Titel:
Unzulässige Feststellungsklage: Wursthersteller als Betrieb der Fleischwirtschaft
Normenketten:
SchwarzArbG §§ 1 Abs. 3 Nrn. 3a, 6, 23
GSA Fleisch §§ 2 Abs. 1,6a, 7
AEntG § 6 Abs. 9
FGO § 41
Leitsatz:
Die abstrakte Rechtsfrage, ob die Klägerin unter den Anwendungsbereich des GSA Fleisch fällt, ist nicht durch eine Feststellungklage nach § 41 Abs. 1 FGO zu klären. Dies gilt sowohl für den gesamten Produktionsprozess der Wurstherstellung als auch für die einzelnen Betriebsabteilungen, die dabei mitwirken. Aus diesem Grund kann auch dahinstehen, welchen Betriebsabteilungen die Selbständigkeit zuzusprechen wäre, die für eine eigenständige Einordnung unter das GSA Fleisch notwendig wäre. (Rn. 84) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Zollverwaltung, Wursthersteller, Fleischwirtschaft, Kooperationsverbot, Fremdpersonal, Ordnungswidrigkeit
Rechtsmittelinstanz:
BFH München vom -- – VII R 24/21
Weiterführende Hinweise:
Revision zugelassen
Fundstelle:
BeckRS 2021, 22123
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1
Streitig ist vorrangig, ob die Klägerin unter den Anwendungsbereich des Gesetzes zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft (GSA Fleisch) fällt.
2
Die Klägerin ist Teil der Firmengruppe A, die an mehreren Standorten voneinander unabhängige Produktionsbetriebe unterhält. Am Standort 1 werden vor allem das Kernprodukt „Bratwürste“ aber auch andere Convenience-Produkte hergestellt. Sie beschäftigt in 1 ca. 215 Mitarbeiter, darunter 100 Zeitarbeiter, die von einem Personaldienstleister entliehen werden.
3
Das beklagte Hauptzollamt (HZA) ist in seinem örtlichen Bereich zuständig für die Prüfung der Einhaltung der Vorgaben des § 6a GSA Fleisch und hat entsprechende Befugnisse nach dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (SchwarzArbG).
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Die Klägerin hat am 16.02.2021 Feststellungsklage beim Finanzgericht München erhoben, die mit Beschluss vom 23.03.2021 an das Finanzgericht Nürnberg verwiesen wurde.
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Die Klägerin trägt vor, dass sie nicht unter das GSA Fleisch falle, weil sie keinen Betrieb und keine selbständige Betriebsabteilung der Fleischwirtschaft im Sinne von § 2 Abs. 1 GSA Fleisch i.V.m. § 6 Abs. 9 Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG) unterhalte, hilfsweise einzelne Betriebsbereiche nicht dem Bereich der Fleischverarbeitung gemäß § 6a Abs. 2 GSA Fleisch unterfielen und im Übrigen § 6a GSA Fleisch wohl verfassungswidrig sei.
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Es bestehe ein Rechtsschutzbedürfnis für die negative und zum Teil vorbeugende Feststellungsklage, da das Verbot des Einsatzes von Werkverträgen und Zeitarbeit in der Fleischwirtschaft in seiner Reichweite unklar sei, so dass die Klägerin als „klassischer“ Wurstproduzent dringend Rechtssicherheit benötige.
7
§ 2 Abs. 1 GSA Fleisch nehme auf § 6 Abs. 9 AEntG Bezug, in dem der Betrieb der Fleischwirtschaft definiert werde. Entscheidend sei, ob in dieser Regelung die Portionierung und Verpackung sich auf den letzten Verarbeitungsschritt am Fleischprodukt oder auch noch auf das hergestellte Nahrungsmittel beziehe. Im Anschluss an diese Abgrenzung müsse entschieden werden, ob in diesem Betrieb oder der selbständigen Betriebsabteilung überwiegend Fleisch verarbeitet werde. Hierfür sei auf die anfallenden Arbeitsstunden abzustellen.
8
Der Produktionsprozess bei der Klägerin reiche von der Produktionsplanung, dem Wareneingang (vorzerlegtes rohes Fleisch), der Chargierung, der Gewürzabteilung, der Kutterei, der Füllerei mit Kesselhaus/Räucherei, der Verpackung bis zum Versand. Im Bereich Convenience würden bereits gefertigte Fleischerzeugnisse mit sonstigen Produkten kombiniert bzw. vermischt. Daneben bestünden Abteilungen für Kistenwäsche, Technik, Kantine, Betriebsleitung und Azubis. Die Arbeitszeit am rohen Fleisch betrage weniger als 7,1% der Gesamtarbeitszeit (19.822 h von 280.055 h). Sofern man die Füllerei sowie Kesselhaus/Räucherei noch der Fleischverarbeitung zuordne, erhöhe sich der Anteil auf ca. 21% der Gesamtarbeitszeit.
9
Im Einzelnen stelle sich das für die Arbeitsstunden im Jahr 2020 wie folgt dar:
Bereich
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Stunden
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Wareneingang Fleisch
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Wareneingang TK Rohstoffe
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Chargierung
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Kutterei
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Füllerei, Kessel/Räucherei
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Gewürzabteilung
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Verpackung
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Versand
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Kistenwäsche
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Betriebsleitung
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Azubi
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Technik
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Produktionsplanung
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Kantine
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Convenience
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Gesamt
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10
Der Arbeitsanfall schwanke stark im Lauf des Jahres. Die Verkaufsmengen bewegten sich zwischen 25 und 140 t je Woche und seien kaum planbar. Die Fremdvergabe im Rahmen von Werkverträgen und Arbeitnehmerüberlassung sei daher bei der Klägerin eine betriebliche Notwendigkeit. Die Regelungen des GSA Fleisch würde, wenn sie auf die Klägerin zuträfen, zu einem existenzbedrohenden Umsatzrückgang von 50% führen.
11
Die Feststellungsklage sei zulässig.
12
Der Finanzrechtsweg sei gemäß § 6b Abs. 2 GSA Fleisch i.V.m. § 23 SchwarzArbG eröffnet. Die Zuständigkeit des Gerichts ergebe sich aus §§ 35, 38 FGO i.V.m. Art. 1 Abs. 2 Satz 2 Ausführungsgesetz zur FGO (AGFGO).
13
Die negative Feststellungsklage sei gemäß § 41 Finanzgerichtsordnung (FGO) statthaft.
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Das konkrete öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnis zwischen den Prozessparteien ergebe sich unmittelbar aus den selbstvollziehbaren Normen §§ 2, 6a Abs. 2, 6b, 7 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 bis 6 GSA Fleisch sowie § 1 Abs. 3 Nr. 6 SchwarzArbG, deren Normadressat nach Ansicht des Beklagten die Klägerin und deren Normanwender der Beklagte sei. Ein solches ergebe sich auch ab Inkrafttreten aus §§ 6a Abs. 3, 7 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 Nr. 6 bis 9 GSA Fleisch n.F. sowie § 1 Abs. 3 Nr. 3a SchwarzArbG n.F.
15
Ein Rechtverhältnis im Sinne des § 41 Abs. 1 FGO sei eine aus einem bestimmten Sachverhalt resultierende, aufgrund von Rechtsnormen geordnete rechtliche Beziehung zwischen Personen oder zwischen Personen und Sachen. Auch einzelne rechtliche Folgen einer solchen Rechtsbeziehung sowie Vorfragen, deren Klärung unmittelbar Rechte und Pflichten für die Klägerin begründet, können Gegenstand einer Feststellungsklage sein. Der BFH habe in V R 94/96 festgehalten, dass eine Vorfrage, deren Entscheidung der bestandskräftigen Unterwerfung einer Rechtsnorm (im dortigen Fall einer Steuerpflicht) gleichkomme, im Weg der Feststellungsklage geklärt werden könne.
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Die hier zu entscheidende Kernfrage, ob die Klägerin dem GSA Fleisch unterfalle, begründe unmittelbar konkrete Rechte und Pflichten für die Klägerin, die im Hinblick auf die Kontrollbefugnisse des Beklagten (ausschließlich) in Bezug auf das GSA Fleisch einer endgültigen Rechtsbeziehung zwischen der Klägerin und dem Beklagten gleichstehe.
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Ferner werde die Feststellung der Betroffenheit einzelner Betriebsbereiche der Klägerin von dem Geltungsbereich der § 6 Abs. 9 AEntG i.V.m. § 2 Abs. 1 GSA Fleisch sowie des Verbots in § 6a Abs. 2 GSA Fleisch unter Berücksichtigung des Überwiegensprinzips beantragt.
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Der Hilfsantrag beziehe sich auf einzelne Bereiche des Betriebs.
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Der Subsidiaritätsgrundsatz des § 41 Abs. 2 FGO sei gewahrt, da (noch) kein Verwaltungsakt bzw. Bußgeldbescheid vorliegen und auch kein Anspruch auf Erteilung einer rechtsverbindlichen Rechtsauskunft bestehe. Es drohe keine Umgehung einer Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage, sondern die Feststellungsklage sei der effektivste Rechtsschutz. Prüfungen durch das HZA erfolgten regelmäßig ohne Vorankündigung, weshalb ein Rechtsschutz gegen eine Prüfungsmaßnahme regelmäßig nicht in Betracht käme.
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Die Klägerin habe ein Feststellungsinteresse, da die Zollbehörden Wursthersteller als Betrieb der Fleischwirtschaft angesehen hätten und deshalb Sanktionen wie ein Bußgeld oder eine Wertabschöpfung drohten. Es stelle sich auch die Frage, ob die bisherige Zusammenarbeit im Konzern gegen das Kooperationsverbot nach § 6a Abs. 1 GSA Fleisch verstoße. Ein Verzicht auf Fremdpersonaleinsatz sei unumkehrbar und finanziell schwer belastend. Die Klägerin müsse wissen, ob der Betrieb als Ganzes oder zumindest bestimmte Betriebsbereiche für die Ermittlung des Überwiegensprinzips nicht dem Bereich der Fleischverarbeitung zuzuordnen seien. Der Klägerin sei bewusst, dass der Tenor mit den Entscheidungsgründen sich nur auf die aktuelle Situation beziehen und in Rechtskraft erwachsen könne.
21
Es entspreche allgemeiner Auffassung und der „Damokles-Rechtsprechung“, dass ein drohendes Bußgeld durch den Betroffenen gerade nicht abgewartet werden müsse, sondern schon vorab eine fachgerichtliche Entscheidung hierüber begehrt werden könne.
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Das Bundesverfassungsgericht habe im Beschluss vom 29.12.2020 (1 BvQ 165/20, 166/20, 167/20) darauf hingewiesen, dass viel dafürspreche, dass die Fachgerichte insofern ein berechtigtes rechtliches Interesse an der Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses als gegeben ansähen. Im dortigen Verfahren sei nicht dargelegt worden, warum es für die Antragstellerinnen unzumutbar wäre, zunächst vorbeugend eine erforderlichenfalls mit einem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz verbundene negative Feststellungsklage zu erheben, um die Verbindlichkeit der angegriffenen Verbote für sie zu klären. Das BVerfG habe die Klägerin auf die Art des Rechtsschutzes verwiesen.
23
Sollte die Klägerin als Unternehmen im Bereich der Fleischwirtschaft eingeordnet werden, so müsse sie die Kooperation mit den Verwaltungsgesellschaften der Unternehmensgruppe beenden. Dort werde festgelegt, in welchen Gesellschaften welche Produkte wie und nach welcher Rezeptur und mit welchen Verarbeitungsvorgängen hergestellt würden.
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Die Klägerin sei nicht vom Geltungsbereich des § 2 Abs. 1 GSA Fleisch i.V.m. § 6 Abs. 9 AEntG betroffen und unterliege somit nicht den dort angeordneten Pflichten und Einschränkungen.
25
Aus der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 sowie dem Leitfaden dazu ergebe sich, dass spätestens die hitzebehandelte Wurst weder Fleisch, noch Fleischzubereitung, sondern ein Fleischerzeugnis sei. Bereits die Herstellung des Wurstbrät in der Kutterei sei aufgrund der zugegeben Zutaten keine Fleischverarbeitung in diesem Sinne.
26
Die Gesetzbegründung zur BT-Drs. 18/910 (Änderung AEntG) erkläre zwar die Herstellung von Fleischerzeugnissen wie Würsten noch als Fleischverarbeitung, differenziere jedoch, ob das durch Schlachtung gewonnene Fleischprodukt als eines von mehreren Zutaten seinen Charakter als eigenständiges Produkt eingebüßt habe. In der Gesetzesbegründung zu BT-Drs. 19/32978 (GSA Fleisch) sei die Wurstherstellung mit keinem Wort erwähnt und sei deshalb auch nicht in der Motivation des Gesetzgebers gelegen.
27
Auch aus Gesichtspunkten des Arbeitsschutzes und der Arbeitssicherheit sei eine Unterscheidung zwischen Fleischverarbeitung, nämlich der unmittelbaren Bearbeitung von rohem Fleisch und dessen Portionierung mit gefährlichen Gerätschaften und dessen Verpackung einerseits, sowie andererseits der „messerlosen“ Weiterverarbeitung von Fleischerzeugnissen zu Nahrungsmitteln vorzunehmen.
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Aus dem eindeutigen Wortlaut des § 6 Abs. 9 AEntG gehe hervor, dass spätestens nachdem Nahrungsmittel hergestellt worden seien, deren weitere Verarbeitung, Portionierung und Verpackung gerade nicht mehr unter den Begriff der Fleischverarbeitung falle.
29
Eine differenzierte Betrachtung der einzelnen Abteilungen komme nicht in Betracht, da keine selbständigen Betriebsabteilungen vorlägen. Im Produktionsprozess würden alle Abteilungen arbeitsteilig zusammenwirken.
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Die Öffnungsklausel des § 6a Abs. 3 GSA Fleisch sei für die Klägerin betriebswirtschaftlich völlig ungeeignet und unrentabel und komme praktisch kaum zur Anwendung, da die Tarifvertragsparteien sich nicht auf den Abschluss eines einschlägigen Tarifvertrages für den betreffenden Bereich hätten einigen können.
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§ 6a GSA Fleisch sei verfassungsrechtlich bedenklich, da die Gründe für diese Regelung aufgrund von angeblichen Verstößen in einem einzigen Betrieb in Nordrhein-Westfalen lägen. Es fehle jedoch an einer ausreichenden Tatsachenbasis hinsichtlich der dokumentierten Gesetzesgründe. Das Gesetz sei weder geeignet, noch erforderlich und auch im engeren Sinne unverhältnismäßig, um die dargestellten Missstände zu verbessern. Dies gelte ebenso für das Kooperationsverbot, das zudem gegen den Bestimmtheitsgrundsatz nach Art. 103 Abs. 2 GG verstoße. Die Öffnungsklausel komme nicht zur Anwendung, da es nicht gelungen sei, einen Tarifvertrag abzuschließen. Die Klägerin sei darauf angewiesen flexibel auf Arbeitshäufungen zu reagieren.
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Die Klägerin hat beantragt,
Es wird festgestellt, dass die Klägerin am Standort 1 keinen Betrieb und keine selbständige Betriebsabteilung der Fleischwirtschaft im Sinne von § 2 Abs. 1 GSA Fleisch i.V.m. § 6 Abs. 9 AEntG unterhält und daher bei Zusammenarbeit mit Konzerngesellschaften und mit anderen Unternehmen auf Basis von Werkverträgen oder Arbeitnehmerüberlassung nicht gegen das Kooperationsverbot gemäß § 6a Abs. 1 GSA Fleisch verstößt, nicht dem Geltungsbereich des § 6a Abs. 2 GSA Fleisch unterfällt, nicht der Kontrollbefugnis des Beklagten gemäß § 6b GSA Fleisch unterliegt, nicht den Ordnungswidrigkeitstatbeständen von § 7 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 bis 6 GSA Fleisch unterfällt, keine illegale Beschäftigung im Sinne von § 1 Abs. 3 Nr. 6 SchwarzArbG ausübt;
ab dem 01.04.2021 nicht dem Geltungsbereich des § 6a Abs. 3 Satz 1 bis 4 GSA Fleisch n.F. unterfällt,
ab dem 01.04.2021 nicht der Anzeigepflicht des § 6a Abs. 3 Satz 5 bis 8 GSA Fleisch n.F. unterliegt,
ab dem 01.04.2021 nicht den Ordnungswidrigkeitstatbestand von § 7 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 Nr. 6 bis 9 GSA Fleisch n.F. erfüllt und ab dem 01.04.2021 keine illegale Beschäftigung im Sinne von § 1 Abs. 3 Nr. 3c SchwarzArbG n.F. ausübt;
Es wird festgestellt, dass für die Ermittlung des Überwiegensprinzips nach § 6 Abs. 1 AEntG die Produktionsschritte der Klägerin Produktionsplanung,
Füllerei, Räucherei/ Kesselhaus,
Kantine, Betriebsleitung und Azubi keine Fleischverarbeitung im Sinne von § 6 Abs. 9 Satz 3 AEntG darstellen.
Hilfsweise für den Fall der Feststellung, dass die Klägerin am Standort 1 einen Betrieb oder eine selbständige Betriebsabteilung der Fleischwirtschaft im Sinne von § 6 Abs. 9 AEntG unterhält, wird festgestellt, dass die einzelnen Betriebsbereiche laut Antrag Ziffer 2 nicht dem Bereich der Fleischverarbeitung gemäß 6a Abs. 2 GSA Fleisch unterfallen.
Äußerst vorsorglich ist festzustellen, dass der Beklagte nicht berechtigt ist, bei der Klägerin oder deren einzelnen Betriebsabteilungen die Einhaltung der Verpflichtungen nach § 6a und 6b GSA Fleisch zu prüfen.
33
Das beklagte HZA hat beantragt,
die Klage als unzulässig,
hilfsweise als unbegründet abzuweisen.
34
Hierzu hat es ausgeführt, dass es u.a. die Einhaltung der Pflichten des SchwarzArbG, der sozialversicherungsrechtlichen Meldepflichten und die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge sowie die Einhaltung Arbeitsbedingungen nach Maßgabe des Mindestlohngesetzes (MiLoG), des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (AEntG), des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) und auch die Vorgaben des Gesetzes zur Sicherung von Arbeitnehmerrechten in der Fleischwirtschaft (GSA Fleisch) prüfe. Bei der Verfolgung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten, die mit einem der in § 2 Abs. 1 SchwarzArbG genannten Prüfgegenstände unmittelbar zusammenhingen, würden die Beamten der Zollverwaltung im Strafverfahren insofern als Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft tätig.
35
Die Feststellungsklage sei unstatthaft.
36
Ein konkretisiertes Rechtsverhältnis liege zwischen der Klägerin und dem Beklagten nicht vor. Es handle sich vielmehr um einen nur gedachten Sachverhalt und letztendlich um die Klärung abstrakter Rechtsfragen, für die die Gerichte nicht zuständig seien. Es solle kein Rechtsverhältnis festgestellt werden, sondern ein einzelnes Tatbestandsmerkmal.
37
Der Subsidiaritätsgrundsatz des § 41 Abs. 2 FGO sei nicht gewahrt, da der Klägerin zugemutet werden könne, sich im Rahmen einer künftigen Anfechtungsklage gegen eine Prüfungsverfügung oder Prüfungsmaßnahme zur Wehr zu setzen.
38
Da kein konkretes Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Beklagten bestehe, sei die Beklagte auch nicht der Klagegegner i.S.d. § 63 Abs. 1 Nr. 3 FGO.
39
Ein Feststellungsinteresse bestehe nicht. Einem künftigen Bußgeldbescheid gehe eine rechtsbehelfsfähige Prüfungsverfügung voraus.
40
Die begehrte Feststellung könne nicht getroffen werden, da aufgrund der aktuell vorliegenden Umstände zu beurteilen sei, ob ein Betrieb der Fleischwirtschaft vorliege. Diese Umstände könnten sich laufend ändern.
41
Das Argument der zu kurzen Zeitspanne für die Umstellung greife nicht, da die Gesetzesänderung seit Jahren absehbar sei. Das GSA Fleisch führe nicht zu unrentablen und existenzbedrohenden Zuständen. Es bestünden zahlreiche Möglichkeiten Arbeitsspitzen zu kompensieren.
42
Die Klage sei auch unbegründet.
43
Die Klägerin falle in den Geltungsbereich des GSA Fleisch. Der Wortlaut des § 6 Abs. 9 Satz 3 AEntG sei so zu verstehen, dass die Fleischverarbeitung auch die Portionierung und die Verpackung des hergestellten Nahrungsmittels umfasse. In der Gesetzesbegründung sei die Wurstherstellung ausdrücklich als Fleischverarbeitung aufgeführt. Diese umfasse alle Produktionsschritte bei der Klägerin.
44
Die von der Klägerin dargestellten Tätigkeiten/Produktionsschritte sowie die auf diese entfallenden Arbeitszeitanteile würden bestritten und könnten nur durch Personenbefragungen und Prüfung von Geschäftsunterlagen verifiziert werden. Allenfalls die Konfektionierung, also die in Kartons verpackte Ware auf Paletten zu setzen und einzulagern, könnte der Fleischverarbeitung nicht zuzurechnen sein. Aus Sicht des Beklagten seien jedenfalls 68,66% der zu betrachtenden Gesamtstunden der Fleischverarbeitung zuzurechnen.
45
Die Klägerin sei mit der Wirtschaftsunterklasse 10.13.0 „Fleischverarbeitung“ bei der Deutschen Rentenversicherung registriert. Das BVerfG sei in seiner Entscheidung vom 25.01.2021 (1 BvR 2888/20) selbstverständlich davon ausgegangen, dass ein Unternehmen der Fleischwirtschaft vorliege.
46
Die Rückausnahmen für Handwerksbetriebe und Portionierung an der Fleischtheke zeigten den weiten Begriff der Fleischverarbeitung.
47
Die europarechtliche Definition von Fleisch sei irrelevant. Ein neues Produkt sei durch die Herstellung der Wurst gerade nicht entstanden.
48
Der Hilfsantrag zu 2 sei ebenfalls unbegründet, da - wie die Klägerin selbst vortrage - der gesamte Betrieb der Wurstherstellung diene.
49
Der Hilfsantrag zu 3 sei unbegründet, da das HZA selbstverständlich eine Kontrollbefugnis habe.
50
Die Klägerin hat nach Schluss der mündlichen Verhandlung mit Schriftsatz vom 21.07.2021 erneut dargelegt und mit weiteren Zitierungen belegt, warum nach der Rechtsprechung des BVerfG und der Verwaltungsgerichtsbarkeit ein feststellbares Rechtsverhältnis vorliege.
51
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20.07.2021 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
52
Die Klage ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet.
53
Aufgrund des nachgereichten Schriftsatzes vom 21.07.2021 ist die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 93 Abs. 3 Satz 2 FGO nicht geboten. Sie wäre dann angezeigt, wenn neue, entscheidungserhebliche Tatsachen oder Rechtsmeinungen vorgetragen würden, die eine Partei bisher unverschuldet nicht vorbringen konnte. Ein Verschulden könnte dann unbeachtlich sein, wenn mit einer evident unrichtigen Entscheidung gerechnet werden müsste (Tipke/Kruse, AO/FGO, § 93 FGO, Tz 9). Eine Wiedereröffnung wäre weiterhin erforderlich, wenn das rechtliche Gehör verletzt würde oder es einer weiteren Sachverhaltsaufklärung bedürfte.
54
Die Ausführungen des Klägervertreters nach Schluss der mündlichen Verhandlung enthalten jedoch keine neuen Tatsachen oder Rechtsansichten, die nicht bereits in der mündlichen Verhandlung erörtert worden wären.
55
Nach Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz ist effektiver Rechtsschutz zu gewähren, wenn jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt wird. Hinsichtlich des Anwendungsbereichs, der Maßnahmen und Entscheidungen aufgrund der GSA Fleisch wird dieser durch zwei Gerichtsbarkeiten gewährleistet.
56
§ 6a GSA Fleisch legt Unternehmern, in deren Betrieb geschlachtet wird, Schlachtkörper zerlegt werden oder Fleisch verarbeitet wird, bestimmte Pflichten auf. Nach § 6a Abs. 1 GSA Fleisch gilt ein Kooperationsverbot. In § 6a Abs. 2 und Abs. 3 GSA Fleisch wird der zulässige Einsatz von Fremdpersonal in Form von Selbständigen oder Leiharbeitnehmern eingeschränkt.
57
§ 6b Abs. 1 GSA Fleisch weist die Kontrolle der Vorgaben des § 6a GSA Fleisch den Behörden der Zollverwaltung und für § 6a Abs. 3 Satz 4 Nr. 1a GSA Fleisch der Bundesagentur für Arbeit zu. § 6b Abs. 2 GSA Fleisch nimmt hinsichtlich der Befugnisse der Kontrollbehörde, den Mitwirkungspflichten des Unternehmers und dem Rechtsschutz auf die Vorschriften des SchwarzArbG Bezug. Nach § 23 SchwarzArbG ist in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über Verwaltungshandeln der Behörden der Zollverwaltung nach diesem Gesetz der Finanzrechtsweg gegeben.
58
Gemäß § 7 GSA Fleisch stellen Verstöße gegen § 6a GSA Fleisch eine Ordnungswidrigkeit dar. Für die Verfolgung der Ordnungswidrigkeiten ist die sachlich und örtliche Verwaltungsbehörde zuständig (§§ 35ff OWiG). Diese entscheidet nach pflichtgemäßen Ermessen (§ 47 OWiG). Über einen Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid entscheidet das Amtsgericht, in dessen Bezirk die Verwaltungsbehörde ihren Sitz hat (§ 68 Abs. 1 OWiG), wenn das Zwischenverfahren nach § 69 OWiG nicht zur Zurücknahme des Bußgeldbescheides führt. Mit der Übersendung der Akten an die Staatsanwaltschaft gehen die Aufgaben der Verfolgungsbehörde auf die Staatsanwaltschaft über (§ 69 Abs. 4 OWiG). Die Beamten der Zollverwaltung werden im Strafverfahren als Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft tätig.
59
Der Hauptantrag zu 1 ist in den Punkten a), b), d), e), f), h) und i) unzulässig, da nicht die Feststellung eines konkreten Rechtsverhältnisses begehrt wird. Eine Feststellungsklage ist insoweit unstatthaft.
60
Mit einer Feststellungsklage nach § 41 Abs. 1 FGO kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder die Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).
61
Die Feststellungsklage muss ein Rechtsverhältnis betreffen. Rechtsverhältnis ist die sich aus einem konkreten Sachverhalt ergebende, aufgrund von Rechtsnormen geordnete rechtliche Beziehung zwischen Personen oder zwischen einer Person und einer Sache.
62
In der Regel lautet die entscheidende Frage, ob eine konkrete Finanzbehörde eine bestimmte Handlung vornehmen darf/durfte oder nicht bzw. ob den Steuerpflichtigen konkrete Pflichten treffen (sei es im Sinne einer Handlungs-, Unterlassungs- oder Duldungspflicht) (Krumm in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 166. Lieferung 05.2021, § 41 FGO, Rn. 3). Grundsätzlich muss es sich auch um ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis handeln, d.h. die Beteiligten darüber streiten, ob das Rechtsverhältnis besteht bzw. ob und inwieweit sich hieraus gegenwärtig Rechte und Pflichten ergeben (Krumm, a.a.O., § 41 FGO, Rn. 5 und 6).
63
Die begehrte Feststellung lt. Hauptantrag zu 1a) verbietet der Klägerin konkret, die gemeinsame, auch nicht arbeitsteilige Zusammenarbeit mit anderen Unternehmern. Diese Pflicht besteht jedoch nicht zwischen der Klägerin und dem beklagten HZA, sondern stellt ein grundsätzliches Verbot einer bestimmten Verhaltensweise dar. Vergleichbar einer Geschwindigkeitsbeschränkung besteht die Verhaltenspflicht nicht gegenüber der kontrollierenden öffentlichen Institution, sondern gegenüber der Allgemeinheit. Die Einhaltung wird daher nicht von der staatlichen Stelle eingefordert, sondern kann nur durch die Bußgeldbewährung indirekt eine bestimmte Verhaltensweise fördern.
64
Die begehrten Feststellungen in den weiteren Punkten b), d), e), f), h) und i) betreffen ebenfalls nicht das konkrete Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und dem beklagen HZA, sondern sollen das Ergebnis einer Subsumtion festschreiben.
65
Die Frage, ob die Klägerin in den Geltungsbereich des GSA Fleisch in der Fassung zum 01.01.2021 oder 01.04.2021 fällt, stellt kein Recht oder keine Verpflichtung gegenüber dem HZA dar.
66
Gleiches gilt für die Entscheidung, ob eine illegale Beschäftigung vorliegt und der Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit erfüllt ist. Neben der abstrakten Subsumtion unter den Anwendungsbereich müsste hier zudem der Einsatz von Fremdpersonal geprüft und beurteilt werden.
67
Die Feststellungen in den Punkten d) und h) betreffen zudem bußgeldrechtliche Fragen, deren Klärung nicht im finanzgerichtlichen Verfahren erreicht werden kann (Finanzgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16. Januar 2019 - 1 K 1174/17 -, Rn. 139, juris).
68
Ein konkretes Rechtsverhältnis in diesen Klagepunkten ergibt sich auch nicht aus der „Damokles-Rechtsprechung“ insb. der Verwaltungsgerichtsbarkeit.
69
Auch nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2016 - 2 C 18/15 -, Rn. 19, juris) ist der verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz grundsätzlich nicht vorbeugend konzipiert. Um den Grundsatz der Gewaltenteilung und das der Verwaltung zugewiesene Handlungsfeld nicht übermäßig und „anlasslos“ zu beeinträchtigen, setzt die den Gerichten übertragene Kontrollfunktion gegen Maßnahmen der Behörden grundsätzlich erst nachgelagert ein. Die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes erfordert daher regelmäßig den Erlass einer Maßnahme, der nachfolgend Gegenstand gerichtlicher Überprüfung ist. Vorbeugender Rechtsschutz gegen erwartete oder befürchtete Anordnungen der Verwaltung ist daher grundsätzlich unzulässig.
70
Etwas Anderes gilt indes nach Ansicht des BVerwG dann, wenn dem Betroffenen ein weiteres Zuwarten, ob und wie die Behörde tätig werden wird, nicht zugemutet werden kann und daher ein schutzwürdiges Interesse an einer alsbaldigen gerichtlichen Klärung besteht. Soll ein künftiger nachteiliger Verwaltungsakt oder ein sonstiges nachteiliges Verwaltungshandeln mit Hilfe einer sog. vorbeugenden Feststellungsklage vermieden werden, ist dies nur dann zulässig, wenn mit dem nachträglichen Rechtsschutz im Wege einer Gestaltungs- oder Leistungsklage nicht mehr korrigierbare Rechtsverluste verbunden sind, wenn also die vorbeugende Feststellungsklage zur Erreichung eines effektiven Rechtsschutzes unumgänglich ist. Nach Ansicht des BVerwG liegt eine derartige Ausnahmekonstellation insbesondere bei „drohenden Sanktionen“ vor, die an verwaltungsrechtliche Vorfragen anknüpfen, denn es ist nicht zumutbar, die Klärung verwaltungsrechtlicher Zweifelsfragen „von der Anklagebank herab“ führen zu müssen (BFH, Beschluss vom 30. September 2020 - VII B 96/19 -, Rn. 11ff, juris).
71
Die „Damokles-Rechtsprechung“ des BVerwG, die das Vorliegen eines feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses bejaht, hat zur Voraussetzung, dass durch die Drohung mit einer Strafanzeige Druck auf den Bürger ausgeübt werden soll, um ein bestimmtes verwaltungsrechtlich relevantes Verhalten des Bürgers zu erzielen (Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 25. Juli 2019 - 6 K 298/18 -, Rn. 34, juris).
72
Es kann dahinstehen, ob die Finanzgerichtsbarkeit dieser Rechtsprechung folgen würde, da die Finanzgerichtsordnung nur bestimmte Feststellungsklagen für zulässig erachtet. Im Streitfall liegen jedenfalls die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Rechtsprechung nicht vor. Das beklagte HZA hat sich bisher noch keine abschließende Meinung dazu gebildet, ob die Klägerin unter das GSA Fleisch fällt. Es hat auch noch keine Prüfungen nach § 6b GSA Fleisch durchgeführt und deshalb auch noch keine Verstöße gegen Verpflichtungen nach § 6a GSA Fleisch festgestellt. Folgerichtig hat es auch keine Drohung mit Strafanzeigen ausgesprochen, die ein bestimmtes Verhalten der Klägerin bewirken sollen.
73
Der Beschluss des BVerfG vom 29.12.2020 1 BvQ 165/20 schafft keine Rechtsgrundlage für eine Feststellungsklage eigener Art innerhalb der Finanzgerichtsordnung.
74
Dieses Verständnis eines feststellbaren Rechtsverhältnisses ergibt sich auch aus der Kontrollüberlegung, inwieweit effektiver Rechtschutz mit einer Feststellungsklage in Konstellationen dieser Art erreicht werden könnte.
75
Bereits die zeitliche Komponente der Feststellung spricht gegen Rechtschutz durch eine Klage auf Feststellung.
76
Die Klägerin möchte festgestellt haben, dass sie nicht unter das GSA Fleisch fällt. Hierzu trägt sie die Arbeitsabläufe und Stundenaufgliederung des Jahres 2020 vor, einem Jahr, in dem das GSA Fleisch noch nicht in Kraft war. Es mag sein, dass sie im Jahr 2021 bei Einreichung der Klage und möglicherweise auch im Zeitpunkt der Urteilsentscheidung den Betrieb in gleicher Art und Weise führte, wenngleich sie wohl zum 01.01.2021 von der Beschäftigung von Selbständigen absah. Fraglich ist jedoch, welche Zukunftswirkung ein Feststellungsurteil haben sollte. Die Klägerin hat dieses Problem erkannt und meint, der Tenor sei anhand der Entscheidungsgründe dergestalt auszulegen, dass die Zukunftswirkung sich auf den Tag der Urteilsfindung beschränken könnte. Damit erhielte sie jedoch nicht die gewünschte Rechtssicherheit, da das HZA bereits am nächsten Tag zu einer anderen Wertung des Sachverhalts kommen könnte.
77
Auch das FG Hamburg konnte diesen Konflikt in seinem Beschluss vom 20.05.2021 (FG Hamburg, Beschluss vom 20. Mai 2021 - 4 V 33/21 -, Rn. 65, juris) nicht befriedigend lösen.
78
Gegen die Zulässigkeit der Feststellungsklage spricht zudem die subjektive Komponente der Entscheidung.
79
Rechtskräftige Urteile binden die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger (§ 110 Abs. 1 Nr. 1 FGO). Die Klägerin möchte jedoch in erster Linie Rechtssicherheit, dass ihre Betriebsführung keine Ordnungswidrigkeit darstellt und sie deshalb weder eine Geldbuße noch eine Wertabschöpfung fürchten muss. Diese Sicherheit kann sie mit dem Feststellungsurteil nicht erhalten, da nicht auszuschließen ist, dass die Staatsanwaltschaft die Herrschaft über das Bußgeldverfahren übernimmt und ihre eigene Rechtsansicht zugrunde legt.
80
Letztendlich würde das Finanzgericht seine Entscheidungskompetenz überschreiten, wenn es verbindlich feststellen würde, dass die Klägerin keine Rechte und Pflichten nach dem GSA Fleisch verletzt oder verletzt hat. Das Finanzgericht kann nur über den Teilbereich des Verwaltungshandelns entscheiden. Die bußgeldrechtliche Prüfung und Entscheidung liegt jedoch jenseits des verwaltungsrechtlichen Handelns und ist durch die ordentliche Gerichtsbarkeit nachzuprüfen.
81
Der Hauptantrag zu 2 ist ebenfalls nicht im Rahmen einer Feststellungsklage statthaft.
82
Die begehrten Feststellungen a) bis j) betreffen kein konkretes Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und dem beklagten HZA. Mit der gewünschten Subsumtion sind keine Rechte und Pflichten zwischen den Beteiligten betroffen. Die obenstehenden Ausführungen zum Hauptantrag 1 gelten entsprechend.
83
Der Hilfsantrag zu 3 ist ebenfalls unzulässig.
84
Wie unter 3a) und 3b) ausgeführt, ist die abstrakte Rechtsfrage, ob die Klägerin unter den Anwendungsbereich des GSA Fleisch fällt, nicht durch eine Feststellungklage nach § 41 Abs. 1 FGO zu klären. Dies gilt sowohl für den gesamten Produktionsprozess der Wurstherstellung als auch für die einzelnen Betriebsabteilungen, die dabei mitwirken. Aus diesem Grund kann auch dahinstehen, welchen Betriebsabteilungen die Selbständigkeit zuzusprechen wäre, die für eine eigenständige Einordnung unter das GSA Fleisch notwendig wäre.
85
Der Hauptantrag zu 1g) ist unzulässig.
86
Zwar beschreibt dieser ein konkretes Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und dem beklagten HZA, da - sofern die Tatbestandvoraussetzungen dieser Norm erfüllt sind - eine unmittelbare Anzeigepflicht gegenüber dem HZA bestehen würde.
87
Die Klägerin hat jedoch kein berechtigtes Interesse an einer baldigen Feststellung (§ 41 Abs. 1 FGO), da diese Anzeigepflicht nur entstehen könnte, wenn im Rahmen der Öffnungsklausel des § 6a Abs. 3 GSA Fleisch die Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche Quoten für Leiharbeitnehmer vereinbaren würden und die Klägerin in den Geltungsbereich dieses Tarifvertrages fallen würde. Wie die Klägerin aber selbst vorträgt, kam ein solcher Tarifvertrag bisher nicht zustande.
88
Es ist daher auch nicht zu entscheiden, ob die Klägerin ein Feststellungsinteresse hätte, wenn ein solcher Tarifvertrag geschlossen würde, da dieser wohl mit der Fleischbranche vereinbart würde. Die Klägerin könnte sich daher wohl nur darauf berufen, wenn sie selbst einräumt, diesen Tarifvertrag als Mitglied der Fleischbranche übernommen zu haben und damit unter das GSA Fleisch zu fallen.
89
Der Hauptantrag zu 1c) ist unbegründet.
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Dieser beschreibt ein konkretes Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und dem beklagten HZA, da - sofern die Tatbestandvoraussetzungen dieser Norm erfüllt sind - eine unmittelbare Kontrollbefugnis des HZA gegenüber der Klägerin bestehen würde.
91
Diese Kontrollbefugnis entsteht aber bereits dann, wenn die hinreichende Möglichkeit besteht, dass die Klägerin unter den Anwendungsbereich des GSA Fleisch fällt. Diese Möglichkeit ist nicht von der Hand zu weisen, da im Unternehmen der Klägerin Fleisch verarbeitet wird und noch zu entscheiden ist, welche Arbeitsschritte darunter zu subsumieren sind und inwieweit das Überwiegensprinzip erfüllt ist. Ob - aus Sicht des HZA - die Klägerin unter den Anwendungsbereich des GSA Fleisch fällt, kann das HZA erst entscheiden, wenn es entsprechende Feststellungen vor-Ort im Unternehmen, anhand von eigenen Wahrnehmungen und vorhandenen Dokumentationen getroffen hat.
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Der Hilfsantrag zu 4 ist unbegründet.
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Dieser umfasst etwas weiter als der Hauptantrag zu 1c) die Kontrollbefugnis des HZA.
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Entsprechend den Ausführungen zu Punkt 10 genügt für die Befugnis die hinreichende Möglichkeit, dass der Anwendungsbereich des GSA Fleisch eröffnet ist.
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Zu dieser Ansicht gelangt auch das FG Hamburg (FG Hamburg, Beschluss vom 20. Mai 2021, a.a.O. Rn. 89, juris) unter Verweis auf die Entscheidung des BFH zur Prüfungsbefugnis im Hinblick auf das Mindestlohngesetz (BFH, Urteil vom 18.08.2020, VII R 34/18, Rn. 98, juris)
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Die Feststellungsklage war daher in allen Punkten abzuweisen.
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Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen, da sie mit ihrer Klage erfolglos blieb (§ 135 Abs. 1 FGO).
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Die Revision war wegen § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen.