigen Besitz- und Nutzungsverhältnisse bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die gegen den Flurbereinigungsplan gerichteten Rechtsbehelfe bestehen blieben.
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Auf Nachfrage des Klägers und dessen Ehefrau mit Schreiben vom 30. Oktober 2018 zum Sachstand des Widerspruchs gegen die zweite Änderung der vorläufigen Besitzeinweisung teilte das ALE mit Schreiben vom 20. Dezember 2018 mit, dass es beabsichtigte, die Widerspruchsverfahren einzustellen, da sich die Widersprüche infolge der Anordnung der vorzeitigen Ausführung erledigt hätten. Mit Schreiben vom 7. Januar 2019 erklärte der Kläger, er stimme der Einstellung des Widerspruchsverfahrens zu, der Widerspruch der Ehefrau des Klägers werde zurückgenommen.
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Mit Bescheid vom 19. Dezember 2019, zugestellt am 23. Dezember 2020, stellte das ALE das Widerspruchsverfahren gegen die zweite Änderung der vorläufigen Besitzeinweisung ein (Nr. 1), entschied hinsichtlich der Kosten des Widerspruchsverfahrens, dass diese die Ehefrau des Klägers zu tragen habe, soweit diese durch deren Widerspruch verursacht worden seien, sowie dass - hier streitgegenständlich - im Übrigen die Kosten des Widerspruchsverfahren je zur Hälfte vom Kläger und vom Beklagten zu tragen seien (Nr. 2), entschied, dass Gebühren und Auslagen nicht erhoben würden (Nr. 3) und erklärte die Zuziehung eines Bevollmächtigten durch den Kläger für notwendig (Nr. 4). Der Widerspruch des Klägers gegen die zweite Änderung der vorläufigen Besitzeinweisung habe sich mit dem Eintritt des neuen Rechtszustands am 1. Oktober 2018 infolge der vorzeitigen Ausführungsanordnung vom 14. Oktober 2018 erledigt. Das Widerspruchsverfahren sei daher mit Zustimmung des Klägers einzustellen. Die den Kläger betreffende Kostenentscheidung beruhe auf Art. 80 Abs. 1 S. 5 BayVwVfG, § 147 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 FlurbG. Über die Kosten sei unter Berücksichtigung des bisherigen Sachstands nach billigem Ermessen zu entscheiden. Danach seien die Kosten zwischen dem Kläger und dem Beklagten hälftig aufzuteilen gewesen, da die Erfolgsaussichten des Widerspruchs offen gewesen seien. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Beschluss vom 23. Juni 2017 ausgeführt, dass bereits die vorläufige Besitzeinweisung einen Teilnehmer in seinen Rechen verletzen könne, wenn ein Abfindungsgrundstück entgegen § 44 Abs. 3 Satz 3 FlurbG nicht durch Wege zugänglich gemacht werde. Um sicher beurteilen zu können, ob bei Abfindungsflurstück 3363 ein Erschließungsmangel vorliege, der eine auch nur vorübergehende Nutzung unzumutbar mache, hätte es weiterer Sachverhaltsaufklärung bedurft. Dies betreffe die Frage, ob das Abfindungsflurstück 3363 durch die gemeinsame Grenze mit dem Hausgrundstück 590 bzw. die vorgesehene Zuwegung über die Flurstücke 3387/1 und 3363/1 unter Nutzung der Furt in einer den Anforderungen des § 44 Abs. 3 Satz 3 FlurbG genügender Weise erschlossen sei. Auch die Frage, ob die ortsübliche Nutzung des auf dem Abfindungsflurstück errichteten Bienenhauses eine PKWgeeignete Erschließung voraussetze, habe auf der Grundlage des aktuellen Sachstands nicht beantwortet werden können. Auch hätte im Falle einer nicht hinreichenden Erschließung noch näher geprüft werden müssen, ob dem Kläger die vorübergehende Hinnahme des Zustands nicht hätte zugemutet werden können. Das Abfindungsflurstück 3363 decke sich weitgehend mit dem Einlageflurstück 583, dessen Erschließung über den ehemaligen Anliegergraben Flurstück 589/3 als zweifelhaft angesehen werden müsse. Die vorläufige Besitzeinweisung in der Fassung ihrer zweiten Änderung habe dem Kläger im Vergleich zum Einlagenstand keine rechtlich gesicherte Erschließung genommen. Zu Fuß und mit Zweirädern sei ein Zugang möglicherweise durch die Scheune auf dem Hausgrundstück 590 über die Rampe möglich. Auf der Grundlage des aktuellen Sachstandes habe nicht abschließend beurteilt werden können, ob sich die Erschließungssituation des Abfindungsflurstücks 3363 durch die vorläufige Besitzeinweisung im Vergleich zum fast identischen Einlageflurstück 583 in einer Weise verschlechtert habe, die seine auch nur vorübergehende Inbesitznahme als unzumutbar erscheinen lasse.
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Gegen die den Kläger betreffende Kostengrundentscheidung in Nr. 2 des Einstellungsbescheids vom 19. Dezember 2019 hat dieser am 21. Januar 2020 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof - Flurbereinigungsgericht - erhoben. Die Erledigung sei vom Beklagten durch die Anordnung der vorzeitigen Ausführung des Flurbereinigungsplans einseitig herbeigeführt worden. Damit sei dem klägerischen Begehren vollumfänglich nachgegeben worden, das Widerspruchsverfahren habe sich gerade aus diesem Grund erledigt. Unabhängig davon könnten die Erfolgsaussichten in Anbetracht der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs nicht als völlig offen bezeichnet werden. Aus den Entscheidungsgründen ergäbe sich eine deutliche Tendenz dahingehend, dass eine hinreichende Erschließung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht anzunehmen sei. Der Kläger hat beantragt,
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den Beklagten unter entsprechender Aufhebung des 2. Absatzes der Ziffer 2 des Bescheids des Beklagten vom 19. Dezember 2019 zu verpflichten, die Kosten des Widerspruchsverfahrens im Übrigen zu tragen.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung hat er unter anderem vorgetragen, die Erfolgsaussichten der eingelegten Rechtsbehelfe seien offen gewesen. Das vom Kläger verfolgte Rechtsschutzziel sei nicht schon durch die Überleitungsbestimmung zur vorzeitigen Ausführungsanordnung erreicht worden. Das Obsiegen des Klägers im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes rechtfertige nicht die Einschätzung, seine Rechtsbehelfe wären in der Hauptsache mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erfolgreich gewesen. Der Verwaltungsgerichtshof habe seine Entscheidung nicht auf eine überwiegende Wahrscheinlichkeit des Obsiegens in der Hauptsache gestützt. Die Frage, ob der Grünweg Flurstücke 3387/1 und 3363/1 mit der Furt eine ortsübliche Bewirtschaftung des Flurstücks ermögliche, hätte die Widerspruchsbehörde nur mit sachverständiger Unterstützung beantworten können. Auch zur Beantwortung der Frage, ob die ordnungsgemäße Nutzung eines Bienenhauses die Anfahrbarkeit mit einem PKW samt Anhänger voraussetze, hätten die Widerspruchsbehörde externen Sachverstand heranziehen müssen. Hinzu komme, dass selbst im Fall einer verbesserungsbedürftigen Grundstückserschließung nicht ohne umfassende Würdigung aller Umstände des Einzelfalls von einer Unzumutbarkeit ausgegangen werden könne. Es könne nicht außer Acht gelassen werden, dass sich das Abfindungsflurstück 3363 weitgehend mit dem Einlageflurstück 583 decke. Es sei fraglich, ob das Flurstück im Einlagestand über eine Erschließung verfügt habe, die eine Bewirtschaftung mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen sowie eine Zufahrt mit PKW und Anhänger ermöglicht habe. Der Umstand, dass die Erledigung durch die vom ALE angeordnete vorzeitige Ausführung des Flurbereinigungsplans eingetreten sei, gebiete keine andere Wertung.
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Mit Schreiben vom 2. März 2020 hat der Beklagte seine Akten vorgelegt. Der Kläger hat mit Schreiben vom 22. März 2021, der Beklagte mit Schreiben vom 8. April 2021 auf mündliche Verhandlung verzichtet.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Über die Klage konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt hatten (§ 101 Abs. 2 VwGO).
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Die Klage ist zulässig und begründet.
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Dass vor Erhebung der Klage kein Widerspruchsverfahren durchgeführt worden ist (vgl. § 141 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FlurbG, § 68 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO), stellt die Zulässigkeit der Klage nicht in Frage. Einer Nachprüfung in einem Vorverfahren bedarf es nicht, wenn ein Abhilfebescheid oder der Widerspruchsbescheid erstmalig eine Beschwer enthält (§ 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 VwGO). Im vorliegenden Fall ist allerdings ein das Widerspruchsverfahren einstellender Bescheid ergangen. Die genannte Vorschrift ist jedoch auf diese Fallkonstellation analog anzuwenden (vgl. BayVGH, U.v. 20.4.2010 - 13 A 09.1463 - RdL 2010, 269 = juris Rn. 18 m.w.N.). Im Übrigen bedürfte es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eines Widerspruchsverfahrens ausnahmsweise auch dann nicht, wenn die Behörde - wie hier - in der Annahme handelt, ein solches sei nicht erforderlich (BVerwG, U.v. vom 13.1.1971 - V C 70,70 - BVerwGE 37, 87/88).
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Der Kläger hat einen Anspruch darauf, dass der Beklagte die Kosten des eingestellten Widerspruchsverfahrens hinsichtlich der zweiten Änderung der vorläufigen Besitzeinweisung vollständig zu tragen hat, soweit diese nicht den Widerspruch seiner Ehefrau betreffen. Das dem Beklagten hinsichtlich der Kostenentscheidung insoweit zustehende Ermessen ist aufgrund der Umstände des vorliegenden Einzelfalls auf Null reduziert.
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Der Senat ist hierbei als Flurbereinigungsgericht nicht wie nach §§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO im sonstigen Verwaltungsprozess auf eine Aufhebung und Verpflichtung der Behörde zur Änderung des Bescheids beschränkt. Vielmehr ist er gemäß § 144 Satz 1 Alt. 1 FlurbG selbst zur Änderung des Verwaltungsakts befugt und im Hinblick auf das in dieser Vorschrift zum Ausdruck kommende Gebot der Verfahrensbeschleunigung soweit möglich auch gehalten (vgl.: BVerwG, B.v. 10.5.2007 - 10 B 71.06 - RdL 2007, 221 = RzF 21 zu § 144; BayVGH, U.v. 3.5.2018 - 13 A 16.2397 - RzF 129 zu § 44 Abs. 1 Rn. 34; Wingerter/Mayr, FlurbG, 10. Aufl. 2018, § 144 Rn. 1 m.w.N.). Demgemäß war der zweite Absatz der Nummer 2 des Bescheids vom 19. Dezember 2019 aufgrund des klägerischen Antrags, an dessen Fassung der Senat nicht gebunden ist (§ 88 VwGO), entsprechend dem klägerischen Rechtsschutzziel wie tenoriert vom Senat selbst zu ändern.
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Für die Kostenentscheidung im Fall der Erledigung eines Widerspruchsverfahrens bei der oberen Flurbereinigungsbehörde gilt neben § 147 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 Satz 2 FlurbG im bayerischen Landesrecht ergänzend auch Art. 80 Abs. 1 Satz 5 BayVwVfG (siehe hierzu Mayr in Linke/Mayr, AGFlurbG, Art. 21 Rn. 4). Diese Vorschrift bestimmt: Erledigt sich der Widerspruch auf andere Weise, so wird über die Kosten nach billigem Ermessen entschieden; der bisherige Sachstand ist zu berücksichtigen. Wie eine Kostenentscheidung im Sinne des Art. 80 Abs. 1 Satz 5 BayVwVfG nach billigem Ermessen zu treffen ist, beurteilt sich nach den gleichen Grundsätzen, wie sie im Prozessverfahrensrecht zu § 161 Abs. 2 VwGO entwickelt wurden (BayVGH, U.v. 12.2.1982 - 23 B 80 A.2322 - NVwZ 1983, 615 m.w.N.; vgl. a.: VGH BW, U.v. 5.1.2005 - 2 S 1522/03 - VBlBW 2005, 281 = juris Rn. 20). Maßgeblich sind mithin die Erfolgsaussichten des Widerspruchs, aber auch, wer den Anlass für die Erledigung gegeben hat (BayVGH, a.a.O.; Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 161 Rn. 16 ff.).
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Daran gemessen entspricht es vorliegend allein billigem Ermessen, dass die Kosten des Widerspruchs des Klägers gegen die zweite Änderung der vorläufigen Besitzeinweisung vollständig vom Beklagten getragen werden. Das dem Beklagten insoweit grundsätzlich zustehende Ermessen ist aufgrund der Umstände des Einzelfalls auf Null reduziert:
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Dies folgt schon daraus, dass es in der Regel der Billigkeit entspricht, den Verfahrensbeteiligten mit den Kosten zu belasten, der durch eigenen Willensentschluss die Erledigung veranlasst hat (Schübel-Pfister in Eyermann, a.a.O., § 161 Rn. 18 m.w.N.). Vorliegend war Anlass dafür, dass die Beteiligten den Widerspruch des Klägers gegen die zweite Änderung der vorläufigen Besitzeinweisung übereinstimmend für erledigt erklärt haben, dass der Beklagte mit Beschluss vom 14. August 2018 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung gemäß § 63 Abs. 1 FlurbG die vorzeitige Ausführung des Flurbereinigungsplans mit Wirkung zum 1. Oktober 2018 verfügt hatte. Die Erledigung ist mithin aus Sicht der Beteiligten allein durch diese vom Beklagten angeordnete vorzeitige Ausführung des Flurbereinigungsplans eingetreten (wie letztlich auch der Beklagte in seinem Schriftsatz vom 20. Februar 2020 einräumt). Nicht entscheidend ist dabei, ob der Beklagte damit dem klägerischen Begehren vollumfänglich nachgegeben hat. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass es allein eine Entscheidung des Beklagten war, den zur Erledigung führenden Weg der Anordnung der vorzeitigen Ausführung des Flurbereinigungsplans zu gehen, statt über den seit 16. Dezember 2015 anhängigen Widerspruch des Klägers gegen die zweite Änderung der vorläufigen Besitzeinweisung zu entscheiden (und auch nicht über den seit 25. September 2015 anhängigen Widerspruch des Klägers gegen die Änderung des Flurbereinigungsplans). Hingegen hat der Kläger keinerlei Anlass gegeben, der zur Erledigung des Widerspruchsverfahrens geführt hätte. Schon deshalb entspricht es billigem Ermessen allein, dass die Kosten des Widerspruchsverfahrens, soweit diese den Kläger betreffen, vollständig vom Beklagten zu tragen sind. Ob eine vorzeitige Ausführungsanordnung unter faktischer Herausnahme der umstrittenen Zuwegung möglich ist bzw. ob die Regelung in einer Überleitungsbestimmung, dass für diejenigen Flächen, für die die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die vorläufige Besitzeinweisung wiederhergestellt worden war, die bisherigen Besitz- und Nutzungsverhältnisse bestehen bleiben, den Anforderungen des § 63 Abs. 2 Satz 2 FlurbG entspricht, bedarf hier keiner Entscheidung.
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Diesem Ergebnis steht das Kriterium der Erfolgsaussichten des Widerspruchs nicht durchgreifend entgegen: Zwar ist es richtig, dass der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 23. Juni 2017 (13 AS 16.2546 - juris), mit dem er die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Klägers gegen die zweite Änderung der vorläufigen Besitzeinweisung vom 18. November 2015 im Bereich der Abfindungsflurstücke 3361, 3362 und 3363/1 wiederhergestellt hatte, wiederholt ausgeführt hatte, dass sich die Erfolgsaussichten in der Hauptsache ohne Inaugenscheinnahme der örtlichen Verhältnisse nicht hinreichend genau abschätzen ließen (a.a.O., juris Rn. 40 ff.). Gleichwohl ist der Begründung des Beschlusses vielfach zu entnehmen, dass der Senat ganz erhebliche Bedenken hinsichtlich der Erschließung des klägerischen Abfindungsflurstücks 3363 hegte: So wird etwa ausgeführt, dass der Kläger "im Hinblick auf das Erfordernis einer offensichtlichen Unzumutbarkeit der auch nur vorübergehenden Nutzung des mit einer Besitzeinweisung nach § 65 FlurbG vorläufig zugewiesenen Grundstücks" mit dem Einwand einer Verletzung des § 44 Abs. 3 Satz 3 FlurbG "vorliegend möglicherweise auch durchzudringen" vermöge (a.a.O., juris Rn. 45). Gegen eine Erschließung über Flurstück 590 (Hausgrundstück) spreche, dass der Beklagte "in seiner Beanstandung vom 26. November 2014 selbst davon ausgegangen ist, dass dies nicht der Fall ist" (a.a.O., juris Rn. 46). Fraglich erscheine, "ob angesichts der grenzständig errichteten Scheune mit der limitierten Zufahrt durch diese hindurch und des Höhenversatzes zum Einlageflurstück eine ausreichende Zufahrt über das Hofgrundstück gegeben" sei. Hinzu komme, "dass das Freihalten der Zufahrt durch die Scheune diese ihrer eigentlichen Nutzung entziehen würde" (a.a.O., juris Rn. 53). Zur Erschließung von Norden her heißt es im Beschluss vom 23. Juni 2017 unter anderem: "Auch die in Folge der zweiten Änderung der vorläufigen Besitzeinweisung bestehende Erschließung dürfte keine ausreichende Zuwegung für die bestandskräftig baurechtlich genehmigte Nutzung des Bienenhauses darstellen. Hiergegen spricht zum einen schon die Steigung der Zufahrt, die nach dem insoweit nicht bestrittenen Vortrag des [Klägers] bis zu 20% beträgt. Auch das Schreiben der Landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft vom 15. Mai 2015 geht von einer entsprechenden Steigung aus. Dies würde erheblich über die Empfehlungen der Richtlinien für den Ländlichen Wegebau des Deutschen Verbandes für Wasserwirtschaft und Kulturbau e.V. (…) zu den Höchstlängsneigungen hinausgehen. (…) Soweit der Vorstand der TG in seinem Beschluss vom 19. Juni 2015 darauf verweist, dass es im Flurbereinigungsgebiet ähnliche Wege gebe, die teilweise noch steiler seien, dürfte diese Argumentation nicht geeignet sei, ein Abweichen von den RLW als anerkannten Regeln der Technik zu legitimieren" (a.a.O., juris Rn. 54). Erhebliche Zweifel werden im Beschluss auch hinsichtlich der erforderlichen Querung der … … durch die angelegte Furt deutlich (a.a.O., juris Rn. 55): "Die Querung der Furt dürfte zwar mit landwirtschaftlichen Maschinen bei normalem Wasserstand möglich sein. Mit einem PKW mit Anhänger dürfte die Querung auch bei normalem Wasserstand wohl nicht mehr zu bewerkstelligen sein. Die Voraussetzungen einer im Einzelfall ausreichenden Erschließung durch die Furt dürften nach dem derzeitigen Sachstand möglicherweise nicht vorliegen, insbesondere hinsichtlich der Nutzung des Bienenhauses und der hierfür erforderlichen Anfahrtsmöglichkeit mit einem PKW mit Anhänger." Daran gemessen ist dem Kläger beizupflichten, dass sich aus dem Beschluss des Senats vom 23. Juni 2017 - trotz des Vorbehalts, dass zur abschließenden Klärung eine Inaugenscheinnahme erforderlich sei - eine deutliche Tendenz dahingehend ergibt, dass eine hinreichende Erschließung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht anzunehmen ist.
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Soweit der Beklagte noch meint, offene Erfolgsaussichten des Widerspruchs ergäben sich im Hinblick auf die Frage, ob die Nutzung des Bienenhauses eine PKWgeeignete Erschließung voraussetze, ist darauf hinzuweisen, dass der Senat im Beschluss vom 23. Juni 2017 davon ausgegangen war, der Kläger habe die Notwendigkeit, das Einlageflurstück mit dem genehmigten Bienenhaus für die Imkerei regelmäßig mit einem PKW anzufahren, nachvollziehbar geltend gemacht (a.a.O., juris Rn. 51). Soweit der Beklagte außerdem die Frage aufwirft, ob dem Kläger die vorübergehende Hinnahme des Zustands einer nicht hinreichenden Erschließung nicht hätte zugemutet werden können, nachdem sich Einlageflurstück und Abfindungsflurstück weitgehend deckten und fraglich sei, ob das Einlageflurstück über eine hinreichende Erschließung verfügt habe, ihm also im Vergleich zum Einlagestand keine rechtlich gesicherte Erschließung genommen worden sei, ergeben sich auch hieraus entgegen der Auffassung des Beklagten keine offene Erfolgsaussichten des Widerspruchs: Im Beschluss vom 23. Juni 2017 hatte der Senat bereits ausgeführt, dass es für das Bestehen des Erschließungsanspruches gemäß § 44 Abs. 3 Satz 3 FlurbG unerheblich sei, ob die alten Grundstücke durch Wege erschlossen gewesen seien oder nicht (a.a.O., juris Rn. 49). Weiter hatte der Senat bereits dargelegt, dass der Kläger diesen Anspruch auf Einhaltung des in § 44 Abs. 3 Satz 3 FlurbG zwingend vorgeschriebenen Gestaltungsgrundsatzes grundsätzlich auch gegenüber einer vorläufigen Besitzeinweisung geltend machen könne, wenn er in ein Grundstück eingewiesen werden solle, das entgegen § 44 Abs. 3 Satz 3 FlurbG nicht durch Wege zugänglich gemacht sei, die eine ortsübliche Benutzung ermöglichen. Insoweit sei das Grundstück nicht nutzbar und damit eine auch nur vorübergehende Inbesitznahme bis zur Planausführung unzumutbar (a.a.O., juris Rn. 45 m.w.N.).
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Nach alledem ist festzustellen: Bei einer Gesamtwürdigung der Umstände des vorliegenden Einzelfalls - Veranlassung der Erledigung allein durch die Beklagte, Erfolgsaussichten des Widerspruchs zwar nicht abschließend bewertbar, aber doch deutliche Tendenz zugunsten des Klägers - entspricht es billigem Ermessen im Sinne von Art. 80 Abs. 1 Satz 5 BayVwVfG allein, dass die Kosten des Widerspruchs des Klägers gegen die zweite Änderung der vorläufigen Besitzeinweisung vollständig vom Beklagten zu tragen sind. Das dem Beklagten zustehende Ermessen ist aufgrund dieser Umstände des Einzelfalls auf Null reduziert.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 147 Abs. 1 FlurbG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
35
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
36
Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht war nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.